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Berthold
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Koch
In seinen biographischen Studien über Meister Eckhart stellt Josef Koch, der im Jahre 1967 verstorbene Hauptherausgeber der lateinischen Werke des Meisters, zusammen, was an Lebensdaten über ihn bekannt ist, und hält Gericht über sie: Wieweit läßt sich das, was bisher als gesichert, als naheliegende Vermutung oder Wahrscheinlichkeit galt, halten? Daneben erschließt er durch scharfsinnige Interpretation oft kleinster Bemerkungen des Meisters ganz neue Lebensbereiche für ihn.(1) Er konnte das auf Grund seiner langjährigen Forschungsarbeit über das geistige Mittelalter, die ihm Vergleichsmöglichkeiten mit ähnlich gelagerten Begebenheiten, Rückschlüsse auf Zeitereignisse oder auch sprachliche Anhaltspunkte bot. Zudem war ihm als Dominikaner der Entwicklungsgang eines Mönchs innerhalb des Ordens - auch wenn sich die Lage gegenüber dem Mittelalter noch so sehr verschoben haben mag - sehr viel vertrauter und gegenwärtiger, alte Ämter und Positionen viel mehr mit Leben erfüllt als einem Außenstehenden.
Das Schwergewicht Josef Kochs liegt daher auch auf dem Bildungsgang des Meisters und seiner Stellung innerhalb des Ordens, sodann auf einer Analyse der Prozeßgeschehnisse. In einem seiner Urteile scheint mir Josef Koch zu scharf zu Gericht gegangen zu sein. Zu ihm möchte ich hier Stellung nehmen.
Das Urteil Kochs, das sich m. E. nicht halten läßt, betrifft die Herkunft des Meisters. Wenn er hier zu dem Ergebnis kommt, daß über den Meister nichts weiter ausgesagt werden könne, als daß er aus dem einen der beiden thüringischen Dörfer Hochheim stamme und sicherlich kein Angehöriger "derer von Hochheim" war, so kann ich mich dem nicht anschließen [Vgl. Koch, n. 4]. Der Meister stammt aller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt nicht aus Hochheim und sein Name "von Hochheim" ist nicht Herkunftsname, sondern Eigenname gewesen.
Zu diesem Ergebnis kam ich durch einen kleinen Aufsatz von Johannes Biereye (2) bzw. Heinrich Hess (3), auf den mich Herr Kirchenarchivrat Dr. Erich Wiemann in Erfurt aufmerksam machte, und durch die Anregungen, die davon ausgingen. Die Urkunden, die Biereye/Hess benutzten, sowie die von Wangenheimschen, auf die der letztere in seinen Nachlaßnotizen hinweist, waren Koch unbekannt. Wieweit sie überzeugen, ist eine andere Frage. Ich möchte sie nur in die biographische Forschungsarbeit einbeziehen. - So unwichtig es grundsätzlich sein mag, ob der Meister aus dem Dorfe Hochheim oder einem anderen Orte stammt, ob er ein Angehöriger der Familie von Hochheim oder ein sonstiger Dorfbewohner war, die Urkunden spiegeln - mehr noch als der Aufsatz - ein Stück seiner heimatlichen Umwelt wider und erhalten dadurch einen biographischen Wert.
Mein Ausgangspunkt war der, mir die Dörfer Hochheim sowie die Erfurter Stätte seines Wirkens einmal anzusehen, um etwas Lokalkolorit zu gewinnen. In Kürze gesagt: in den beiden Dörfern findet man keinerlei Hinweis auf die gesuchte Vergangenheit. Das Dorf Hochheim bei Erfurt ist heute eingemeindet. Es wurde von Denifle als eins der fünf Küchendörfer des Erzbischofs von Mainz bezeichnet und als Geburtsort abgelehnt. Das Dorf Hochheim bei Gotha - bisher als der wahrscheinlichste Geburtsort angenommen - weist an Altertümern auf: eine Kirche mit der Jahreszahl 1760, darin in einer Blechbüchse aufgehobene Gebeine des Hl. Nikolaus, sowie einen in einem Graben aufgefundenen Wappenstein, der mit dem Wappen der Hochheims nichts zu tun hat. Sehr viel eindrucksvoller war mein Aufenthalt in Erfurt. Hier, in der Predigerkirche, ist ein Stückchen lebendiger Welt des Meisters eingefangen und lebt noch dort. Es ist meines Wissens zudem die einzige Eckhart-Stätte, die noch besteht. Das Kölner und das Straßburger Kloster sind zerstört.
Es mag an der Form der Veröffentlichung gelegen haben, daß der erwähnte Aufsatz völlig unbekannt geblieben ist: eine vervielfältigte Schreibmaschinenarbeit von 5 Seiten, erschienen in dem Monatsblatt "Die Thomaskirche", Erfurt, September 1927. Der Titel lautet:"Wie fand man, daß Meister Eckehart, der gemütstiefe deutsche Denker, ein Sohn Thüringens war?" Heimatkundliches Interesse ist vorherrschend. Im übrigen geht aus einem Nachlaßbrief an Hess hervor, daß der bekannte Eckhart-Forscher Otto Karrer sich um dieses Material bemüht hat. Es wurde ihm aber nicht zugänglich gemacht, da man selbst publizieren wollte.
Hess ist in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit den Spuren Denifles nachgegangen und hat seine Notizen dann Biereye anvertraut, da er sie wegen Erkrankung selbst nicht mehr ausarbeiten konnte. Er starb im gleichen Jahr. Da ich die Entdeckungen Denifles nicht als bekannt voraussetzen kann, berichte ich erst einmal kurz über diese, soweit sie die Herkunft des Meisters betreffen.
Denifle
Der Dominikanerpater Heinrich Denifle fand um 1889 in der Erfurter Bibliothek Amploniana eine lateinische Predigt des Meisters aus der Zeit seines Pariser Aufenthalts. Sie hat folgende Schlußbemerkung: "Iste sermo sic est reportatus ab ore magistri echardi de hochheim die beati augustini parisius." (Diese Predigt hielt Magister Eckart von Hochheim am Tage des Hl. Augustinus zu Paris.) Bedeutsam für die Herkunft des Meisters ist daran, daß er als ein "de Hochheim" bezeichnet wird. Einen weiteren Hinweis fand Denifle in einer Urkunde aus dem Kopialbuch des Zisterzienserinnenklosters zum Hl. Kreuz in Gotha.(4) In ihr vermacht der verstorbene Herr Eckehart, Ritter, genannt von Hochheim, im Jahre 1305 diesem Kloster eine Hufe Land im Buflebener Felde mit der Bestimmung, für ihn und seine Frau jährlich je ein Jahrzeitgedächtnis zu halten. Die Tage für diese Messen werden festgelegt, und die Urkunde wird besiegelt für den Spender durch den "hochwürdigen Magister Eckhart, Provinzial der Brüder des Predigerordens der Provinz Saxonia", für den Empfänger durch den Konvent des Klosters.
Denifle schreibt dazu: "Es wäre weniger auffallend, daß auch Meister Eckehart die Urkunde beglaubigt hat, wenn das Kreuzkloster ein Dominikanerkloster gewesen wäre, d. h. wenn es demselben Orden angehört hätte wie Meister Eckehart, denn es hätte dann dem Provinzial der sächsischen Provinz, in unserem Falle Meister Eckehart, unterstanden. So aber finden wir für die obige Tatsache keinen anderen Grund, als daß Meister Eckehart zum Eckehardus miles de Hochheim in verwandtschaftlicher Beziehung stand, vielleicht dessen Sohn war und in der erwähnten Urkunde als Repräsentant der Familie Eckehart zu Hochheim und ein solcher durfte ja in einer derartigen Urkunde nicht fehlen - fungiert." Aus weiteren Angaben der Urkunde schließt er dann, daß das Hochheim, in dem der Meister geboren wurde, kein anderes als das des Ritters Eckehart, zwei Stunden von Gotha, gewesen sein kann.
Nach diesen beiden Entdeckungen Denifles, zusammen mit Erwägungen, die Wilhelm Preger (5) bereits vor Denifle von dem Heimatkloster Erfurt her auf seine Herkunft aus Thüringen zog, schien es so gut wie gesichert, daß der Meister aus einem in dem Thüringer Dorf Hochheim bei Gotha ansäßigen ritterlichen Geschlecht namens von Hochheim stamme und dort geboren sein müsse.
Diese Annahme wurde von Josef Koch (1959) in den oben erwähnten "Studien" in Frage gestellt. Seine Einwendungen muten etwas spitzfindig an, haben aber die ganze Autorität seiner Forscherpersönlichkeit hinter sich. Sie sollen daher zuerst einmal eingehend erörtert werden. Fest steht auch für ihn, daß der Meister als Vertreter der Familie von Hochheim gesiegelt hat. Jedoch sei die Annahme, daß er selbst der Familie angehört habe, aus zwei Gründen nicht haltbar:
1. Es wäre in der Urkunde vermerkt worden, und er hätte das Siegel der Familie angehängt. Er hat aber offensichtlich mit seinem Amtssiegel als Provinzial gesiegelt, sonst bestünde ein Widerspruch zum Text der Urkunde. Weshalb er zur Bestätigung der Urkunde herangezogen sei, sei nicht zu ergründen. [Vgl. Koch, n. 4]
2. Die Bezeichnung Eckehardus de Hochheim am Schluß der Augustinerpredigt sei vereinzelt. In keiner weiteren Urkunde oder Liste einschließlich der Prozeßakten käme der Name noch einmal vor. Er bestreitet zwar nicht die Richtigkeit der Angabe, aber "das Dorf Hochheim, aus dem der Meister stammte, muß ... so unbedeutend gewesen sein, daß es Fernerstehenden als dessen Geburtsort unbekannt war". Mithin könne nur gesagt werden, "daß der berühmte Meister in einem der beiden thüringischen Dörfer Hochheim geboren wurde und sicher nicht adligen Standes war". [Vgl. Koch, n. 5]
Die Einwände Kochs erscheinen mir nicht überzeugend. Ich gebe zu ihnen folgendes zu bedenken:
Zu Punkt 1: Koch sagt, wenn Eckhart als ein "de Hochheim" gesiegelt hätte, so hätte er "das Siegel der Familie" angehängt. Was heißt "das Siegel der Familie"? In den von Hess benannten Urkunden sowie in den von Wangenheimschen habe ich ein Familiensiegel nie gefunden. Jedes Familienglied, das etwas zu besiegeln hatte, besaß ein eigenes Siegel. Hatte es das nicht, so wurde mit dem Siegel eines Angehörigen gesiegelt und diese Benutzung im Text ausdrücklich begründet. So siegelt z. B. 1263 Gertrud, Witwe Ludwigs von Wangenheim, mit dem Siegel ihres verstorbenen Gemahls, da sie ein anderes Siegel nicht besitzt, wie hinzugefügt wird.(6) Oder 1258 siegeln die vier Nachkommen des verstorbenen Grafen von Orlamünde, nämlich Hermann, Otto, Albert und Sophie, Vögtin von Weida, wie folgt: Hermann offensichtlich mit eigenem Siegel, denn dazu wird nichts erwähnt. Otto und Albert in Ermangelung eines eigenen Siegels mit dem Siegel ihres Blutsverwandten Lampert, Propstes zu St. Maria in Erfurt (7), Sophie wegen Siegelkarenz mit dem Siegel ihres Gemahls Heinrich, Vogts von Weida.
Die Urkunde bestätigt (wie viele andere), daß Siegel für eine Familie als Gesamtheit nicht geführt wurden. Aus dieser letzteren Besiegelung ist ein weiterer Schuß zu ziehen: die Söhne Otto und Albert siegeln mit dem Siegel eines Geistlichen, des Propstes von St. Maria, mit einem Amtssiegel also. Es war nicht dessen Privatsiegel, sonst hätte - ähnlich wie Koch das für die Eckhart-Urkunde bemerkt - ein Widerspruch zum Text bestanden. Mithin: das Amtssiegel war für eine private Besiegelung vollkommen ausreichend. Eine Unterscheidung zwischen Amtssiegel und Privatsiegel scheint zu dieser Zeit noch gar nicht gemacht worden zu sein (ähnlich wie z. B. die Besitzverhältnisse zwischen fürstlichem Privatbesitz und Landeseinkommen noch viel stärker verzahnt waren als heute).
Zurück zur Urkunde von 1305. Mit welchem Siegel sollte der Meister also siegeln? Ein anderes Siegel als ein "de Hochheim" besaß er nicht, hatte aller Wahrscheinlichkeit nie eins besessen, denn er war in jungen Jahren Mönch geworden. Wenn er das Siegel des verstorbenen Ritters Eckehart von Hochheim als seines Vaters oder Verwandten angehängt hätte, so hätte er das begründen müssen, er war ja nicht der Ritter Eckehart von Hochheim. Er konnte aber nicht geltend machen, daß er in Ermangelung eines eigenen Siegels dasjenige seines Vaters benutze, denn er besaß ja ein Siegel, nämlich sein Amtssiegel. Mir scheint daher die Benutzung des Amtssiegels keineswegs in Widerspruch zu seiner Zugehörigkeit zur Familie von Hochheim zu stehen, wie Koch meint.
Fest steht für Denifle wie für Koch, daß er in der Urkunde als Repräsentant der Familie siegelte. So eine Repräsentation darf man sich nicht als einen nur formalen Akt vorstellen, bei dem eben von jeder Seite ein Vertreter anwesend sein mußte. Ein Repräsentant bestätigt mit seiner Besiegelung die Erbschaft. Die Thüringer Zisterzienserklöster (das Gothaer Kloster zum Hl. Kreuz und das Georgenthaler Mönchskloster) ließen sich gern von der nachfolgenden Generation die Erbschaft ihrer Väter bestätigen. Sie hatten ihre Erfahrungen gemacht. Die Schenkungen lagen oft weitab und in Streulage. Sie bewirtschafteten sie gar nicht allein, sondern die dort ansässigen Bauern "zinsten" dann ihnen statt ihrem ehemaligen Herrn. Es waren Einnahmequellen. Waren die Verhältnisse nicht klar, so bedurfte es langwieriger Verhandlungen, Sachverständiger, neuer Bestätigungen, um zu dem Besitz zu kommen, und setzte den guten Willen der Erben voraus. So ein Repräsentant kann daher eigentlich nur ein Erbberechtigter sein oder ein Angehöriger, der die Erbberechtigten hinter sich hat. Wenn kein Sohn da war, war es eben ein entfernter Verwandter. Die Familie Hochheim hatte aber zu dieser Zeit viele Mitglieder. Sie war nicht auf fremde Repräsentation angewiesen (8).
Auch den fehlenden Hinweis auf eine Verwandtschaft zwischen dem Spender und dem Siegler in der Urkunde kann ich nicht - wie Josef Koch - als ein Kriterium dafür ansehen, daß sie nicht bestand. Die wenigen Vertragsschließenden dieser Thüringer Landschaft um Gotha, die Feudalherren und ihre Vögte, waren sich gegenseitig so gut bekannt - wie das häufige Auftreten der gleichen Namen beweist -‚ daß eine nähere Bezeichnung nicht nötig war. Die Kenntnis der Person dürfte zudem bei dem Meister als Provinzial der Dominikaner sowie dessen Herkunft und Familienzugehörigkeit vorausgesetzt worden sein. Mir scheint, daß man mit dieser Annahme zu viel modernes juristisches Denken in diesem Kreis sich gegenseitig bekannter Vertragschließender hineinbringt. Man würde diese Beziehung heute vielleicht in die Formel "dem Notar bekannt" fassen. Wichtig war hier nur, daß die Erbschaft bestätigt, d. h. gegenüber anderen Ansprüchen abgesichert war von einem, der dazu befugt war oder der sie streitig machen konnte. Wer er war, war hinreichend bekannt. Ich glaube daher, daß ein Fremder die Rechtskraft seiner Besiegelung viel eher hätte nachweisen müssen als ein Verwandter.
Auch die Argumentation Josef Kochs zu Punkt 2 ist mir unverständlich. Ich sehe in dem nur einmaligen Auftauchen des Zunamens "de Hochheim" unter der Augustinerpredigt und seinem Fehlen in den Dominikanerlisten sowie den Prozeßakten keinen Widerspruch zu seiner Zugehörigkeit zu dieser Familie. Sein Zuname taucht ja weder als Herkunfts- noch als Familienname auf. In der Pariser Magisterliste der Dominikaner und der Liste ihrer Werke, die Denifle veröffentlichte (9), ist irgendein Ordnungsprinzip in Bezug auf die Namenführung nicht zu erkennen.
Wenn ich die deutschen Gelehrten, d. h. diejenigen, die mit "theutonicus" bezeichnet werden, herausnehme, so stehen in der Liste 1 die drei Namen Albertus theut., Thedericus theut., Aychardus theut. ohne weitere Benennung da. Bei Albertus wird Coloniensis hinzugefügt, der Name seines Klosters. Irgendein Hinweis auf seine weltliche Herkunft fehlt. Wer diese drei sind, kann man nur aus ihren Werken oder ihrer geistlichen Stellung erschließen, die in Liste 1 oder 2 angegeben sind, nämlich Albertus magnus, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart. Die in Liste 1 dann folgenden Magister aus der Theutonia - zeitlich etwas spätere - haben Zunamen; soweit man es erkennen kann, nach dem Herkunftsort, bei zweien kann es auch der Familienname sein. Bei der Liste 2 werden von den 20 aus der Theutonia stammenden Geistlichen 11 nur mit dem Vornamen, 7 mit Vornamen und Herkunftsort (als Stadt erkenntlich), einer oder zwei mit Vor- und Familiennamen bezeichnet. Auch hier wird beispielsweise Albertus magnus nur als frater Albertus, jedoch in der weiteren Beschreibung mit seiner geistlichen Würde als Bischof benannt. Sein Familienname "von Bollstädt" oder gar "Graf von Bollstädt" taucht niemals auf. Nähere Bezeichnungen zum Vornamen scheinen dort gemacht worden zu sein, wo mehrere Magister denselben führten.
Zu den Listen der Provinziale schreibt Koch in einer Anmerkung seiner "Studien", es kämen sowohl Bezeichnungen mit dem Vornamen wie mit dem Vor- und dem Herkunftsnamen oder mit dem Vor- und Familiennamen vor. Mithin, sie scheinen genauso angelegt zu sein. Irgendwelche Rückschlüsse auf eine Benennungspraxis im Orden können, soweit ich es verstehe, von hier aus weder direkt noch indirekt gezogen werden. Mir scheint, daß das einzige Ordnungsprinzip für die Namensbezeichnung in diesen Listen eine Art Gewohnheitsgebrauch gewesen ist. Sie wurden mit den Namen benannt, unter denen sie bekannt waren. Etwaige Zunamen konnten sich auf das Kloster, den Herkunftsort oder den Familiennamen beziehen. Man bedenke, daß wir hier zeitlich in einer Übergangsphase der Namensführung stehen, in der jede der angegebenen Formen möglich war. Ähnlich dürfte es bei den Prozeßakten liegen.
Wangenheim
Nach dieser Widerlegung Kochs soll die Herkunft des Meisters nun einmal vom Blickpunkt der erwähnten Urkunden her beleuchtet werden. Dazu zitiere ich zuerst eine Stelle aus der Wangenheimschen Chronik:"..Das Kirch- und Pfarrdorf Hochheim, eine halbe Stunde östlich von Wangenheim gelegen, machte von jeher einen integrierenden Teil der Herrschaft Wangenheim aus ... Hochheim scheint von den Herren von Wangenheim hauptsächlich zur Ausstattung der Burgmänner des Schlosses Wangenheim mit Ritterlehen benutzt zu sein, und wir finden frühzeitig das rittermäßige Geschlecht, welches sich von Hochheim nannte, auch unter den Burgmännern von Wangenheim, aber auch von dem wüst gewordenen Dorfe Hauenthal, dessen Flur mit der Hochheimer vereinigt ist, nannte sich ein Ministerialen-Geschlecht, welches wir hauptsächlich im Dienstgefolge der Herren von Salza finden, denen sich auch Mitglieder der Familie von Hochheim angeschlossen haben mögen, da sie sich im Besitz von Lehngütern in Salza befanden. In Hochheim selbst scheint die Familie Hochheim, aus welcher uns zuerst 1219 Eckehardus de Hochheim als Zeuge begegnet, nach unseren Urkunden nicht lange begütert gewesen zu sein, da uns im 14. und 15. Jahrhundert lauter Vasallen mit anderen Namen begegnen(10)." Nach der Namensnennung der anderen Vasallen, die später in Hochheim ansässig waren, sich aber dort nicht "von Hochheim" nannten, erwähnt er drei spätere Mitglieder der Familie, die ihr Burgmannslehen in Wangenheim hatten, sich aber auch dort "von Hochheim" nannten. Es sind dies Gyseler von Hochheim (1349), Apel von Hochheim (1382) und Fritz von Hochheim (1384). [Für den vollständigen Text s. Familie].
Ministeriale
Hieraus ergibt sich 1., daß die Hochheims ein Ministerialengeschlecht im Dienste der Wangenheims waren (zumindest zu Beginn des 13. Jh.s); 2. daß sie ihren Namen "von Hochheim" von dem Dorfe Hochheim bei Gotha ableiteten, ihn aber bereits als Eigennamen und nicht mehr als Herkunftsnamen auffaßten, denn sie lebten gar nicht mehr in Hochheim. Dagegen nannten sich die Vasallen, die noch dort lebten, mit anderen Namen, der Name "von Hochheim" war bereits festgelegt.
Die Vorstellung, daß die mittelalterlichen Zunamen den Herkunftsort ihrer Träger angeben (woraus Denifle und Koch auf den Herkunftsort Hochheim des Meisters schlossen), ist für das späte Mittelalter nur noch bedingt zutreffend. Sie trifft im großen ganzen zu für die Feudalherren, die auf ihren festen Besitzungen lebten. Sie dürfte auch für die schollengebundenen Bauern zutreffen, die in den Urkunden als Einzelpersonen allerdings so gut wie nie in Erscheinung treten. Für den Zwischenstand der Ministerialen, zu dem der Ritter Eckehart gehörte, traf sie im späten Mittelalter nicht mehr zu.
Der Stand der Ministerialen ist verhältnismäßig noch wenig erforscht. Er lebte nicht von seinem Besitz, sondern von seiner Arbeitsleistung für den Lehnsherren. Diese setzte bei den Burgmannen ritterliche Erziehung und Fähigkeiten voraus, für die Vögte fernerhin Rechtskenntnisse, Gewandtheit im Umgang mit streitenden Parteien, im Konzipieren von Verträgen, gute Kenntnisse der örtlichen Flur- und Besitzverhältnisse, die durch viele Unterbelehnungen, Kauf, Tausch, Schenkungen (an Klöster) außerordentlich verschachtelt waren. Ja, bei einer Teilung des Wangenheimschen Besitzes werden für den Fall zukünftiger Uneinigkeiten Burgmannen, d. h. Ministeriale, zu Schiedsrichtern eingesetzt, deren Spruch sich die Erben zu unterwerfen haben. Sie treten ferner auf als Schirmvögte in entfernten Besitzungen oder bei Vergabungen an Klöster.
Da sie in einem Treuverband mit ihren Lehnsherren standen, wurden sie mehr als Berater als als Untergebene angesehen, hatten also eine ganz andere Stellung als die untergebenen Bauern. Sie wurden in einer Zeit der Naturalwirtschaft mit Mannslehen entschädigt. Es beginnt aber auch schon eine zusätzliche Geldzahlung. Manche besaßen außer dem Lehen eigenes Land, durch Schenkung oder Kauf erworben, und nannten sich von daher (wie der Ritter Eckehart) Dominus. Der Abstand zu den Feudalherren war jedoch besitzmäßig ein erheblicher. Während beispielsweise die Wangenheims als alten Besitzstand über sieben, später über zwanzig Dörfer verfügten, erhielt ein Ministerialer in Hochheim als Ritterlehen einen Siedelhof und drei bis vier Hufen Land sowie einige Äcker für seinen Holzbedarf. Sein Lehnbesitz hatte etwa die Größe eines Bauerngutes.
Friedrich
Im späteren 13. Jh. sind die Hochheims offensichtlich in Hochheim nicht mehr ansässig. Das ist die Ansicht Wangenheims, die mit den Urkunden übereinstimmt. Dafür erfahren wir manches über sie und ihren Aufenthalt bei Biereye/Hess. In dem Aufsätzchen - bestätigt durch die Regesten Dobeneckers (11) - wird der Ritter Eckehart, genannt von Hochheim, für das 13. Jh. zwölfmal nachgewiesen, z.T. zusammen mit einem Gottfried von Hochheim (der auch zweimal alleine urkundet). Daneben wird ein anderer Zweig der Familie erwähnt, den Biereye den friederizianischen nennt, weil der Vorname Friedrich führend ist. Es scheint sich hier um den nach Salza abgewanderten zu handeln, da er im Zusammenhang mit Besitzungen in (Langen)salza erwähnt wird. In einer Urkunde vom 9. Mai 1267 erscheinen als Landverkäufer ein Friedrich von Hochheim, der im Einverständnis mit seinen zwei Brüdern, seiner Schwester, den Ehepartnern aller, deren Kinder und zwei Neffen handelt. Träger des Namens Hochheim sind 23 Personen, unter ihnen 12 männliche. Der Name Eckhart ist nicht dabei. Einer von ihnen, Heinrich, dürfte der am 9. Oktober 1284 erwähnte Thüringer Deutschordensritter zu Nägelstedt gewesen sein. Ein weiterer Zweig, vertreten durch einen Theoderich von Hochheim, dürfte auf dem Klostergut Eschenbergen gesessen haben.
Die Dokumente
Der Eckhart-Zweig ist für das 13. Jh. nachweisbar fast immer im Zusammenhang mit Urkunden des Zisterzienser-Mönchsklosters Georgenthal (bei Tambach), zumeist auch in Verbindung mit den Wangenheims. Diese hatten dem Kloster große Besitzungen übereignet. Der Ritter Eckehart scheint eine Art Schirmvogtei über das Kloster, möglicherweise im Auftrage der Wangenheims, ausgeübt zu haben. Zweimal zeichnet er (oder sein Vorfahr) zusammen mit einem Ritter Gottfried von Hochheim, zweimal der Gottfried allein. Die Urkunden liegen vor für die Jahre: 1219, 1231, 1239, 1251, 1260, 1261, 1263 (hier nur als Eckehart, Vogt), 1265, 1269, 1271 und 1278.(12) Er tritt zumeist als Zeuge auf, scheint aber auch zuweilen der Konzeptor der Urkunde gewesen zu sein. [s. Denifle, Galletti].
Eckehart de Hochheim de Tambach
Der Eckehart von Hochheim, der 1219 eine Erbbestätigung der Wangenheims an das Kloster Georgenthal bezeugt, kann nicht derselbe gewesen sein wie der, der um 1305 starb. Es dürfte sich um zwei bis drei Generationen Eckeharts von Hochheim handeln. Der gleichfalls genannte Gottfried dürfte der ältere Bruder oder Vater des Dominus Eckehart gewesen sein. Leider kann ich auf all die Dokumente nicht eingehen. Es seien nur zwei herangezogen. Im Jahre 1251 übereignet die Gräfin Heilwig von Berka mit ihren Söhnen Dietrich und Dietrich zum Seelenheile ihres verstorbenen Gemahls Dietrich dem Kloster Georgenthal 60 Äcker Holz und ein Gut westlich von dem Dorfe Tambach. Unter den Zeugen befindet sich Eckehart de Hochheim de Tambach. Der Zusatz "de Tambach" kann nur als Wohnort des Ritters aufzufassen sein.
(Biereye knüpft hier eine überflüssige Spekulation über einen Punkt an, der zwischen "de Hochheim" und "de Tambach" stünde. Überflüssig insofern, als in der Urkunde selbst dieser Punkt gar nicht vorhanden ist. Er steht offensichtlich fälschlich in den Regesten von Dobenecker - ganz abgesehen davon, daß in den Handschriften ziemlich unmotivierte Punkte vorkommen.) Die Urkunde steht im Schwarzen Kopialbuch des Klosters Georgenthal, Staatsarchiv Gotha Bl. 126 oben [s. zur Familie].
Waldenfels
Die Annahme, daß der Ritter Eckehart von Hochheim in oder bei Tambach lebte, wird noch durch eine andere Urkunde bestätigt. Im Jahre 1265 treffen im Walde Howart bei Tambach die Getreuen des Grafen von Henneberg mit dem Abt und Klosterbrüdern Georgenthals zur Bereinigung der gegenseitigen Besitzverhältnisse zusammen. Sie berufen acht würdige Männer (seniores fide dignos) aus dem Orte Tambach und Umgebung, die auf Grund ihrer Flurkenntnisse unter Eid die Begrenzungen angeben. Unter ihnen steht an erster Stelle der Dominus Eckehart, Ritter, einstiger Vogt von Waldenfels. Das heißt 1.: er gehörte zu den Bewohnern von Tambach oder seiner Umgebung. 2.: er war einmal Vogt der Burg Waldenfels. Der Waldenfels (heute Altenfels), ein bei Tambach gelegener Felsen mit einer Burg und einem Turm darauf (heute noch als Grundriß erkenntlich), war Geleitschutz- und Zollstation für die auf dem Rennsteig vorbeiziehenden Reisenden. Da die Burg sehr klein war (8 mal 4 m), ist anzunehmen, daß sich dort nur die Mannschaft aufhielt, die die Züge "mit gewaffneter Hand" begleitete. Vermutlich lag der Hof des Ritters auch zur Zeit dieser Vogtschaft in oder bei Tambach. Wie dem auch sei, sein Wohnsitz war das Dorf Tambach oder dessen Umgebung. Der Waldenfels gehörte zu diesem Gebiet.(13)
Zur Familie
Aus den beiden letzten Urkunden sowie aus einer weiteren vom Jahre 1278, in der der Ritter als einziger Laienzeuge unter Georgenthaler Mönchen auftritt, schließen Biereye und Hess, daß Meister Eckhart (als Sohn des Ritters Eckhart von Hochheim) aus einem Ministerialgeschlecht stammen und in Tambach geboren sein müsse. Die Zugehörigkeit zur Familie von Hochheim selbst ist für sie nach den Entdeckungen Denifles gar kein Gegenstand der Nachforschung mehr, sondern selbstverständlich. Hess spricht in seinen Nachlaß-Notizen von Eckehart sen. und Eckehart jun. Für mich tritt durch die Zweifel Kochs an der Zugehörigkeit des Meisters zu dieser Familie eine Schwerpunktverlagerung ein. Meine Frage lautet: Gibt es in den Urkunden irgendwelche Anhaltspunkte, die die Zugehörigkeit des Meisters zu ihr vermuten lassen oder nicht? Der Geburtsort Tambach gewinnt dann soviel Wahrscheinlichkeit wie diese Familienzugehörigkeit glaubhaft erscheint.
1.) Wie nachgewiesen, ist der Name im 13. Jahrhundert der Eigenname eines Geschlechts, das sich zwar nach dem Orte Hochheim nannte, selbst aber längst abgewandert war. Andere Familien, die in Hochheim lebten, nannten sich nicht mehr nach dem Orte. (Im 14. Jh. - 1346 - nennen sich zwei Brüder Johann und Friedrich von Haventhal zu Hochheim - nicht von Hochheim -‚ alle anderen Vasallen haben, nach Wangenheim, gänzlich andere Namen.) Die Familie selbst hat zu dieser Zeit etwa 30 urkundlich bestätigte männliche Namensträger. Ihnen allen nimmt man die Zugehörigkeit zu dieser Familie unbedenklich ab. Es ist nicht einzusehen, warum man sie dem Meister, der sich genauso nannte und außerdem die Erbschaft eines ihrer Mitglieder als sein Repräsentant besiegelte, streitig machen will.
2.) In den mittelalterlichen Familien ist der Vorname noch immer der Hauptname. Er vererbt sich. Ähnliches beobachtet man bei alten Familien auch heute noch. In den Urkunden tauchen bei den gleichen Geschlechtern fast immer dieselben Vornamen auf. Auch v. Wangenheim richtet sich in seiner Chronik im Zweifelsfalle nach den Vornamen. Dieser anscheinend sehr alte Namensbrauch ging im Mittelalter so weit, daß beispielsweise bei den Grafen von Berka zwei lebende Söhne den gleichen Namen Dietrich tragen wie auch ihr Vater. Ebenso treten bei den Schwarzburgern zwei Brüder namens Günther und andere Angehörige desselben Namens auf. Der Zweig der Hochheims, dem der Ritter Eckehart angehörte, weist mindestens für zwei, wenn nicht für drei Generationen diesen Namen auf. Auch der Vorname des Meisters würde daher seine Zugehörigkeit zur Familie des Eckehart von Hochheim bestätigen.
3.) Wäre der Zuname "von Hochheim" für Meister Eckhart als bloßer Herkunftsname aus dem Dorfe Hochheim möglich? Nach v. Wangenheim gehörte das Dorf zum Grundbesitz seiner Vorfahren. Davon waren zwölf Hufen (fast die Hälfte) Fronland, die andere an die Ministerialen vergeben, die in ihren Diensten standen. Einen freien Bauernhof gab es um diese Zeit in Hochheim nicht. Erst im späten 14. Jh. taucht ein solcher auf durch Erwerb eines Ministerialenhofes. Die Bauern, mit durchschnittlich einer Hufe Land und ihrem Hof ausgestattet, "zinsten" für dieses Grundstück ihrem jeweiligen Herrn. Es gab also nur Herrenland, die Vasallen und die zinspflichtigen Bauern dort. Auch der Schultheiß war Vasall, Mühlen, Schänken gehörten dem Herrn und wurden von ihm weitergegeben. Die Zinsung bestand in Naturalabgaben (Getreiden, Hühnern etc.) und in Hand- und Spanndiensten für den Herrn. Die Schollengebundenheit der Bauern war (ganz abgesehen davon, daß sie kaum andere Existenzmöglichkeiten hatten), soweit ich sehe, dadurch bedingt, daß sie bei Besitzwechsel - außer dem Erbfalle - eine hohe Entschädigung zahlen mußten, die sog. "Lehnwahre" - 10 % von allen Werten, die sie besaßen, Land, Hof, Immobilien, eine kaum aufzubringende Summe. - Die Schollengebundenheit der Bauern geht auch daraus hervor, daß sie bei Verkauf, Tausch, Weiterverlehnung, Vergebung ihres Dorfes oder Hofes durch den Fronherrn den Besitzer wechselten, also mitvergeben wurden. Sie hatten den Stellenwert eines Vermögens. Man vergab z. B. eine Hufe, die so und so viele Malter Weizen "zinste". In dieser Zinsung war die Arbeitskraft des Bauern mit enthalten. In der Urkunde eines Nachbardorfes werden sogar einmal so und so viele Kolonen der Tochter als Mitgift übereignet.
Nach den geschilderten Verhältnissen ist es sehr zu bezweifeln, daß so ein Hochheimer Bauernsohn überhaupt zum Eintritt in ein Kloster freigegeben wurde. Vielleicht in einem Klosterdorf als Laienbruder! Gar nicht vorstellbar ist es jedoch, wo er die Vorbildung erworben haben sollte, die für den Eintritt in ein Dominikanerkloster erforderlich war. Von ihr ausgenommen waren nur die Laienbrüder, die die einfachsten Arbeiten ausführten. Nach Martin Grabmann wird ein Prior von seinem Provinzial (Ulrich von Strassburg) scharf gerügt, weil er mangelhaft unterrichtete und wissenschaftlich untaugliche Novizen aufgenommen habe. Für die Zukunft wird ihm für jeden untauglichen Novizen dreitägiges Fasten bei Wasser und Brot angedroht(14). Da der Meister (nach Josef Koch) um 1277 bereits an der Pariser Universität studierte (15), d. h. nach höchstens zweijährigem Klosteraufenthalt, muß er eine gründliche Vorbildung in einer Kloster- oder Domschule gehabt haben. Auch aus diesem Grunde scheint mir seine Herkunft aus einer in Hochheim ansässigen Bauernfamilie so gut wie ausgeschlossen.
Um so mehr könnte man ihn sich als den Sohn eines thüringischen Ministerialen denken. Bei diesem Stande lag die größte geistige Beweglichkeit zumindest außerhalb der städtischen Bevölkerung. Die Grundherren waren mit der Erweiterung oder Wahrung ihres riesigen Besitzstandes ausgefüllt (weitere Söhne oft im Dienste der Territorialherren), die Bauern in einer noch viel zu gedrückten Lage, um geistige Fähigkeiten in sich entwickeln zu können. Zwischen ihnen die Ministerialen, auf den Einsatz dieser Fähigkeiten als Existenzgrundlage angewiesen. Sie tragen als Vögte indirekt das Rechtsleben ihrer Landschaft. Soweit man sie erkennen kann: ausgewogene, gerade Menschen. Sie haben nichts von einem Geßler an sich. Im Gegenteil, es fällt ein Zug zur friedlichen Beilegung der Streitigkeiten auf der Grundlage von Treue- und Gerechtigkeitsvorstellungen auf. Diese Grundherren (außer den Wangenheims gab es u. a. noch die Grafen von Henneberg, von Orlamünde, von Berka, von Schwarzburg u. a. und die Klöster) waren auf gutes Einvernehmen untereinander angewiesen, denn über ihnen standen die immer griffbereiten Territorialherren, wenn auch die Landgrafen von Thüringen und Erzbischöfe von Mainz keineswegs die radikalen Methoden der Habsburger praktizierten. Die Urkunden sind kurz und sachlich, kompliziert nur wegen der vielfachen Verschachtelungen von Lehen, Tausch, Kauf, Erbschaft. Hinter ihnen stehen gewiß langwierige Verhandlungen, die vermutlich die Vögte führten, zumindest als Sachverständige dabei waren, sie konzipierten und für ihre Durchführung sorgten.
Als Sohn eines Ministerialen würde uns der andere Eckhart ein wenig lebendiger werden. Nicht der begnadete Prediger, der war keinem Stand unterworfen, aber der Prior, der Provinzial, der Vertreter des Generalmagisters, kurz, der Organisator. Ein Mann, den gewiß vorrangig seine religiöse Schwungkraft zu den schwierigen Aufgaben auch des Provinzialats befähigte, bei dem aber vermutlich auch eine angeborene Begabung, eine natürliche Sicherheit und kluge Besonnenheit im Umgang mit Menschen und Instanzen vorlag. Seine Arbeitsweise, wie sie Josef Koch z. B. bei der Verhandlung mit dem mißtrauischen Rat der Stadt Braunschweig wegen der Klostergründung dort andeutet (Studien I, S. 30 f.), die vorsichtige Zurückhaltung um der letztlich guten Zusammenarbeit willen, erinnert unwillkürlich an die Verhaltensweise der Vertragsschließenden in den Urkunden, hinter denen ihre Vögte standen.
Josef Koch hatte von der Beschaffenheit der Familie von Hochheim und den ständischen Verhältnissen in dem gleichnamigen Dorfe keine rechte Vorstellung. Er schloß lediglich nach dem Namen und den Angaben in der von Denifle entdeckten Eckhart-Urkunde. Er dachte offensichtlich an ein begütertes Adelsgeschlecht mit Sitz und Besitzstand in Hochheim. (Er hatte möglicherweise von daher noch weitere, weniger greifbare Anhaltspunkte, beispielsweise das Fehlen einer größeren Spende beim Eintritt in das Kloster.) Der Sohn eines solchen Geschlechts war der Meister in der Tat nicht; aber nicht, weil er nicht zur Familie von Hochheim gehörte, sondern weil diese Familie kein begütertes Adelsgeschlecht war, sondern ein bedienstetes, weil das Dorf Hochheim nicht ihr, sondern den Wangenheims gehörte (in Hochheim überhaupt kein Feudalgeschlecht saß) und sie selbst längst abgewandert war.
Nach der oben geschilderten Beschaffenheit dieser Familie, insbesondere des Zweiges mit dem traditionellen Vornamen Eckhart, der koloritartigen Schilderung der ständischen Verhältnisse im Dorfe Hochheim sowie der vorangegangenen Widerlegung der Zweifel Kochs vom Standpunkt der Thüringer Urkunden, insbesondere der Siegelpraxis her, erscheint es mir gegeben, zu der Vermutung Denifles zurückzukehren. Seine Annahme, der Meister müsse ein Verwandter, vermutlich der Sohn des Ritters Eckehart von Hochheim gewesen sein, ergab sich ihm ganz natürlich, weil die Akte eigentlich gar keinen anderen Schluß zuläßt. Diese Annahme wird durch die Thüringer Urkunden bestärkt und mit Leben erfüllt. Sowohl die Beschaffenheit der Familie wie die ständischen Verhältnisse weisen auf einen solchen Zusammenhang hin. Ein Wahrscheinlichkeitsschluß auf seine Zugehörigkeit zu ihr erscheint mir daher berechtigt und erlaubt. - Der Geburtsort des Meisters wäre dann nicht das Dorf Hochheim, sondern Tambach oder Umgebung.(16)
Erfurt
Noch ein Wort zu dem Hochheim bei Erfurt, da Koch von einem der beiden thüringischen Dörfer Hochheim spricht. Denifle hat es als eines der fünf Küchendörfer des Erzbischofs abgelehnt. In einer Urkunde vom Jahre 1157 (Dobenecker II, 155), die die Angabe Denifles bestätigt, werden die Einwohner Hochheims und anderer Dörfer als "homines mense nostre iugiter deserviunt" (Leute, die gemeinsam Frondienste für unsere Tafel verrichten) bezeichnet. Sie sollen vom Erzbischof dort angesiedelt worden sein und sorgten wahrscheinlich für seinen Weinbedarf. Ihre Abhängigkeit vom Grundherrn scheint also noch größer gewesen zu sein als die der Wangenheimschen Bauern. Leider gibt es für dieses Hochheim nur wenig Quellen. Gewiß nicht, weil sie verloren gingen, sondern weil sich hier nichts von Bedeutung ereignete. Nach Erfurter Urkunden zu schließen, scheinen die Fluren von Hochheim nicht mehr vollständig in der Hand des Erzbischofs gewesen zu sein. Er scheint einzelne Hufen verlehnt oder verkauft zu haben. Das möchte ich aus einem Erfurter Zinsverzeichnis schließen, nach dem dem Schultheiß Zinsen sowohl von städtischen Grundbesitzern wie von Hufen erzbischöflicher Dörfer zuflossen. Unter Zinsen dürfte man hier eine Art steuerlicher Abgaben verstehen.
Berthold
In einem solchen Zusammenhang mit dem Hochheim bei Erfurt dürfte der Name eines Erfurter Ratsherrn stehen. Er scheint Kaufmann gewesen zu sein, da er eine Tuchkammer zu Lehen hatte. Er nennt sich zweimal Berthold von Musbach (nach einem Hof in Erfurt) und zweimal Berthold von Hochheim. Sein Sohn Heinrich (Erfurter Kantor), der 1276 für seinen Vater und sich auf den Hof Musbach verzichtet, nannte sich Heinrich von Musbach. Weitere Kinder hatte er vermutlich nicht, da sie sonst in die Verzichtleistung einbezogen worden wären. Es ist zu vermuten, daß er seinen Zweitnamen von so einem Besitzerwerb in Hochheim vor den Toren der Stadt Erfurt ableitete oder daß er sich in irgendeiner Funktion dort zeitweilig aufgehalten hat. Ein Zusammenhang mit der Herkunft des Meisters scheint mir in keiner Hinsicht wahrscheinlich.
Konrad
Ein weiterer Träger des Namens von Hochheim, ein Konrad von Hochheim, kann weniger identifiziert werden. Er steht einmal in einer Erfurter Streitschlichtung nach Geistlichen, Rittern, Erfurter Bürgern als letzter Zeuge ohne nähere Bezeichnung. Einmal tritt er unter den Zeugen einer Urkunde des Bischofs von Würzburg auf. Es scheint so, als ob er sich nach dem Hochheim bei Würzburg nannte, was auch Dobenecker in Erwägung zog.
- Die vage Vermutung, daß sich noch weitere Erfurter Bürger nach einem Stück Landbesitz vor den Toren Erfurts auf Hochheimer Gebiet nannten, ist unwahrscheinlich, da der Name ja schon an diesen Berthold von Hochheim vergeben war. Es dürften sich m. E. sonst auch hier nur noch die unfreien erzbischöflichen Bauern des Dorfes Hochheim mit diesem Namen genannt haben.
Es sei mir abschließend noch ein Hinweis auf die Herkunft des Meisters von einer ganz anderen Sicht her erlaubt: von der stilistischen. Sie einzubeziehen würde den Rahmen und die Formen dieses Aufsatzes überschreiten. Die Bilder und Vorstellungen aus der Ritterwelt in seinem Werk, z. B. in Bezug auf seine Haltung zum Leide im "Buch der göttlichen Tröstung" und auch sonst dürften Eckhart-Lesern jedoch vertraut sein. Sie lassen Ihrerseits auf seine Herkunft aus diesem Stande schließen.(17).
Anmerkungen
1 Josef Koch: Kritische Studien zum Leben Meister Eckharts. 1.2. Archivum Fratrum Praedicatorum 29 (1959) 5-51: 30 (1960) 5-62.
2 Johannes Biereye, ehem. Oberstudiendirektor in Erfurt.
3 Heinrich Hess, ehem. Geh. Finanzrat in Gotha, gest. 1927.
4 Vgl. Heinrich Denifle: Die Heimat Meister Eckeharts, Archiv f. Litt. u. Kirchengesch. 5 (1889) S. 349ff. - Das Kopialbuch befindet sich heute im Staatsarchiv Gotha. - Noch ausführlicher als bei Denifle ist die Urkunde abgedruckt in einem Aufsatz von R. Ewald: Die Heimat Meister Eckarts. Mitteilungen d. Vereins. f. Gothaer Gesch. u. Altertumskunde Bd. 109 (1901) S. 195ff.
5 Wilhelm Preger: Geschichte der deutschen Mystik im Mittelalter. T. 1, S. 325f. Anm. Leipzig 1874. (Neuaufl. Aalen 1962)
6 Vgl. Regesta diplomatica necnon epistolonia historiae Thuringiae. Hrsg. v. Otto Dobenecker. Jena 1896-1939. Bd. 2, 3108.
7 Ebenda Nr. 2651.
8 Ein Anmerkungs-Hinweis Kochs, der Ritter könnte den Meister z. B. als Seelsorger in letzter Stunde gebeten hoben, die Stiftung rechtskräftig zu machen, ist insofern verfehlt, als die Hufe bereits zu Lebzeiten des Ritters übergeben wurde. Das geht aus der Textveröffentlichung R. Ewalds hervor: "adhuc sane viveret nostre Ecclesie donavit". Außerdem werden dort die genauen Ertragswerte der Hufe angegeben. Der Rechtsakt diente also praktisch einer Erbbestätigung und der Festlegung der Messen.
9 Zu Liste 1 u. 2 vgl. Heinrich Denifle: Ouellen zur Gelehrtengeschichte des Predigerordens. Archiv f. Litt. u. Kirchengesch. 2 (1886) 204 ff. u. 226ff.
10 Friedrich Hermann Albert v. Wangenheim: Beiträge zu einer Familiengeschichte der Freiherrn v. Wangenheim auf Grund der vorangegangenen Urkundensammlung. Göttingen: Huth 1874, S. 853.
11 S. o. Regesta diplomatica etc. Hrsg. v. Otto Dobenecker
12 Die Urkunden befinden sich im Schwarzen Kopialbuch des Klosters Georgenthal, z. Zt. im Staatsarchiv Gotha, Regesten davon in der obigen Sammlung Dobeneckers unter den Nm.: Bd. II, 1870; Bd. III, 226. 835. 1976. 2797. 2857. 2886. 3108. 3297., Bd. IV, 377. 603. 1496.
13 Über die Beschaffenheit der Burg Waldenfels gibt es einen Aufsatz von Heinrich Hess. Er steht in den Mitteilungen f. Gothaische Gesch. u. Altertumsforschung 1913/14 S. 34ff. Über die frühere Beschaffenheit Tambachs vgl. Felix Hering, ebenda, Jg. 1902.
14 Vgl. Martin Grabmann: Studien über Ulrich von Strassburg. In: Mittelalterliches Geistesleben. 1. München 1926, S. 164.
15 Studien, Teil 1, S. 12.
16 Biereye und Hess wollen auch die Anhänglichkeit des Johannes von Dombach an den Meister auf einen gleichen Heimatort zurückführen. Er soll nach Albert Auer entweder aus Straßburg oder aus Tambach stammen.
17 Die ritterliche Seite an ihm wurde herausgearbeitet u. a. von Hermann Kunisch innerhalb s. Aufsatzes: Offenbarung u. Gehorsam ab S. 139 in der Eckhart-Festschrift "Meister Eckhart der Prediger", Freiburg 1960. Darin auch biographische Arbeiten von Josef Koch über ihn.
1 Diese Seite entspricht dem Abdruck in: Amtsblatt der evangelisch-lutherischen Kirche in Thüringen 31/Nr. 3, Eisenach 1978, S. 28-34. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind die Anmerkungen nicht hochgestellt, sondern in ().
Die Zwischenüberschriften sind zum leichteren Wiederauffinden der Textstellen von mir eingefügt; sie sind im Original nicht vorhanden.