Kirche

kirche
Häresie
Kreuzzüge
Orden
Päpste
Konstanzer Konzil
Lateranum 1
Lateranum 2
Lateranum 3
Lateranum 4
1. Lyoner Konzil
2. Lyoner Konzil
Konzil von Vienne
Konziliarismus
Ablass
Annaten
Benefizium
Epistel
Gottesfreunde
Gottesfriede
Gregorianische Reform
Immunität
Kirchenbann
Konsekration
Lateran
Mystik
Predigt
Sakrament
Simonie
Spiritualien
Temporalien
Transsubstantiation
Tritheismus

Chronik: 11., 12., 13., 14. Jh.

Allgemeine Entwicklung

Artikel Avignon. Exil

Die uns guot bilde solten geben,
die velschent gnuoge ir selber leben;
die hoehsten tragent uns lêre vor,
die manegen leitent in daz hor.

Freidank, S. 92/93
Die uns ein Vorbild sollten geben,
die führen jetzt ein Lotterleben.
Die Höchsten hört man Lehren verbreiten,
die uns zum Pfuhl der Sünden leiten.
Freidank 69,21
[28.11.04]

Chronik

11. Jahrhundert
12. Jahrhundert
13. Jahrhundert
14. Jahrhundert Alle Angaben: [Stein] (Seite) [7.11.04]

Allgemeine Entwicklung

  Nach einer Zeit der Abhängigkeit des Papsttums vom römischen und mittelitalienischen Adel (auch Saeculum obscurum) begann auf dem Hintergrund kirchlicher Reformbewegungen (Cluniazensische und Gorzer Reform; gregorianische Reform) mit den von Kaiser Heinrich III. designierten deutschen Päpsten des 11. Jh. der unmittelbare Aufstieg des Papsttums zur geistlichen Vormacht im Abendland. Das Kardinalskollegium entwickelte sich jetzt rasch zu einer Körperschaft, die fortan dem Papst in der Regierung der Gesamtkirche zur Seite stand (in engem Zusammenhang damit die Entstehung der röm. Kurie). Die (immer vorhandene) Gegensätzlichkeit der Auffassungen von königlicher und päpstlicher Gewalt führte unter Gregor VII. zum Konflikt mit Kaiser Heinrich IV. im Investiturstreit.
  Das verstärkte politische Engagement des Papsttums seit der gregorianischen Reform barg auch schwere Gefahren: "Verweltlichung", Macht- und Geldgier, übertriebene Zentralisation. Im Vordergrund der zweiten großen Auseinandersetzung des Papsttums mit dem Kaisertum, unter den Staufern, stand im 12. Jh. die kaiserliche Hoheit in Italien, dann der päpstliche Widerstand gegen die Vereinigung des Normannenerbes Sizilien mit dem staufischen Kaisertum. In der "geistlichen Weltherrschaft" Innozenz' III. erreichte das mittelalterliche Papsttum den Höhepunkt seiner Macht, doch waren die folgenden Pontifikate überschattet von den grausamen Kriegen gegen Katharer und Waldenser, von problematischen Kreuzzügen, vor allem von der sich verschärfenden Auseinandersetzung mit Kaiser Friedrich II. bis zum Vernichtungskampf gegen alle Staufer.
  Der "Schutz" seitens der von den Päpsten nach Italien gerufenen Anjou endete letztlich in der weitgehenden Abhängigkeit des Papsttums vom französischen Königtum: 1309-76 residierten die Päpste in Avignon (Avignonesisches Exil). Es erhob sich radikale, grundsätzliche Kritik am Papsttum selbst und an der politisch-gesellschaftlichen Ordnung ("Defensor pacis" des Marsilius von Padua, J. Wyclif, J. Hus u.a.). Das "Exil" hatte das Papsttum so geschwächt, daß es 1378 zum Abendländischen Schisma kam. Die Krise wurde verschärft durch den Konziliarismus (Konstanzer Konzil). [VoL 8, S. 611] [16.3.00]

Allgemeine Konzilien

Lateranum I. (1123)
  9. Allgemeines Konzil unter Kalixtus II.
Bestätigung früherer Dekrete über den Gottesfrieden und des Wormser Konkordats (s.a. Investiturstreit). [VoL 7, S. 9] Latein wird zur offiziellen Sprache erklärt und alle Klerikerehen für ungültig. [de Rosa, S. 543] [16.3.00]

Lateranum II. (ab 1139)
  10. Allgemeines Konzil unter Innozenz II.
Verurteilung des Schisma von Gegenpapst Anaklet (II.). Neudefinition der Simoniebestimmungen. Verdammung des Arnaldo da Brescia, der 1143 einen Aufstand des römischen Senats gegen den Papst ausgelöst hatte. Die damit beginnenden Wirren währten vierundvierzig Jahre (bis 1189). [Kühner, S. 65]
  Das Verbot der Priesterehe (von 1074) wird verschärft, indem die Geistlichen exkommuniziert und die Ehen für ungültig erklärt werden. [E2J, S. 63] [16.3.00]

Lateranum III. (1179)
  11. Allgemeines Konzil unter Alexander III.
Bestätigung des Frieden von Venedig. Neuordnung der Papstwahl im Sinne der Zweidrittelmehrheit. Verurteilung der neomanichäischen Irrlehren der Katharer, Waldenser und Albigenser. Heiligsprechungen bleiben endgültig dem Heiligen Stuhl vorbehalten. [Kühner, S. 67] Vorschriften zur Laienpredigt; Ausweitung des Kreuzzugsablasses. [VoL 7, S. 9] [16.3.00]

Lateranum IV. (1215)
  12. Allgemeines Konzil unter Innozenz III., eröffnet am 11. November.
Behandlung der Lehre der Albigenser und anderer Glaubensfragen (z.B. Transsubstantiation); Bestimmung, daß Juden besondere Kleidung tragen sollten. [VoL 7, S. 9] Anerkennung von Friedrich II., Maßnahmen gegen die Albigenser und Verurteilung einer Schrift des Joachim von Fiore. Beschluß zu einem weiteren Kreuzzug. [Kühner, S. 70 f.]
  Über 1200 Bischöfe, Äbte und Prälaten fassen außerdem den Beschluß, das Gottesurteil als Mittel der Rechtsfindung zu verbieten. Bislang war es üblich, Verdächtige mittels Feuer- und Wasserprobe zu prüfen. [STERN,3, S. 7]
  Außerdem wird bestimmt, daß Laien jährlich beim Gemeindepfarrer beichten müssen. [de Rosa, S. 543] [16.3.00]

1. Konzil von Lyon (28.6. - 17.7.1245)
  13. Allgemeines Konzil unter Innozenz IV.
mit etwa 100 Bischöfen vor allem aus Frankreich und Spanien. Das Konzil verabschiedete Dekrete über das kirchliche Prozeßrecht, die Wirtschafts- und Verwaltungsreform des kirchlichen Besitzes, die Kreuzzugsfrage und die Hilfe für das "Lateinische Kaiserreich". Am letzten Tag wurde Friedrich II. als Kaiser abgesetzt, wodurch der Streit zwischen Papst und Kaiser verschärft wurde. [VoL 7, S. 279] [16.3.00]

2. Konzil von Lyon (7.5. - 17.7.1274)
  14. Allgemeines Konzil unter Gregor X.
Mehr als 200 Bischöfe nahmen teil. Für den kommenden Kreuzzug (der dann nicht stattfand) bewilligte das Konzil den Zehnten aller kirchlichen Einkünfte für sechs Jahre. Zwecks Einigung mit der Ostkirche trafen am 24.6. die Gesandten des Byzantinischen Kaisers Michael VIII. Palaiologos ein. Sie erkannten das Primat der Römischen Kirche, das Filioque (wonach der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn ausgeht), die Lehre vom Fegefeuer und die sieben Sakramente an. Diese Union hatte jedoch keinen Bestand. Außerdem wurden neue Konklavebestimmungen verabschiedet, um eine erneute Vakanz wie bei der Wahl des jetzigen Papstes für die Zukunft auszuschließen. [VoL 7, S. 279; Kühner, S. 75] [16.3.00]

Konzil von Vienne (1311/12)
  15. Allgemeines Konzil unter Clemens V.
Auf Antrag aus Deutschland (wohl von rheinischen Prälaten) wurde der Status der Beginen generell verboten sowie das Tragen eines ordensähnlichen Habits unter Androhung der Exkommunikation. Das betraf zunächst die umherschweifenden Beginen und Begarden.

"Uns wurde berichtet, daß gewisse Frauen, die allgemein Beginen genannt werden, von einer Art Wahn ergriffen worden sind: Sie diskutieren über die Heilige Dreifaltigkeit und über das göttliche Wesen und vertreten in Fragen des Glaubens und der Sakramente Ansichten, die dem katholischen Glauben entgegengesetzt sind, wodurch sie viele einfache Menschen täuschen. Da diese Frauen niemandem Gehorsam schwören, nicht auf ihre Güter verzichten und keine Ordensgelübde ablegen, sind sie ganz sicher keine 'Nonnen', auch wenn sie einen Habit tragen und in loser Verbindung zu religiösen Orden stehen, die mit ihnen übereinstimmen. Darum haben wir mit Billigung des Konzils entschieden und beschlossen, daß ihre Lebensweise endgültig zu verbieten und aus der Kirche Gottes auszuschließen ist." [Libera, S. 229]

  Außerdem wurden Privilegien der Mendikanten (wie z.B. die Predigtvollmacht und das Beichthören) zurückgenommen bzw. erheblich eingeschränkt, was auch die Frauenseelsorge (cura monialium) der Predigerbrüder betraf. Dies nahm die Weltgeistlichkeit in vielen Gegenden zum Anlaß, nicht nur gegen die Beginen, sondern auch gegen Tertiaren der Bettelorden vorzugehen und den Mendikanten ihre geistliche Betreuung abzusprechen. Ebenfalls ins Gewicht fiel die Erneuerung der Bulle super cathedram Bonifaz' VIII. auf besonderen Wunsch der Bischöfe: Die Mendikanten mußten von den Gebühren für die Exequien, von Schenkungen oder Zuwendungen jeder Art anläßlich einer Krankheit oder des Todesfalls den vierten Teil an den zuständigen Pfarrer abliefern. Das traf die Dominikaner besonders (so wurden sie z.B. in Straßburg in 28 letztwilligen Verfügungen zwischen 1289 und 1332 24 Mal - zehn als Erben - bedacht), da sie zum einen über die eher "reicheren" Frauenklöster verfügten, andererseits aber aufgrund der zunehmenden Beginenverfolgungen immer mehr Konvente als Klöster übernehmen mußten, die alles andere als begütert waren. Noch hat der Orden eine kleine Schonfrist, da die Dekrete erst 1317 veröffentlicht werden. [Trusen, S. 21 f.]
  Außerdem wurde u.a. die Errichtung von Lehrstühlen für Hebräisch, Arabisch und Chaldäisch an den Universitäten Paris, Oxford, Bologna und Salamanca angeordnet. [Kühner, S. 82] [16.3.00]
  Einführung des Fronleichnam-Festes; dadurch wird die Monstranz beliebter Gegenstand des Kunsthandwerkes. [Stein, S. 578]

Konstanzer Konzil (5.11.1414 - 22.4.1418)
  16. Allgemeines Konzil.
Einberufen auf Initiative König Sigismunds durch Papst Johannes XXIII. Die Aufgaben des Konstanzer Konzils waren: Beilegung des Abendländischen Schismas ("causa unionis"), Überwindung der Häresie ("causa fidei") und Kirchenreform ("causa reformationis"). Über die "causa fidei" entschied das Konstanzer Konzil mit der Verurteilung der Lehren Wyclifs (4. Mai 1415) und dem Todesurteil gegen deren führende Vertreter Jan Hus und Hieronymus von Prag.
  In der "causa unionis" verkündete das Konstanzer Konzil in dem Dekret "Sacrosancta" die Superiorität der Synode über den Papst (auch Konziliarismus). Nach der Absetzung bzw. Rücktrittserklärung dreier Päpste wurde mit der Wahl Martins V. (11. Nov. 1417) die kirchliche Einheit wiederhergestellt. [VoL 6, S. 484] [16.3.00]

Begriffe

Ablass
  (Lat.: absolutio, indulgentia, remissio, relaxatio)
  Der Ablass entstand auf dem Boden der frühmittelalterlichen Bußpraxis in der lateinischen Kirche und wurde erstmals im 11. Jahrhundert in Frankreich gewährt. Zunächst noch mit dem Bußsakrament verbunden, wurde er im 13. Jahrhundert von diesem abgetrennt und in der Folge oft als »Bußersatz« missverstanden. Die Kommerzialisierung des Ablasses (Verkauf von Beichtbriefen) setzte im 14. Jahrhundert ein und erreichte am Anfang des 16. Jahrhunderts im planmäßigen, von der Kirche geförderten Ablasshandel ihren Höhepunkt.
  Theologischer Hintergrund des Ablasses ist die katholische Bußlehre mit ihrer Unterscheidung zwischen Sündenschuld und Sündenstrafe, wobei zwischen zeitlicher und ewiger Sündenstrafe (Hölle) unterschieden wird. Im Bußsakrament werden die Sündenschuld und die ewige Sündenstrafe (mit einem Teil der zeitlichen) vergeben; der noch ausstehende Teil der zeitlichen Strafe muss noch im irdischen Leben (durch auferlegte Bußwerke) oder im Fegefeuer »abgebüßt« werden. [BEO, gekürzt und umgestellt] [6.2.06]

Annaten
  Abgaben für vom Papst verliehene, nichtkonsistoriale Benefizien; sie entwickelten sich aus der Gewohnheit, bei der Ordination Geschenke zu machen. Später wurden daraus pflichtmäßige, nach dem Jahresertrag des Benefiziums berechnete Abgaben an den Papst. Seit Innozenz III. waren bei der Emennung und Bestätigung von Bischöfen und Äbten Annaten zu zahlen. Von der Mitte des 13. Jahrhunderts an wurden auch von den niederen Pfründen Annaten erhoben. Clemens V. forderte 1306 von allen vakanten und vakant werdenden Benefizien die Einkünfte des ersten Jahres. 1311 protestierte das Konzil von Vienne gegen die Erhebung der Annaten. Johannes XXII. beanspruchte die Annaten für alle von Rom zu besetzenden Benefizien. Seit dem Avignoner Exil kam es zu einer starken Vermehrung der Annaten. Das Konstanzer Konzil hob in seiner 25. Sitzung die Zahlung der Annaten bis zur Wiederherstellung der Einheit der Kirche auf. Konkordate zwischen Martin V. und den einzelnen Nationen regelten die Annaten-Frage zufriedenstellend für die Kurie. Das Basler Konzil untersagte 1435 die Einziehung von Annaten; eine Neuregelung erfolgte für Deutschland 1448 im Wiener Konkordat. Das Konzil von Trient beschränkte in seiner 24. Sitzung die Erhebung von Annaten auf Kathedral- und Pfarrkirchen mit entsprechend hohem Einkommen. R. Bäumer, [LdM I, Sp. 662] [7.11.04]

Benefizium
  [lat. "Wohltat"], Pfründe (ahd. pfruonta, aus mlat. provendra = praebenda "Unterhalt"), katholisches Kirchenrecht: ein Kirchenamt, das mit einer Vermögensausstattung (Land, Geldvermögen, laufende Einnahmen) verbunden ist, deren Erträge (Früchte) zum Unterhalt des Amtsinhabers (Benefiziat) bestimmt sind. Benefizien, die nicht zugleich versehen werden können oder von denen jedes zum Unterhalt des Inhabers ausreicht, sind miteinander "unverträglich" (Inkompatibilität); die früher vielfach geübte Häufung (Kumulation) der Benefizien ist daher praktisch unmöglich geworden. Beim Tod eines Benefiziaten wird teilweise den Erben ein Monatseinkommen als Gnadenzeit gewährt. Die höheren oder Konsistorialbenefizien umfassen die Kardinals- und Bischofsämter; ihre Verleihung ist dem Hl. Stuhl vorbehalten und erfolgt im Konsistorium. Die niederen oder Nichtkonsistorialbenefizien, darunter als größte Gruppe die Pfarrstellen, werden vom Ortsordinarius verliehen. Der Hl. Stuhl hat auf Vorschlag des Zweiten Vatikanischen Konzils 1966 auf seine Vorbehaltsrechte hinsichtlich der Kapitelsdignitäten und einiger Ausnahmefälle verzichtet; die für diese Rechte zuständige Apostolische Datarie ist 1967 aufgehoben worden. [BE, 10, S. 202] [7.11.04]

Epistel
  [gr.-lat.] 1. Sendschreiben, Apostelbrief im Neuen Testament.
  2. vorgeschriebene gottesdienstliche Lesung aus den neutestamentlichen Briefen und der Apostelgeschichte. [Duden, S. 214]
  In der katholischen Liturgie früher Bezeichnung für die erste Lesung der Messe. [VoL 3, S. 550] [30.5.01]

Gottesfreunde
  der Hl. Schrift entnommener Begriff, der Christen jedweden Standes, Berufes und Geschlechtes namentlich des 14. Jahrhunderts zusammenfaßt, die eine verstärkte Suche der Nähe Gottes, eine mystisch verklärende Gottesliebe auszeichnete und die Gebet, Meditation und tätige Nächstenliebe zu kleinen Gruppen zusammenführte. Als Seelenführer gewannen manche die großen Mystiker Oberdeutschlands (Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Johannes Tauler), in deren Umkreis die Gottesfreunde vornehmlich am Oberrhein, in Schwaben, der deutsch-sprachigen Schweiz, teilweise auch im Kölner Raum auftraten. Von den Mystikern inspiriert erweist sich auch das in aller Regel anonyme Schrifttum (z.B. »Der Gottesfreund vom Oberland«, das »Meisterbuch«), das sie verbreiteten: Predigten, Visionsliteratur (z.B. Mechthild von Magdeburg, »Fließendes Licht der Gottheit«), Traktate, Anleitungen zu mystischer Versenkung in Gott und zu praktischen Frömmigkeitsübungen, aber auch Briefe (erste deutschsprachige Briefsammlung). Da die Gottesfreunde einer festen Organisation entrieten, fiel es den einzelnen Gruppen schwer, ihre Rechtgläubigkeit zu beweisen. Aus dem gleichen Grund erscheint es nahezu unmöglich, sie gegenüber verwandten Phänomenen abzugrenzen und die spezifische Eigenart ihrer Spiritualität voll zu erfassen. J. Semmler, [LdM IV, Sp. 1586] [7.11.04]

Gottesfriede (s. 1085)
  (lateinisch Pax Dei), der befristete Waffenstillstand zwischen kämpfenden Gruppen zu den Zeiten religiöser Kultfeiern (z.B. der olympischen Spiele in Griechenland); im Mittelalter ein durch die Kirche unter Androhung von Kirchenstrafen gebotener Schutz für bestimmte Personen (z.B. Geistliche, Frauen, Waisen, Pilger) und Orte (Kirchen, Klöster). Zu dem Gottesfrieden trat der »Waffenstillstand Gottes« (lateinisch Treuga Dei), der die Fehden an bestimmten Tagen (z.B. den christlichen Hauptfesten) untersagte. Seit dem 12. Jahrhundert wurde der Gottesfriede durch den Landfrieden abgelöst. [PC-Bib] [7.11.04]

Gregorianische Reform
  Kirchliche Reformbewegung des 11./12. Jahrhunderts, benannt nach Papst Gregor VII., die sich zunächst gegen Simonie und Priesterehe wandte, dann jedoch bestehende Rechtsformen (Laieninvestitur, Kaiserrechte bei der Papstwahl) angriff; ihre Ergebnisse waren stärkere Abgrenzung der geistlichen und weltlichen Gewalt bei Betonung des geistlichen (päpstlichen) Führungsanspruchs und Bildung einer in sich geschlossenen, unter päpstlichem Primat stehenden kirchlichen Hierarchie (Kardinalskollegium, Kurie). [VoL 4, S. 702] [17.3.00]

Immunität
  [lateinisch] die, Recht: im Kirchenrecht seit dem 4. Jahrhundert die Befreiung kirchlicher Institutionen und Personen von einer öffentlichen Last (munus) und die Respektierung des Asylrechts geweihter Stätten (Kirchen) durch die öffentliche Gewalt; im Mittelalter die Steuerfreiheit des Kirchenguts und des Klerus. [PC-Bib]
  Eine Quelle adligen Machtgewinns war die Verleihung von Immunitäten (die auf antiken Brauch zurückging). Immunitätsgebiete wurden vor allem an Kirchen verschenkt und an die königliche Gefolgschaft. Kirchliche Immunitäten benötigten einen weltlichen Schutzherrn, den Vogt (von lat. advocatus = Anwalt). Die Immunität führte praktisch zur Verselbständigung der Gebiete, da der Immunitätsinhaber königliche Rechte gegenüber den Bewohnern beanspruchte, obgleich der König sich die Kontrolle vorbehielt. Häufig wurden berühmte Klöster und Bistümer mit Immunitätsrecht ausgestattet, so das Kloster Fulda. Aus den Großimmunitäten sind später die deutschen Territorien, die Landesherrschaften, entstanden. [B2, S. 77 f.] [7.11.04]

Kirchenbann
  Besserungsstrafe in der katholischen Kirche, die in der Exkommunikation aus der kirchlichen Gemeinschaft besteht. [VoL 6, S. 339] [17.3.00]

Konsekration
  [lateinisch consecratio, "Heiligung, Vergöttlichung"], in der Römischen Republik jede Übergabe einer Sache oder eines Ortes an eine Gottheit unter Mitwirkung des Staates, in der Kaiserzeit oder die Vergöttlichung des verstorbenen Kaisers.
  In der katholischen Kirche Weihe einer Person oder Sache, auch vor allem Bezeichnung für die Wandlung (Transsubstantiation) der christlichen Liturgie. [VoL 6, S. 477] [16.3.00]

Konziliarismus
  [lat.], Bezeichnung für die Auffassung, daß das Konzil und nicht der Papst allein die höchste Instanz in der Kirche sei. Der Ursprung des Konziliarismus liegt in der mittelalterlichen Kanonistik; praktische Bedeutung erlangte er im großen Abendländischen Schisma (Konstanzer Konzil). Trotz mehrfacher Verurteilung des Konziliarismus durch die Päpste wurden Gedanken des Konziliarismus bis zum 1. Vatikanischen Konzil (1869/70) immer wieder vertreten. [VoL 6, S. 499] [16.3.00]

Lateran
  [benannt nach den früheren Besitzern, der römischen Familie der Laterani], päpstlicher Palast und Basilika in Rom. Das 326 von Konstantin d. Gr. der Kirche geschenkte Gelände (mit Bauten) war bis 1308 päpstliche Residenz. [VoL 7, S. 9] Die Basilika San Giovanni wird heute noch als "mater et caput omnium ecclesiarum" (Mutter und Haupt aller Kirchen der Welt) bezeichnet. [E2J, S. 73] [16.3.00]

Mystik
  [griechisch] die, in der Religionsgeschichte eine in unterschiedlicher Ausprägung den Religionen gemeinsame Form religiösen Erlebens, die Erkenntnis Gottes aus Erfahrung (Cognitio Dei experimentalis), die Vereinigung (Unio mystica) mit ihm oder die Erkenntnis des Wesens der transzendenten Wirklichkeit sucht. Askese, Kontemplation und Meditation dienen der Vorbereitung auf dieses Ziel. In ihren Ausdrucksformen durch den Mystiker kann sie gefühlsbetont, sinnlich-rauschhaft oder intellektuell-spekulativ sein. Bedeutende Ausprägungen der Mystik sind in China der Daoismus, in Indien die Erlösungslehre des Vedanta (Shankara), in Japan der Zen-Buddhismus, im antiken Griechenland die Mysterienkulte, in der Spätantike der Neuplatonismus, im Judentum der Chassidismus und die Kabbala sowie im Islam der Sufismus. Im Christentum erscheint Mystik bereits im Neuen Testament v.a. bei Paulus und Johannes als Christus-Mystik, deren Ziel die unmittelbare Einheit mit Jesus Christus ist; seit dem Mittelalter oft in der Form der Passionsmystik, als Mitleiden mit Jesus. Die deutsche Mystik erlebte in der Frauenmystik des 12./13. Jahrhunderts (Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg, Gertrud von Helfta) und der philosophisch-spekulativen Mystik des 13./14. Jahrhunderts (Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Johannes Tauler) ihren Höhepunkt. Heute kann v.a. das zunehmende Interesse für Esoterik und verschiedene Formen östlicher Religiosität in den modernen Industriegesellschaften als Mystik im Sinne von Verlangen nach Transzendenz gedeutet werden. [PC-Bib] [7.11.04]

Predigt
  [Zu lat. praedicare "öffentlich bekanntmachen, laut verkündigen, bekennen, rühmen"], in den christlichen Kirchen die an die Sprache und - überwiegend - an Bibeltexte gebundene Form der Verkündigung, im heutigen Sprachgebrauch in erster Linie die im Gottesdienst stattfindende Kanzelrede. Die theologische Zielsetzung besteht darin, in einer dem Menschen verständlichen Sprache die biblische Botschaft zu vermitteln, um damit die Zuhörer zu einer Bewußtseins- und Verhaltensänderung ('Buße') zu veranlassen. In Entstehung und Vollzug ist sie an bestimmte Menschen und Situationen gebunden und bringt biblischen Text, Hörersituation und Person des Predigers in eine Wechselwirkung.
  Im Mittelalter unterschied man v.a. zwei Arten der Predigt: 1. den Sermo in gehobener, oft kunstvoller lateinische Rede als thematische Predigt, anknüpfend an die Traditionen der antiken Rhetorik; 2. die einfachere, schmucklose, volkssprachliche Homilie, die in ihrer pädagogisch-praktischen Zielsetzung an die Praxis der (v.a. griechischen) Kirchenväter anschließt. - Bedeutsam sind die Predigten der Bettelorden im 13. Jahrhundert mit ihrer volksnahen, oft derben Anschaulichkeit und lebendigen Rede (z.B. Berthold von Regensburg, vorgeprägt von Bernhard von Clairvaux [Kreuzzugs-Predigt mit Einfluß auf die Kreuzzugsdichtung]) sowie die späteren von Luther oder Abraham a Sancta Clara. Insgesamt ist die volkssprachliche Predigt, je mehr sie sich vom lateinischen Vorbild löste, von großer Bedeutung für die Herausbildung der deutschen Sprache und für die Entwicklung eines deutschen Prosastils. [VoL 9, S. 273] [4.6.01]

Sakrament
  [Von mittellateinisch sacramentum "religiöses Geheimnis", zu lateinisch sacramentum "Weihe, Verpflichtung (zum Kriegsdienst)"], Benennung wirksamer äußerer Zeichen (z.B. Wasser, Wein, Brot, Öl), die, in feierlicher Weise gespendet, göttliche Gnade und eine Kommunion zwischen der Gottheit und den Menschen vermitteln. In diesem Sinne sind Sakramente in sehr vielen Religionen bekannt. - Vor allem aber ist Sakrament ein wichtiger Begriff der christlichen Heilslehre, die darunter ein von Jesus Christus eingesetztes sichtbares Zeichen versteht, das dem Menschen die in der Erlösungstat Christi vermittelte Gnade Gottes weitergibt. Im Anschluß an Augustinus und die Frühscholastik setzte sich in der katholischen Kirche seit Mitte des 12. Jh. die Siebenzahl der Sakramente durch: Taufe, Firmung, Priesterweihe, die ein "unauslöschliches Merkmal" (Character indelebilis) verleihen und deshalb unwiederholbar sind, und Eucharistie (Abendmahl), Buß-Sakrament, Krankensalbung und Ehe. [VoL 10, S. 86] [16.3.00]

Simonie
  [Nach Simon Magus, der nach Apostelgeschichte 8, 9 ff. in Samaria als Zauberer auftrat ("Ein Mann aber, mit Namen Simon, befand sich vorher in der Stadt, der trieb Zauberei und brachte das Volk von Samaria außer sich, indem er von sich selbst sagte, daß er etwas Großes sei; dem hingen alle, vom Kleinen bis zum Großen, an und sagten: Dieser ist die Kraft Gottes, die man die große nennt. Sie hingen ihm an, weil er sie lange Zeit mit den Zaubereien außer sich gebracht hatte. Als sie aber dem Philippus glaubten, der das Evangelium vom Reich Gottes und dem Namen Jesu Christi verkündigte, wurden sie getauft, sowohl Männer als Frauen. Auch Simon selbst glaubte, und als er getauft war, hielt er sich zu Philippus; und als er die Zeichen und großen Wunder sah, die geschahen, geriet er außer sich."); von Philippus getauft, wollte er Petrus und Johannes die Gabe der Geistverleihung abkaufen; die Kirchenväter sahen ihn als Begründer des Gnostizismus an]. Verkauf oder Ankauf geistlicher Sachen (z.B. eines Amtes, einer Pfründe) gegen Entgelt. Nach römisch-katholischem Kirchenrecht wegen der damit verbundenen Herabwürdigung der geistlichen Sache verboten und unter Strafe gestellt; in der Kirchengeschichte jedoch häufig anzutreffen. [VoL 10, S. 539] [16.3.00]

Spiritualien
  [lateinisch], katholische Kirche: Bezeichnung für »geistliche Sachen«, z.B. Sakramente, kirchliche Ämter. - Weltliche (»zeitliche«) Sachen: Temporalien. [PC-Bib] [7.11.04]

Temporalien
  [lateinisch], katholische Kirche: Bezeichnung für weltliche (»zeitliche«) Sachen, den weltlichen Besitz und die weltlichen Hoheitsrechte einer Kirche (Abtei, Bistum u.a.). - »Geistliche Sachen«: Spiritualien. [PC-Bib] [7.11.04]

Transsubstantiation
  [Mittellateinisch], in der katholischen Theologie eine seit dem 12. Jh. gebräuchliche Bezeichnung für die Lehre von der Realpräsenz des ganzen und ungeteilten Christus in der Eucharistie (Abendmahl) in den beiden Gestalten von Brot und Wein, nach der in der Messe die Substanz von Brot und Wein durch Konsekration in die von Leib und Blut Christi "verwandelt" wird. [VoL 11, S. 549] [16.3.00]

Tritheismus
  Wo christlicher Glaube und ihn auslegende Theologie die numerische Einzigkeit und wesenhafte Einheit des dreipersonalen Gottes metaphysisch unzureichend fassen, zerfällt er in Tritheismus, einen Dreigötterglauben. Schon die alte Kirche ist sich dessen bewußt. Im Mittelalter deutet Roscelin von Compiègne († 1120/25) die göttlichen Personen als drei getrennte Wesen, drei Engeln vergleichbar, durch einheitlichen Willen und einende göttliche Macht zusammengefaßt. Person kann der Nominalist Roscelin nur als getrennte Substanz auffassen. Bei Joachim von Fiore († ca. 1202) kritisiert das IV. Laterankonzil, das göttliche Wesen nur als kollektive Einheit zu verstehen. In ihr sind die drei Personen lediglich durch einen Genus-Begriff, nicht aber in untrennbarer Einheit verbunden. Diese mit der Dreipersonalität Gottes zu vermitteln, ist zentrales Anliegen mittelalterlicher Trinitätstheologie, dabei gilt ihr der Tritheismus zusammen mit dem Modalismus (Sabellianismus) als bleibende Herausforderung. F. Courth, [LdM VIII, Sp. 1024] [5.3.07]

Artikel

Avignonesisches Exil (1309 bis 1376): Die Päpste in Avignon

Die Etablierung in Avignon
Avignonesische Blütezeit
Vorbereitungen zur Rückkehr nach Rom

  Nach dem Tod Kaiser Friedrichs II. 1250 schien das Papsttum die einzige übergeordnete Macht des Abendlandes zu sein. Die übersteigerten Ansprüche auf Suprematie gegenüber jeder weltlichen Gewalt, schon von Gregor VII. erhoben, wirkten nicht mehr so utopisch. Aber mit dem zunächst bedingungslos unterstützten französischen Königtum der Anjou erwuchs rasch ein neuer Konkurrent. Der unvermeidbare Konflikt, vordergründig ausgelöst durch die Steuererhebung König Philipps IV., die auch den Klerus einbezog, gipfelte päpstlicherseits in der Bulle Unam sanctam (1302) und der geplanten Absetzung des Herrschers. Dieser antwortete mit dem »Attentat von Anagni« (1303), der Gefangennahme Papst Bonifatius' VIII. Letztlich ging es bei dieser Auseinandersetzung um die seit dem 11. Jahrhundert immer deutlicher hervortretende Unterscheidung von »Staat« und Kirche. Sie führte zur weiteren Entsakralisierung der Herrscher und zu deren Widerstand gegen kirchlich-kuriale Eingriffe in ihren Machtbereich.
  Nach dem Tod Bonifatius' VIII. (1303) und nach dem kurzen Pontifikat Benedikts XI. wurde 1305 schließlich als Kompromisskandidat Bertrand de Got, der Erzbischof des unter englischer Herrschaft stehenden Bordeaux, zum Papst gewählt (Klemens V., 1305-14) und in Lyon gekrönt. Klemens V. beabsichtigte, nach Rom zu ziehen, blieb aber in Südfrankreich und traf 1309 in Avignon ein, ohne dort dauerhaft zu residieren. Dem englischen König Eduard I. kam er bei dessen Auseinandersetzung mit Kirche und Adel entgegen, indem er den oppositionellen Erzbischof von Canterbury suspendierte und Eduards Zugeständnisse an den Adel für nichtig erklären ließ. Das bisher von Italienern dominierte Kardinalskollegium wurde nun mehrheitlich französisch. 90 von insgesamt 110 bis 1375 eingesetzten Kardinälen waren Franzosen - Zeichen regionaler Verbundenheit, aber auch des Einflusses der französischen Könige. Klemens V. erkannte das Vorgehen Philipps IV. gegen Papst Bonifatius VIII. als weitgehend rechtmäßig an und ließ die gegen Frankreich gerichteten Bullen in den Registern tilgen.
  Überschattet wurde das Pontifikat Klemens' V. durch sein Verhalten bei der Vernichtung des Templerordens, der durch Reichtum und Macht Begehrlichkeiten geweckt hatte und in den Augen Philipps IV. durch seine exemte Stellung, d.h. die direkte Unterstellung unter den Papst, in Konkurrenz zum Aufbau der Nationalstaaten geriet. Philipp IV. ließ 1307 alle französischen Templer verhaften, die unter der Folter die ihnen vorgeworfenen moralischen Vergehen zunächst gestanden, später jedoch größtenteils widerrufen hatten. Klemens schloss sich dem Vorgehen Philipps an, konnte aber die angestrebte alleinige päpstliche Zuständigkeit für den Templerprozess nicht durchsetzen. Besonders schreckte Klemens die Drohung des französischen Königs, gegen Bonifatius VIII. einen Ketzerprozess eröffnen zu lassen. Noch vor dem Beginn des Konzils von Vienne (1311) - die Templer, nicht die innerkirchlichen Reformfragen waren das zentrale Thema -, begannen Hinrichtungen auf französischem Boden. Schließlich hob Klemens V. im April 1312 den Orden auf, da das Konzil den Tempelrittern eine nicht chancenlose Verteidigung gestatten wollte; der Templerbesitz wurde größtenteils den sich der Krankenpflege widmenden Hospitalitern zugesprochen. Vor allem in Frankreich verlief die Übergabe an die Johanniter gegen Entschädigungsleistungen für die Krone schleppend, soweit die Güter nicht ohnehin beim Krongut verblieben.
  Die Kaiserkrönung des deutschen Königs Heinrich VII. 1312 in Sankt Johann im Lateran durch päpstliche Legaten war auch Ausdruck des Bestrebens Klemens', ein Gegengewicht zum französischen König zu schaffen. Mit der Ernennung Roberts I. von Neapel zum Reichsvikar für Italien 1314 machte Klemens die päpstlichen Ansprüche auf Suprematie erneut deutlich. Zur Steigerung der Einnahmen forderte der Papst 1306 von allen in England, Schottland und Irland vakanten (unbesetzten) oder vakant werdenden Benefizien, d.h. Kirchenämtern, die für den Amtsinhaber mit Einkünften verbunden waren, die Einnahmen des ersten Jahres, die Annaten. 1326 dehnte Johannes XXII. diese Bestimmung als willkommene Einnahmequelle auf alle an der Kurie vakanten Pfründen aus.

Die Etablierung in Avignon
  Nach dem Tod Klemens' V. gelang erst nach zwei Jahren, in denen das Amt des Papstes unbesetzt blieb (Sedisvakanz), die Nachfolgeregelung: Im August 1316 wurde Jacques Duèse (Johannes XXII.) gewählt. Der bereits zweiundsiebzigjährige vermeintliche Übergangskandidat sollte den Stuhl Petri 18 Jahre besetzen. Unter seinem Regiment wurden die Finanzverwaltung und andere Teile der päpstlichen Regierung zentralisiert, die häufig kritisierte kirchliche Bürokratie ausgebaut. Zur Reizfigur wurde er indes wegen seiner politischen Vorgehensweise.
  Johannes XXII. hielt an dem Anspruch fest, dass der Papst nicht nur den Kaiser, sondern auch den deutschen König erst approbieren (anerkennen) müsse, bevor dieser sein Amt rechtmäßig ausüben könne. Nach der Doppelwahl von 1314 sandten Ludwig IV., der Bayer, und Friedrich der Schöne ihre Wahlanzeigen an die Kurie, ohne dass nach Beendigung der Sedisvakanz Reaktionen erfolgten. Auch in Oberitalien engagierte sich der Papst mithilfe französischer Truppen, besonders im Konflikt mit den Mailänder Visconti. Rechtsgrundlage seines Vorgehens war der Anspruch auf die Besetzung des Reichsvikariates, da es keinen legitimen Herrscher gebe. Als Ludwig IV. in Oberitalien auf Seiten Mailands militärisch eingriff, ging der Papst in die Offensive und ließ einen Prozess gegen ihn eröffnen. Ludwig verteidigte sich zunächst mit der Nürnberger Appellation und rief ein Konzil an, da er im Papst sicherlich zu Recht keine unabhängige Person sah. Trotz des Einspruchs Ludwigs und etlicher formaler Verfahrensfehler der Kurie setzte Johannes XXII. ihn 1324 ab und bannte ihn, allerdings ohne größere Folgen: Schon zu viele Herrscher waren exkommuniziert worden. Sämtliche anderen Rechte sprach ihm Johannes XXII. 1327 nach einer Verurteilung als Ketzer ab. Letztlich war es wohl ein Fehler Ludwigs gewesen, sich auf ein kirchenrechtliches Verfahren überhaupt eingelassen zu haben, zumal der Ablauf der juristischen Auseinandersetzung immer von Avignon bestimmt wurde und Ludwig stets in der formal schwächeren Stellung verblieb, selbst wenn er sich nie unterwarf.
  1328 ließ sich Ludwig in Rom durch Repräsentanten der Stadt zum Kaiser krönen, erklärte Johannes für abgesetzt und ließ einen sich nur kurz behauptenden Gegenpapst ausrufen. In der politisch-theologischen Auseinandersetzung konnte sich Ludwig IV. u.a. auf Marsilius von Padua, der die weltlichen Herrscher als alleinige rechtmäßige Inhaber der Gewalt sah, Wilhelm von Ockham und Michael von Cesena berufen. Bereits Dante leitete das Kaisertum direkt von Gott ab, betonte das höhere Alter des Kaiserthrones gegenüber dem Stuhl Petri. Konträr dazu hatte Ägidius von Rom eine ausgesprochen papalistische Position vertreten. Im Reich selbst entstand eine wachsende Distanz zur Kurie, die Beziehungen von Reich und Kirche konnten den veränderten Verhältnissen nicht angepasst werden. Mit den Beschlüssen des Kurvereins von Rhense und Ludwigs Reichsgesetz Licet juris von 1338 wurde bekräftigt, dass ein mehrheitlich gewählter König auch ohne päpstliche Approbation rechtmäßiger Herrscher war und die Kaiserkrone an die Königswahl gebunden blieb.
  Nachfolger Johannes' XXII. wurde der eng mit den Problemen der Kurie vertraute Kardinal und Zisterzienser Jacques Fournier als Benedikt XII. (1334-42). Im Reich verlor auch dieser Papst deutlich an Ansehen und Einfluss, Edikte der Kurie konnten kaum noch verkündet werden, während seine Anlehnung an die französische Politik in England zu ausgeprägter Distanz zu Avignon führte.
  Trotz der angeblichen Absicht, seinen Sitz wieder in Rom zu nehmen, begann Benedikt kurz nach seiner Amtsübernahme mit dem Bau des Papstpalastes in Avignon, wohin auch das päpstliche Archiv verlegt wurde. Sein Nachfolger Klemens VI. vollendete den neuen Palast, den Schauplatz prunkvollen Hoflebens Mitte des 14. Jahrhunderts. Grundsätzlich behielt Benedikt XII. die Benefizienpolitik seiner Vorgänger bei, verringerte aber etliche Missstände des Pfründenwesens, was zu deutlichen Einnahmeeinbußen führte. Neben diesen Reformansätzen gab er Erlasse (Konstitutionen) für Zisterzienser, Benediktiner, Franziskaner und Regularkanoniker [z.B. Prämonstratenser] heraus, die zwar innerhalb der Orden nicht nur auf Zustimmung stießen, aber in Teilen bis ins 16. Jahrhundert gültig blieben.

Avignonesische Blütezeit
  Unter dem Pontifikat Klemens' VI. (Pierre Roger, 1342-52) erreichte die Kurie einen Höhepunkt demonstrativer Machtentfaltung, was wiederum höhere Einnahmen erforderlich machte. Neben dem Rückgriff auf vorhandenes Vermögen wurde besonders das Provisions- und Expektanzenwesen ausgedehnt. Die Stadt Avignon wurde 1348 erworben und wuchs unter Klemens VI. zu einem der führenden Wirtschaftsplätze heran, an dem sich italienische Handels- und Bankgesellschaften ansiedelten. Der Papst, die Kardinäle und das gesamte Kurienpersonal bildeten ein kaufkräftiges Nachfragepotenzial.
  Politisch blieb Klemens VI. der französischen Krone verbunden: Als Erzbischof von Rouen war er Kanzler König Philipps VI. gewesen und als Papst förderte er Verwandte sowie Parteigänger aus dem Limousin, seiner Heimat. Im Konflikt mit Ludwig IV. verurteilte Klemens VI. diesen 1346 endgültig. Ludwigs Nachfolger, Karl IV., war ein Jugendfreund des Papstes, der seine Wahl zum Gegenkönig begünstigte. Rom und der Kirchenstaat wurden 1350 mit der Ausrufung des zweiten Heiligen Jahres - Bonifatius VIII. hatte es 1300 eingeführt - zufrieden gestellt; für die stadtrömische Bevölkerung war ein solches Jubeljahr finanziell attraktiv.
  Der von seinem Vorgänger protegierte Innozenz VI. (Étienne Aubert, 1352-62) reduzierte zwar wieder den höfischen Aufwand, ließ aber am Papstpalast weiterbauen. Immerhin traf er die Vorbereitungen für die Rückkehr der Päpste nach Rom. Unter dem Kardinallegaten Gil Álvarez Carillo de Albornoz wurde der Kirchenstaat unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel weitgehend befriedet. Das Verhältnis zum Reich gestaltete sich weiterhin konfliktfrei: Innozenz ließ Karl IV. in Rom zum Kaiser krönen und die Goldene Bulle von 1356, mit der päpstliche Ansprüche bei der Königswahl endgültig zurückgewiesen wurden, blieb zumindest offiziell unkritisiert.

Vorbereitungen zur Rückkehr nach Rom
  Urban V. (Guillaume Grimoard, 1362-70) konnte auf den Erfolgen seines Vorgängers bei der Reorganisation des Patrimonium Petri (Kirchenstaats) aufbauen. Endgültig reservierte er für die Kurie die Besetzung aller Patriarchal- und Bischofssitze, der Männer- und Frauenklöster ab einer bestimmten Höhe der Einkünfte. Als Hauptfeind in Italien sah auch er die sich in Oberitalien ausbreitenden Visconti, gegen die er sogar zum Kreuzzug aufrief. Nach dem Scheitern derartiger Pläne zeigte sich Urbans politische Lernfähigkeit: Unter Umgehung des stets gegen die Visconti eingestellten Albornoz erfolgte ein Friedensschluss mit Mailand. Trotz zahlreicher Widerstände verließ er 1367 Avignon und erreichte im Oktober Rom. Kaiser Karl IV. sollte als Schutzherr der römischen Kirche die Bemühungen unterstützen, zog aber erst im folgenden Jahr nach Italien. In Rom bereitete Urban V. erneut ein Bündnis gegen Mailand vor, aber auch die anderen italienischen Staaten befürchteten ein Vordringen des Kirchenstaates. Die ausbleibenden militärischen Erfolge gegen die Visconti führten letztlich zu einem für Urban enttäuschenden Friedensschluss. Die italienischen Konflikte trugen ebenso wie der neu ausgebrochene Krieg zwischen Frankreich und England zur Rückkehr Urbans V. nach Avignon 1370 bei, entscheidend war aber wohl das Scheitern seiner politischen Pläne.
  Trotz der Rückkehr Urbans V. konnte Avignon nicht mehr gegen Rom bestehen. Auch der Ende 1370 zum Papst gewählte und kurienerfahrene Kardinal Petrus Rogerii, ein Neffe Papst Klemens' VI., war zur Verlegung der päpstlichen Residenz entschlossen. Erst nach seiner Wahl wurde er Priester, erhielt die Bischofsweihe und nahm den Namen Gregor XI. an. Nach dem Bündnis zwischen Mailand und Florenz, das zudem die Aufständischen im Kirchenstaat unterstützte, verhängte der Papst das Interdikt über die toskanische Stadt, deren Handel empfindlich getroffen wurde. Gegen entschiedenen Widerstand auch der französischen Krone brach Gregor XI. im September 1376 von Avignon auf und zog im Januar 1377 in Rom ein, wohin zuvor schon Teile der Administration verlegt worden waren. Die Lage in Rom blieb wegen Auseinandersetzungen über das Stadtregiment kritisch und Gregor XI. schloss eine Rückkehr nach Avignon nicht aus, starb aber 1378. Mit Mailand und Florenz konnte sein Nachfolger Urban VI. kurze Zeit später Frieden schließen.
  Ein wesentliches Anliegen des avignonesischen Papsttums war der Ausbau der Kurie zu einer zentralen Kirchenregierung mit starker Bürokratie und ausgeprägter Finanzverwaltung, eine im Trend der Zeit zur allgemeinen Verwaltungsdifferenzierung und -modifizierung liegende Entwicklung. Umstritten blieben das zum Teil rigide Eintreiben von Finanzmitteln unter Verwendung geistlicher Strafen und die Zwecke der eingetriebenen Gelder, aber auch die Eingriffe in Abts- und Bischofswahlen und die trotz aller Spannungen verschieden stark ausgeprägte Abhängigkeit von der französischen Krone. Mit dem Wegzug aus dem italienischen Kirchenstaat hatte dieser seine Bedeutung als Finanzquelle verloren, während die Ausgaben stiegen und so neue Quellen erschlossen werden mussten.
  Zu den wichtigsten Einnahmeposten zählten die Abgaben von Äbten und Bischöfen (Servitien) und der halbe oder ganze Jahresertrag eines neu besetzten Benefiziums (Annaten); mit deutlichem Abstand folgten Zehnte, der bewegliche Nachlass von Klerikern (Spolien) und bestimmte Steuern (Subsidien). Auf der Ausgabenseite forderte neben Hofhaltung, Bauaufwendungen und laufenden Gehältern die Beteiligung an den italienischen Kriegen große Summen. Mit dem Transfer der durch Kollektoren eingezogenen Gelder waren zumeist die führenden italienischen »Bankhäuser« betraut. Trotz dieser Strukturveränderungen und breiter politischer Handlungsfelder agierten die avignonesischen Päpste natürlich auch weiterhin auf ihrem ureigenen theologischen Sektor; signifikante Unterschiede zu anderen Perioden dürften hierbei die Ausnahme geblieben sein.
  Ulf Dirlmeier, Bernd Fuhrmann, [PC-Bib] [7.11.04]
Lit.: Hubert Jedin (Hg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Band 2 und 3. Sonderausgabe Freiburg im Breisgau u. a. 1985.
- Heinz Thomas: Ludwig der Bayer (1282-1347). Kaiser und Ketzer. Graz u. a. 1993. [20.10.04]