Werk 1

werk
Die deutschen Werke Die lateinischen Werke
Predigten
Paradisus
Erfurter Reden
Trostbuch
Vom edlen Menschen
Von Abgeschiedenheit
Granum sinapis
Sermones
Sermo Paschalis
Sermones et lectiones
Sermo die b. Augustini
Collatio in libros sententiarum
Tractatus super Oratione Dominica
Quaestiones Parisienses
Opus tripartitum
Expositio libri Genesis
Expositio libri Exodi
Expositio libri Sapientiae
Expositio .. Iohannem
Liber parabolarum Genesis
Expositio Cant. 1,6
Eckhart - Legenden Die Stuttgarter Gesamtausgabe Zur Chronologie / Tabelle

Zer werlde mac niht bezzers sîn
dan ein wort, daz heizet mîn.

Freidank, S. 44/45
In dieser Welt mag nichts
besser sein als ein Wort
(und) das heißt: mein.
Auf dieser Welt gibt's sicherlich
kein mächtigeres Wort als ICH.
Freidank 31,6
[9.6.05]

Die deutschen Werke

  Die Textüberlieferung der deutschen und lateinischen Werke ist recht unterschiedlich.
  "Über die Breite der Überlieferung der deutschen Werke Eckharts herrschen (...) völlig irrige Vorstellungen. Sie rühren daher, daß schlichtweg von 200, nach dem jüngsten Verzeichnis sogar von 302 Eckhart-Hss. gesprochen wird, ohne zu bedenken, daß 90 und mehr Prozent dieser Hss. nur Splitter und Splitterchen (wenige Zeilen!) von Eckhart-Texten enthalten. Ein objektives Bild kann nur die Textzeugenzahl der einzelnen Schriften vermitteln: Buch der göttlichen Tröstung (4 Hss.), Sermo vom edlen Menschen (3), Reden der Unterweisung (44), Von Abgeschiedenheit (32); von den bisher von Quint edierten 86 Predigten haben Nr. 2 und 45 die breiteste Überlieferung mit 22 und 21 Textzeugen, 33 Predigten weisen zwischen 10 und 20, alle übrigen weniger als 10 Textzeugen auf" [Ruh, VL, Sp. 332]. Zur Überlieferung der in den DW edierten Prr. s. Predigten; zur Überlieferung aller Texte zu Eckhart s. Textzeugen.
  Hinzuzufügen ist: In der Edition von Steer weisen der Predigtzyklus Von der êwigen geburt, der die Predigten 101 mit 32 Textzeugen, 102 (28), 103 (30) und 104 (54) umfaßt sowie die Predigt 106 mit 25 Textzeugen die breiteste Überlieferung auf. Und "bei den 'Reden der Unterweisung' täuscht die hohe Zahl von 44 Textzeugen; nur 8 () haben den Text ganz; die übrigen 36 muß Quint als Fragmenthandschriften anführen." [Steer, Schriften, S. 234]

Die Predigten

Allgemein
Die Textausgabe von Franz Pfeiffer
Die Edition von Josef Quint
Die Edition von Georg Steer
- zu den Deutschen Werken IV, Band 2
- zu den Editionsgrundsätzen
Zur Frage der Datierung
Die Liste der Kölner Predigten
Aktuelle Fragestellungen

Allgemein
  Bisher sind in der Werkausgabe 86 Predigten von Josef Quint ediert und übersetzt worden. Seit 1997 sind von seinem Nachfolger Georg Steer weitere 23 edierte Predigten (87-109) erschienen. Insgesamt sollen es inzwischen 128 werden.
  Wenn ich aus diesen Predigten etwas über Eckhart selbst hören möchte, dann bescheidet er mich mit: "Ich sagte in der Schule" oder "Wie ich kürzlich im Zusammenhang des Themas Erkennen und Liebe sagte" oder "Ich sagte neulich von der Pforte, aus der Gott ausschmilzt, dies sei die Gutheit." Manchmal spricht er auch das Kloster namentlich an, wo er 'kürzlich' redete. Und zweimal erzählt er uns sogar, daß er sich Notizen in sein Buch mache. Aber das wars dann auch schon. Und die Politik? Die Kriege, Hungersnöte, gesellschaftlichen Auseinandersetzung, Kämpfe zwischen den Zünften und dem Magistrat, Anfeindungen der Bettelorden etc. - Themen, die er nicht nur in Erfurt und Straßburg hautnah erlebte - ? Alles Alltag anscheinend, so sehr Alltag, daß sie nicht mit einer Silbe erwähnt werden. Das einzige, was Eckhart in all seinen Werken, deutsch wie lateinisch, Predigt wie Traktat oder Auslegung, interessiert, ist seine Theologie, seine Philosophie.
  Nach Steer (1998) gibt es nur eine Predigt (Pfeiffer XV), in der Eckhart sich selbst nennt: "Sie (die Lehrer) sagen aber: Die Werke, die der Mensch tat, während er in Todsünden war, sind verloren: Werke und Zeit zusammen auf ewig. Und dem widerspreche ich, Meister Eckhart, ganz und gar und sage das folgende. Von all den guten Werken, die der Mensch tut, während er in Todsünde lebt, ist überhaupt kein einziges verloren und auch die Zeit nicht, in der sie geschehen, wenn er wieder Gnade empfängt. Seht, das ist wider alle Lehrmeister, die derzeit leben" [Steer, Pr. 101, S. 267].
  "Dieser Satz ist allerdings ganz und gar untypisch für den Eckhart aller anderen Predigten" schrieb ich hier seit Juni 2001. 2002 erschien ein Vortrag, den Steer bereits im Jahr 2000 auf einer Berliner Tagung gehalten hatte (s.u.), wo er dazu noch einmal ausführt:
  "Die Predigt Pf. XV (Steer 105) gilt als einzige Predigt, in der sich Eckhart mit seinem eigenen Namen nennt. (...) Man konnte dieser Meinung sein, solange man sich nur auf Pfeiffers Ausgabe oder auf Quints Übersetzung bezog. Die Kollation aller erhaltenen Handschriften übermittelt aber ein anderes Überlieferungsbild. Auch diese Predigt existiert in zwei Fassungen. Die originale kannte wohl im Predigttitel eine Zuweisung an Eckhart. Diese hat der unbekannte Bearbeiter - der Satzzusammenhang lud dazu ein - willkürlich in den Predigttext eingefügt (Pf. Nr. XV, S. 71,28-31):
Sie sprechent aber mê: Alliu diu werk, diu der mensche tete, die wîle er in tôtsünden was, diu sint alliu verlorn êwiclîche und ouch diu zît, in der sie geschâhen. Diz  w i d e r s p r i c h e  i c h  z e m â l e  und spriche alsô. Sie sprechent aber: Diu werk, diu der mensche tete, die wîle er in tôtsünden was, diu sint verlorn: werk und zît mit einander êwiclîche. Und daz  w i d e r s p r e c h e  i c h,  m e i s t e r  E c k a r t,  a l z ê m â l e  und spriche alsô.
  Eckhart hat sich somit nie in seinem Werk mit Namensnennung herausgehoben, auch nicht in der Predigt Pf. XV, in der er eine eigene These gegen andere Lehrer, unter ihnen auch Thomas von Aquin, aufstellt." [Steer, Schriften, S. 272/273]
  Was die Deutung und Interpretation seiner Predigten betrifft, so kann ich nur auf die Bibliographie verweisen, die inzwischen recht umfangreich geworden ist.
Die Textausgabe von Franz Pfeiffer (ausführliches Inhaltsverzeichnis s. Eckhart-Ausgaben).
  Der 900 Seiten umfassende 2. Band von "Deutsche Mystiker des 14. Jahrhunderts" enthält vier Abteilungen mit Texten, die der Germanist Pfeiffer nach eigenen Angaben 18 Jahre lang sammelte und Meister Eckhart zuschrieb. Obwohl nur ein Teil davon Eingang in die Edition der deutschen Werke gefunden hat, ist Pfeiffer als Quelle nach wie vor wertvoll. Zu den IV Abteilungen einige Hinweise:
  I. PREDIGTEN (S. 3-370), versammelt 113 Predigten (I-CX, 67 und 76 in je zwei Prr. aufgeteilt und die 'Nachtragspredigt'), von denen 24 bisher nicht in die Edition der deutschen Werke aufgenommen wurden.
  II. TRACTATE (S. 373-593), enthält 21 Traktate (1-18, wobei 11 in drei und 12 in zwei Teile unterteilt ist), von denen nur Daz buoch der götlîchen trœstunge, Von abegescheidenheit und Daz sint die rede der unterscheidunge ... in Band V der deutschen Werke aufgenommen sind. So stellte schon Spamer 1909 fest: "Eigentliche selbständige deutsche schriften ('bücher') stellen nur die tractate V [BgT] und XVII [RdU] dar, von denen der erste, wie wir sehen werden, das einzig wirklich völlig gesicherte deutsche Eckehartstück ist" [Spamer, Überl., S. 308].
  III. SPRÜCHE (S. 597-627), führt 70 Sprüche auf. Der erste trägt die Überschrift: 'Diz ist meister Eckehart, dem got nie niht verbarc' und der 70. 'Meister Eckehartes wirtschaft'. Davon ist bisher nichts in den deutschen Werken erschienen und es ist auch noch in der Diskussion, ob es wird (s. u. Ende), obwohl Pfeiffer meinte: "Die sprüche tragen, bis auf wenige, die echtheit in sich selbst, und bedürfen keiner weiteren beglaubigung."
  IV. LIBER POSITIONUM (S. 631-684) enthält weitere 161 Textstücke (1-162, 112 fehlt). Pfeiffer schreibt: "Für den vierten abschnitt, dem ich die aufschrift 'liber positionum' gegeben habe, steht mir kein äußeres zeugnis zu gebote, dass er wirklich von Eckhart herrührt; doch ist, wie mir scheint, in diesen sätzen, worin in gesprächsform zwischen schüler und meister eine reihe wichtiger philosophischer und theologischer fragen erörtert wird, Eckharts geist und eigenthümliche anschauungsweise nicht zu verkennen. Überdies sind mir die einzelnen theile dieses in sich nur lose zusammenhängenden buches stets nur mitten unter Eckhardischen schriften begegnet. Die aufschrift habe ich dem Verzeichnis bei Trithemius .. entnommen: sie ist für den inhalt des buches wie gemacht" (S. XII). Zum Abschluß des Bandes (S. 685+686) wird noch eine Predigt abgedruckt, die mit dem Satz: Meister Eckehart wart gebeten von sînen guoten friunden 'lâzent uns etwas zuo letzte, sît ir von uns wellent varn' beginnt und in der Literatur als 'Nachtragspredigt' oder Nr. 111 bezeichnet wird.
  Weitere Veröffentlichungen seitdem (z.T. mit Anmerkungen s. Bibliographie).
  Trotz aller Verdienste Pfeiffers, erstmalig eine Ausgabe der Texte Eckharts bewerkstelligt zu haben, genügte sie in keiner Weise den Erfordernissen einer kritischen Edition, für die noch 129 Jahre vergehen mußten, bis die erste Lieferung im Februar 1936 erscheinen konnte. [21.12.09]

Die Edition von Josef Quint
  Die Herausgabe der deutschen Werke, insbesondere der Predigten Eckharts, ist untrennbar mit dem Namen Josef Quint verknüpft, der bereits im Februar 1936 die erste Lieferung zum geplanten Band I vorlegen konnte.
  Die Edition stellte Quint vor eine gewaltige Aufgabe. Die wichtigste Frage war zunächt die nach der Echtheit der überlieferten Texte:
 
"Die Textauthentizität der Predigten stellt ein wichtiges Forschungsproblem dar. Eckhart hat sie nicht selbst aufgezeichnet, aber wohl redigiert und geordnet; allerdings ist keine derartige Sammlung erhalten. Daß er die Predigten prinzipiell als authentische Texte von sich anerkannte, ergibt sich aus seiner Reaktion auf deren Benutzung in der Häresieanklage gegen ihn; er wandte sich lediglich gegen ihre Entstellung." [LdM III, Sp. 1550]

  Zum einen mußten die bereits vorhandenen Handschriften (etwa 150) gesichtet und daraufhin untersucht werden, ob sie Eckhart zugesprochen werden konnten oder nicht und zum anderen unternahm er eine systematische Suche nach weiteren Hss., die ihn durchs In- und Ausland führte und nicht unerhebliche Schwierigkeiten mit sich brachte:
  "Wer diese Eckharttexte systematisch suchen und auffinden will, muß mit prinzipiellem Zweifel gegenüber allen Katalogsangaben sozusagen sämtliche, und das heißt Hunderte und Tausende von Hss. asketisch-mystischen, u. U. auch anders deklarierten Inhalts, durch seine Hände gehen lassen." Nach Abschluß dieser Suche verfügte er über ca. 200 Handschriften, wobei viele nur in Fragmenten vorlagen.
  Neben der Editionsarbeit - die 2. und 3. Lieferung erschienen 1937 und 1938 - wurde er 1939 kurz und 1944 zum zweiten Mal zum Militär gerufen und geriet 1945 in russische Gefangenschaft. Sein über die Jahre angesammeltes Material ging zum größten Teil verloren, so daß er es mühselig neu aufbauen mußte. 1948, 1951 und 1957 konnte er weitere Lieferungen vorlegen, bis endlich im Juli 1958 der erste Band vollständig vorlag. Er enthält 24 edierte Predigten auf 622 Seiten Großformat. 1971 folgte der zweite Band und 1976 der dritte, der bis Predigt 86 zählt. Damit waren insgesamt 92 Predigten erschienen, da er sechs in zweifacher Edition darbieten mußte.
  Die Reihenfolge der Predigten ergibt sich dabei nach dem für Quint wichtigsten Kriterium: der Echtheit. Im Gegensatz zu den lateinischen Werken, die in 14 bisher gefundenen Hss. gebündelt vorliegen, sind die deutschen Predigten und Abhandlungen nie zu "Büchern" zusammengefaßt worden. Das wichtigste Kriterium stellt dabei die Responsio (sog. Rechtfertigungsschrift) dar, in der Eckhart zu 108 Exzerpten aus seinen lateinischen und deutschen Texten Stellung bezieht, die ihm von den Kölner Inquisitoren als "häretisch bzw. der Häresie verdächtig" vorgelegt wurden. Dazu hinzugezogen werden konnten die Bulle und das Votum der Theologenkommission in Avignon. Wenn dies nicht half und auch keine Entsprechungen im Opus sermonum gefunden werden konnten, mußte die Echtheit durch kritische Prüfung der handschriftlichen Zuweisung oder durch inhaltliche und Stilkriterien gesichert oder zumindest wahrscheinlich gemacht werden. Damit ergab sich für Quint folgender abgestufter Echtheitsgrad, die er nach 'Abteilungen' gliederte:
1. Abteilung: (Prr. 1-16b) Durch die "Rechtfertigungsschrift" als echt bezeugte Predigten
2. Abteilung: (Prr. 17-24) Durch Übereinstimmung mit Predigten des "Opus sermonum" als echt erwiesene Predigten
3. Abteilung: (Prr. 25-59) Auf Grund der Verbindung mit DW 1, DW 5 und den lateinischen Werken als echt erwiesene Predigten
4. Abteilung: (Prr. 60-86) Durch Rückverweise auf Textparallelen in DW 2 und auf Grund beachtlicher Übereinstimmungen mit DW 1, DW 2, DW 5 und den lateinischen Werken als echt erweisbare Predigten
  Außerdem ergab sich für Quint die Notwendigkeit von drei "Apparaten": im 1. untersuchte er die handschriftliche Überlieferung, die Filiation der Hss. (ihr Verwandschaftgrad untereinander) zu einer Predigt, die Textkonstituierung, Zuordnungen nach Responsio, Votum und Bulle und schließlich die Echtheit. Im 2. Apparat erstellte er eine systematisierte mittelhochdeutsche Fassung, die er im 3. Apparat mit zahlreichen Anmerkungen versah. Schließlich folgte dann noch eine Übersetzung (ausführlich dazu Toni Schaller).
  Die Diskussion über die Echtheit ist nie ganz verstummt und neuerdings zur Predigt 86 wieder ausgebrochen (s. aktuelle Fragestellungen).

Die Edition von Georg Steer
  Nach der letzten Lieferung Quints 1976, der in diesem Jahr verstarb, vergingen 21 Jahre, bis Steer, sein Nachfolger als Herausgeber der deutschen Werke seit 1982, unter Mitarbeit von Wolfgang Klimanek und Freimut Löser im Dezember 1997 die 1.-4. Lieferung zum vierten Band [DW 4,1] vorlegte. In dieser Zeit waren von Steer und Löser zahlreiche Veröffentlichungen zur Thematik erfolgt, wovon unter Bibliographie eine Auswahl aufgeführt ist.
  Als wesentliche Aufgabe definiert Steer das Neusichten und Durchforsten der bereits bekannten Handschriften. Löser nahm sich dieser Arbeit anhand der Melker Handschriften an und veröffentlichte 1999 ein durchaus gewichtiges Werk seiner Untersuchungen (s. Löser, Melk).
  Zur 1.-4. Lieferung des vierten Bandes (Prr. 87-99) schrieb Steer:

  "Der vierte Band der Gesamtausgabe der deutschen Werke Meister Eckharts enthält die Predigten 87-113. Die Lieferungen 1-4 umfassen die Predigten, die in der Paradisus anime intelligentis - Sammlung Meister Eckhart zugeschrieben werden, aber von Josef Quint nicht in DW I, II und III veröffentlicht wurden (Pr. 87-98). Hinzu tritt eine Predigt, die von einer der ältesten Handschriften der deutschen Werke Eckharts (frühes 14. Jahrhundert), dem sog. Nürnberger Fragment, bezeugt ist. Leider fehlt von dieser Predigt (Pr. 99), für deren Echtheit sich Kurt Ruh in der Zeitschrift für deutsches Altertum 111 (1982), S. 219-225 nachdrücklich ausgesprochen hat, der Anfang und der Schluß.
  Die Lieferungen 5 ff. beinhalten die Predigt 100 (Pfeiffer Nr. LI), als echt durch die Straßburger (Str 1) und Einsiedler (E2) Überlieferungstradition erwiesen, und den Predigtzyklus »Von der Gottesgeburt« (Pr. 101-104), den Franz Pfeiffer, Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts, Band 2, Leipzig 1857, als Predigten I-IV erstmals veröffentlicht hat und von denen Josef Quint beabsichtigte, wenigstens die Predigten Pf. I, II und IV (Pr. 101-103), die er bereits 1955 ins Deutsche übersetzt hat (Meister Eckehart, Deutsche Predigten und Traktate, München 1955, 2. Aufl. 1963, S. 415-439 [s. Quint und Bibliographie]), in einen künftigen Band IV der deutschen Predigten Eckharts aufzunehmen.
  In den letzten Lieferungen des Bandes werden Predigten zusammengefaßt (Pr. 105-113), die dank neuer Handschriftenfunde (London, Victoria und Albert Museum Cod. L. 1810-1955) und aufgrund neuer Sichtung der bekannten handschriftlichen Überlieferung (Melker Eckhart-Handschriften Me1-Me8) Meister Eckhart zugewiesen werden können, unter ihnen auch die berühmte Opferstockpredigt (Pf. LVI = Pr. 109).
  Über die Grundsätze der Textkonstitution und die Textüberlieferung aller in Band IV veröffentlichten Predigten wird die Einleitung Auskunft geben. Die Schlußlieferung bietet zudem die deutsche Übersetzung der Predigten, mehrere Indices und ein Wörterverzeichnis."

  Im Mai 2002 erschien die 5.-8. Lieferung, die die Edition der Prr. 100-104 (104 noch nicht vollständig) umfaßt. Dabei wurde das Konzept etwas verändert. Der Band 4 wird in 4,1 und 4,2 unterteilt. Seit März 2003 liegt die 9.-11. und damit letzte Lieferung zum ersten Teilband vor und umfaßt den Rest von Predigt 104 und die Predigt 105, von der Steer sagt, sie sei keine Predigt, sondern eine Quaestio disputata [DW 4,1, S. 633, Anm. 1]. Außerdem enthält die Lieferung die "Titelei, Vorwort und Inhaltsverzeichnis". Der zweite Teilband 4,2 soll die Predigten 106-128 enthalten, "die neuhochdeutsche Übersetzung aller Predigten der beiden Teilbände", das Wörterverzeichnis und die Indizes. Davon sind die 1.-2. Lieferung bereits erschienen und enthält die Predigten 106-110 (Anfang). Alle Predigten des vierten Bandes stellt Steer in Anlehnung an Quint in eine eigene Abteilung:
5. Abteilung: (Prr. 87-128) Durch Untersuchungen der Überlieferungs- und Textgeschichte und auf Grund inhaltlicher Übereinstimmungen mit den deutschen und lateinischen Werken als echt erweisbare Predigten.

  In der Zwischenzeit erschien auf den Seiten der Meister-Eckhart-Gesellschaft ein "Verzeichnis der in DW IV benutzten Textzeugen und ihrer Siglen " von Wolfgang Klimanek, der in der Einführung dazu folgende Hinweise der kommenden Edition gibt:
  Da die Publikation der letzten Predigten von DW IV noch aussteht, seien hier zur vorläufigen Orientierung die nächsten sieben Texte benannt, die unter den entsprechenden Predigtnummern für die Herausgabe vorgesehen sind (laut Klimanek):
S 111
S 112
S 113
S 114
S 115
S 116
S 117
Pfeiffer Nr. CIX
Lo4 fol. 154ra-158ra (Alliu diu schare)
Lo4 fol. 131vb-133vb (Sant Pêter sprichet)
Quint, Untersuchungen I S. 187-190 (S1 fol. 223v-224v)
Par. an. Nr. 56
Par. an. Nr. 60
Jostes Nr. 82 ('Reich Gottes-Predigt')
[25.9.08]

  Über die Grundsätze seiner Edition gibt Steer im Vorwort (S. VII-XIX) erschöpfend Auskunft, wobei hier nur einige Passagen zitiert werden sollen (die von ihm dazu zahlreich zitierte Literatur ist zu einem großen Teil unter der Bibliographie aufgeführt):

  "Um aus der wissenschaftlichen Hinterlassenschaft Quints jene Predigten herauszufiltern, die noch Eckhart zum Verfasser haben könnten, braucht es nicht neue Kriterien der Echtheitsfindung. Es braucht aber einen neuen Blick auf die im Fokus stehenden Texte, keinen "textkritischen", sondern einen überlieferungsgeschichtlichen. Nur dieser erlaubt zu erkennen, wie gut die Predigttexte abgeschrieben wurden, wie die einzelnen Abschriften untereinander zusammenhängen, welche Bearbeitungen sie erfahren haben, in welchen Kontexten sie überliefert sind und über welche Vermittlungsstufen sie mit Eckharts Originalentwürfen zusammenhängen. Die Handschriften wie auch die Drucke sind in dieser Sicht nicht primär Text- und Variantenträger, sondern Dokumente der Aufnahme von Eckharts Schriften gemäß den Interessen der Redaktoren, Schreiber, Leser und geistlichen Schriftsteller. Im historischen Adaptionsprozeß, der Ende des 13. Jahrhunderts beginnt und im 16. Jahrhundert ausläuft, haben viele Rezipienten ein Wissen von dem Autor, um dessen Texte sie sich in Abschriften, Redigierungen, Exzerpten, Dicta-Sammlungen und Kompositraktaten bemühen. Dieses Wissen ist nicht verlorengegangen, es ist in der Art, wie die Texte überliefert sind, bewahrt. Dem kommt entgegen, daß auch Eckhart selbst, von einem hohen Autorbewußtsein beseelt, seine Schriften nicht unautorisiert verbreiten ließ. Die doch zahlreichen Zuschreibungen beweisen es." (S. IX)
  "Aus überlieferungs- und textgeschichtlicher Sicht sind auch die Kölner Anklagelisten (...) mit ihren 49 und 59 articuli (...) nichts anderes als Exzerpte aus Einzelhandschriften (...). Zusammen mit dem (...) Gutachten und der Verurteilungsbulle vom 29. März 1329 bezeugen sie ebenfalls die literarische Wirkung Eckharts (...), weil Eckhart in seiner 'Verteidigungsschrift' zu diesen articuli (...) Stellung genommen und sie dadurch als Sätze, die von ihm selbst geschrieben wurden, bestätigt hat. Er apostrophiert diese Sätze ausdrücklich als 'Sätze, die ich gepredigt, gelehrt und geschrieben habe ... die Wahrheit dessen, was ich gesagt und geschrieben habe' (Vgl. Proc. col. II n. 146). Im einzelnen hat Eckhart in seiner 'Verteidigungsschrift' 16 Predigten als von ihm selbst stammend bezeugt. Dieses Zeugnis hinderte jedoch die Forschung nicht anzunehmen, Eckharts deutsche Predigten seien bis auf die Predigt 'Von dem edeln menschen' alle durch Hörernachschriften entstanden und deshalb auch in ihrer Echtheit unsicher. Eine fatale Annahme, die Quints Editionsarbeit stark belastet hat." (S. XII)
  "Für die Frage nach der Echtheit der Predigten Eckharts ist an der Suchaktion der beiden Denunzianten [s. 1326] besonders wichtig, daß sie für den Prozeß nur autorisiertes Beweismaterial sammeln durften. Daß sie in solchem Umfange fündig werden konnten, beweist: Eckhart hat alle seine Predigten, die er aus der Hand gab, autorisiert. (...) Zu der 'gesichertesten Gruppe' der deutschen Predigten Eckharts werden die articuli-Predigten (...) einzig durch die Autorität Eckharts selbst, der durch den Publizierungsmodus seiner Predigten gewährleistete, daß nur er als ihr Autor gelten darf und niemand sonst. Nur weil sie als Predigten Eckharts kenntlich waren, konnten sie von den Denunzianten aufgefunden und für ihre Zwecke ausgewertet werden. (...) Die Konsequenz aus dieser Sicht der Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte der deutschen Predigten Eckharts ist, daß wir zwar verschiedene Arten der Sicherheit bezüglich der Echtheit einer Predigt unterscheiden können (Selbstbezeugung durch Eckhart, Zuschreibung in den Handschriften an Eckhart, Zuschreibung durch andere Autoren an Eckhart, der Überlieferungszusammenhang einer anonym überlieferten Predigt), die Echtheit einer Predigt selbst jedoch nicht in Grade eingeteilt werden kann." (S. XIII)
  "Bei dem Bemühen, die Echtheit von Predigten Eckharts nachzuweisen, ist es unerläßlich, zwischen der Autorschaftsechtheit, der Wortlautechtheit und der Formechtheit eines Textes zu unterscheiden. Redaktionell zersetzte Texte mögen ohne jeden Zweifel echt sein, weil sie ursprünglich Eckhart zum Verfasser haben, ihr Wortlaut aber, in dem sie uns in der Überlieferung begegnen, kann alle Merkmale der Unursprünglichkeit an sich haben. Ein (...) Beispiel dafür ist die Predigt 95 'Os suum aperuit sapientiae', die wir in einer autornahen Fassung und in einer redigierten Fassung [im Paradisus] mit dem neuen Titelvers 'Beatus homo qui invenit sapientiam' kennen. Quint hatte nur einen Blick für den originalen Text. (...) Erkennbar redigierte Texte, auch wenn sie durch Zuschreibungen für Eckhart verbürgt waren, wie die Eckhartpredigten der 'Paradisus'-Sammlung, scheute er zu edieren." (S. XIV)
  "Die überlieferungsgeschichtlich ausgerichtete Textforschung hat zunächst zu wichtigen Einsichten in die Überlieferungsvorgänge einzelner Predigten geführt. Diese Einsichten haben sich von Untersuchung zu Untersuchung verfestigt und allmählich die wahren Zustände der überlieferten Eckharttexte ins Licht gesetzt: Viele alte Handschriften, vor allem die des 14. Jahrhunderts, sind verlorengegangen. Unter den wenigen, die erhalten geblieben sind, haben wenige einwandfreie Texte." (S. XVII)
  "Die Frage nach der Echtheit der deutschen Predigten Eckharts ist nicht bloß im Hinblick auf den Autor und den Wortlaut der Predigten zu stellen, sondern auch im Hinblick auf ihre Form und Gestalt, ihren Aufbau und ihre Struktur. Die Überlieferungsanalysen haben sehen lassen, daß eine Reihe von Predigten nur noch in Teilen überliefert ist, als Einzelstücke oder als Bestandteile anderer Predigten und Traktate. Vor allem wurden aus Eckhart-Predigten Exzerpte gezogen und meist zusammen mit Dicta anderer Autoren zu eigenen Sammlungen oder Komposittexten arrangiert. (...) Ob auch die aus Predigten exzerpierten Textstücke, die von anonymen Redaktoren zu Sammlungen und Komposittraktaten neuer Form zusammengestellt wurden, vermischt oftmals mit Texten anderer Autoren, als Fragmenttexte ediert werden sollten, bleibt zunächst unentschieden und muß von den künftigen Ergebnissen der im Gang befindlichen überlieferungsgeschichtlichen Arbeiten abhängig gemacht werden. Quint jedenfalls hat nach dem Vorbild Franz Pfeiffers neben der Edition der 'Predigten' und 'Traktate' auch an eine Edition der 'Sprüche' in der Stuttgarter Ausgabe gedacht." (S. XVII/XVIII)

  Einen sehr ausführlichen Überblick über die deutsche und lateinische Edition gibt Steer in seinem Aufsatz "Die Schriften Meister Eckharts in den Handschriften des Mittelalters". Leider kann ich an dieser Stelle nur das 'Inhaltsverzeichnis' der fast 70 Seiten (mit zusätzlich 21 Abbildungen von Handschriften) angeben. Nach einem allgemeinen Überblick werden die lateinischen Schriften vorgestellt und ihre Erschließungsgeschichte, insbesondere der Handschriften mit den Siglen E, T, C, K, L und B, berichtet. Es folgen "generelle Einsichten in die lateinische Überlieferung im Vergleich mit der deutschen" mit einem Überblick "über alle lateinischen Werke Eckharts und ihre sichere oder erschlossene Entstehungszeit" (S. 228 - s. Chronologie), bevor er sich den deutschen Schriften widmet. Anhand einzelner Beispiele werden die Schwierigkeiten mit den Textzeugen geschildert. Er diskutiert die Grundannahmen Quints und Kochs, wobei die These, bei den überlieferten Predigten würde es sich um "Hörernachschriften" handeln, verworfen wird. Die Frage nach der Echtheit wird einer differenzierten Betrachtung unterworfen. Dann behandelt er die "Textabschriften, Textformen, Textfassungen, Textkompilationen" und stellt die vier Fragmente M42, N20, N21 und Ei2 vor und berichtet von Neufunden, deren Aufnahme in den vierten Band zur Diskussion stehe. Einen breiten Raum nehmen auch die redigierten Texte Eckharts ein, so die Predigtsammlung des 'Paradisus anime intelligentis', die 'Sermones novi' des Nikolaus von Landau, die Melker Predigtsammlung des Lienhart Peuger, die Salzburger Handschrift S1 und die Nürnberger Predigtzusammenstellung N1 sowie die Predigten des Basler Taulerdrucks, "in den 61 Predigten Eckharts aufgenommen wurden". Schließlich geht er noch auf die Fragmente ein, die Pfeiffer (s. o.) erstmals in Auswahl abdruckte und stellt fest: "Es bleibt künftig der Forschung die Aufgabe, nach den wegweisenden Studien von Löser die Sekundärüberlieferung der Schriften Eckharts vollständig zu erschließen." (S. 276) Der Aufsatz schließt mit den "mittelbaren Bezeugungen". [Steer, Schriften]
  Wer am aktuellen Stand der Eckhart-Forschung nicht nur in Bezug auf die überlieferten Handschriften interessiert ist, der kann zur Zeit keinen besseren Überblick gewinnen als mit diesem Aufsatz, der zusätzlich nicht nur über die bereits erschienende Literatur unterrichtet, sondern auch auf die Studien hinweist, die sich im Druck (der Aufsatz wurde als Vortrag zwischen dem 6.-8. April 2000 auf einer Berliner Tagung gehalten) bzw. in Arbeit befinden.

Zur Datierung der Predigten
Straßburg
Köln
Theisen
Ruh

  Eine nach wie vor hochaktuelle Frage ist, wann die Predigten gehalten wurden. Anhand der Lebensstationen Eckharts kann man sie grob in die Zeiträume 'Erfurt' (1294-1310), 'Straßburg' (1313-1322) und 'Köln' (1323-1327) einteilen, ohne zu wissen, welche wann gehalten wurden.
  Erfurt: Was den ersten Zeitraum betrifft, so war sich Ruh ziemlich sicher, daß die meisten der Predigten des Paradisus dorthin zu datieren wären (s. die Angaben unten zum Paradisus und Ruhs Artikel zu den Pariser Quaestionen. Genauere Angaben finden sich zu den einzelnen Predigten der Sammlung, soweit ich sie bisher bearbeitet habe.)
  Neuerdings konnte Steer im Rahmen seiner Edition zeigen, daß der Predigtzyklus von der êwigen geburt, der die Prr. 101, 102, 103 und 104 umfaßt, mit großer Wahrscheinlichkeit in die Jahre 1298-1305 zu datieren ist. Auch die Predigt 4 wurde aufgrund mehrfacher Übereinstimmung mit den 'Erfurter Reden' in diese Zeit gesetzt, was aber aufgrund anderer Kennzeichen nicht sicher ist.
  Hinzuweisen wäre an dieser Stelle auch auf die Predigt 69, von der ich vermute, das sie 1305 gehalten wurde.
  Straßburg: Eine konkrete Einordnung einer Predigt in die Straßburger Zeit ist mir bisher nur für Predigt 110, die auch in der kritischen Edition Steers [DW 4,2, S. 775-?, bisher erschienen bis S. 782] zwangsläufig im wesentlichen auf der Textausgabe Pfeiffers (Pr. XLIV, S. 149-152) beruht, bekannt.
  Allerdings hat es verschiedene Versuche gegeben, aufgrund unterschiedlicher Kriterien Zuordnungen zu treffen. So verweist z. B. Eugen Hillenbrand darauf, daß Eckhart während seiner Straßburger Zeit auf einer Baustelle wohnte (S. 152) und "überraschend häufig (..) das lebensnahe Motiv der Zimmerleute in seinen Predigten" aufgriff, nämlich in 6, 17, 38, 47, 50 und 61 [Hillenbrand]. Hinzuzufügen wäre noch Predigt 103 (s. Predigt 38), die aber nach den o.a. Ausführungen wohl in die Erfurter Zeit fällt. Man ersieht daraus, daß eine Zuordnung anhand einzelner Motive keine triviale Angelegenheit ist.
  Köln: Dagegen gibt es für die Kölner Zeit mehrfache Datierungen. So hatten bereits Koch (s. Der Aufenthalt in Köln, S. 297 f.) und Quint [DW 1, S. 371-374 (vgl. Acta n. 43)] darauf hingewiesen, daß die Predigten 11, 12, 13, 14, 15, 22 und 51 wohl in einem kurzen Zeitraum in Köln zwischen 1324 und 1326 gehalten worden waren.
  Aufgrund der Rückverweise der Predigten (im Einzelnen s. Zum Ort der Predigten im Kirchenjahr) ergeben sich folgende Abhängigkeiten. Es wurden gehalten: Q 12 vor Q 22; Q 22 vor Q 13, Q 14 und Q 51; Q 15 vor Q 14; Q 13 vor Q 11 und Q 51 (vgl. auch Lösers Vortrag in Straßburg 2006). Anhand der von Koch, Quint und Theisen (s.u.) vorgenommenen liturgischen Zuordnungen entsteht diese Tabelle:

Predigt Liturgische Zuweisung Datum
12
15
22

13
14
51
11
Mariä Geburt
Marcus
Samstag im Dezember (Theisen)
Quatembermittwoch im Advent (Koch)
Unschuldige Kinder
Epiphanie - Erscheinung des Herrn
Mittwoch nach dem 3. Fastensonntag
Johannes der Täufer
8. September
7. Oktober
7./14. Dezember
14.-20. Dezember
28. Dezember
6. Januar
25.[26.] Februar - 31. März
24. Juni

  Diese unterscheidet sich von der nachfolgenden Tabelle Theisens (die zusätzlich die von ihm entwickelte Fastenpredigtreihe enthält) nur im Bezug auf Q 15. Da diese Predigt aber aufgrund des Rückverweises in Q 14 dieser eindeutig vorausgeht, kann es sich nur um einen (Flüchtigkeits-) Fehler handeln.
  Die Konzentration auf die Jahre 1325/26 (von Theisen auf den S. 120/21 ausführlich begründet) ist dem ohnehin engen Zeitrahmen geschuldet. Sollte sich aber die von Sturlese auf der Tagung in Straßburg (s. seinen Vortrag) angedachte Möglichkeit wahrscheinlicher machen lassen, dass Eckhart ab 1314 in Köln war, so wäre der Datierung ein größerer Bezugsraum gegeben. [5.3.08]
Theisen
  1990 veröffentlichte Joachim Theisen den Versuch einer Einordnung der bis dahin erschienenden 86 Predigten der Edition von Quint in den liturgischen Ablauf des Kirchenjahres. Dabei nahm er die Vorgabe von Koch / Quint und erweiterte sie zu folgender Liste:

Predigt Liturgische Zuweisung Datum
 
12
22
13
 
Mariä Geburt
Samstag im Dezember
Unschuldige Kinder
 1325
8. September
7./14. Dezember
28. Dezember
 
14
1
49
37
51
19
26
25
(43) 18
79
59
(35)
11
15
 
Epiphanie
Dienstag nach dem 1. Fastensonntag
3. Fastensonntag
Dienstag nach dem 3. Fastensonntag
Mittwoch nach dem 3. Fastensonntag
Donnerstag nach dem 3. Fastensonntag
Freitag nach dem 3. Fastensonntag
Dienstag nach dem 4. Fastensonntag
Donnerstag nach dem 4. Fastensonntag
Samstag nach dem 4. Fastensonntag
Donnerstag nach dem Passionssonntag
Ostern (22.3.-25.4.)
Johannes der Täufer
Markus
1326
6. Januar
11. Februar
23. Februar
25. Februar
26. Februar
27. Februar
28. Februar
4. März
6. März
8. März
13. März
(s. Köhler ) 23. März
24. Juni
7. Oktober
[Theisen, S. 121/22]

  "Andere Predigten wären von hier aus danach zu überprüfen, inwieweit sie auf diesen Predigtzyklus, der in den Jahren 1325 und 1326 in Köln gehalten wurde, Bezug nehmen. Für einige Predigten kann dies aufgrund von Rückverweisen angenommen werden, so etwa für die Osterpredigt 35" [Theisen, S. 122].
  Ich könnte mir vorstellen, daß Predigt 43 statt Predigt 18 am 6. März gehalten wurde (s. Datierung).
  "Festzuhalten bleibt: Eckharts .. Predigten (insbesondere die Texte 37, 51, 19, 26 und 18) sind durch zeitlich eindeutige Rückverweise miteinander verbunden. Sie sind unmittelbar nacheinander entstanden und gehalten worden (...) die Reihe der Predigten ist mit Sicherheit in Köln (und dort wahrscheinlich vor den Nonnen des Benediktinerinnenklosters St. Machbaeorum) gehalten worden (...) Eckharts Predigten sind als Gesamtwerk, als vernetztes System, als innere Einheit zu betrachten" [Löser, Pr. 19, S. 148/49].
  Bezieht sich der Rückverweis der Predigt 63 auf Pr. 26, wären auch die Predigten 63, 64 und 65, die mit Pr. 65 enge inhaltliche Übereinstimmungen aufweisen, im Rahmen der Kölner Predigtreihe gehalten worden. Sollten weiter die Rückverweise der Predigt 35 auf Pr. 18, der Predigten 36a und 36b auf Pr. 35 sowie der Predigt 10 auf Pr. 36a korrekt sein, wären auch diese Predigten 1326 in Köln gehalten worden. [Largier I, S. 950]
  "Doch muß betont werden, daß die Versuche, eine chronologische Ordnung des Predigtwerks herzustellen, auf unsicheren Füßen stehen. Es ist keineswegs auszuschließen, daß Predigten, die in die Sammlung des Paradisus animae intelligentis aufgenommen sind oder aufgrund inhaltlicher Kriterien in die Nähe des ersten Pariser Magisteriums gerückt werden, später bei bestimmter Gelegenheit gehalten wurden. Auch kann angesichts der vielen gedanklichen Wiederholungen Eckharts nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß die identifizierten Rückverweise sich immer genau auf diese oder jene Stelle beziehen. Ebensowenig liefern liturgische Kriterien, die ja doch immer auf die Interpretation des Texts angewiesen bleiben, eindeutige Anhaltspunkte, die eine verbindliche Chronologie erstellen lassen" [Largier I, S. 740].
  Ruh: Am radikalsten äußerte sich 1999 Kurt Ruh, indem er zwei Thesen formulierte: "1. daß keine Kölner Predigt des Meisters nachweisbar ist, und 2. daß die Kölner Richter ihr Anklagematerial einzig aus Straßburg oder früher entstandenen Texten bezogen haben." Die Begründung dazu ist nachzulesen in seinem Aufsatz "Zu Meister Eckharts Kölner Predigten" (Ruh, Kölner). Hier besteht also anscheinend noch Klärungsbedarf, an dem sich Ruh leider nicht mehr beteiligen kann, da er im Dezember 2002 verstarb.

Aktuelle Fragestellungen
  Während für Quint in erster Linie die Frage nach der Echtheit der überlieferten Texte im Vordergrund stand, tritt seit Steer neben dem Durchforsten bereits bekannter Handschriften nach Eckhart-Texten immer mehr die Frage nach einer möglichen Datierung hervor. Einer der Anknüpfungspunkte ist dabei die Einordnung der Predigten in den liturgischen Jahresablauf. Wie wenig Quint an dieser Fragestellung interessiert war, zeigt sich daran, das er zu den ersten 24 Predigten (also Band I der deutschen Werke) keinerlei Angaben zur Liturgie machte. Erst ab dem 2. Band nahm er auch darauf Bezug. Sturlese forderte nun auf der internationalen Meister Eckhart Tagung in Erfurt Ende September 2003 (s. Bericht) eine Neubewertung aller bisher edierten Predigten im Hinblick auf die liturgische Einordnung ins Kirchenjahr zwecks Erstellung einer ersten, vorläufigen Chronologie.
  Einen ersten Versuch zu den bisher veröffentlichen edierten Predigten 1-110 (von 128 zur Zeit - Oktober 2003 - veranschlagten) anhand der Angaben von Löser, Koch, Quint, Ruh, Steer und Theisen findet sich unter Predigten im Kirchenjahr.
  Aber die Fragen nach der Echtheit sind damit nicht vom Tisch. So ist in neuester Zeit wieder eine Diskussion über die Predigt 86 entfacht worden, nachdem Günter Stachel ihr die Echtheit abgesprochen hatte (s. Bibliographie). Der von ihm direkt angesprochene Dietmar Mieth ist 2003 in dem zweiten Band der 'Lectura Ekhardi' ausführlich darauf eingegangen (S. 140-175), womit aber die Diskussion noch nicht beendet sein dürfte.
  Andere Fragestellungen sind noch von Ruh angesprochen worden, so zu den Kölner Predigten 1999 (s. oben zur Liste) oder zum 'Liber Benedictus' 1995 (s. dort).
  Eine schon etwas ältere Frage, die m.W. noch nicht beantwortet worden ist, stellte Koch bereits 1963 an Quint. Angesichts der in die Hunderte gehenden Handschriften, die von vollständigen Predigten bis zu Spruchfragmenten Texte von Eckhart enthalten, wünschte er sich eine Karte der Verbreitung der Werke nach dem Hss.-Befund. Anscheinend fand "Herr Quint, der allein den ganzen deutschen Eckhart-Hss.-Bestand überschaut", nicht die "Zeit, eine solche Karte herstellen zu lassen" [Koch, Wirken, S. 435]. Seit 1963 ist die Anzahl der Hss. (nicht zuletzt dank Löser) noch um einige gestiegen, und so wäre es wünschenswert, wenn Herr Steer die Zeit für eine solche Karte finden würde oder sie zumindest in Auftrag geben könnte.
  Diese Karte kann jetzt aufgrund der Gesamtliste aller Textzeugen von jedem, der es wissen will, selbst erstellt werden. [1.9.08]

Die Predigtsammlung Paradisus anime intelligentis - (Par. an.)
  Diese Predigtsammlung, "Paradies der vernünftigen Seele", ist mit seinem mittelhochddeutschen Titel "Dit buchelin heizit ein paradies der fornüftigin sele" in drei Handschriften aus der Mitte des 14. Jhs. auf uns gekommen. Sie enthält 64 Predigten mit Verfassernamen (bis auf eine Ausnahme), wovon 32 Eckhart zugewiesen werden, und ist mutmaßlich von einem Erfurter Dominikaner zusammengestellt worden. Diese Annahme ist nicht unbestritten (s. Bericht von der Eckhart-Tagung in Erfurt). Dabei wurde (wiederum mit einer Ausnahme) keine Predigt Eckharts aufgenommen, die eine der in der Bulle inkriminierten Sätze enthält. Die Redaktion folgte dem traditionellen liturgischen Ordnungsprinzip: Die Prr. 1-31 folgen dem Kirchenjahr von Advent bis Trinitatis, die Nrr. 32-64 sind Heiligenpredigten ohne erkennbare Disposition. Die Abfassung der Handschrift fällt in die (späten) dreißiger Jahre des 14. Jahrhunderts, also etwa zehn Jahre nach Eckharts Tod, eine Zeit, in der die Überlieferung seiner Texte frühestens erkennbar wird. (S. Ausführliche Übersicht und Einführung in die Predigtsammlung).
  Die Edition einer der Handschriften legte 1919 Phillip Strauch vor. Diese erschien 1998 in 2. Auflage mit einem Nachwort von Niklaus Largier und Gilbert Fournier. Nach langen Jahren des Schweigens ist diese Sammlung jetzt wieder in den Fokus der Forscher geraten (s. Bericht von der Eckhart-Tagung in Erfurt 2003).
  In den deutschen Werken sind daraus erschienen:
DW 1: 7 (19), 9 (33), 19 (20), 20b (24);
DW 2: 32 (34), 33 (49), 37 (21), 38 (4), 43 (22), 56 (26), 57 (61);
DW 3: 60 (36), 70 (28), 72 (51), 80 (59), 82 (48), 84 (57), 85 (58);
DW 4,1: 87 (1), 88 (8), 89 (10), 90 (15), 91 (16), 92 (27), 93 (37), 94 (42), 95 (46), 96 (47), 97 (50), 98 (55).
DW 4,2: 115 (56), 116 (60)
(ab Pr. 87 noch nicht übersetzt).
Die Zahlen in () beziehen sich auf die Nummer in Strauchs Textausgabe.
  Zur Nr. 56 (jetzt Pr. 115) schrieb Steer 2002: "Aus der 'Paradisus'-Sammlung ragt eine einzige Predigt hervor, die keinen Autorennamen trägt. Strauch gibt ihr den Titel: Sermo de sanctis und stellt sie unter das Bibelwort Illumina oculos meos (Ps 12,4). (...) Die erhaltenen Handschriften weisen aus, daß diese im 'Paradisus' als anonym geltende Predigt in vier verschiedenen Versionen verbreitet war. Die tiefgründigste Bearbeitung bringt der anonyme Redaktor der Nürnberger Handschrift N4 zustande. Er integriert in seinen Text sogar das Lied 'Granum sinapis'" [Steer, Schriften, S. 271].
  Im Rahmen dieser Website bearbeite ich die Predigten des Paradisus, soweit sie in Quintscher Übersetzung vorliegen (d.h. aus den ersten drei Bänden), im besonderen Hinblick auf eine mögliche Datierung. Bisher liegen dazu die Prr. 7, 9, 19, 20b, 32, 33, 37, 38, 43 und 70 vor (Details s. Archiv). [2.7.17]

Erfurter Reden - (RdU)
  Vermutlich trat Eckhart in Erfurt dem Orden bei und erhielt die Ausbildung, die dazu führte, daß er 1293 an der Universität Paris seine "Antrittsrede" als Lektor der Sentenzen in lateinischer Sprache halten konnte. Ab 1294 ist er als Prior des Dominikanerkonventes von Erfurt und Vikar der Ordensnation Thuringia wieder in der Stadt. Hier bleibt er wahrscheinlich bis 1300.
  Aus dieser Zeit stammen die Reden, deren Überschrift in acht (B30, F2, Gi, Ka4, M17, M18, Pr1, Pr2 der (bisher bekannten) 59 Handschriften lautet:
  Daz sint die rede, die der vicarius von türingen, der prior von erfurt, bruoder eckhart predigerordens mit solchen kindern hâte, diu in dirre rede vrâgeten vil dinges, dô sie sâzen in collationibus mit einander (Vgl. Prol. gen. n. 2).
  Mit 59 Hss. ist die Überlieferung zu den Reden die bei weitem umfangreichste aller Texte Eckharts. Dies ist vermutlich begünstigt durch den Umstand, dass Auszüge daraus nicht in den Listen der Kölner Ankläger auftauchten und somit auch nicht in der Bulle In agro dominico verurteilt wurden.

  Die Reden stellen eine Art Lehrbuch dar, dessen Inhalt sich aus den Gesprächen (collationes) ergibt, die Eckhart mit den Laienbrüdern, Novizen und Mönchen der ihm anvertrauten Kloster führte, die von ihm Antworten auf ihre zahlreichen Fragen erwarteten, insbesondere was ihren Umgang mit den Ordensregeln betraf. Sie sind dabei in besonderer Weise auf die Einübung in die religiöse Alltagspraxis bezogen. Kurt Ruh resümiert: "Die Vorstellung von Hölle, Teufel und Strafen fehlt gänzlich, das Leiden trägt Gott mit, die Sünde braucht den Menschen nicht zu zerstören, die Kräfte des Guten sind so stark wie die des Bösen, Gott ist immer nahe: das sind erstaunliche Leitsätze im weitgehend institutionalisierten und juridisch fixierten Christentum des späten 13. Jahrhunderts, dem immer mehr auch die neuen Orden anheimfielen. Eckhart nimmt dem Menschen die Daseinsangst und führt ihn in die Wesentlichkeit zurück, sofern er Gott gehören will und nicht sich selbst. Er verkündet ein ganz vom Geist her bestimmtes Christentum, ein Christentum in seiner lûterkeit" [Ruh, Eckhart, S. 46].
  Es herrscht bis heute Unklarheit darüber, wie die Reden denn nun genannt werden sollen, ob Reden der Unterweisung oder Reden der Unterscheidung oder anders. Burkhard Hasebrinck hat auf der internationalen Meister Eckhart - Tagung in Erfurt (s. Bericht) Ende September 2003 den Vorschlag gemacht, sie einfach die Erfurter Reden zu nennen, dem ich mich anschließen möchte. [30.11.09]

Das Buch der göttlichen Tröstung - (BgT)
  Dieses Buch, "daß mit den Worten Benedictus Deus beginnt" (s. Proc. Col. I n. 78), ist in zwei Hss. (Ba2 und M) zusammen mit der Predigt Vom edlen Menschen und in zwei weiteren Hss. (G6 und Tr2) fragmentarisch überliefert. Im Buch selbst spricht Eckhart von dieser Predigt, die dem Buch nachfolgen soll (in n. 51), was Quint zum Anlaß nahm, beide als Liber "Benedictus" (I + II) gemeinsam zu edieren, da sowohl das Buch als auch die Predigt durch die Responsio und die Bulle wie das Votum als echt erwiesen sind.
  "Das BgT gehört in die Tradition der 'Trostbücher', deren großes Vorbild des Boethius Consolatio philosophiae aus dem Beginn des 6. Jhs. ist. Der Dominikaner Johannes von Dambach (1288-1372) [wahrscheinlich derselbe, der 1327 als 'von Tambach' bei Eckharts Appellation anwesend war] hat eine Reihe von mehr oder weniger frei zitierten Exzerpten aus dem BgT Eckeharts in lateinischer Übersetzung seiner Consolatio theologiae eingefügt" [Quint, S. 465].
  Das Trostbuch, dass laut der 1. Liste der Kölner Ankläger (s. Proc. col. I n. 1) an die Königin Agnes von Ungarn geschickt worden war, weist mehrere Bearbeitungsstufen auf (weiteres s. Beschreibung und Datierung).

  "Wenigstens in einer Art Fußnote möchte ich doch einem Zweifel Ausdruck geben, der immer stärker in mir umgeht und sich zur These verdichtet: Eckhart hat den 'Liber benedictus' nicht für die Königin Agnes, sondern für trostbedürftige Menschen seiner Lebenswelt geschrieben, Schwestern und Brüdern, denen er predigte. Es sei daran erinnert, daß es so ganz und gar nicht seiner Art entspricht, die Adressatin seiner Schrift, wie es hier geschieht, nur in (scheinbaren) Anspielungen erkennen zu lassen, von der Merkwürdigkeit zu schweigen, daß ein Dominikaner der Vorsteherin eines Klarissenklosters private Seelsorge angedeihen läßt." [Ruh, Mystik, S. 322]
  1995 präzisierte Kurt Ruh in einem kurzen Artikel: "Meine These ist: Eckhart hat den 'Liber Benedictus' nicht als Auftragwerk für die Königin Agnes von Ungarn verfaßt, vielmehr für den Menschen schlechthin, im besonderen für trostbedürftige Menschen seiner Lebenswelt, die Schwestern und Brüder, denen auch seine Predigt galt." [Ruh, Liber, S. 272].
  Außerdem merkt er an: "Ich rede schlicht von 'Trostbuch' und erlaube mir dabei in Erinnerung zu rufen, daß 'Buoch der götlichen troestunge' zwar ein sehr schöner und passender Titel ist, indes ein nicht authentischer. Das 'Trostbuch' kennt weder den Begriff troestunge, noch wird der Trost als 'göttlich' bezeichnet. Der Titel stammt aus dem Vorsatzblatt der Basler Handschrift, das nach den Handschriftenbeschreibungen von einem späteren Schreiber stammt. Wir sind diesem für den wunderbaren Titel dankbar, sollten ihn aber nicht, wie geschehen, so verwenden, als handle es sich um eine originale, das heißt dem Basler Text eigene Bezeichnung." [Ruh, Liber, S. 272, Anm. 1]
  Thema des Buochs ist u.a. das Leid und wie die Menschen damit umgehen (sollen). Dabei geht es - wie bei Eckhart üblich - um das Verhältnis der Kreatur, besonders des "guten Menschen" zu Gott. In der Literatur wird es auch als das "Schlüsselwerk" zu seiner Lehre bezeichnet. [30.11.09]

Vom edlen Menschen - (VeM)
  Diese Predigt, die Eckhart sehr wahrscheinlich an einem 2. September (dem Festtag des hl. Stephan von Ungarn, Schutzpatron Ungarns) vielleicht in Anwesenheit der Königin Agnes von Ungarn hielt, ist in nur drei Hss. überliefert. In Ba2 und M im Anschluß ans Trostbuch und in St4 allein. Quints Bezeichnung Liber "Benedictus" (II) geht auf Eckhart selbst zurück. Zum Einen schreibt er im "Buch der göttlichen Tröstung", dass diese Predigt dem Buch nachfolge (s. n. 51) und dann sagt er in der Vorbemerkung der Responsio: "Erstens werden 15 Sätze angeführt, die einem von mir verfaßten Buche entnommen sind, das mit den Worten Benedictus Deus beginnt" [s. Proc. col. I n. 78]. Eckhart bezieht sich auf 22 Auszüge (in 15 Artikeln), deren letzte beiden (n. 22 und n. 23) der Predigt entnommen sind.
  Weitere Angaben zur Beschreibung und Datierung der Predigt finden sich am Ende der Datei.
  Das Thema der Predigt entspricht dem beanstandeten 24. Satz, den die Bulle zitiert: Gott ist Eins und nicht vieles, d.h. nicht unterschieden und auch nicht unterscheidbar und man ist Gott erst dann wirklich nah, wenn man selbst Eins ist. [30.11.09]

Von Abgeschiedenheit - (Vab)
  Pfeiffer veröffentlichte 1857 seine Abschrift als Traktat Nr. IX (s.o.). Als Handschriften nannte er Ko und St4, benutzte aber auch M23, die Quint zur Leithandschrift seiner Edition erkor (unter besonderer Berücksichtigung von Ko). Der Edition lagen 32 der heute bekannten 45 Hss. zugrunde (davon 17 'Volltexte'), aber auch eine Neuedition würde am Text selbst wohl wenig ändern.
  Sein Ursprung liegt im alemannischen Sprachraum vor der Mitte des 14. Jahrhunderts und er findet seine weiteste Verbreitung im gesamten 15. Jh. mit besonderer Berücksichtigung der Jahre 1440-60. Die Schreibsprache der Handschriften ist (von wenigen Ausnahmen abgesehen) alemannisch, elsässisch, schwäbisch, fränkisch oder bairisch (s. Tabelle Handschriften und Drucke).
  Spamer fand keinen Grund, den Text Meister Eckhart zuzuschreiben, aber Quint war anderer Meinung. Sein Schüler Eduard Schaefer untersuchte den Traktat und kam nach einer 50-seitigen Echtheitsdiskussion zu dem Schluß, er könne "als für Meister Eckehart gesichert angesehen werden." Dem schloß sich Quint trotz vielfachen Widerspruchs wie z.B. von Kurt Ruh an:
  "An Stelle einer Predigt tritt nun aber der Traktat 'Von Abgeschiedenheit'. Trotz breiter Überlieferung (über 30 Handschriftenzeugen) ist das kleine Werk - es ist nicht viel umfangreicher als eine größere Predigt - nirgends als Schrift Eckharts bezeugt. So war auch seine Authentizität umstritten - bis ihn Quint in die Ausgabe aufnahm [DW 5 377-468]. Aber das war sozusagen eine Adoption, der Echtheitsbeweis konnte nicht stringent erbracht werden; frühere, auch von mir geäußerte Bedenken blieben unausgeräumt. Es muß indes zugegeben werden, daß auch der Nachweis der Unechtheit der Stringenz entbehrt. Man wird so von einer eingeschränkten Authentizität sprechen müssen. Authentisch sind bestimmt die zentralen Aussagen über die Abgeschiedenheit als höchste Tugend und als Seinsweise Gottes; man kann sogar sagen, daß inhaltlich kaum etwas in diesem Traktat steht, das nicht von Eckhart sein könnte. Auf der anderen Seite gibt es Befremdliches in Formulierungen und Terminologie, und auch die Disposition ist nicht immer fest gefügt, gleichsam mit sekundären Bestandteilen durchschossen. Ich führe nur ein Beispiel zur Terminologie an: 'Wann immer der freie Geist in rechter Abgeschiedenheit steht, so zwingt er Gott zu seinem Sein' (411,1 f.). Wie könnte Eckhart im Wissen darum, daß er mit den Brüdern und Schwestern vom Freien Geiste in Zusammenhang gebracht worden ist, das Stichwort 'freier Geist' verwenden? Es kommt sonst bei Eckhart nicht vor. - Als Hypothese ist nun folgendes denkbar: Eckhart hat Gedanken und Formulierungen zum Thema Abgeschiedenheit zusammengestellt, eine befreundete Hand, vielleicht ein Interessent des Traktats, fertigte daraus mit eigenen Zusätzen die Schrift, wie sie uns überliefert ist. Das setzt voraus, daß Eckhart selbst nicht mehr in der Lage war, seinen Entwurf auszuarbeiten: er hinterließ ihn als posthume Schrift. Das trifft sich gut mit der allgemeinen Auffassung, sie gehöre in Eckharts letzten Lebensabschnitt. Der Inquisition stand sie jedenfalls noch nicht zur Verfügung.
  Gegenüber den übrigen Traktaten und den Predigten bringt 'Von Abgeschiedenheit' nichts Neues mehr. Der Traktat faßt ordnend und systematisch zusammen" [Ruh, Eckhart, S. 165 f.]
  Ob die Diskussion damit abgeschlossen ist, vermag ich nicht zu sagen. Zumindest scheint man sich in der Literatur schon seit längerem nicht mehr damit zu befassen (s. Beschreibung und zur Echtheit des Textes). [21.12.09]

Granum sinapis
  Dieses Gedicht, "Das Senfkorn von der herrlichsten Gottheit in deutscher Sprache, klein in seiner Substanz, groß in seiner Kraft", ist in seiner ältesten Form als Bestandteil eines lateinischen Kommentars in drei Handschriften überliefert: "Vermerkt sei zuerst, daß die gelehrte (sehr ausführliche, ja weitschweifige) Kommentierung auf einen allbekannten, einen berühmten Autor des Gedichts schließen läßt: ein zwingendes Argument für Eckharts Verfasserschaft! Sodann gilt es hervorzuheben, daß Gedicht und Kommentar in einmaliger Weise miteinander verbunden sind. Es ist nämlich nicht so, daß es das Gedicht gibt, das dann ein gelehrter Mann zu kommentieren sich anschickte, sondern es existiert an frühester Stelle der Überlieferung einzig der Kommentar, der es Strophe um Strophe, Vers um Vers zitiert." Aus diesen und anderen Gründen ist es berechtigt, "eine sehr nahe Personenverbindung von Eckhart, dem Verfasser des Gedichts, und dem gelehrt interpretierenden Kommentator anzunehmen." [Ruh, Mystik, S. 283]

Eckhart - Legenden
  Diesen Titel gab Quint seinen vier Übersetzungen der Texte, die Pfeiffer unter 'Sprüche' (Nrr. 67, 68, 69, 70) abdruckte. Ich habe diese Bezeichnung beibehalten, auch wenn man im eigentlichen Sinne des Wortes nicht von 'Legenden' sprechen kann. Es handelt sich um Textstücke (Fragmente), die teilweise freie Übersetzungen aus den lateinischen Werken darstellen (so z.B. die Sprüche Nr. 32, 33, 34, 42, 44). Auch findet sich hier die Übersetzung des 'Schwester Kathrei'-Traktats (Pfeiffer Nr. VI) von Gustav Landauer, der eine relativ große Beachtung in der Literatur erfahren hat (zuletzt: Franz Josef Schweitzer, Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik. Seine Beziehung zur Ketzerei der "Brüder u. Schwestern vom Freien Geist", mit besonderer Berücksichtigung auf den pseudoeckartischen Traktat "Schwester Katrei", Lang Frankfurt/Main u.a., 1981). Inwieweit die Stücke von Eckhart selbst stammen, vermag ich nicht zu sagen. Ebenso ist die Datierung unbestimmt.

In lateinischer Sprache

  Die Handschriften, die lateinische Texte Eckharts enthalten, kann man in verschiedene Kategorien einteilen. An erster Stelle stehen dabei die 'reinen' Eckhart-Handschriften, die ausschließlich oder überwiegend Texte von ihm überliefern. Zu den ausschließlichen Hss. zählen die Hs. B, die den Johanneskommentar enthält, C, die als Auftragsarbeit des Cusaners die vollständigste Sammlung lateinischer Eckhart-Texte überhaupt darstellt und als einzige die Sermones überliefert, T, die zum 'Leittext' der 'CT-Rezension' der kritischen Edition auserkoren wurde (und weshalb diese eigentlich 'TC-Rezension' heißen müßte), K, die aus 592 Exzerpten aus den bekannten Texten besteht und schließlich L, die zumindest bis 1639 als einzelne Hs. existierte und eine von allen anderen Handschriften unabhängige Überlieferung tradiert. Überwiegend Eckhart-Texte enthält der Codex E, durch den die älteste Schicht des Opus tripartitum repräsentiert wird.
  In eine andere Kategorie fallen die Handschriften, in denen seine Texte neben anderen Schriftstellern enthalten sind. Dazu gehören A mit den drei Pariser Quästionen von 1302/03 und V mit den zwei Quästionen von 1311/13. Außerdem die Erfurt Hs. F und die Prager Hs. Pr, die beide Eckharts "lateinisches Erstlingswerk", die Collatio in libros sententiarum, wahrscheinlich als Kopie einer gemeinsamen Vorlage, überliefern. Dann ist da noch der zweite Cusaner Kodex D mit einer zweiten Kopie des Tractatus super oratione dominica und schließlich die beiden Handschriften P und R, die jede auf ihre Art einzigartig sind. Durch P, die als 44. Stück die Osterpredigt Sermo paschalis überliefert, haben wir das früheste Datum der Biographie Eckharts überhaupt, den 18. April 1294, und durch R wird erst- und einmalig der Name de Hochheim überliefert.
  Eine letzte Kategorie schließlich stellen die 'Prozeß'-Handschriften dar, die Eckharts Antworten auf die erzerptierten Sätze enthalten. Das sind die Hss. S, die die ersten beiden von mehreren Listen enthält und V1, in der das 'Votum' der Avignoneser Theologenkommission überliefert ist.
  Insgesamt handelt es sich um 15 Handschriften, die echte Eckhart-Texte enthalten. Von einer weiteren Hs., dem Brügger Kodex 491, glaubte Koch, daß er den Sentenzenkommentar Eckharts enthalte. Dies ist wiederholt bestritten worden. Auf welchem Stand sich diesbezüglich die Forschung bewegt, ist mir nicht bekannt.
  Wenn man die Handschriften nach ihrer Entstehungszeit sortiert, dann ergibt sich in etwa folgendes Bild (in Klammern die Angaben aus der Literatur): P (13. Jahrhundert) - V (1311-1323) - Pr (1310-1340) - E (1. Viertel 14. Jahrhundert) - R (Anfang 14. Jahrhundert) - A, F (14. Jahrhundert) - V1 (1. Hälfte 14. Jahrhundert) - L, S (Mitte 14. Jahrhundert) - K (vor 1386) - T (Ende 14. Jahrhundert) - D (Ende 14., Anfang 15. Jahrhundert) - B (Anfang 15. Jahrhundert) - C (1444).

  Die folgende Übersicht der lateinischen Schriften Eckharts orientiert sich an der Chronologie, soweit sie aus der Literatur entnommen werden kann. Es handelt sich dabei jedoch oft nur um Vermutungen, da nur für wenige die Daten definitiv feststehen, für manche ein Zeitraum angegeben werden kann und viele sich noch im "chronologiefreien Raum" bewegen. Hier ist also noch einiges offen und man erwartet mit Spannung den nächsten Handschriftenfund oder die nächste Überlegung, die mehr Licht ins Dunkel der Überlieferung bringt.

Tractatus super oratione Dominica
  Diese Erklärung zum Vaterunser ist in zwei Handschriften ganz (den beiden Cusaner Kodizes C und D) und mit 15 Auszügen daraus in der Exzerpthandschrift K überliefert. Seeberg zählt sie zu den "Jugendschriften" und so wirkt sie auch. Sie dürfte auch vor der Collatio entstanden sein und somit das Attribut des "lateinischen Erstlingswerk" für sich beanspruchen, zumindest, was die bekannten Schriften betrifft. Ein weiteres Indiz dafür könnte sein, daß Eckhart hier ausschließlich die Kirchenväter zitiert, über deren Schriften die spärlich ausgerüsteten Konventsbibliotheken wohl an erster Stelle verfügt haben dürften.

Collatio in libros sententiarum
  Der Text ist in zwei Handschriften überliefert (F, Pr). "Diese 'Collatio' ist der erste Teil des Principiums, das als feierlicher Universitätsakt einer Vorlesung voranzugehen hat (...) Eckhart stellt in kunstvoller Auslegung von Ecclesiasticus 38,4, 'Altissimus creavit de terra medicinam (...) die vier Bücher der 'Sentenzen' vor. Altissimus zeigt das erste Buch, die Gotteslehre, an, creavit das zweite von der Schöpfung und den Geschöpfen, de terra das dritte von der Menschwerdung Christi, medicinam das vierte mit der Sakramentenlehre. Es liegt uns hier das Muster eines scholastischen Sermo vor, wonach man das Textwort aufgliedert - litteram punctare nennt Eckhart dieses Verfahren der divisio - und die Einzelglieder auf den beabsichtigten Gegenstand der Ansprache bezogen werden" [Ruh, Eckhart, S. 19 f.]

Sermo Paschalis a. 1294 Parisius habitus
  Diese Predigt zum Osterfest, die Sturlese in seiner Edition als "vielleicht sogar sein erstes literarisches Produkt überhaupt" bezeichnet, ist als 44. Stück in einer Sammlung von 223 Predigten zum Kirchenjahr enthalten, die zwischen Mai 1293 und Mai 1294 größtenteils im Konvent der Dominikaner in Paris, St. Jacques, gehalten und mitgeschrieben wurden. Thomas Kaeppeli, der die Handschrift (Cod. 83 = Sigle P) in der Stiftsbibliothek Kremsmünster im Sommer 1955 entdeckte, konnte ermitteln, daß Eckhart sie am Ostersonntag, den 18. April 1294 vorgetragen hatte. Damit konnte zum ersten Mal ein festes Datum seiner Biographie festgestellt werden. Gleichzeitig konnte durch den Vermerk fr. Ekhardus, lector Sententiarum die Collatio genauer datiert werden.

Sermo die b. Augustini Parisius habitus
  In dieser lateinischen Predigt Eckharts, die er zur Feier des Augustinus entweder am 28.8.1302 oder am 28.2.1303 in Paris hielt (s. Acta n. 7), wird er in einer Mitschrift (reportatio), die als Abschrift in der Handschrift R, die sich in der Bibliotheca Amploniana fand, überliefert ist, als Echardi de hochheim bezeichnet. Es ist dies die einzige Quelle, die einen Hinweis auf seinen Familiennamen bringt (s. Acta n. 1), der m.E. dennoch durchaus auch auf seinen Geburtsort hinweisen könnte (s. zur Familie Eckharts).

Quaestiones Parsisienses
  Diese insgesamt fünf Eckhart zugeschriebenen Quaestionen sind in zwei Handschriften überliefert: in A zum ersten Pariser Magisterium 1302/03 (die ersten drei) und V zum zweiten Pariser Magisterium 1311/13 (die letzten beiden).

Kurt Ruh: Die Pariser Quästionen 1-3 und der Paradisus anime intelligentis (Anm.)
a) Die Pariser Quästionen sind aus dem Lehrbetrieb der Universität, den Quaestiones disputatae hervorgegangen. Es sind dies im Hörsaal vorgetragene 'Fragen' (Probleme), die in dialektischer Weise mit Thesen und Gegenthesen zu lösen versucht werden. Unterstützt wird der Magister, der die Quaestio vorschlägt und formuliert, von seinen Bakkalaren. Die Quästionen 1-3 (Q. 1, Q. 2, Q. 3) fallen in das erste Pariser Magisterium Eckharts im Universitätsjahr 1302/1303. Seit ihrer Entdeckung i. J. 1927 durch Longpré und Grabmann stehen sie, mehr als bis vor kurzem das 'Opus tripartitum', im Mittelpunkt der Erforschung des lateinischen Werks. 98 Indes besteht auch heute trotz manchen unbestrittenen Einsichten noch kein Konsens in der Auslegung der Texte und deren Bedeutung in Eckharts Denken. Zum Teil hängt dies mit dem Umstand zusammen, daß in Qu. 1 und 2, entgegen dem allgemeinen Usus, die Gegenargumente fehlen. Zudem dürfte es sich um reportationes, Aufzeichnungen zweiter Hand, handeln.
  Philosophische Schulfragen und ein deutsches Predigtwerk zusammenzusehen, wie es hier geschieht, bedarf keiner näheren Begründung mehr, nachdem die philosophische Forschung immer wieder in der Erörterung der Pariser Quästionen auf die Schlüsselpredigt des 'Paradisus anime intelligentis', Q. 9, gelegentlich auch auf Q. 70 hingewiesen und daraus zitiert hat. Nur haben die Interpreten nicht daran gedacht und wohl auch nicht als erwähnenswert empfunden, daß es sich um Predigten des Paradisus handelt, Predigten, die in der Erfurter Zeit Eckharts nach 1303 gehalten wurden. Es besteht also ein direkter geschichtlicher Zusammenhang zwisehen den Pariser Quästionen und dem 'Paradisus'. Der Prediger selbst verdeutlicht ihn: «Die besten Meister sagen, der Kern der Seligkeit liege im Erkennen. Ein großer Pfaffe kam neulich nach Paris, der war nicht dieser Ansicht und tobte und schrie» (Q. 70, DW III, S. 188,1-3); »Ich sprach in der Schule, daß Vernünftigkeit edler sei als der Wille ... Da sprach ein Meister einer andern Schule, der Wille sei edler als die Vernünftigkeit» (Q. 9, DW I, S. 152,9-11). 100 Und grundsätzlich: «Das [Ausführungen über das 'Bild'] habe ich nicht von Gegenständen gesagt, die man nur in der Schule behandeln soll; man kann sie vielmehr sehr wohl auf dem Predigtstuhl zur Belehrung vortragen» (Q. 16b, DW I, S. 270,6-8).
  b) Die erste Pariser Quästio ist die bedeutsamste und steht so auch im Mittelpunkt des gelehrten Interesses. Die Frage, ob in Gott Sein oder Erkennen identisch seien (Utrum in Deo sit idem esse et intelligere), war hoch aktuell, zumal sie mit der Frage nach dem Primat von Sein und Denken verbunden war. (...)
  c) Die zweite Pariser Quästio «Ist das Erkennen des Engels, insofern es eine Tätigkeit besagt, mit dessen Sein identisch?» (Utrum intelligere angeli, ut dicit actionem, sit suum esse) braucht in unserem Zusammenhang nur gestreift zu werden. Eckhart verneint die Frage gleich zu Beginn, und das entspricht den Überlegungen von Qu. 1. Generell spricht er vom intellectus, nur die Thesenformel nennt den Engel. Das heißt, daß intelligentia mit intellectus gleichgesetzt wird, sind doch die Engel nach allgemeiner Lehre der Scholastik «Intelligenzen».
  d) Die dritte Pariser Quästio ist eigentlich eine 'Frage' des Gonsalvus Hispanus, jedoch durch Vermittlung von 11 Gegenthesen Eckharts, den rationes Equardi, die anschließend von Gonsalvus «entkräftet» werden, ein weiteres Zeugnis von Eckharts Lehrtätigkeit in Paris.
  Gonsalvus, Franziskaner, war der nächste Amtskollege Eckharts, Magister actu regens auf dem Minoritenlehrstuhl. Er gab seiner Quästio den wunderlichen Titel «Ist der Lobpreis Gottes im Himmel edler als die Liebe zu ihm auf Erden?» (Utrum laus dei in patria sit nobilior eius dilectione in via). Allmählich wird klar, daß die Frage schlichter gemeint ist, denn der Lobpreis ist mit der Gottesschau (visio) gleichzusetzen, und die Liebe auf Erden und im Himmel ist dieselbe. So lautet die eigentliche Frage, ob im Himmel die Liebe oder die Schau «edler» sei. Sie wiederum entspricht einer allgemeinen und höchst aktuellen Frage, ob dem Willen (der das Liebesvermögen in sich schließt) oder dem Intellekt der Vorrang in der Beziehung des Menschen zu Gott einzuräumen sei. Dies aber war ein lebhaft geführter doktrinärer Streitpunkt zwischen Dominikanern und Franziskanern. Er erscheint uns heute unerheblich. Doch die Tatsache, daß er nicht zuletzt in der Volkssprache diskutiert wurde - u. a. von Eckhart im Paradisus -, weist darauf hin, daß er Auswirkungen auf die jeweilige Spiritualität und damit auf die seelsorgerische Praxis hatte.
  Wichtig ist die Frage der Authentizität der rationes. Daß es sich um eine reportatio handelt, unterscheidet sie nicht von Qu. 1 und 2 und ist so nicht als Argument zu verwenden. Es gibt indes überhaupt keine Anzeichen dafür, daß die Thesen Eckharts in irgendeiner Weise, etwa durch Kürzung, in einer ihre Aussagekraft beeinträchtigten Form vorliegen. Man muß sich auch von der Vorstellung lösen, Gonsalvus und Eckhart hätten im Austausch ihrer Thesen als scharfe Gegner ihre Klingen gekreuzt. Was sich hier abspielte, war akademischer Alltag in streng geregelten Formen. 105

Anmerkungen:
98 Am besten aufgearbeitet sind die philosophischen und theologischen Voraussetzungen der Quästionen und deren Umfeld. - Die Erörterung der Thesen selbst leidet darunter, daß recht wenig Bezug auf andere und alternative Analysen genommen wird. BÉRUBÉ ist die große Ausnahme. - Es sei darauf hingewiesen, daß die französische Forschung Qu. 1 und 2 umgekehrt beziffert.
100 Quint hat zwar Predigt 70 richtig chronologisch eingeordnet (DW III. Anm. 2 auf S. 188 f.) - bei Predigt 9 unterließ er die zeitliche Einbindung -‚ daß es sich aber um eine 'Paradisus'-Predigt handelt, obschon er es von der Überlieferung her wußte, interessierte ihn so wenig wie die Sammlung als solche. Ich habe schon 1984 (s. Spezialliteratur) und dann 1985 in meinem Eckhart-Buch sowie anderswo auf diese Zusammenhänge hingewiesen; aufgegriffen wurden sie von STEER, Predigten und Predigthandschriften S. 405 f., der nun auch die von Quint nicht veröffentlichten 'Paradisus'-Predigten, und zwar als Block, ediert hat (DW 4,1, Nrr. 87-100). Zuletzt förderte Löser die Diskussion.
105 Man darf sich durch den oben zitierten 'Paradisus'-Satz über den «großen Pfaffen», der anderer Ansicht war «und tobte und schrie», zweifellos Gonsalvus, nicht irritieren lassen. Eckhart will hier offensichtlich seine Zuhörer zum Lachen bringen - ein Zug des Meisters, der uns nicht befremdeten sollte.

Dieser Text entspricht gekürzt dem Abdruck von Kurt Ruh, Die Pariser Quästionen 1-3 und der 'Paradisus anime intelligentis' in: Geschichte der abendländischen Mystik 3, Beck München 1996, S. 268.69.72.73.


  Zu den Quaestionen Q. 4 und Q. 5 aus dem zweiten Pariser Magisterium habe ich außer bei Grabmann in der Literatur nichts gefunden. Auch Ruh sind sie keine Silbe wert. Das mag damit zusammenhängen, daß es sich um Nachschreibungen (reportationes) des Prosper de Reggio handelt und sie auch nur von ihm in der Handschrift V überliefert sind. In der Textausgabe des lateinischen Textes benötigen sie bei Grabmann eine DIN A 4-Seite für die vierte und zwei A 4-Seiten für die fünfte Quaestio. "Diese [die erste der beiden] Quaestio hat ganz den Charakter eines Exzerptes, einer abkürzenden, sehr skizzenhaften Wiedergabe des Textes der Quaestio des Aycardus. Sinn und Gedankengang ist deshalb mehr angedeutet als ausgeführt, so daß die Quaestio nicht leicht verständlich ist, zumal einzelne Wörter in der verblaßten und undeutlichen Schrift nicht zu entziffern sind" [Grabmann, S. 20].

Sermones
  Diese ausschließlich in der Handschrift C überlieferten lateinischen Predigten, Predigtentwürfe und Predigtskizzen sind, nachdem Koch sie von den unechten Collationes schied, in Band 4 der lateinischen Werke ediert. Dabei zählen insgesamt 93 Stücke zu den Sermones de tempore (I-LII) und acht zu den Sermones de sanctis (LIII-LVI). Die Zählung der Edition orientiert sich an den 'Auctoritates'-Schriftworten, d.h. den Sätzen aus dem Alten und Neuen Testament, zu denen die Sermones von Eckhart aufgeschrieben wurden. Und da es zum gleichen Spruch oft mehrere Entwürfe gibt, werden sie entsprechend gezählt. Im Folgenden zitiere ich aus der Einführung zu Band 4 von Koch (S. XIII-XLIV).
  Nach einer genauen Untersuchung der Hs. kommt Koch zu der Aussage, "daß die Sammlung der Eckhart-Predigten in der Vorlage [des Kopisten] denselben Umfang hatte, wie sie uns in C vorliegt und daß sie auch mit den Worten Deus pacis et dilectionis etc. anfing" (S. XIX). Zur Frage, ob es sich um das von Eckhart angekündigte Opus sermonum handelt, stellt er fest: "Können wir nun einfach sagen, daß wir in C ein Stück des Opus sermonum vor uns haben? Die Tatsache, daß wir dem ganzen Band den Titel Sermones und nicht Opus sermonum geben, zeigt, daß wir nicht dieser Meinung sind. Warum?" (S. XXIV).
  "Die ganze Sammlung ist eine Sammlung von Entwürfen, von denen eigentlich kein einziger bis zum letzten ausgearbeitet ist." "Es wäre falsch, die Sermones nur als Entwürfe für Predigten anzusehen, die Eckhart deutsch vorgetragen hat." "Eine viel größere Zahl hat aber die Form der akademischen Predigt, die vor dem Klerus in lateinischer Sprache gehalten wurde" (S. XXIX).
  "Wir stehen in Eckharts Werkstatt und können alle Stadien seiner Arbeit von einer kurzen Skizze oder aneinandergereihten Notizen bis zur formgerechten Predigt verfolgen. Obgleich in der Predigttheorie seiner Zeit wohl unterrichtet, liegt ihm alle Schablone fern, immer wieder weiß er neue Wege zu gehen, um ein Schriftwort lebendig zu machen. Kunstvoll aufgebaute Sermones stehen neben solchen, in denen ein Text Wort für Wort ausgelegt wird. Im strengen Sinn exegetische Ausführungen wechseln mit theologischen und philosophischen Gedankengängen ab. Hier weiß der Meister einem einzelnen Wort einen tiefen Sinn zu entlocken, dort verknüpft er in der geistvollsten Weise mehrere Schriftworte so miteinander, daß sie sich gegenseitig erhellen. Die Entwürfe haben keine endgültige Redaktion erfahren und sind nicht aufeinander abgestimmt. Es ist nicht schwer, Widersprüche festzustellen. Man hat den Eindruck, daß die Sermones zu verschiedenen Zeiten entstanden sind un den Wandel, den Eckharts Denken durchmachte, widerspiegeln" (S. XXX).
  Und abschließend: "Die Sermones sind jedenfalls zu Lebzeiten Meister Eckharts nicht in fremde Hände gekommen, sonst hätten die Kölner Richter sich ihrer gewiß bemächtigt." (S. XLIII). Was die spannende Frage zuläßt: Wer war der 'Nachlaßverwalter' seiner Schriften bzw. seiner "Entwurfshefte", seiner Quaterne (s. 1311)? Und wie kam Nikolaus von Kues zu diesen Heften bzw. Abschriften davon, die er wiederum abschreiben ließ über 100 Jahre später? Und da die Sermones fast nur den festlosen Teil der Sermones de tempore umfassen, der festliche Teil (1. Advent bis Pfingsten - s. Predigten) und der überwiegende Teil der Sermones de sancti fehlen - wo sind die anderen zwei Drittel (die sich möglicherweise in zwei weiteren Quaternen befanden) geblieben?
  Eine Diskussion der Frage nach dem Charakter der Sermones ("Predigtentwürfe" ?) findet sich unter Sermones - Beschreibung (s. 2008). [2.4.08]

Prologi in Opus tripartitum - (Prol.)
  Die Vorreden zu seinem dreigeteilten Werk haben eine unterschiedliche Überlieferung erfahren. Die allgemeine Vorrede und die Vorrede zum Werk der Thesen findet sich in den Handschriften E, L, T und C sowie ein Absatz (n. 7) aus der allgemeinen Vorrede in der Exzerptsammlung K. Die erste Vorrede zum Werk der Auslegungen oder Kommentare zu einzelnen Bücher des alten und neuen Testaments überliefern E und L und die zweite Vorrede dazu, die sich direkt vor der Auslegung zum Buch der Weisheit befindet, die Hss. E und C. E, die die älteste Fassung der Prologi tradiert, ist damit die einzige, die alle Vorreden enthält. Außerdem enthalten nur die Hss. T und C Inhaltsverzeichnisse zu den Vorreden, die jedoch nicht auf Eckhart selbst zurückgehen sollen.
  Eckhart wollte ein Werk schaffen, das aus drei Teilen besteht, die sich aufeinander beziehen. Der erste Teil, Werk der Thesen (Opus propositionum) genannt, sollte "tausend und mehr Thesen" (n. 3) enthalten, verteilt auf 14 Abhandlungen. Dieses Werk ist, wenn es es denn jemals gegeben haben soll, nicht überliefert bzw. bisher nicht aufgefunden worden (s. eig. Anm. 3). Das zweite Werk sollte das Werk der Fragen oder Probleme sein (Opus quaestionum) und gestaltet nach der Art der 'Summa' des Thomas von Aquin, nur nicht so ausführlich (n. 5). Auch dieses Werk ist nicht bekannt und es gibt auch keine eigene Vorrede dazu. Das dritte Werk schließlich sollte aus zwei Teilen bestehen, den Predigten, in denen einzelne Aussprüche beider Testamente mit besonderer Ausführlichkeit behandelt werden (Opus sermonum) und dem Werk der Auslegungen (Opus expositionum), in dem die Bücher des Alten und Neuen Testamentes "nach Zahl und Reihenfolge" (n. 6) ausgelegt werden. Nach Josef Koch entsprechen die in der Hs. C überlieferten Predigtskizzen (Sermones) nicht dem Opus sermonum [Koch, Sermones, S. XXIV], so daß also auch dieses Werk nicht überliefert ist. Selbst vom Werk der Auslegungen, dem er gleich zwei Vorreden widmete, sind nur fünf Bücher überliefert: zwei Kommentare zur Genesis (In Gen. I und In Gen. II) und je einer zu Exodus (In Exod.), zum Buch der Weisheit (In Sap.) und zum Johannes-Evangelium (In Joh.). Außerdem werden noch zwei Predigten und Vorlesungen zu Jesus Sirach, Kapitel 24,23-31 hinzugezählt, was wohl Eckharts Intention entspricht.
  Aber Eckhart hatte noch mehr im Sinn. Er wollte, daß die einzelnen Werke sich aufeinander beziehen. Ohne das erste, das Thesenwerk, wären das zweite und dritte nur von geringem Nutzen, schreibt er, "weil sich die Erklärungen der Probleme und die Auslegungen der Schriftworte meistens auf eine der Thesen gründen." Als Beispiel führt er an: "Die erste These lautet also: Das Sein ist Gott. Das erste Problem hinsichtlich der Gottheit: Ist Gott? Der erste Ausspruch der Hl. Schrift lautet: Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen. Zuerst also wollen wir die Erklärung der These betrachten, zweitens auf Grund derselben die Lösung des Problems, drittens auf Grund derselben die Auslegung des angeführten Schriftwortes" (n. 11). Ihm schwebte also eine Art synoptisches Lesen vor: zu jeder Stelle im dreigeteilten Werk sollte es jeweils die These, das Problem (die Frage) und die Auslegung geben.
  Es wäre sicher sehr spannend, das Resultat zu begutachten. Schließlich gab er sich damit ein Programm, das nur schwerlich innerhalb eines Menschenlebens realisiert werden kann, besonders wenn man über längere Zeiträume von anderen Aufgaben in Anspruch genommen wird. Und die Schwierigkeiten waren ihm durchaus bewußt (s. n. 7). Es scheint sinnvoll, mit Sturlese anzunehmen, daß Eckhart bereits in Erfurt vor 1305 die Vorreden niederschrieb. Allerdings lassen einige Passagen die Vermutung zu, daß er auch später noch daran gearbeitet hat. Anders läßt sich kaum erklären, das er am Schluß von n. 7 eine Verteidigung formuliert wie sie auch aus dem Trostbuch bekannt ist.
  In seinem lateinischen Werk, soweit das durch Reffke (S. 37-41 zur Hs. E und 47-58 zur CT-Rezension) erschlossen wurde, bezieht sich Eckhart in den Kommentaren zu Gen. I, Gen. II, Exod., Sap. und Joh. sowie in den beiden Predigten und Lektionen zu Eccli. an insgesamt 14 Stellen (Gen. I. n. 9. 115. 291. 296. 303; Gen. II. n. 6; Exod. n. 24. 86; Sap. n. 97. 125. 183; Joh. n. 108. 678; Eccli. n. 65) auf das Buch der Fragen bzw. Probleme (s. Prol. gen. n. 3). Diese Verweise sind teils sehr allgemein gehalten: "darüber wirst du an gehöriger Stelle im Werk der Probleme (weiteres) finden" (Gen. I n. 9, LW 1,1 S. 193), teils nachdrücklich: "Darüber habe ich ausführlich im Buch der Fragen gehandelt" (Sap. 97, LW 2, S. 431), teils sehr bestimmt: "Darüber habe ich weiteres in dem Buch der Probleme bei Behandlung der Gottesnamen bemerkt" (Exod. n. 24, LW 2, S. 30). Trotzdem läßt sich deshalb kaum auf die Existenz des Opus quaestionum schließen, höchstens auf Skizzen, die Eckhart sich dazu angelegt haben mag (wobei er sich schon wohlweislich auf "wenige" Fragen beschränken wollte), denn wenn dieses Buch tatsächlich existiert hätte, würden wohl wesentlich mehr Verweise dazu existieren.
  In den genannten Schriften bezieht sich Eckhart an 17 Stellen auf das Werk der Thesen (Gen. I. n. 14. 25. 34. 91. 147. 224; Gen. II. n. 179; Exod. n. 85. 262; Sap. n. 16. 39. 95. 120; Joh. n. 279. 593; Eccli. n. 13. 53), wobei bis auf eine Stelle (Gen. I. n. 224 - Traktat 5?) die Zuordnung zu den 14 im Prol. gen. n. 4 genannten Traktaten eindeutig ist. Dabei verweist er auf die Traktate Nrr. 12, 13, 14 je einmal, die Nrr. 1, 4 je zweimal und auf die Nr. 9 ganze neunmal. Letzteres versucht Jan A. Aertzen im Rahmen des Projektes: "Der 'Systematiker' Eckhart" am Thomas-Institut der Uni Köln zu rekonstruieren. Besser wäre wohl "zu konstruieren" gesagt, da es zweifelhaft ist, ob dieses Traktat jemals existierte. Für das Opus propositionum gilt das Gleiche wie für sein Buch der Fragen, besonders da es "1000 und mehr Thesen" umfassen sollte.
  Interessant ist auch, daß die meisten Verweise (11 von 31) auf beide Bücher aus dem 1. Genesiskommentar stammen, der meistens mit den Prologi zusammen als eine Einheit verstanden wurde, gefolgt vom Sapientiakommentar mit 7 Verweisen. Je vier entstammen Joh. und Exod., drei Eccli. und schließlich zwei dem 2. Kommentar zur Genesis. Man kann also wohl mit Sturlese abschließend zusammenfassen: "Es scheint so zu sein, daß Eckhart von Anfang an besonders gern auf Werke verwies, die er noch nicht geschrieben hatte, und daher ist der Zeugniswert solcher Querverweise mit großer Vorsicht zu betrachten" [Sturlese, Amploniana, S. 444].

Sermones et lectiones super Ecclesiasticus c. 24,23-31 - (In Eccli.)
  Diese zwei Predigten und zwei Vorlesungen über das Kapitel 24,23-31 des Buches Jesus Sirach, die in der Handschrift E vor dem Kommentar zu Sapientia und in der Handschrift C nach Sapientia überliefert sind sowie mit 21 Exzerpten in der Handschrift K, soll Eckhart nach den Acta et regesta .. n. 33 auf zwei Provinzialkapiteln zwischen 1303 und 1310 gehalten haben. Das widerspricht aber Sturleses Annahme, sie hätten bereits bis 1305 im Rahmen des Opus tripartitum vorgelegen (s. Datierung). Wenn sie bereits schriftlich vorlagen, dann wird Eckhart sie wohl auch gehalten haben. Das engt den Zeitraum auf 1303 bis 1305 ein. Das wiederum legt es nahe, zunächst für die erste Predigt und Vorlesung an den 8. September 1303 aus Anlaß seiner Wahl zum Provinzial der Saxonia zu denken und an die zweite Predigt und Vorlesung neun Monate später aus Anlaß der Bestätigung des Amtes durch das Generalkapitel im Mai 1304.
  "C bietet die Auslegung von Eccli. 24,27-31 mit folgendem Explicit: Expliciunt sermones facti ad fratres praedicatores in capitulo generali. Wie Denifle bemerkt, kann dies Explizit hinsichtlich der Angabe in capitulo generali nicht richtig sein. Die Generalkapitel des Dominikanerordens wurden in der Pfingstwoche abgehalten; die Themata dieser Sermones sind aber der Epistel des Festes Mariae Geburt (Eccli. 24,23-31) [8. September] entnommen. Daraus hat Denifle mit Recht gefolgert, daß wenigstens das erste Stück dieses 'Kommentars' als Predigt auf einem Provinzialkapitel gehalten worden sein könne (...) Vorlesung und Predigt sind durch das Thema miteinander verbunden, müssen also wohl an einem Tage gehalten worden sein" [Koch, Lat. Werke, S. XVII]. Auf der gleichen Seite schreibt Koch: "Da Eckhart für die zweite Predigt zwei Einleitungen mitteilt, ist es nicht ausgeschlossen, daß er sie bei zwei verschiedenen Gelegenheiten gehalten hat." Hier bietet sich eine Lösung an, die alle Seiten zufriedenstellt: Die erste Predigt wurde im September zur Wahl gehalten und die Zweite das erste Mal im Mai auf dem Generalkapitel und ein zweites Mal wieder im September 1304 auf dem Provinzkapitel.
  "Eckhart hat diese Schriften in seinem dreigeteilten Gesamtwerk dem Auslegungswerk (opus expositionum) zugeordnet. Durch Querverweise hat er den Text mit dem Weisheit-Kommentar verbunden, der in seiner Ausgabe anschließend folgen sollte" (Dietmar Mieth, S. 195). "Eckhart bezieht sich in der Auslegung des Weisheitbuches auf ein Beispiel, das er früher aus Cicero angeführt habe (...) [n. 185]. Dieser Rückverweis kann sich, wie eine genaue Nachprüfung ergab, auf keinen Text der Sapientia-Auslegung beziehen, sondern nur auf [eine] Stelle in der Vorlesung über Eccli. 24,27-31" (Koch, s.o., S. XVIII).
  "Man beachte auch die Hinweise auf das - fragmentarische - 'Werk der Thesen' [s. o., Prol. gen. n. 3 und Prol. in opus propositionum] vor allem in der Analogielehre (...) Dieses Lehrstück aus der zweiten Vorlesung und das Lehrstück über die 'Frucht in der Blüte' aus der ersten Vorlesung sind für ein Verständnis Eckharts unbedingte Voraussetzung" (Mieth, S. 195).

Expositio libri Genesis - (In Gen. I)
  Der erste Kommentar zur Genesis ist in vier Handschriften (E, C, T und L ganz (immer im Zusammenhang mit den Prologi zum Opus tripartitum) und in der Exzerpthandschrift K in 74 Auszügen überliefert. Dabei kann man in der chronologischen Reihenfolge die E-, L- und CT-Redaktion unterscheiden, deren Textgestalt an manchen Punkten voneinander abweicht, weshalb in der Werkausgabe alle drei lateinischen Editionen geboten werden. So "hat ein Vergleich von Gen. I mit der kritischen Edition gezeigt, daß der Text von den bekannten derartig abweicht, daß die Möglichkeit gegeben ist, sowohl den vorhandenen Text von E grundsätzlich zu revidieren als auch die veröffentlichte CT-Rezension zu korrigieren" (Sturlese, Un nuovo manoscritto .. s.u.).
  Eine Untersuchung der gegenseitigen Verweise zeigt dabei die Beziehungen zwischen dem ersten und zweiten Kommentar zur Genesis und zum Johannes-Kommentar auf: "Besonders aufschlußreich sind dabei die Angaben, daß zwei Auslegungen direkt aus dem ersten in den zweiten Genesiskommentar übernommen worden sind, oder der Hinweis auf die 'parabolische' Auslegung der Kapitel 15-17 im ersten Kommentar, die zeigen, daß diese Stücke besser in den Rahmen des Liber parabolarum hineingehören. Wird man dadurch schon zu der Annahme eines allmählichen Herauswachsens des zweiten Genesiskommentars aus dem ersten geführt, so wird das erst recht deutlich durch einen der vier Verweise von In Gen. I auf In Gen. II. Von diesen sind die Rückverweise (...) nur redaktionelle Zusätze, sie sind allein in CT überlieferte Einschübe in den Text von E, während Verweis 54 ['Über all das wird man in der zweiten, allegorischen Genesisauslegung ausführlichere Darlegungen finden' LW 1,1, n. 200, S. 347] am Ende eines ganzen Abschnittes steht, der nur in CT überliefert ist [Reffke kannte Hs. L noch nicht - dort lautet der Text: 'de quibus plenius notavi in tractatu qui inscribitur De parabolis rerum naturaliter' (Sturlese, Un nuovo manoscritto .. s. Hs. L, Literatur, S. 152), d.h. es ist (noch) nicht von einer 'Secunda editione' die Rede]. Dieser Abschnitt, der den Text von Gen. 2,24 nach den exegetischen Prinzipien des Maimonides auslegt, kann als die Stelle angesehen werden, an der die Notwendigkeit, einen zweiten Genesiskommentar zu verfassen, bei Eckhart zum Durchbruch gekommen ist" [Reffke, S. 61].
  Nach den Untersuchungen Sturleses (s. Datierung des Opus tripartitum), setzt Steer die Ausarbeitung des Kommentars in seiner Chronologie in die Jahre 1303-05.
  In der Bulle In agro dominico sind zwei Passagen aufgeführt: Art. 1 und 3.

Expositio libri Exodi - (In Exod.)
  Der Kommentar zu Exodus ist in drei Handschriften ganz (E, C und T) und in der Exzerpthandschrift K in 69 Auszügen überliefert. Dabei wurde der Text in E gerade erst begonnen, während er in der CT-Rezension vollständig vorliegt. Während der Arbeit am Opus tripartitum "muß Eckhart aber immer weiter an dem ersten Genesis- und dem Exoduskommentar gearbeitet und diese immer mehr vervollkommnet haben. Dabei ist er wohl durch exegetische Probleme auf eine Quelle, den Dux neutrorum seu dubitantium des Maimonides, geführt worden [der Verfasser war Eckhart spätestens seit 1293 bekannt, da er sich in seiner Collatio in libros sententiarum auf ihn bezieht], die tiefsten Eindruck auf ihn gemacht hat, denn er nimmt immer mehr Stücke aus dieser in seinen ersten [Hs. E] Genesis- und Exoduskommentar auf, so daß der Rahmen des ersten schließlich gesprengt zu werden droht und der anfänglich auf sehr schmaler Basis angelegte Exoduskommentar sich zu einem Bande mit stattlichem Umfange entwickelt" [Reffke, S. 63].
  Die Werkausgabe enthält sowohl die lateinische Edition der E-Redaktion als auch die CT-Rezension. Steer datiert den Kommentar in seiner Chronologie zusammen mit dem ersten Genesis-Kommentar in die Jahre 1303-05.
  In der Bulle In agro dominico ist eine Passage aufgeführt: Art. 23.

Expositio libri Sapientiae - (In Sap.)
  Der Kommentar zum Buch der Weisheit ist in zwei Handschriften (C, E) ganz und in der Exzerpthandschrift K in 97 Auszügen überliefert. Eine besondere Stellung nimmt hierbei E ein, da die Abschrift dort auf Pergament begonnen und auf Papier (Wasserzeichen datiert auf 1320-29) fortgesetzt wurde (s. zur Datierung des Opus tripartitum). Gewissermaßen als Einleitung überliefern E und C einen zweiten Prologus in opus expositionum.
  Von diesem Buch ist als Einzigem neben der Werkausgabe eine Übersetzung erschienen, die von Karl Albert, einem Schüler Josef Kochs, angefertigt wurde (s. Bibliographie). Daraus seien hier einige Sätze zitiert, da sich in der Werkausgabe zu den Expositionen leider keine eigenen Einleitungen finden:
  "Der lateinische Text des Kommentars zum Buch der Weisheit liegt seit längerer Zeit vor. Schon Denifle hatte 1886 Teile veröffentlicht. Eine vollständige kritische Edition lieferte dann G. Théry zwischen 1928 und 1930" (Le commentaire de Maître Eckhart sur le livre de la sagesse, in: AHDL 3, 1928, S. 321-443; 4, 1929/30, S. 233-394). "Die erste Übersetzung ins Deutsche hatte ich bereits 1953/54 als Assistent von Koch verfaßt. Sie wurde dann von Koch und Fischer überarbeitet und in ihre Ausgabe des Sapientiakommentars übernommen." "Im Sapientiakommentar [hat] das philosophische Moment, besonders in Gestalt der Lehre von der Identität Gottes und des Seins, der Transzendentalienlehre und der neuplatonischen Idee von der Stufenordnung des Seienden eine überragende Bedeutung" (Einleitung, S. 8/9). Aus den umfangreichen Anmerkungen möchte ich hier nur zwei zitieren: "Bei der Auslegung von Weish. 3,1 wird deutlich, daß der Sapientiakommentar für andere Prediger geschrieben ist" (Anm. 61, S. 154) und: "Eckhart bezieht sich hier ['Je größer nämlich der Durst ist, desto süßer und milder ist das Trinken, wie weiter oben bei dem Beispiel aus Tullius (Cicero) gesagt wurde' (S. 94)] auf eine Stelle aus seiner Vorlesung zu Ekklesiasticus 24,29 ... Der Sapientiakommentar ist also später als diese Vorlesung" (Anm. 144, S. 160). (S. dazu auch die Reihenfolge der Schriften in der Hs. E).
  In der Bulle In agro dominico ist eine Passage aufgeführt: Art. 19.

Expositio sancti Evangelii secundum Iohannem - (In Joh.)
  Der Kommentar zum Johannesevangelium ist in zwei Handschriften ganz (B und C) und in der Exzerpthandschrift K in 270 Auszügen überliefert, was fast die Hälfte der 592 Exzerpte in K ausmacht.
  "In der zweiten Genesisauslegung werden häufig die einzelnen Sätze des Johannesprologs zitiert. Das wäre nichts besonderes. Aber sie werden nicht nur als Belege für die Auslegung der Genesis herangezogen, sondern ihrerseits sogleich ausführlich erklärt, so daß man öfter in der Johannes-, statt in der Genesisauslegung zu lesen glaubt." "Die Johannesauslegung nimmt S. 32,3 ['Darüber habe ich in der zweiten Genesis-Auslegung (Weiteres) bemerkt zu dem Wort: 'drei sah er, und einen betete er an' LW 3, n. 37] auf die zweite Genesisauslegung n. 179 Bezug; an beiden Stellen ist ein Wort aus der Glossa ordinaria erwähnt: tres vidit et unum adoravit. Der ausgeführte Gedanke jedoch ist nicht in n. 179, sondern in n. 50 der zweiten Genesisauslegung zu finden" [Weiß, Einf. Hs. E, S. 11].
  "Der Kommentar zum Johannesevangelium ist nun inhaltlich, wie K. Weiß bereits an Beispielen gezeigt hat, was wiederum die Verweise bestätigen, eng mit jenem Liber parabolarum verbunden, zutiefst aber, weil er die Grundsätze der Exegese, die im 2. Genesiskommentar zuerst angewandt worden sind, auch auf die Auslegung des Neuen Testaments überträgt, wie der Prologus zum Kommentar In Joh. deutlich ausführt" [Reffke, S. 63]: "Wie in allen seinen Werken hat der Verfasser bei der Auslegung dieses Wortes und der folgenden die Absicht, die Lehren des heiligen christlichen Glaubens und der Schrift beider Testamente mit Hilfe der natürlichen Gründe der Philosophen auszulegen." "Ferner beabsichtigt das Werk zu zeigen, wie die Wahrheiten der Prinzipien, Folgerungen und Eigentümlichkeiten in der Natur für den, 'der Ohren hat zu hören' (Matth. 13,43), gerade in den Worten der Hl. Schrift, welche mit Hilfe dieser natürlichen Wahrheiten ausgelegt werden, klar angedeutet sind. Bisweilen werden auch einige Auslegungen erbaulicher Art eingefügt" [LW 3, n. 2/3, S. 4].
  In der inhaltlichen Beurteilung des Johanneskommentars ist Eckhart auf durchaus unterschiedliche Kritik gestoßen:
  "So z.B. spricht E. in seiner Expositio in Johannem bei Erklärung der einzelnen Schriftstellen oft über alles wieder, was er schon früher gesagt hat. Bereits besprochene Schrifttexte werden bis zum Ueberdrusse wiederholt. Seine Lieblingsideen, besonders die generatio in divinis und in anima kommen unzählige Male zur Sprache; immer hört man das alte Lied, und dabei werden die weit entlegensten Dinge, die zum Texte auch nicht in der geringsten Beziehung stehen, herbeigezogen. Glaubt man, E. habe nun endlich den Gegenstand erschöpft, und gelangt man zu einer neuen Schriftstelle, so fängt er wieder von vorne an. Dies der Grund, weshalb das Lesen seiner Schriften äusserst ermüdend ist. E.s Denken ist nicht discipliniert" [Denifle, Lehre, S. 679].
  Nach Kurt Ruh hat man die Auslegung "als den wichtigsten Schriftkommentar Eckharts zu betrachten" [Ruh, Eckhart, S. 75] und er und andere sind sich einig, daß es sich dabei um das reichste und reifste Werk Eckharts handelt, der seine philosophischen Gedanken und seinen Glauben am besten und reichhaltigsten darstellt.
  Zur Bezeichnung 'Kommentar' führt Koch aus: Die "Bezeichnung seiner Expositiones als Commentaria ist .. irreführend. Ein Kommentar geht dem Schriftwort Vers für Vers nach und erläutert das einzelne im Zusammenhang des Ganzen. Eckhart denkt gar nicht daran, dergleichen zu unternehmen; schon deshalb nicht, weil er das, was andere gesagt haben, nicht noch einmal sagen will. Ihn beschäftigen einzelne Schriftworte, die ihm besonders gehaltvoll zu sein scheinen.
  Am einfachsten läßt sich dies an seiner Auslegung des Johannesevangeliums zeigen. Mehr als ein Drittel des ganzen Werkes beschäftigt sich mit dem ersten Kapitel; davon sind wieder mehr als zwei Drittel dem Prolog (Joh. 1,1-18) gewidmet, der Rest einzelnen Worten aus den Versen 38, 39, 43, 46, 48, 51. Das sechste Kapitel übergeht Eckhart ganz; er zitiert nur einen Memorialvers über Wegemaße zu 6,19. Andere Kapitel, wie etwa 18 und 19, welche die Leidensgeschichte des Herrn erzählen, werden kurz abgemacht; Eckhart verweilt hier am längsten bei dem Wort: Quid est veritas? (18,38), während er Einzelheiten des Leidens Jesu überhaupt nicht behandelt.
  Wie beim Johannesevangelium, so verfährt Eckhart in seinen andern Auslegungen; was er im Auge hat, ist weder das einzelne biblische Buch noch das einzelne Kapitel, sondern die einzelne Auctoritas (...) Darum häuft er die mehrfachen Auslegungen wichtiger Stellen, 'damit' - wie er selbst sagt - 'der Leser aus ihnen nach Belieben bald die eine, bald die andere nehme, je nachdem es ihm nützlich scheint' (In Ioh. n. 39)" [Koch, Lat. Werke, S. XVI].
  Was die Datierung betrifft, so finden wir in der Chronologie zwar die Aussage: nach 1313, was der Tatsache Rechnung trägt, daß der Kommentar zu den Spätwerken gezählt wird, aber den Zitaten nach zu urteilen, lief die Arbeit über weite Strecken mit dem Liber parabolarum parallel, was bedeutet, daß er wohl schon vor 1313 daran schrieb. Es wäre wahrscheinlich auch nicht ganz falsch, ihm eine ähnliche Zeitbandweite wie den Sermones zuzugestehen, d.h., daß er immer mal wieder daran gearbeitet hat. Ob die 'Schlußredaktion' nun in die Straßburger Zeit fällt oder auch noch bis in die letzte Phase in Köln reicht, sei dahingestellt. Es sei nur am Rande vermerkt, daß die Predigerkirche in Erfurt Johannes gewidmet war und dieser Apostel Eckharts gesamtes Dominikanerleben begleitete und dessen Aussage "Im Anfang war das Wort" einen herausragenden Wert in Eckharts Philosophie besitzt. [7.1.06]
  In der Bulle In agro dominico sind sieben Passagen aufgeführt: Art. 2, 4, 5, 6, 7, 18 und 25.

Liber parabolarum Genesis - (In Gen. II)
  Dieser 'allegorische' Kommentar zur Genesis ist in drei Handschriften ganz (C, T und L) und in der Exzerpthandschrift K in 46 Auszügen überliefert, wobei L eine ältere Redaktion darstellt als CT. Eckhart schreibt im Vorwort:
  "Nachdem wir in der ersten Genesisauslegung dargetan haben, was im Blick auf den offener zu Tage liegenden Sinn dieses Buches zu sagen (wichtig) schien, ist es unsere Absicht, in diesem Werk der Bildreden einige Stellen in diesem und in anderen Büchern der Heiligen Schrift durchzugehen und im Blick auf den mehr verborgenen Sinn manches, was 'unter der Schale des Wortlautes' bildhaft enthalten ist, hervorzulocken. Dadurch sollen die mehr mit der Sache Vertrauten angeregt werden, sowohl an den wenigen Stellen, die ich kurz berühre, als auch an den vielen andern, die ich übergehe, mit mehr Erfolg nach einem bessern Verständnis der unter den Bildern und der Oberfläche des Wortsinnes verborgenen Wahrheiten über Gott, die Naturordnung und das sittliche Handeln zu suchen. Denn die ganze Schrift des Alten Testamentes ist, wie Maimonides sagt, 'Naturwissenschaft' oder 'geistliche Weisheit': 'wir wissen, daß das Gesetz geistlich ist' (Röm. 7,14)" [LW 1,1, n. 1 S. 447]
  "Auffällig ist schließlich weiter, daß außer dem ersten Genesiskommentar nur der Kommentar zum Johannesevangelium Hinweise auf die secunda editio expositionis libri Genesis enthält, so daß man daraus, besonders da In Gen. II nicht mehr in der Weise der anderen Teile des Opus expos. allmählich, sondern auf Grund eines bestimmten Programmes in einem Zuge entstanden ist, auf ein engeres Verhältnis zwischen In Gen. II und In Joh. schließen kann" [Reffke, S. 62]
  In seiner Untersuchung der Handschrift L stellt Sturlese fest, daß Eckhart noch vor der Abfassung des ersten Kommentars zu Genesis an einem Werk mit dem Titel: De parabolis rerum naturalium arbeitete, der "später eine sukzessive Transformation zu einer neuen Auslegung der Genesis erfuhr, dieses Mal als 'parabolice', die dann der ersten Edition nachfolgte'." "Diese Erklärung wird indirekt unterstützt durch die Reihenfolge der Schriften (Gen. II - Prologi - Gen. I) in der Handschrift L. Diese Zusammenstellung ist anders als in C, T und den Auszügen von K (...) und zeigt eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Reihenfolge der der Häresie verdächtigten Sätze aus den rotuli (Listen) zu dem Kölner Prozeß. Dazu kommt, daß L in mindestens drei Fällen eigentümliche Varianten zu den Prozeßtexten darbietet." (Sturlese, Un nuovo manoscritto ... S. 153 - s. Hs. L, Literatur).
  In seiner Chronologie datiert Steer den zweiten Kommentar auf "nach 1313" und stellt ihn außerhalb des Opus tripartitum. Das der zweite Kommentar kein Bestandteil des Opus tripartitum sein sollte, wird auch von Eckhart selbst ausgesagt:
  "Ich habe hier bei diesen Bildreden (vieles) übersprungen und nur weniges kurz behandelt, und zwar lediglich, um lerneifrige (Mitbrüder) dazu anzuregen, auch verwandte Stellen ausführlicher zu betrachten. Die Beweise aber für die richtige Deutung der hier behandelten Bildreden und deren weitere Behandlung möge man in breiterer Darstellung im Werk der Probleme und in dem der Auslegungen suchen" [LW 1,1, n. 6, S. 455]. Er betrachtete den Liber parabolarum also nicht als Bestandteil des Opus expositionum. Außerdem hatte er die Prologi zum Opus tripartitum zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Vorwortes wohl bereits geschrieben.
  In der Bulle In agro dominico sind zwei Passagen aufgeführt: Art. 16 und 17.

Expositio Cant. 1,6
  Dieses kurze Fragment befindet sich nur in der Handschrift C und es ist fraglich, ob es zu einer eigentlichen Auslegung des Hohenliedes gehört oder, wie Koch meinte, eher wie ein Predigtentwurf anmutet. "F. 169va-170vb [der Hs. C] folgen Eckharts Sermones LV und LVI [die letzten]. Auf die zu drei Vierteln leere Spalte hat der Schreiber in kleinerer Schrift eine Auslegung von Indica mihi, quem diligit anima mea etc. (Cant. 1,6) eingetragen (22 Zeilen), die durchaus eckhartisches Gepräge hat. Da es im Lauf des Kirchenjahres weder im Missale Romanum noch im Missale ord. Praedicatorum eine Lectio gibt, in der dieser Vers vorkommt, ließ diese Auslegung sich nicht in den Sermones unterbringen." [Koch, Sermones, S. XVI]
  Im zweiten Kommentar zur Genesis (s. o.) befinden sich zwei Verweise (n. 139 und n. 152) auf eine Auslegung des Hohenliedes, die Eckhart so formuliert, als läge sie bereits vor. Wahrscheinlicher ist aber, daß ihm während der Arbeit an diesen Stellen die Idee zu einer Auslegung erst kam und er sich sogleich Notizen dazu machte, die dann als dieses Fragment überliefert wurden. Woher der Kopist der Handschrift C seine Vorlage bezog, ist nicht bekannt. Da es im Anschluß der Sermones de sancti abgeschrieben wurde, befand es sich anscheinend als eingelegtes Blatt in der dem Kopisten vorliegenden Sammlung der lateinischen Predigtentwürfe.

Chronologie

  Zum gegenwärtigen Stand der Forschung ist eine echte Chronologie noch nicht erstellbar, da bisher nur zu den wenigsten Texten ein einigermaßen gesichertes Datum eruiert werden konnte. Konkrete Daten (Tag, Monat und Jahr) sind nur für vier Termine bekannt, die alle für lateinische Texte gelten. Das erste Datum kann nach der Argumentation Kaeppelis für die Osterpredigt vom 18. April 1294, angegeben werden (1), das gleichzeitig das erste gesicherte Datum in Eckharts Biographie darstellt. Damit ergibt sich auch der Zeitraum für sein Principium der Collatio in libros sententiarum auf den 14. September bis 9. Oktober des Jahres 1293. Die drei anderen konkreten Daten sind die Überreichung seiner Responsio am 26. September 1326 an seine Ankläger und die nachfolgende Appellation und Protestatio vom 24. Januar und 13. Februar 1327. Diese drei habe ich nicht in die Tabelle mit aufgenommen, da sie hiermit bereits genannt sind.
  Auf einzelne Tage eingrenzen läßt sich noch die lateinische Predigt zum Fest des Hl. Augustinus, die Eckhart entweder am 28.8.1302 oder am 28.2.1303 gehalten hat. Ansonsten lassen sich nur noch Zeiträume angeben. Zu dem Versuch, einzelne Predigten zu datieren, wurde oben bereits ausführlich referiert.

  In der folgenden Liste stelle ich die Daten von Steer, wie sie in seinem o.a. Artikel S. 228 abgedruckt sind (und wie er sie als Folie bei seinem Abendvortrag in Erfurt 2003 präsentierte), vor mit einigen Anmerkungen dazu, wobei er sich leider nur auf die lateinischen Werke "und ihre sichere oder erschlossene Entstehungszeit" bezieht. Daneben stelle ich die Daten, die der sonstigen Literatur entnommen sind, sofern sie nicht mit Steer übereinstimmen oder gestatte mir manchmal (in Klammern) einen eigenen Vorschlag. Dazwischen befindet sich die Angabe der Handschrift(en) laut Steer, in der die jeweiligen Texte enthalten sind. Außerdem liste ich die deutschen Texte und Predigten, sofern dazu Datierungsangaben existieren auf (soweit sie auf Steer zurückgehen, unter seiner Spalte).

  Nicht aufgenommen sind die Predigtdatierungen von Koch, Quint und Theisen, da ich sie oben bereits aufgelistet habe. [7.12.09]

Titel / BezeichnungSteerHs.Literatur

Tractatus super Oratione Dominicavor 1294D, K (2)(1280-89)
Collatio in Libros Sententiarum14.9. / 9.10.
1297-1300 (3)
F, Pr1293
Sermo Paschalis a. 1294 Parisius habitus1294P18.4.1294
Erfurter Reden / Predigt 4 (?)1294-98-(1294-1300/02)
Predigtzyklus 101 - 1041298-1305--
Quaestiones Parisienses (I-III)1302/03A (4)1302/03
Sermo die b. Augustini Parisius habitus28.8.1303 (5)R1302/03
Modicum et non videbitis me - Pr. 70--(28.4.1303)
Quasi stella matutina - Pr. 9--(August 1303)
Modicum et iam non videbitis me - Pr. 69--(10.-15.5.1305)
Opus tripartitum (6)-
- Prologus generalis in opus tripartitum1302/03C,E,K,L,T(7)
- Prologus in opus propositionum (8)1302/03C,E,L,T-
- Sermones et Lectiones sup. Eccles.1302/03 (9)C,E,K(10)
- Expositio libri Genesis1303/05C,E,K,L,T(11)
- Expositio libri Exodi1303/05C,E,K,T(12)
- Expositio Libri Sapientiae1305C,E,K(13)
- Expositio in Cantici Canticorum - C (nach 1313)
- Expositio s. Evangelii sec. Iohannembis 1313 (14)C,B,K(15) nach 1313
- Sermones (16)v. 1302 - n. 1313C-
Liber parabolarum rerum naturalium-
-Liber parabolarum Genesisnach 1313C,T,K,L(17)
Quaestiones Parisienses (IV-V)1311/13V (18)1311/13
Trostbuch
Vom edlen Menschen
-
-
-
-
(1318-1326)
(2.9.1325)
Adolescens, tibi dico: surge - Pr. 43--(6.3.1326)

Anmerkungen:
1 s. Datierung.
2 Die Exzerpthandschrift K enthält 15 Auszüge des Traktats. Außerdem ist er auch in der Handschrift C enthalten, der Seeberg bei seiner Edition den Vorzug gab.
3 Das Datum 1297-1300 stammt noch aus der Edition von Koch. Seit Kaeppelis Entdeckung des Sermo paschalis und dessen Datierung auf 1294 ist die der Collatio für 1293 gesichert.
4 Steer gibt hier die Handschriften A und V für die Quaestiones von 1302/03 an, wobei das nicht ganz der Situation entspricht: A ist für 1302/03 relevant, V für 1311/13.
5 Das einzig vollständige Datum, das Steer hier gibt, ist in zweifacher Hinsicht falsch: Diese lateinische Predigt wurde entweder am 28.8.1302 oder am 28.2.1303 gehalten.
6 Diese "erschlossene Entstehungszeit" der meisten Texte beruht auf der Argumentation Sturleses zum Opus tripartitum von 1995 - s. Datierung.
7 Die Handschrift K enthält nur einen Absatz - n. 7.
8 Die beiden Prologe zum Opus expositionum fehlen in der Liste.
9 Diese Datierung steht im Widerspruch zur Feststellung Sturleses (s. Acta n. 33), daß die Predigten zwischen 1303 und 1310 gehalten wurden - s. oben.
10 Die Handschrift K enthält 21 Auszüge aus beiden Predigten und Vorlesungen.
11 Die Handschrift K enthält 74 Auszüge.
12 Die Handschrift K enthält 69 Auszüge.
13 Die Handschrift K enthält 97 Auszüge.
14 Eine Grundlage für dieses Datum ist mir nicht bekannt. Soweit ich es der Literatur entnehmen konnte, wird der Johanneskommentar eher 'nach 1313' eingeordnet.
15 Die Handschrift K enthält 270 Auszüge.
16 Nach Koch entsprechen die Sermones nicht dem Opus sermonum; wären somit nicht als Bestandteil des Opus tripartitum zu werten. Die Datierung "vor 1302 bis nach 1313" ist willkürlich. Es besagt nur, daß eine genaue Datierung bisher nicht möglich ist, d.h. sie umfaßt die Lebenspanne Eckharts von seinen ersten Predigtversuchen noch zur Studienzeit (Anfang der 80er Jahre des 13. Jahrhunderts) bis zu seinem letzten Auftreten in Köln 1327, also fast 50 Jahre.
17 Die Handschrift K enthält 46 Auszüge.
18 s. Anm. 4. Diese und die folgenden Datierungen sind nicht in Steers Liste enthalten.

1 Soweit vorhanden, dienen die Überschriften zugleich als Links zu den jeweiligen Texten. Die Angaben in () bezeichnen die gängigen Abkürzungen in der Eckhart-Literatur, also z.B. (RdU) für 'Reden der Unterweisung'.