Technik

technik
Astrolabium
Dreifelderwirtschaft
Glas
Glasmalerei
Kachelofen
Kompaß
Kran
Mühle
Nockenwelle
Papier
Perpetuum mobile
Portolane
Spinnrad
Steinkanone
Uhr
Wasserrad
Rogerus v. Helmershausen
Theophilus Presbyter

Chronik: 12., 13., 14. Jh.

Allgemeine Entwicklung

V. Schmidt., Schießpulver

Swaz ie geschach od noch geschiht,
daz geschach ân sache niht.

Freidank, S. 140/141
Alles, was geschehen ist und
was geschieht, hat seinen Grund.
Freidank 110,15
[7.12.04]

Chronik

12. Jahrhundert
13. Jahrhundert
14. Jahrhundert Angaben: [Stein] (Seite) [18.11.07]

Allgemeine Entwicklung

  Das Mittelalter begann für schwere Arbeit sich mehr und mehr nichtmenschlicher Kräfte zu bedienen. Das Kummetgeschirr für größere Zugleistungen und das Windrad wurden in Europa eingeführt, das Wasserrad als Mühlenantrieb fand weite Verbreitung, das Segelschiff wurde verbessert. Spinnrad und Trittwebstuhl, Drehbank mit Wippe und Gewichtsräderuhr kamen auf. Die gotische Bauhütte vollbrachte im Sakralbau hohe Leistungen. Im 13./14. Jahrhundert wurde das Gußeisen erfunden, im 14. Jahrhundert der Hochofen und das Schießpulvergeschütz. Der Buchdruck (Mitte des 15. Jahrhunderts) beeinflusste ebenso wie das Feuergeschütz in der Folgezeit die gesamte materielle und geistige Kultur nachhaltig. [BE 18, S. 521] [31.10.04]

Begriffe

Astrolabium
  [griech.], historisches, astronomisches Meß- und Beobachtungsgerät, das gleichzeitig als Sternenuhr diente. [VoL 1, S. 562]
  Sie bestehen aus einer Sternkarte und einer drehbaren Scheibe, die angibt, welchen Himmelsausschnitt man zu einer bestimmten Zeit sehen kann. Allerdings brauchte man am Anfang für verschiedene Breitengrade jeweils speziell hergestellte Messingplatten, die entsprechend teuer waren. Erst Abu Ishaq Ibrahim ibn Yahya an-Naqqash az-Zarquali, genannt Arzachel, gelang es mit Hilfe einer geänderten Projektion der Himmelsspähre auf eine ebene Platte mit einer einzigen auszukommen. [STERN,1, S. 6] [16.3.00]

Dreifelderwirtschaft
  In Europa weitverbreitetes Fruchtfolgesystem, bei dem in dreijährigem Turnus Sommer-, Wintergetreide und Hackfrüchte (früher Brache) miteinander abwechseln und dabei jeweils 1/3 der Fläche jährlich wechselnd einnehmen. [VoL 3, S. 323] [16.3.00]

Glas
  Für das Mittelalter unterrichtet uns Theophilus um 1100 sehr eingehend. Er beschreibt den Bau der Werköfen, der Kühlöfen und der Ausbreiteöfen. Ebenso beschreibt er die notwendigen Geräte, das Glasblasen des Fensterglases, die Bereitung des safrangelben und des verschiedenenfarbigen Glases. Ebenso die Anfertigung von Gefäßen und von Flaschen, das Einschmelzen von Blattgold, Metallstaub oder buntfarbigen Figuren. Auch kennt er das Zusammenschmelzen eines gebrochenen Glases.
  In England fing man 1180 an, die Wohnungen der Reichen mit Glasfenstern zu versehen.
  Um 1280 erfand Briani zu Venedig den künstlichen Aventurin, eine Glasmasse, die mit winzigen goldglänzenden Kristallen durchsetzt ist. [Feldhaus, S. 450] [16.3.00]

Glasmalerei
  Im Mittelalter wurden von den mittels Metalloxiden durchgefärbten oder z.T. auch nur mit dünnen Farbschichten überzogenen Glastafeln (Überfangglas) mit heißem Eisendraht einzelne Stücke abgesprengt und mit einem Kröseleisen in die gewünschte Form gebracht. Danach begann das Auftragen der Malfarbe, des Schwarz-braun-Lots, bestehend aus pulverisiertem Bleiglas, einem pulverisierten Metalloxid und einem Bindemittel (Wein und Gummi arabikum). Es wurde vorderseitig, beginnend beim hellsten Ton, aufgetragen (teilweise auch auf der Rückseite). Häufig wurden die Malschichten dann noch einmal negativ bearbeitet, d.h. Lichtgrate und zarte Ornamente ausradiert. Das Brennen erfolgte anschließend bei 600°C. Um 1300 trat zu dem Schwarz-braun-Lot das Silbergelb, bestehend aus mit Ocker oder Ton vermischtem Schwefelgelb. Es wurde rückseitig aufgetragen, das Gelb variierte nach dem Brennen von heller Zitronenfarbe bis Dunkelorange. [VoL 4, S. 599] (vgl. Gotische Malerei). [16.3.00]

Kachelofen
  durch die Kombination der bereits seit dem 10. Jahrhundert hergestellten Kacheln mit dem Lehm- oder Ziegelofen entsteht seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts diese Form der Einzelheizung, die besonders in den sich entwickelnden Städten mit ihren seit 100 Jahren vermehrt auftretenden Backsteinbauten auftreten und gebraucht werden. Zuerst in der Schweiz und in Tirol nachweisbar. Verkleidet mit ursprünglich immer farbigen Topfkacheln (mit Vertiefungen zur Vergrößerung der wärmeabstrahlenden Fläche) oder Tafelkacheln. Häufig wurden die Kacheln mit Reliefs verziert (13. Jahrhundert ff.), später auch bemalt. [VoL 6, S. 137] [16.3.00]

Kompaß
  In China, wo die magnetischen Eigenschaften des Eisens möglicherweise schon im 2. Jahrhundert v. Chr. bekannt waren, wurde auch die Richtwirkung der Magnetnadel - dort "Südweiser" genannt - entdeckt (erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt). Vermutlich durch die Araber kam der Kompaß im 12./13. Jahrhundert nach Europa: seine heutige Form erhielt er von italienischen Seefahrern. [VoL 6, S. 453] Seine Seetauglichkeit ist 1117 erstmals nachweisbar. Nun beginnt auch die Seefahrt auf dem Mittelmeer sich dieses Instrumentes zu bedienen: Navigation wird auch bei bedecktem Himmel möglich. [E2J, S. 75] [16.3.00]

Kran
  (abgeleitet von Kranich) bezeichnet Arbeitsmittel mit hochragendem Ausleger zum Heben, Senken und Versetzen von Lasten. Der Einsatz derartiger, bereits in der Antike bekannter Geräte ist im westlichen Europa im frühen Mittelalter im Salzwesen (Soleschöpfanlage - cyconia) und seit dem hohen Mittelalter in verschiedenen Bereichen nachgewiesen (v.a. Baustellen, Häfen, spätmittelalterlicher Bergbau).
  Die großen Bauvorhaben der Gotik im 12. und 13. Jahrhundert förderten die Konstruktion von Baukränen. Als Antrieb ist um 1250 die Haspel mit horizontaler Welle und wenig später das Tretrad bezeugt, das im 14. Jahrhundert zum Heben und Senken von Lasten vielfach genutzt wird. Mit dem Anwachsen des Handelsverkehrs, dem Bau größerer Schiffe, der neugestalteten Infrastruktur vieler Häfen (Kaianlagen) wurden vornehmlich in siedlungsnahen Häfen die Verladeeinrichtungen für Schwergut aufwendiger. Hafenkräne, ein wichtiger, bis heute nachwirkender Beitrag zur Verbesserung der Hafentechnik, sind im 13. Jahrhundert zunächst in niederländisch-flandrischen und norddeutschen Häfen bezeugt und finden als Tretradkräne zum Umschlag schwerer Lasten v.a. im hansischen und deutschsprachigen Bereich weite Verbreitung, ohne jedoch ältere Verladetechniken und einfachere Einrichtungen (Wippe, Winde, Ladebaum u.ä.) zu verdrängen.
  Die Errichtung von Hafenkränen stieß wiederholt auf den Widerstand traditioneller Berufszweige im Transportbereich, die sich in ihren Arbeitsmöglichkeiten beeinträchtigt sahen. Der Einsatz von Tretradkränen, die nicht mehr als 2 bis 3 Tonnen heben konnten, entsprach offenkundig der Ausprägung spezifischer Lastgrößen/-formen und aufeinander abgestimmter Transportverhältnisse zu Wasser und Land. Tretradkräne fehlten als Hafeneinrichtungen ganz oder weitgehend in Frankreich, Italien und Ungarn. Bei andersartigen geographischen Voraussetzungen, Transportverhältnissen und Hafenstrukturen (z.B. "Verladebrücken" in Genua) spielte hier die menschliche Arbeitskraft beim Be- und Entladen eine größere Rolle als im Verbreitungsgebiet der tretradgetriebenen Hafenkräne. M. Matheus, [LdM V, Sp. 1470 f.] [16.5.06]

Mühle
  Man unterscheidet folgende Mühlenformen: 1. Handmühlen, 2. Wassermühlen (ihre Ausbreitung beginnt im 11./12. Jahrhundert - eine Sonderform bilden die Gezeitenmühlen. Sie sollen im 7. Jahrhundert in Irland, im 10. Jahrhundert im Gebiet von Basra, im 11. Jahrhundert in der Lagune von Venedig und im Hafen von Dover zum Einsatz gekommen sein), 3. Windmühlen (wahrscheinlich über die Araber und die Kreuzfahrer gelangte die Windmühle mit senkrechter Flügelachse von Persien aus nach dem Westen; die Windmühlen mit waagerechter Flügelachse und die Bockwindmühle wurden im 12./13. Jahrhundert in Europa entwickelt, wo sie besonders im nordwesteuropäischen Tiefland in Gebrauch kamen - sie sind seit den 80er Jahren des 12. Jahrhunderts in Ostengland, der Normandie und in Flandern nachweisbar), 4. Trockenmühlen (molendina siccha, Siena 1262 - sie nutzen in den südlichen wasserärmeren Regionen die Getriebekonstruktionen von Wasser- und Windmühlen. Als Antrieb dient menschliche und tierische Muskelkraft) und 5. Schwerkraftmühlen (sie werden in der Chronik des Galvano Fiamma im Zusammenhang mit dem Bau der Gewichtsräderuhren (s. Uhren) für das Jahr 1341 genannt).
Verbreitung: Im Laufe des Frühmittelalters kam es zu einer ersten Ausbildung von Mühlenlandschaften: Lombardei, Nordwestfrankreich und Flandern. Eine Zusammenfassung der Mühlenbelege auf dem Kontinent ergäbe bereits für die Karolingerzeit eine Ziffer, die derjenigen des Domesday Book von 1086 mit fast 6000 Mühlen gewiß nicht nachstünde. Die Verbreitung der Getreidemühlen beruhte keineswegs auf Zwangsmaßnahmen, wie dem Mühlenbann, der selbst im Hochmittelalter nur gelegentlich nachgewiesen werden kann, sondern auf einem Mahlangebot an die Hintersassen und das Umland. Im Königshof von Annapes bei Lille, der häufig fälschlich als Musterbeispiel für den ökonomischen Niedergang der karolingischen Landwirtschaft herangezogen wird, erreichte die Ertragsmarge jeder Mühle 160 Scheffel Getreide jährlich und übertraf damit die schon als hoch eingestuften Durchschnittserträge von St-Germain-des-Prés. Auch die rasche Verbreitung der Windmühlen seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts in den küstennahen Regionen Flanderns, Englands sowie am Niederrhein gründete sich auf Gewinnaussichten infolge der Bevölkerungszunahme in den Regionen urbaner Verdichtung und der damit einhergehenden Ausweitung der Getreideproduktion und -konsumtion. Im 13. Jahrhundert wurden in Toulouse an der Garonne die Mühlenanlagen von einem Konsortium von Anteilseignern finanziert.
Diverzifizierung: Die weitere Anwendung des Wasserradantriebs steht v.a. in Wechselwirkung mit der Urbanisierung und dem Gewerbeausbau. Technisch wird diese Diversifizierung maßgeblich durch die Nockenwelle bestimmt. Trotz unterschiedlicher mechanischer Vorgänge im Inneren der »Mühlen« (Walken, Stampfen, Pochen, Sägen, Drahtziehen) erhält sich der ursprünglich ausschließlich mit Mahlen (von Getreide) verknüpfte Begriff der Mühle, da der Wasserradantrieb zu einem allgemeinen äußeren Kennzeichen der Mühle geworden ist.
  Es folgt eine Liste der verschiedenen Wassermühlen:

  1. Walkmühlen: Der Einsatz der Nockenwelle gestattete bei zunehmender Tuchproduktion im Hochmittelalter die Ablösung bzw. Ergänzung des als Männerarbeit zumeist mit den Füßen bewerkstelligten Walkens durch die Walkmühle. Nachweise für Walkmühlen häufen sich im 12. und 13. Jahrhundert, insbesondere in der Normandie und im Languedoc als bekannten Produktionslandschaften preiswerter Massenware, sog. »bäuerlicher Tuche«.
  2. Hammermühlen betreiben Schwanzhämmer, deren Stiel mittig gelagert ist, so daß die Daumen der Nockenwelle das Stielende niederdrücken, wodurch der Hammer angehoben wird und auf den Amboß niederfällt, andere auch Aufwerfhämmer, die seitlich durch lange Daumen einer Nockenwelle angehoben werden. Im 13. Jahrhundert werden die Belege zahlreicher, im 14. Jahrhundert für die großen Eisenerzeugungs- und Verarbeitungszentren Europas. Es entstanden verschiedene Spezial-Hammerwerke, so in der Oberpfalz und in Nürnberg, die frisch gewonnenes Eisen roh ausschmiedeten (Schienhämmer), Stabeisen und Eisenbänder (Zainhämmer) oder Bleche (Blechhämmer) herstellten, sowie Messing- und Kupferhämmer. Um die Schmelztemperatur zu erhöhen, nutzten Hammermühlen (Schmiedemühlen) sowie Hüttenwerke seit dem 13. Jahrhundert wasserradgetriebene Blasebälge.
  3. In Schleif- und Poliermühlen werden senkrecht drehende grobe Schmirgel- und Schleifscheiben bzw. schuppenartig mit Lederstreifen besetzte Polierscheiben durch ein Wasserrad angetrieben.
  4. Sägemühlen: Die Beschreibung der hydraulischen Marmorsäge durch AusoniusMosella«) bleibt ein einzelner Beleg. Zur Schnittholzherstellung setzten sich im 13. Jahrhundert die Sägemühlen durch. Eine wasserradgetriebene Hubsäge (Sägegatter), bei der das Sägeblatt durch Nocken zum Schnitt niedergedrückt und durch eine zugleich damit angespannte Fichtenstange wieder emporgezogen wird, zeichnet um 1235 Villard de Honnecourt; den Vorschub des Stammes bewirkt ein längsseitig eingreifendes Zackenrad.
  5. Erzmühlen finden sich Anfang des 13. Jahrhundert als rotae arzentarie im Silberbergbau von Trient.
  6. Papiermühlen dienen der Zerfaserung von Lumpen (Hadern): zerschnittene Lumpen werden im sog. Stampfgeschirr mit Wasser zu einem Brei (Zeug), dem Ausgangsstoff der Papierherstellung, verarbeitet. 1283 wird die Papierherstellung, die sich wahrscheinlich im Umfeld der Wollarbeiter (Walkmühlen!) entwickelte, dort erstmals urkundlich erwähnt, in das gleiche Jahr fallen erste Belege von Papiermühlen in Treviso, 1293 in Bologna. Von Italien gelangten die Papiermühlen nach Frankreich (1338 Troyes) und Deutschland (1390 Nürnberg).
  7. Seidenzwirnmühlen: Wohl schon im 13. Jahrhundert wird in Lucca ein »Rundspinner« entwickelt, der die von Seidenraupen erzeugten, also schon »gesponnenen« Fäden aufnehmen und mechanisch weiterverarbeiten kann und in Bologna 1341 einen Wasserradantrieb erhält. Die Verbreitung der Seidezwirnmühle bleibt im Mittelalter auf Italien beschränkt.
  8. Rohrzuckermühlen fanden auf Zypern unter lateinischer Herrschaft bei der Rohrzuckerproduktion (13.-14. Jahrhundert bis Mitte 16. Jahrhundert) Verwendung.
  9. Pulvermühlen: Zum Mahlen von Gold beschreibt Theophilus 1. Hälfte des 12. Jahrhundert für kunsthandwerkliche Zwecke ein von Hand betriebenes Mahlwerk mit rotierender Reibkeule, molendinum cum pistillo.
  10. Bohrmühlen: Bohrgeräte, die mit Wasserkraft oder mit Haspel - beim Geschützrohrbohren bzw. -nachbohren auch mit dem Pferdegöpel - betrieben und damit zur Bohrmühle entwickelt werden, lassen sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ikonographisch nachweisen.
  Im Hoch- und Spätmittelalter bildeten sich in den Städten Müllerzünfte (1263 Straßburg, 1281 Worms). Parallel zur Diversifizierung der Mühlentechnik ging die der Müllerberufe einher: Walk-, Loh-, Sägemüller usw.
  Stark gekürzt nach K. Elmshäuser / D. Hägermann / A. Hedwig / K.-H. Ludwig, [LdM VI, Spp. 885-891] [15.5.06]

Nockenwelle
  In der Antike bekannte, aber gewerblich nicht genutzte technische Vorrichtung zur Umwandlung rotierender in lineare Bewegungen. Erst seit dem 11. Jahrhundert erschienen Nocken oder Daumen an den verlängerten Wellbäumen oder Achsen herkömmlicher Mühlräder. Stampfen, Hämmer, Walken, Pochstempel ließen sich durch Druck der Nocken heben, ehe sie beim Weiterdrehen der Welle niederfielen und Arbeit verrichteten. Der Mühlenbetrieb konnte Diversifizierungen erfahren, zumal nach dem gleichen Prinzip bald auch Blasebälge und Sägen - nachweislich einer berühmten Skizze des Villard de Honnecourt um 1235 - bewegt wurden (Mühle), später Pumpen des Bergbaus. Die Nockenwelle wirkte im Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter als technikgeschichtliche epochale, allmählich von West nach Ost vordringende Innovation mit dem Effekt der Mechanisierung zahlreicher Gewerbe, der Mehrproduktion und Bedarfsdeckung. Die schwere Arbeit der Fußwalker z. B. wurde - nicht allerorts ohne Proteste der Betroffenen - durch Walkmühlen ersetzt. K.-H. Ludwig, [LdM VI, Sp. 1213] [14.5.06]

Papier
  Die Araber vermittelten vom 10. Jahrhundert an den Mittelmeerländern die Papierherstellung. Manche frühe Daten sind schwer nachprüfbar und strittig. Wann erstmals in Europa Papier hergestellt wurde, ist kaum nachweisbar. Im ganzen Mittelmeerbecken wurde zuerst arabisches Papier verwendet. Im arabischen Córdoba, in dem im 10. Jahrhundert große Bibliotheken entstanden, war der Gebrauch von Papier sehr verbreitet, so daß dort das Bestehen von Papiermühlen am Ende des 10. Jahrhundert als gesichert gelten kann. Im christlichen Spanien wurde nach einer Legende 1074 in Xativa bei Valencia von Arabern Papier hergestellt.
  In Palermo stellte König Roger I. 1101 ein Privileg zur Papierherstellung aus. Es sind jedoch keine mittelalterlichen Papiermühlen auf Sizilien bekannt. Die Stadt Amalfi, die enge Seeefahrtsbeziehungen zu arabischen Städten pflegte, soll schon vor 1231 Papier produziert haben. In diesem Jahr verbot Kaiser Friedrich II. den Gebrauch von Papier für wichtige Dokumente. In Fabriano (Italien in der Mark Ancona wurden 1283 Papierer erwähnt. Bereits 1293 waren sie in einer Vereinigung zusammengeschlossen. Norditalien, in reger Seeverbindung zu Barcelona, importierte seit Mitte des 12. Jhs. spanisches Papier, besaß aber wohl um 1210 bei Genua frühe Papiermühlen. So wie im 13. Jahrhundert katalanisches Papier sowohl nach den europäischen Mittelmeerländern als auch in den arabischen Raum verschifft wurde, so exportierte Italien seit dem Ende des 13. Jahrhunderts große Mengen Papier nach ganz Europa, Nordafrika und in den Nahen Osten.
  Das früheste in Frankreich beschriebene Papier geht auf ca. 1220 zurück. Notariatsakten Südfrankreichs von 1248-75 belegen dessen zunehmende Verbreitung. Die erste nachweisbare Papiermühle befand sich jedoch 1338 in Troyes (Champagne), wobei anzunehmen ist, daß im Languedoc und wahrscheinlich auch in der Auvergne bereits im 13. Jahrhundert Papier produziert wurde. H. B. Kälin, [LdM VI, Sp. 1664 f.]
  Die europäische Papierproduktion - und damit die dritte Epoche der Papierherstellung - nahm ihren Ausgang in Spanien. Über Italien und Südfrankreich breitete sich das neue Gewerbe langsam in ganz Mitteleuropa aus. Der Beschreibstoff Papier löste aber nicht einhellige Begeisterung aus. Peter von Cluny schreibt über seine Studienzeit im maurischen Toledo, er habe dort Bücher aus Pergament, Papyrus und aus "abgenutzter Leinwand oder womöglich noch schlechterem Stoff" gesehen. Kaiser Friedrich II. erliess ein Verbot, notarielle Urkunden und Erlässe auf Papier auszufertigen, und in den Statuten der Stadt Padua von 1236 wurde festgehalten, dass Urkunden auf Papier ohne Rechtskraft seien. Neben der geringeren Haltbarkeit gegenüber dem Pergament mag auch die arabische Herkunft des Papiers für dessen zögernde Verbreitung in christlichen Ländern verantwortlich gewesen sein.
  Papier fand Eingang in die Schreibstuben und Kanzleien der Klöster und Städte und diente zunächst in erster Linie sakralen Zwecken (christliche Schriften, Votivbilder vom Leben Jesu Christi, Ablassgebete für Wallfahrer). Der Papiermacher des Mittelalters arbeitete bereits in einem wohlorganisierten Betrieb. Er benötigte ein auch für die damaligen Verhältnisse bedeutendes Kapital und beschäftigte mehrere Gesellen sowie Lehrlinge und Mägde. Dieter Freyer, [Kleine Papiergeschichte , im Internet]

  Die erste Papiermühle in Deutschland entsteht erst 1390 in Nürnberg.
  Die erste Papiermühle in England ist für 1490 bezeugt.
  Und die erste Papiermühle in Amerika erbaute Wilhelm Rittenhausen (geboren 1644 in der Nähe von Mülheim an der Ruhr) 1690 mit seinen Söhnen in Germantown (bei Philadephia, Pensilvania). [die letzten drei Daten nach Freyer ] [31.10.04]

Perpetuum mobile
  Der Gedanke, ein Perpetuum mobile zu konstruieren, tauchte im 13. Jahrhundert im Abendland auf. Villard de Honnecourt beschrieb um 1235 ein Perpetuum mobile auf mechanischer Grundlage, Pierre de Maricourt 1269 in der "Epistula de magnete" (s. Wissen) ein solches auf magnetischer Grundlage. In den folgenden Jahrhunderten wurden in Maschinenbüchern zahlreiche weitere Vorschläge zur Konstruktion von Perpetua mobilia gemacht. Auch der Beschluß der Pariser Akademie von 1775, keine Vorschläge zur Prüfung mehr anzunehmen, da die physikalischen Naturgesetze eine Verwirklichung nicht zulassen, verhinderte nicht, daß immer wieder neue Projekte entworfen wurden. [VoL 8, S. 711] [16.3.00]

Portolane
  (Portulane), bis ins 16. Jahrhundert verwendete mittelalterliche Navigationsanleitungen für Seefahrer mit Küstenbeschreibungen. Portolane waren Seefahrerhandbücher des Mittelalters, die Küstenbeschreibungen in fortlaufender Folge enthielten. Zu ihnen gehörten Portolankarten, auch Rumben- oder Windstrahlenkarten, um 1300 in Italien entstandene, genordete Karten, auf denen die entsprechenden Gebiete sowie Häfen, Ankerplätze und zum Teil auch Entfernungen eingetragen waren. Außerdem waren auf ihnen mehrere miteinander verbundene Windrosennetze eingezeichnet. Mit ihrer Hilfe ließ sich zumindest der Kurs und bei maßstabgerechter Karte auch die Entfernung festlegen. Sie waren in küstennahen und ruhigen Gewässern (Mittelmeer) durchaus brauchbar. [PC-Bib] [31.10.04]

Spinnrad
  Das Spinnen war eine uralte Tätigkeit, insbesondere von Frauen, zur Erzeugung eines Fadens aus Fasern, Wolle, Flachs, Hanf, ganz selten einem Mineralstoff (Asbest) sowie in Europa seit dem 12., nördlich der Alpen seit dem 14. Jahrhundert, auch Baumwolle. Mythologisch wurde es mit Eva und der Vertreibung aus dem Paradies in Zusammenhang gebracht (»Il primo lavoro« am Campanile des Doms zu Florenz bzw. im Dommuseum). Beim Handspinnen werden unterschiedlich lange Fasern aus einem gekämmten Vorrat, dem aufgesteckten Rocken, verzogen und gestreckt, vorgedreht und über eine freihängende, durch die andere Hand in Rotation versetzte Spindel aus Spindelstab und Wirtelgewicht zu einem endlosen Faden versponnen. Die europäische Innovation des Spinnrads im 13. Jahrhundert erforderte den Wechsel zu stationärer Arbeit und stieß auf Widerstände, da auch Qualitätseinbußen des gesponnenen Garns und damit der Webprodukte sowie soziale Probleme befürchtet wurden. Radgesponnenes Garn (nicht das Spinnrad, das auch zum Spulen genutzt werden konnte) für Webzwecke unterlag gelegentlich Verboten: Paris 1268, Abbeville 1288. In Speyer durfte das später sogenannte Schußgarn seit etwa 1280 am Spinnrad erzeugt werden, doch war der zetil oder die Kette »cum manu et fusa« zu spinnen. Das entsprechende Verbot hielt sich mancherorts bis zum Ende des Mittelalters, wobei auch sogenannte Mischgewebe, darunter gegebenenfalls Barchent (Leinen = Kettgarn, Baumwolle = Schußgarn), den Ausschlag gaben. Es wurde 1478 in Quedlinburg, 1489 in Reichenbach in der Oberlausitz bekräftigt. K.-H. Ludwig, [LdM VII, Sp. 2119 f.] [6.3.07]

Steinkanone
  Bei der Belagerung von Cividale in Friaul (1331) benutzen die Ritter von Crusberg und von Spilimberg nachweisbar zum ersten Mal eine Kanone. Die Mörser bestehen aus kurzen Steinrohren, die Steinkugeln abfeuern. Sie besitzen wenig Schußgenauigkeit und explodieren gelegentlich wohl auch vor dem Abschuß. Ähnliches gilt auch für andere Feuerwaffen, aber Pfeil und Bogen, Armbrust und Katapult werden schon bald der Vergangenheit angehören. [E2J, S. 90] [16.3.00]

Uhr
Lexikon des Mittelalters - Aus dem Internet

  Erheblich bereichert wird die Technik des Uhrenbaus um das Jahr 850 durch den Veroneser Mönch Pacificus. Statt des Auslaufprinzips von Sand oder Wasser arbeitet sein Uhrwerk mit der Gravitationskraft von Gewichten, die über Rollen ablaufen und ein Räderwerk in Gang halten. Für die Zeitkonstanz des Werkes sorgt eine Hemmung, wie sie schon um 750 in China bei einer Wasseruhr verwendet wurde. Doch ist diese Technik in Europa unbekannt. Pacificus erfindet die Hemmung neu durch eine pendelnde Balkenunruh (taktgebendes Schwungrad), die mit zwei Ansätzen ins Steigrad eingreift.
  Lange bleibt Pacificus' gewichtsangetriebene mechanische Räderuhr ein Unikat. Erst um 1300 werden in Europa derartige Uhrwerke konstruiert. Sie sind groß, werden meist in Kirchtürmen eingebaut und besitzen noch kein Zifferblatt für die Zeitanzeige, aber ein Stundenschlagwerk. Für die Klöster ist zugleich die erwünschte Weckerfunktion sichergestellt. Die älteste heute bekannte Uhr dieser Art von 1309 misst die Zeit in der Basilika S. Eustorgio in Mailand. [Paturi, S. 60]
  Den ersten mechanischen Uhren dieser Art folgen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Turmuhren mit großen, weithin sichtbaren Zifferblättern. Diese öffentlichen Zeitgeber werden nicht nur in Klöstern und Kirchen verwendet, sondern zunehmend in eigens errichteten Uhrentürmen auf Rathäusern. Nicht alle frühen Uhren besitzen zwei Zeiger. Auf vielen Zifferblättern läuft nur der Stundenzeiger um. Eine der ersten Uhren der neuen Generation wird um das Jahr 1335 in Mailand [von Guglielmo Zelandino] installiert. Bereits 1354 folgt die bis heute arbeitende Turmuhr des Straßburger Münsters, ein mechanisches Wunderwerk mit Glockenspiel und vielen beweglichen Figuren. [Paturi, S. 78]
  Tradition und Weiterentwicklung antiker kalendarischer Kalkulationshilfen mit Zahnradgetrieben (Antikythera-Mechanismus) sowie mit Wasseruhrenen angetriebener Automaten und Uhren zur Zeitanzeige sind in Byzanz, v.a. aber im islamischen Kulturraum seit dem 9. Jahrhundert gut bezeugt. Im lateinischen Westen blieb die Kenntnis solcher Geräte dagegen sehr gering. Das belegen die zum Jahr 807 breit überlieferten Nachrichten von der Übersendung einer »arte mechanica« konstruierten Wasseruhr mit astronomischen Indikationen, akustischer Zeitanzeige und Figurenwerken an Karl den Großen durch den Kalifen Harun ar-Rašid, das vom normannischen König Roger II. 1142 errichtete und mit einer lateinisch-griechisch-arabischen Inschrift versehene »opus horologii« in Palermo und eine Uhr als Geschenk des Sultans al-Ašraf an Kaiser Friedrich II. 1232. Bei der Konstruktion dieser als Spielwerke wie auch bei den zur öffentlichen Zeitanzeige nach gleichen und ungleichen Stunden und der Gebetszeiten benutzten Geräte verwendeten die islamischen Konstrukteure Schwimmer, Gegengewichte, Balancierwaagen, Zahnräder, Zeigerwerke und akustische Indikationen; als Antriebsmedium wurde auch mit Sand und Quecksilber experimentiert. Detaillierte Beschreibungen finden sich bei al-Jazari 1205/1206 und bei Übersendungen islamischer Fachtexte zur Konstruktion verschiedener Uhren dann 1276/1277 in den »Libros del saber de astronomía«, darunter auch die einer Uhr mit Astrolabzifferblatt, die durch kreisförmig auf einer Welle angeordnete Quecksilberkammern reguliert worden sein soll. Technische Weiterentwicklungen der klösterlichen Wasseruhren und Weckwerke lassen sich seit der Jahrtausendwende verfolgen. Die Bezeichnung "Klepsydra" verschwindet; die als Weckvorrichtungen verwendeten »horologia« werden größer, mit akustischen Indikationen, mit Glocken und Glockenspielen versehen (Beschreibung einer Läutvorrichtung im Ms. Ripoll 225, 11. Jahrhundert; Erwähnung von Uhrglocken in Johannes Beleths Offizienkommentar 1164; Außenansicht eines »maizon d'une ierloge« im Skizzenbuch des Villard de Honnecourt ca. 1230) und allgemein aufwendiger gestaltet. Aber nicht jedes Kloster verfügte über eine solche anfällige und schwierig nach den wechselnden Nachtlängen zu regulierende Wasseruhr (Wartungshinweise auf Schiefertafeln in der Abtei Villersla-Ville, 1267/1278).
  In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts häufen sich die Belegstellen. In einem Kommentar zu Johannes de Sacroboscos »De Sphaera« bemerkt Robertus Anglicus [Astronomielehrer an der Pariser Universität] 1271, daß es den »artefices horologiorum« bisher nicht gelungen sei, eine den Erfordernissen der Astronomie entsprechende Uhr mit einer Welle herzustellen, die sich an einem Volltag genau einmal drehe.
  Nach der Wende zum 14. Jahrhundert werden Uhren mit mechanischen Hemmungen auch außerhalb von Klöstern in Verbindung mit städtischen Glocken auf Türmen v.a. in Italien installiert. Zum Jahr 1336 berichtet eine Mailänder Chronik von der Einrichtung einer Uhrglocke mit einer Vorrichtung zum automatischen Schlag der 24 Stunden des Tages nach der Zählzahl. Anders als die Entwicklung der Uhrwerkhemmung wird die Installation einer Uhr mit Stundenschlagwerk mit Hilfe einer Schloßscheibe in der Chronistik als ein neuartiger Automat überall gefeiert. Petrarca bezeichnet 1353 die »horologia publica« als junge Erfindung aus dem Bereich der oberitalienischen Städte. Die stundenschlagenden und später auch mit Zeigern und Zifferblättern versehenen öffentlichen Turmuhren (clock, grosse horloge, zytglocke) verbreiten sich bis zum Ende des 14. Jahrhunderts rasch in der europäischen Städtelandschaft und mit ihnen zeitgleich auch der Übergang zum stadtöffentlichen Gebrauch der gleichlangen Stunden, »horae horologii«. Die Städte wetteiferten bei der Ausstattung der öffentlichen Uhren mit Glocken, Musik- und Figurenautomaten.
  Erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts kommen auch auf Stunden oder Stundenbruchteile kalibrierte Sanduhren, »Stundengläser«, auf. Preiswert, leise und recht genau dienten sie nicht nur der Gangkontrolle der Uhren, sondern den verschiedensten Befristungs- und Kontrollaufgaben bei Unterricht, Predigt, Pausenzeitkontrolle und Gremiensitzungen, dann auch in der Navigation.
  Nicht als Zeitmesser, sondern zur didaktischen Demonstration astronomisch/astrologischer Vorgänge und Daten werden seit Beginn des 14. Jahrhunderts in den Innenräumen zahlreicher Kirchen, z.B. in Straßburg, Schauuhren mit Musik- und Figurenwerken gebaut. Echte Planetenuhren (Planetarien) mit der Indikation der scheinbar unregelmäßigen, mechanisch schwer darstellbaren Bewegungen der Planetenbahnen auf »Zifferblättern« waren dagegen sehr seltene, technisch besonders komplizierte Sonderformen (Richard von Wallingford, Astrarium des Giovanni de Dondi, Jean Fusoris).
  Kleinere gewichtsgetriebene Uhren finden sich schon im 14. Jahrhundert auch in privaten Häusern; auch transportable Uhren werden erwähnt. Versuche, Uhren mit Zugfedern statt mit Gewichtsantrieb zu bauen, werden um 1400 in einer Vita Filippo Brunelleschis berichtet. Nur ungenau in den Beginn des 15. Jahrhunderts läßt sich die Entwicklung der die nachlassende Zugkraft der Feder ausgleichenden »Schnecke« und damit der tragbaren Uhren »ohne Gegengewichte« datieren. G. Dohrn-van Rossum, [LdM VIII, Sp. 1181 f.]
  Den metaphysichen und technologischen Rahmen für das Zeitverständnis jedoch lieferte die mechanische Uhr. Sie verbreitete sich derart epedemisch über ganz Europa, daß wir geradezu einen Beschaffungsboom annehmen müssen. Bereits in den 80er Jahren des 14. Jahrhunderts verfügten alle größeren europäischen Städte über mechanische Uhren. Die Uhr war nicht nur Symbol für Innovationsbereitschaft und Tatkraft, sondern auch für Reichtum und Prestige. Das erklärt den Boom. Viele Städte beschafften sich eine Uhr, da andere eine hatten. Das erste Dokument bei diesem ehrgeizigen Wettlauf tauchte 1368 in Piemont auf, 1391 verpflichtet die Stadt Lucca einen Uhrmacher, die Uhr für den Pallazo Pubblico genauso oder besser zu machen als jene in Pisa. Die öffentliche Uhr avancierte zum städtischen Attribut, Zeitregelungen schlagen sich in vielen Bereichen des sozialen Lebens nieder, so zum Beispiel im Handwerk, im Handel, auf Märkten, in Schulen. Sitzungszeit und Gremienzeit werden selbstverständlich, Arbeitsordnungen setzen die neue Stundenordnung als selbstverständlich voraus, 1392 autorisiert der König in Barcelona eine Uhr mit der Begründung, Schlaguhren seien erfunden worden, damit die Bürger ehrbarer Städte geordnet leben und Müßiggänger zur Tugend gerufen würden. 1410 gar wird der Turmwächter in Montpellier wegen wiederholter Trunkenheit seines Amtes enthoben und durch eine Uhr mit Schlagwerk ersetzt. Es ist der erste Bericht, in dem ein Mensch von einem Automat wegrationalisiert wird. Dennoch gibt es auch Instanzen, die sich der Übernahme der neuen Zeit heftig wiedersetzen - vor allem die Kirche. Sie halten nach wie vor an der göttlichen Ordnung und den temporalen Stunden fest. Es werden noch viele Kämpfe gefochten werden, bis auch sie sich dem Diktat der Uhr beugt. [Quelle: Internet ] [4.2.06]

Wasserrad,
  die älteste Wasserkraftmaschine, bestehend aus einem am Umfang mit Zellen oder Schaufeln besetzten, sich meist in senkrechter Ebene drehenden Laufrad. Nach der Art des Wasserzulaufs unterscheidet man als Hauptformen oberschlächtige (Zulauf unmittelbar hinter dem höchsten Punkt des Rades) und unterschlächtige Räder (Zulauf auf der Unterseite). (...) Vorteile des Wasserrads: einfache Bauweise, unempfindlicher Betrieb, Wirkungsgrad bis 75 %; Nachteile: großes Gewicht und Bauvolumen, niedrige Drehzahlen, damit kleine Leistungen.
  Im Mittelalter verbreitete sich das Wasserrad seit dem 9./10. Jahrhundert rasch, zunächst als Antrieb für Mahl- und Schöpfwerke, nach der Erfindung der Daumen- oder Nockenwelle im 10./11. Jahrhundert, durch die drehende Bewegungen in hin- und hergehende umgewandelt werden konnten, auch für Walkereien, Sägewerke, Blasebälge und Eisenhämmer. Zunächst verwendete man das unterschlächtige Wasserrad; das oberschlächtige trat, von einigen Vorläufern abgesehen, im 14./15. Jahrhundert auf. Nach dem Aufkommen der Wasserturbinen im 19. Jahrhundert verloren die Wasserräder immer mehr an Bedeutung. [BEO] [14.5.06]

Namen

Rogerus von Helmershausen
  * um 1070, † Helmershausen nach 1125
Deutscher Goldschmied. - Benediktiner. Starke byzantinische Einflüsse. Erhalten sind u.a zwei romanische Tragaltäre in Paderborn. Sie zeigen seinen klar umrissenen, ausdrucksvollen Gravurstil, der sehr einflußreich war. [VoL 9, S. 651] [16.3.00]

Theophilus Presbyter
  * um 1070, † nach 1125
»Theophilus, humilis presbyter«, demütige Selbstnennung des Verfassers der »Schedula diversarum artium« (»De diversis artibus«); aufgrund neuerer Forschungen endgültig identifiziert als der auch aus der sakralen Kunstgeschichte bekannte Priester- und Goldschmiedemönch Roger (oder Ruger) von Helmarshausen - »Theophilus qui et Rugerus« in der Wiener Hs. der »Schedula«. Nach Stationen im Kloster Stablo und in St. Pantaleon in Köln gelangte Theophilus in das nordhessische Helmarshausen. Das dortige Kloster (Reliquientranslation des hl. Modoald 1107) gewann als seine neue Wirkungsstätte und als aktives Zentrum sakraler Kunstgestaltung an Ansehen.
  Der besondere Ruhm des Theophilus gründet sich auf seine früh konzipierte »Schedula«, eine handbuchartige Zusammenfassung technischer und kunstgewerblicher Verfahren, die auf praktische Erfahrungen und Fertigkeiten des Autors (..) zurückzuführen ist und 1122/23 fertiggestellt wurde. Das in zahlreichen Abschriften (..) überlieferte Werk behandelt (..) in drei Büchern auf einzigartige, auch um theologische Fundierung der artes mechanicae bemühte Weise die Malerei, die Glaserei sowie Technologien der Metallerzeugung, -be- und -verarbeitung.
  Nach dem pädagogischen Programm des Theophilus im Prolog des ersten Buchs soll ein eifriger Schüler »diversarum artium schedulam« studieren, um zu erfahren, was »Graecia« an Farbarten und -mischungen hervorgebracht hat, »Ruscia« an Schmelzen und Niello, »Arabia« an Treib-, Guß-, und durchbrochenen Arbeiten, »Italia« an diversen Gefäßen, Steinschnitt und golden verzierter Beinschnitzerei, »Francia« an kostbarer Vielfalt der Fenster und »Germania« an feiner Gold-, Silber-, Kupfer-, Eisen-, Holz- und Steinarbeit.
  Die Bedeutung der »Schedula« für die Kunst-, Kultur- und Technikgeschichte des Mittelalters ist kaum zu überschätzen. Noch im 15. und 16. Jahrhundert wurde das Werk von humanistischen Naturforschern rezipiert. Vorzügliche Auskünfte gibt Theophilus schließlich zum Glockenguß und zwar im insgesamt längsten Kapitel. [Stark gekürzt nach] K.-H. Ludwig, [LdM VIII, Sp. 666 f.] [15.5.06]

Artikel

Schießpulver: Für Feuerwerke und Geschütze
Von China nach Europa
Die Wirkung der Geschütze

  Schleuder, Pfeil und Bogen, Wurfspeer und Bumerang zählen zu den ältesten Waffen des Menschen; wie das biblische Beispiel von David und Goliath zeigt, war eine optimal eingesetzte Fernwaffe allen anderen kämpferischen Qualitäten überlegen. Die Waffenwirkung aus der Distanz beruhte Jahrtausende hindurch auf der Ausnutzung mechanischer Prinzipien. Das galt gleichermaßen für die Fernwaffe des einzelnen Kriegers wie für die unterschiedlichen Typen von Wurfmaschinen. Im späten Mittelalter kam es dann in Europa zu einem Strukturwandel in der Kriegstechnik, der in der Folge das gesamte Kriegswesen nachhaltig veränderte: Die chemische Reaktion bei der Zündung eines Gemenges aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle ließ sich als Antriebsenergie für Geschosse nutzen und erhielt daher in Deutschland die Bezeichnung Schießpulver. Ein neuartiger und im Wortsinn »unerhörter« Klang kündigte mit dem lauten Abschussknall der Feuerwaffen ein neues Zeitalter an.

Von China nach Europa
  Beim Experimentieren hatten chinesische Alchimisten schon um 850 die Explosivwirkung eines bestimmten Mischungsverhältnisses dieser drei Stoffe entdeckt, es jedoch nur zur Herstellung von Brandsätzen und Feuerwerkskörpern verwendet. Über die Kontakte der muslimischen Welt nach Asien gelangten verschiedene Pulverrezepte im 13. Jahrhundert bis in den Mittelmeerraum. Der entscheidende Entwicklungsschritt zur Feuerwaffe erfolgte in Europa aber erst im 14. Jahrhundert und bestand im Einsatz der »Büchse«. Nach der bislang ältesten Illustration einer solchen Waffe in einer englischen Handschrift von 1326 aus Oxford handelte es sich dabei um eine auf eine Bank gelegte vasenförmige Büchse, mit der besonders starke Pfeile verschossen wurden. Aus dem gleichen Jahr stammt ein Dokument aus Florenz, in dem es um die Herstellung von canones de metallo geht, und für die folgenden Jahrzehnte sind an vielen Orten in Europa Einsätze der neuartigen Pulverwaffen belegt. Vom lateinischen canna abgeleitet, das »Röhre« oder »Tube« bedeutet, wurde diese Bezeichnung im Zuge der weiteren Entwicklung zunächst in den romanischen Ländern, dann aber auch in England als canon und in Deutschland als »Kanone« zum Gattungsbegriff für schwerere Kaliber der Artillerie.
  Bis heute haben sich die Fragen nach einem oder mehreren Erfindern nicht klären lassen. Als historisch gesichert gilt, dass in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts die Technologie zur Produktion von Büchsen, Schießpulver und Geschossen, zu denen außer den speziellen Büchsenpfeilen auch kleine Eisen-, Blei- und Steinkugeln gehörten, in Italien, England, Frankreich, Burgund und Deutschland bereits verbreitet war. Von entscheidender Bedeutung für das Schießen war der Ladevorgang, bei dem das Pulver von der Mündung her in die Büchse eingebracht und am Bodenstück festgestampft wurde. Danach führte der Büchsenmeister einen runden, dem inneren Durchmesser der Büchse entsprechenden Holzklotz ins Rohr ein, legte ihn mit kleinen Keilen fest und verdämmte ihn mit Lumpen, bevor er die Stein- oder Eisenkugel einschob. Diese Konstruktion sorgte bei der Zündung des Pulvers für eine kurzzeitige Hemmung der Pulvergase und verstärkte den Druck, mit dem dann die Kugel auf ihre Flugbahn gebracht wurde.
  Hinsichtlich Aufbau, Handhabung und Wirkungsweise gab es für die kleinen Handbüchsen wie für die größer dimensionierten Geschütze zunächst keine strukturellen Unterschiede. Gefertigt wurden die ersten Büchsen überwiegend aus Schmiedeeisen. Handbüchsen von etwa 0,53cm Rohrdurchmesser schmiedete man als massive zylindrische Stücke und bohrte sie dann auf das jeweils gewünschte Kaliber aus. Leichte, mittlere und schwere Steinbüchsen, die ihre Bezeichnung den im 14. und 15. Jahrhundert als Geschosse bevorzugten Steinkugeln von 1245 cm Durchmesser verdankten, wurden aus eisernen Längsstäben mit rechteckigem Querschnitt und Eisenringen hergestellt, die der Büchsenschmied in glühendem Zustand über die senkrecht um ein hölzernes Modell des inneren Rohrs angeordneten Stäbe zog und nochmals überschmiedete. Sie schrumpften beim Erkalten und hielten damit die Konstruktion dieser Stabringgeschütze zusammen. Am hinteren Ende dieses Rohrs wurde dann die aus massiven gerundeten Eisenblöcken geschmiedete Pulverkammer eingepasst und im Schmiedefeuer mit dem Rohrteil verbunden. Diese zweigeteilte Form aus Rohr und Kammer war typisch für die frühen Steinbüchsen, auch für einige Riesengeschütze von 5080 cm Kaliber.
  Die ältesten Nachrichten über aus Bronze gegossene Stein- und Handbüchsen reichen in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zurück. Sie belegen die Anwendung der vom Glocken- und Kunstguss bekannten Verfahren auf das neue Rüstungsprodukt. Noch 100 Jahre später aber war trotz fertigungstechnischer Vorteile der Geschützguss aus Bronze nicht häufiger als das Schmieden von Büchsen. Das lag an der Standortbezogenheit des Bronzegusses, für den außer erfahrenen Gießern und geeigneten Schmelz- und Gussöfen auch hinreichende Mengen der sehr teuren Rohstoffe Kupfer und Zinn sowie Holzkohle als Energieträger und Wasserkraft für die Verarbeitungsprozesse benötigt wurden. So kam es im 15. und 16. Jahrhundert zu einer Konzentration der Feuerwaffenproduktion aus Bronze in der Tiroler Region und in einigen großen bayerischen Städten, wo die geforderten Bedingungen gegeben waren. Die in der Mehrzahl eisernen, auf einer Stange montierten oder mit einem Kolben geschäfteten Handbüchsen kamen wegen des langwierigen und umständlichen Ladevorgangs zunächst nur stationär auf Befestigungsanlagen zum Einsatz. Mit einem an der Unterseite angeschmiedeten Haken ließ sich beim Auflegen auf der Brüstung der starke Rückstoß verringern. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts gewannen die Schützen mit Handbüchsen auch in der Feldschlacht größere Bedeutung, obwohl sie in Bezug auf die Feuergeschwindigkeit noch für Jahrzehnte den Langbögen und den Armbrüsten unterlegen blieben.

Die Wirkung der Geschütze
  Mit den Steinbüchsen konnten erstmals Geschosse auf gestreckter Flugbahn mit hoher Wucht gegen Befestigungsanlagen gefeuert werden und Breschen in die Mauern legen. Das war mit den mechanischen Wurfmaschinen im Mittelalter nicht möglich gewesen. Burgen und mittelalterliche Stadtbefestigungen boten keinen Schutz mehr gegen die neuen schweren Feuerwaffen, die zudem ständig verbessert wurden. Ein weiterer Entwicklungsschritt bestand in der Verwendung von Eisenkugeln, die bei gleicher Masse um zwei Drittel kleiner waren als Steinkugeln und damit die Produktion von leichteren Geschützen erlaubten, die besser zu transportieren sowie schneller und einfacher zu handhaben waren und im Ziel dennoch die gleiche Wirkung zeigten. Außerdem wurden unter den Habsburger Kaisern Maximilian I. und Karl V. im 16. Jahrhundert mit allgemein verbindlichen Festlegungen von Geschütztypen und Kalibern zwei Strukturreformen umgesetzt, denen sich später mit nur wenigen Ausnahmen auch Frankreich und England anschlossen, und die letztlich die Voraussetzungen für die Entstehung der Artillerie als eigenständiger Waffengattung in den europäischen Heeren der Neuzeit bildeten. Für die Seefahrerstaaten machte erst die Ausstattung der Schiffe mit Geschützen die erfolgreiche Eroberung und Behauptung der Kolonien möglich. Eine vom Umfang her gigantische Konsequenz hatte das Aufkommen der Feuerwaffen für die Wehrarchitektur: Städte und andere feste Plätze wurden nach den Erfordernissen des neuzeitlichen, am Artillerieeinsatz der Angreifer wie der Verteidiger orientierten Festungsbaus umgestaltet oder neu errichtet. Das konnten sich finanziell nur große Territorialfürsten oder reiche Städte leisten. Damit änderten sich auch die politischen Verhältnisse zugunsten der Mächtigen, die es mithilfe dieser neuen und stärksten Waffen der Zeit schafften, ihre Ziele auf militärischem Wege durchzusetzen. Prof. Dr. Volker Schmidtchen, [PC-Bib] [31.10.04]