Studium

(bei den Predigerbrüdern)
studien
Schule
Dominikaner
Novize

Literatur
Studium
- artium
- naturalium
- solemne
- generale
Baccalarius
Lizentiat
Magister

Swer sîn kint niht ziehen kan,
daz ziuht vil lîhte der lantman.

Freidank, S. 138/139
Wenn man sein Kind nicht formen kann,
erzieht's vielleicht der Henkersmann.
Freidank 108,13
[5.12.04]

Allgemein

  Das Schul- und Ausbildungswesen des Mittelalters ist nach wie vor Gegenstand der Forschung. Vermittelt wurde das Wissen zunächst durch die Dom-, Stifts- und Klosterschulen, während die Lateinschulen erst durch das Aufkommen der Städte zu einer eigenständigen Rolle fanden, aus denen dann später z. T. die Gymnasien hervorgingen. Parallel dazu entstanden im 13. Jh. die Ordensschulen der Bettelorden (allen voran die der Dominikaner) und die Universitäten.

Schule

  Ein wesentliches Kennzeichen der mittelalterlichen, ritterlichen wie schulischen, Erziehung war der sog. "Dreischritt des Bildungsganges" (1, S. 58 n. 43):
  1. - 7. Lebensjahr: elementaria, häuslicher Unterricht im Gebet und den Anfangsgründen des christlichen Glaubens; Lesen und Schreiben.
  8. - 14. Lebensjahr: septem artes liberales, bestehend aus Grammatik, Rhetorik, Dialektik (artes sermocinales oder Trivium) und Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik (artes reales bzw. Quadrivium [Paulsen, S. 14]). Die schmerzhafte Ausbildung in lateinischer Grammatik wurde anhand des Lehrbuches des Donatus erteilt, der immer mit einer Rute abgebildet erscheint. Für die Rhetorik war u.a. Cicero zuständig, für die Dialektik (oder Logik) Aristoteles. Für die nächsten vier "Schulen" wurden Pythagoras, Euklid, Ptolemäus und Boëthius herangezogen. Damit war die "Grundausbildung" abgeschlossen und der Knabe wurde mit dem vollendeten 14. Lebensjahr als "volljährig" angesehen.
  Dies stellt natürlich einen idealtypischen Verlauf dar, da nur die wenigsten Schulen in der Lage waren, mehr als grundlegende Lateinkenntnisse zu vermitteln. Zum einen war das Alter der Schüler längst nicht so klar abgegrenzt, wie es hier - in der Theorie - erscheint, und zum anderen konnte jede Schule froh sein, wenn sie über einen ausgebildeten Magister verfügte, der seinen Grad an einer Universität erworben hatte, was eher die Ausnahme als die Regel darstellte. Auch ging die Ausbildung selten über das Trivium hinaus: "Selbst an den Universitäten wurde es bis in die 1230er Jahre intensiver studiert als das Quadrivium, was in Paris auch später die Regel blieb" [2, S. 279].
  15. - 21. Lebensjahr: Fachausbildung (Philosophie, Theologie, Recht, Medizin). Dabei ist die philosophische oder facultas artium mit 67% die mit Abstand am häufigsten frequentierte (Kölner Matrikel Mitte 15. Jh.), gefolgt von der juristischen (16%), der theologischen (4,5%) und der medizinischen (0,6%). "Ihre Aufgabe ist es, den Kursus der Lateinschule, der auf die Sprache geht, durch einen allgemein-wissenschaftlichen Kursus zu ergänzen. (...) Sie gibt Schulunterricht in schulmäßiger Form. (...) Zu bemerken ist übrigens, daß eine feste Abgrenzung des Universitätsunterrichts gegen den der Lateinschule überhaupt nicht stattfindet" [Paulsen, S. 33].
  Da es keine "Schulgesetze" gab, blieb es mehr oder weniger dem Einzelnen freigestellt, wie seine Bildung aussehen sollte bzw. wann er zur Schule kam und wie lange er dort verblieb, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß die Schüler ihre Lehrer selbst und persönlich bezahlten wie es z. B. in der Erfurter Schulordnung von 1282 festgestellt worden war [3, S. 124]. Es gibt genügend Beispiele von Leuten, die noch mit 18 oder sogar 21 die Schulbank drückten oder aber auch nach 3-jährigem Unterricht sich reif für die Hochschule wähnten. Diese Beispiele gelten zwar bevorzugt ab dem 14./15. Jahrhundert, aber auch zu Eckharts Zeiten dürften die "Klassen" recht durchmischt gewesen sein, wobei ja längst nicht überall Unterricht erteilt wurde und viele Schüler von Schule zu Schule wanderten, wo sie sich mal kürzer, mal länger aufhielten. Auch die Hochschulen sahen sich gezwungen, "in Grammatik zu erteilen, da keine untere Altersgrenze für die Immatrikulation bestimmt war, weshalb es zahlreiche Beispiele gibt, daß Knaben mit 13 und noch weniger Jahren die Hochschule bezogen" [Diehl, S. 118].

Dominikaner

  Nach verschiedenen Ausführungen u.a. von Denifle, Const., lag das Hauptaugenmerk des Ordens - wie schon sein Name besagt - auf der Predigt. Entscheidend war das theologische Studium, denn schließlich ging es Dominikus darum, die abirrenden Seelen wieder zurückzuholen und nicht, philosophische Studien zu treiben, weshalb jede derartige Beschäftigung in den Anfangsjahren verpönt war. Das Studium der Artes liberales war verboten, was sich erst ab der Mitte des 13. Jahrhunderts zu ändern begann. "In den ersten Jahrzehnten lag auch kein eigentliches Bedürfnis nach Errichtung dieser Studien vor, da die Eintretenden der älteren Generation schon eine abgeschlossene Bildung in den Artes mitbrachten. 1259 wird die Errichtung solcher Studien gestattet, wo es notwendig erscheint; aber schon zwischen den Jahren 1241 und 1257 müssen hier und da lectores artium aufgestellt worden sein" [Filthaut, S. 5]. 1261 wurde dann die Einrichtung min. zweier dieser Studien in der Provinz Teutonia auf dem Generalkapitel angeordnet. Und auch nachdem sie in den Studiengang des Ordens aufgenommen worden waren, "warnte man vor einem von den Theologie als der Hauptsache abziehenden Übermaß" [Diehl, S. 40; s. Auszüge, 1278].
  Die Brüder sollten sich mit dem Studium, dem Gebet und der Predigt beschäftigen und nicht mit den Hausarbeiten im Kloster. Dafür waren die Laienbrüder, die "fratres illiterati" zuständig. Unter den 7 (von 16) "Genossen des Hl. Dominicus", die er 1217 an den frisch gegründeten Studienconvent St. Jacob in Paris schickte, befand sich ein Laienbruder (der somit die Arbeit von sieben erledigen durfte).
  Dominikus brauchte ausgebildete Leute, die er aussenden konnte wider die Häresien zu predigen. Die Brüder sollten von Almosen leben. Für die weltlichen Tätigkeiten im Kloster waren die Laien zuständig. (Dominikus selbst schlug 1220 auf dem Generalkapitel zu Bologna sogar vor, die Verwaltung der einzelnen Konvente den Laienbrüdern zu überlassen, damit die Mönche in nichts von ihrer geistlichen Tätigkeit abgelenkt würden [Denifle, Const., S. 181]. Allerdings konnte er sich damit nicht durchsetzen. Es wäre mit Sicherheit ein interessantes Experiment geworden).
  Ob der Orden seine Laien ausbildete, ist umstritten. Zumindest "für die bayerischen Dominikanerkonvente aber läßt sich eine grundsätzliche und durchgehend praktizierte Öffnung der Hausstudien für Laien oder Weltkleriker [vor 1500] nirgends nachweisen" [4, S. 305]. Das hätte auch der Zielsetzung des Ordens widersprochen, dem es doch darum ging, den Brüdern, die bereits eine "Grundbildung" mitbrachten, weitere und zusätzliche Schulungen zukommen zu lassen, damit sie vor allem als Prediger tätig werden konnten.
  "Die Novizen mußten die in einer lateinischen Schule erlernbaren Kenntnisse der Grammatik bei der Aufnahme schon besitzen, wovon allerdings im Interesse des Ordens Ausnahmen gemacht wurden. [Diehl, S. 40]
  "Der Provinzial tadelt einem Prior gegenüber die Aufnahme von mangelhaft Unterrichteten .." [Finke, S. 94, n. 67]

  Auf der anderen Seite stellte besonders der Orden der Predigerbrüder etwas Besonderes dar. Neu war, das hier ein Orden eine explizite Schulung betreiben wollte. Und neu war, das er sich in den Städten ansiedelte. Zwar hatten auch die Zisterzienser ein Bein in der Stadt, aber sie waren noch vornehmlich auf das Land orientiert. In der Expansionsbewegung der Niederlassungen aller Bettelorden in den Städten klopften auch viele Leut aus verschiedenen Ständen an die Tür, die nicht die erforderlichen Vorkenntnisse besaßen. Da lag es dann im Ermessen des jeweiligen Priors.
  Auf jeden Fall kamen die Dominikaner nicht drum herum, eigene Kurse anbieten zu müssen: "Die Konstitutionen ... trugen den Prioren auf, keinem das Ordensgewand zu geben, der sich noch nicht über die für ein gedeihliches Studium notwendigen Vorkenntnisse ausweisen konnte (und) schärften diesen Punkt immer wieder ein." Sollte einmal der - äußerst unwahrscheinliche - Fall eintreten, das Jemand nicht die erforderliche Qualifikation mitbringe, dann, naja, "war ja auch die Möglichkeit vorgesehen, daß sich die Kandidaten die für die weiteren Studien nötigen Vorkenntnisse im Anschluß an das Noviziat aneignen konnten" [Frank, S. 48].

Novize

  Das Mindestalter für den Eintritt ins Kloster lag seit 1265 im Predigerorden bei 14 Jahren. Damit betrat man das Kloster als Novize. Man hatte jetzt ein Jahr Zeit, die neuen Verhältnisse kennen zu lernen. "Während der Probezeit hatten die Novizen den Psalter und die Verrichtungen beim Gottesdienst zu erlernen" [Diehl, S. 40]. War man nach Abschluß dieses Jahres der Meinung, hier seine Heimat gefunden zu haben, legte man den Profess ab und war ab sofort frater. Bis man dann zum Studium zugelassen wurde, mußten mindestens zwei weitere Jahre vergehen.
  "Zu dem Pensum der Dinge, die noch vor dem eigentlichen Studienbeginn erlernt werden mußten, gehörten wohl selbstverständlich neben der Einübung in die lateinische Sprache sowohl die Vertrautheit mit der Hl. Schrift, mit dem kirchlichen Offizium, mit dem liturgischen Gesang, als auch die Einweisung in die Regel und Ordenssatzungen sowie in die aszetische Literatur überhaupt. Auch darauf verweisen die Kapitelsakten immer wieder" [Frank, S. 50]. Es galt also: "Zum Studium wurden sie erst drei Jahre nach ihrem Eintritt zugelassen" [Diehl, S. 40].

Studium

  Der Gesamtkursus gliederte sich in drei Stufen,: die beiden unteren, die studia artium oder logicae und die studia naturalium, bildeten ... zusammen einen sechsjährigen Unterkursus, über den sich als Oberstufe die studia solemnia oder generalia erhoben. Ein strenges System der Auslese bestimmte nicht nur die Aufnahme der Schüler in den Unterkurs, sondern auch das Aufrücken in die höheren Abteilungen, besonders in die oberste, aus der die Lehrer und Schriftsteller des Ordens hervorgingen. Daher war die Zahl der Klöster, welche Oberkurse hatten, verhältnismäßig klein. Schon der mittlere Kursus der studia naturalium war zeitweise nur in einem von je zehn Klöstern vertreten; und zwar wechselten die Klöster einander jährlich ab. Dieser Wechsel diente einerseits der Verteilung der Lasten, anderseits aber auch der Kräftigung des wissenschaftlichen Lebens, das auf solche Weise überall gleichmäßig angeregt und belebt wurde. [Paulsen, S. 32]

Studium artium
  "Erhielt einer die Erlaubnis zu studieren, so brachte er mindestens 2, später 3 Jahre in einem studium artium zu, das für eine Anzahl von Konventen einer Provinz gemeinsam war und unter ihnen in der Regel in einem festen Turnus nach Bestimmung des Provinzialkapitels seinen Sitz wechselte. Doch wird vermutet, daß nicht alle Ordensglieder diesen Weg machten, sondern nur eine Elite, während die anderen in den einzelnen Conventen unterrichtet wurden" [Diehl, S. 40]. Die Akten der Provinzialkapitel der Teutonia existieren bis auf ein Fragment von 1267, einem Bruchstück aus den von Finke veranschlagten Jahren 1284-1288 (und einem von 1315) aus Eckharts Zeit nicht mehr:

  "De studiis artium. Studium artium ponimus in Basilea [Basel] (es folgen die Namen der Brüder). Studium ponimus in Wormacia [Worms] (zunächst wird der Lektor, dann die Studenten genannt). Studium artium ponimus in Erbipoli [Würzburg] ... Studium artium ponimus in Ratispona [Regensburg] ... Studium artium ponimus in Lipz [Leipzig] ... Studium artium ponimus in Rupin [Neuruppin] ... Studium artium ponimus in Haluerstat [Halberstadt]" [Finke, Geschichte, S. 376 f.]

  "Man hat sich diese - wie auch die folgenden Studienarten - nicht als feste, an ein bestimmtes Kloster ... gebundene Lehranstalten vorzustellen. Alle diese Studia waren Personenverbände, für die Jahr für Jahr Lektor und Studenten, aber auch der jeweilige Konvent festgesetzt wurden" [Frank, S. 54]. Das ist verständlich, da es kaum einen Konvent gegeben haben dürfte, der von seinen beschränkten Mitteln her in der Lage gewesen wäre, die Studia als eine feste Einrichtung zu ermöglichen. Eine Ausnahme stellt dabei das Kloster in Köln dar, das ab 1248 als einziger deutscher Dominikanerkonvent über ein studium generale verfügte. Ob man auch Erfurt einen ähnlichen Status zugestehen darf, bleibt fraglich. Allerdings stellte Erfurt bereits im 13. Jh. ein Bildungszentrum nicht allein von lokaler, sondern regional übergreifendem Einfluß dar. Neben den Ordensschulen der Dominikaner und Franziskaner werden die Schulen von St. Marien, St. Severi, dem Augustiner-Chorherrenstift, der Benediktinerabtei St. Petri und dem Schottenkloster genannt [Weiß, S. 124].

  Eine neue Sache steht noch aus: Es gibt dort wohl tausend Studenten. Von diesen sind etliche Betrüger und moralisch verkommen, die nur Würfel spielen, Betrug und List studieren und nichts lernen wollen, sondern nur den Namen von Studenten haben. Diese verführen die anderen und verleiten sie zum Bösen, und im Laufe der Zeit werden die Diebe immer zahlreicher.
  Andere könnten gute Fortschritte machen, wenn sie nur ihre Trägheit überwinden wollten; aber weil sie weder Arbeit noch Mühe ertragen können, sind sie bisweilen dumm wie ein Ochse. Diese Studenten kommen mir vor wie Katzen, die zwar Fisch fressen möchten, ihn aber nicht selbst fangen wollen. Was wird so einer machen, wenn ihm vielleicht die Priesterwürde verweigert wird? Ein langes Gesicht! Er soll lernen, die Glocken zu läuten oder den heiligen Altardienst zu versehen; Glöckner soll sein, wer nicht Gelehrter werden wollte!
  Etliche Studenten sind munter dabei, alles zu lesen. Was ihnen gesagt wird, wird mit aufmerksamem Ohr aufgenommen und nicht gleich wieder vergessen, sondern im Herzen, das nichts vergißt, zermahlen. Sie ernähren ihren ausgemergelten Körper mit trockenem Brot, stehen früh auf und vergeuden keine Zeit. Sie trinken nur Quellwasser, schreiben sprachphilosophische Abhandlungen und dürsten täglich nach dem Quell der Weisheit; Tag und Nacht gleichermaßen hören sie nicht auf zu arbeiten. Ihre Lehrer hätte ich eigentlich an erster Stelle behandeln müssen, da sie ja ranghöher sind. Aber in dieser Sache stehen die Studenten ihnen in nichts nach, und so halte ich es nicht unbedingt für nötig, die Reihenfolge einzuhalten. Sie werden so vorzüglich ausgebildet, daß sie als Prälaten an Kathedralkirchen eingesetzt und mit der Bischofswürde ausgezeichnet werden, einige werden Pröpste und leben mit sanftmütigem Herzen, einige werden Priester, einige vielleicht Dekane, einige Kanoniker, einige Freunde der Tugend, einige Rompilger, einige vielleicht auch Dichter, einige sind Schreiber großer Herren, und einige erlangen als Lektoren große Ehren.
  [Mundhenk, Zeilen 1571 - 1604].

  Da Erfurt unter den Bildungszentren Deutschlands einen wichtigen Platz einnahm, wäre es nicht unangemessen, hier neben Köln ebenfalls eine feste Lehranstalt der Dominikaner zu vermuten. Zum Lehrstoff gehörten neben Aristoteles auch Boethius, Porphyrius, Petrus Hispanus, Verfasser eines klassischen Handbuchs der Logik und späteren Papst Johannes XXI. sowie Kommentare des Thomas von Aquin.

Studium naturalium
  Dieses wurde seit den 60iger Jahren des 13. Jhs. üblich und auch wenn vor dem 14. Jh. keine Belege für die Teutonia vorliegen, so heißt das nicht, das es derartige Studien nicht gab. [Frank, S. 56]
  "Diejenigen Studenten, welche geistig und körperlich geeignet erschienen, wurden nun für weitere 2 oder 3 Jahre in ein [derartiges] studium gesandt ... Auch dieses war für bestimmte Gruppen von Konventen gemeinsam und wechselte den Sitz ... Die Organisation war in ihr ganz ähnlich wie bei dem studium artium. Hatte in letzterem die Logik das Hauptstudium gebildet, so wurde nun in ersterem die Naturphilosophie und vor allem die Ethik gelehrt" [Diehl, S. 41].
  Auch hier stand Aristoteles mit seiner Physik auf dem Lehrplan. Euklid und Johannes de Sacro Bosco wurden für die Mathematik (Geometrie, Perspektive und Astronomie) herangezogen und schließlich galt es, die aristotelische Metaphysik, die nikomachische Ethik und zahlreiche Kommentare von Albertus Magnus und Thomas von Aquin durchzuarbeiten. [Frank, S. 56]
  Ob Erfurt für dieses Studium eine feste Einrichtung bieten konnte und ob das Kloster überhaupt über die erforderlichen Magister verfügte, läßt sich nicht mehr feststellen. Ein erfolgreicher Abschluß war indes Voraussetzung für den "Oberkursus", dem Studium der Theologie.
  "Wer auch diesen Kurs durchlaufen hatte, kehrte entweder zu den theologischen Studien in seinen Konvent zurück oder zog, wenn er zu den Auserkorenen gehörte, zu diesem Zweck an ein studium sollemne seiner Provinz; zu einem studium generale gelangten nur die besonders Erprobten, in der Regel, nachdem sie als Lektoren fungiert hatten" [Diehl, S. 41].

Studium solemne
  "In den grösseren Conventen befand sich dann das Studium theologiae; seinen Abschluß fand das Studienwesen in der Ordenshochschule zu Cöln. Begabtere junge Studenten wurden zur weiteren Ausbildung sei es in der Philosophie oder Theologie in Klöster fremder Provinzen geschickt, dahin, wo eben zur Zeit ein tüchtiger Dozent in dem betreffenden Fache zu finden war" [Reichert, Geschichte, S. 81].
  Der Student wurde also zum Studium der Theologie an ein Studium particulare geschickt, "die auch Studia solemnia" hießen. Auch für diese Studia gab es - wenigstens bis zur Mitte des 14. Jhs. - keine feststehenden Anstalten [Frank, S. 59].

  An dieser Stelle beginnt eine Begriffsverwirrung. Worum handelt es sich bei diesem Studium solemne ?
  "Seit dem Generalkapitel des Jahres 1259 spricht man erstmalig von einem 'studium solemne', das nicht identisch ist mit dem Generalstudium, sondern ein Partikularstudium darstellt, das von Ordensstudenten der jeweiligen Provinz besucht werden sollte und eine Vermittlerrolle zwischen Konventualstudium und 'studium generale' einnahm. Im Unterschied zum letztgenannten war das Provinzialstudium nicht privilegiert und sollte der theologischen Ausbildung von Scholaren dienen, die zwar zu theologischen Studien fähig waren und später Lehrfunktionen in ihren Heimatkonventen auszuüben hatten, jedoch nicht für Spitzenstellungen im dominikanischen Studiensystem vorgesehen waren; diese wurden nach wie vor von den Absolventen des Pariser Generalstudiums besetzt.
  Der Name dieser provinziellen Studien ist sicherlich aus den Formen des Studienbetriebes abzuleiten. Danach war das Provinzialstudium aufgrund der dort abgehaltenen feierlichen Vorlesungen des Magisters zwar eine Studienanstalt mit regional begrenztem Einzugsgebiet, dennoch wegen des hochschulähnlichen Lehrbetriebes ein 'studium solemne'. Nach dem Vorbild der Universitäten erhielt jeder Ordensmagister an den Provinzialstudien zumindest einen Bakkalar, der unter ihm las, so daß die universitäre Personalstruktur hierin eine Entsprechung fand ein 'arbeitsteiliges' Theologiestudium, wie es an den zeitgenössischen Universitäten betrieben wurde, möglich war" [Berg, S. 63f.].
  Ich kann hieraus nur entnehmen, daß dieses partikulare Theologiestudium Studium solemne genannt wurde. Dem widerspricht aber die Darstellung Sturleses in Acta n. 1, wo er "Theologie" und "studium solemne" mit je drei Jahren angibt. Er zitiert Douais, zu dem Frank anmerkt, daß dessen Aussagen für die südfranzösische Provinz gelten und somit nur unter Vorbehalt zu verwerten seien (S. 40, n. 3). Dieser Widerspruch läßt sich auflösen, wenn mit "Theologie" das hier genannte partikulare Studium solemne gemeint ist, mit "studium solemne" das Generalstudium in Köln und mit "studium generale" das Studium an einer Hochschule, vorzugsweise in Paris. Zumindest wurde ein Universitätsstudium allgemein mit Studium generale bezeichnet.
  Weiter meint Frank: "Die Verwendung des Namens studium solemne ist aufschlußreich. Insofern diese Studien nach wie vor nur für Angehörige einer Provinz eingerichtet bleiben, heißen sie im Unterschied zu den für Studenten aller Provinzen offenen Studia generalia auch Studia particularia; insofern aber an diesen letzteren die feierliche Vorlesung des Magisters mit seinem Bakkalar wie an der Universität nachgeahmt wird, ist ein jedes dieser Studia kein 'gewöhnliches' mehr, sondern zu einem Studium solemne geworden" (S. 59, n. 95). Bei der Ausbildungsdauer geht er von 2 - 3 Jahren aus.
  Zu diesem Studium sollte der Student im Besitz der Heiligen Schrift und des Sentenzenkommentars von Petrus Lombardus sein. Wichtig waren auch die Historia des Petrus Comestor und die "Realenzyklopädie" des Vincent von Beauvais sowie unentbehrliche Hilfmittel wie ein alphabetisch geordnetes Wörterbuch von Joannes de Balbis und nicht zu vergessen die zahllosen (moralischen) Traktate, mit denen die Studenten "traktiert" wurden. [Frank, S. 64]
  "Erst nach dem erfolgreichen Abschluß dieser Ausbildung konnte man als Studens Generalis an das Generalstudium nach Köln assigniert werden" [Frank, S. 65].

Studium generale
  Diesem Begriff widmete Denifle die ersten 28 Seiten in seiner "Entstehung der Universitäten des Mittelalters bis 1400". Daraus einige Sätze:
  "Im Jahre 1246 finden wir den Ausdruck 'studium generale' zum ersten Male in den Acten der Generalkapitel der Dominicaner, angewendet auf die Hauptordensstudien, und zugleich mit dem correlativen Ausdruck 'studium solenne'" (S. 3). "Es ergibt sich ... von selbst, dass sich das Epitheton 'generale' nicht auf 'studium', sondern auf die an dem Studium Studierenden beziehe" (S. 15). Der "Ausdruck [Generalstudium] kann hier nur soviel wie 'generalis disciplina', d. i. Unterricht für Alle bedeuten" (S. 17).
  "Indessen die Bedeutung 'Lehranstalt', 'Unterricht für Alle' war nichts weniger als der letzte, volle Begriff des Ausdrucks 'studium generale'. Gerade die zwei ältesten und größten Generalstudien, Bologna und Paris, waren privilegierte Studienanstalten. (...) Das Studium generale wurde ein Studium privilegiatum zum Unterschied von Particularstudien, die die Privilegien an sich nicht besassen. Die 'Lehranstalt' für alle ist zugleich mit Privilegien für Lehrer und Schüler versehen" (S. 19).
  "Am Generalstudium konnte sich jeder ohne Unterschied der Nation die Kenntnisse erwerben, welche ihn berechtigten die academischen Grade an demselben zu erlangen. (...) Der Begriff ... brachte es aber auch mit sich, dass die Kenntnisse, welche man sich an einem Generalstudium erwarb, auch an jedem anderen anerkannt werden mussten" (S. 21). Und schließlich: "Für jede Facultät, für jede Wissenschaft konnte ein Generalstudium gegründet werden" (S. 26). [Denifle, Entstehung]

  Das "studium generale" der Dominikaner in Köln war 1248 nach dem Vorbild des "studium generale" der Dominikaner in Paris eingerichtet worden. "Das Kölner Studium ist ganz international; Petrus [de Dacia, von 1266-1269 Student] nennt mehrere schwedische Mitbrüder, einen Ungarn, einen Böhmen, einen Flamen, einen Italiener Aldobrandinus (...) Aus anderen Quellen wissen wir, daß Spanier und Südfranzosen unter Albertus Magnus studierten" [Löhr, S. 12]. Das Hauptinteresse des Petrus de Dacia wandte sich dann der Dominikanertertiarin Christine von Stommeln zu.
  Zur Begriffsbestimmung soll hier das Studium an der Ordensschule in Köln das Studium generale genannt werden, während der Besuch der Hochschule in Paris als Universitätsstudium bezeichnet wird.
  Dieses "Studium generale" soll nach Auskunft der meisten Autoren ebenfalls etwa 2-3 Jahre in Anspruch genommen haben. Ruh spricht von der "fünfjährigen theologischen Grundausbildung am Generalstudium des Ordens in Köln" [Ruh, Eckhart, S. 20], wobei er wahrscheinlich das solemne und generale zusammen betrachtet. Damit war das Studium in der Teutonia beendet und für die Studenten begann jetzt die praktische Tätigkeit. Manche übten diese nun für immer aus, manche nicht. Einigen wurde die Möglichkeit geboten, sich als Bakkalare einer theologischen Fakultät zur Erlangung akademischer Grade zu inkorporieren, sprich: z. B. in Paris an der Universität zu studieren. Zu diesen wenigen gehörte auch Eckhart.

Begriffe


Baccalarius (Bakkalar, Baccalaureus, Bakkalaureus)
  (Mittellat.) Die Verwendung des Wortes im Hochschulwesen ist erst 1231 belegt. Es bezeichnet die Hilfsrolle fortgeschrittener Studenten, die unter der Aufsicht des Magisters jüngere Schüler unterrichten und sich gleichzeitig weiterbilden, und ist in Bologna wie in Paris seit der 1. Hälfte des 12. Jh. nachgewiesen. Zwischen 1250 und 1275 wird baccalarius zu einem festen institutionellen Begriff. Man wurde es nach einem bestimmten, nach Fakultäten unterschiedlich langen Studium (an der Artes-Fakultät nach drei Semestern, in denen jeweils eine bestimmte Zahl festgelegter Lehrveranstaltungen besucht werden mussten), nachdem man vor einem aus Magistern zusammengesetzten Prüfungsausschuß mit Erfolg ein Vorexamen (responsiones) abgelegt und in einer Disputation die Fähigkeit der Schlußfolgerung (determinatio) erwiesen hatte. Der baccalarius war danach berechtigt, selbständig bestimmte Texte zu »lesen«, meistens in kursorischer Weise und mit wörtlicher Kommentierung. Er nahm auch aktiv an Disputationen teil, sei es als respondens oder als opponens, und konnte schließlich für ein Lizentiat kandidieren. Dieser Übergang von einem bloßen Status zu einem eigentlichen Universitätsgrad findet sich in Paris und v.a. in Oxford, wo die Prüfungen der determinationes große Bedeutung hatten und wo der Titel baccalarius durch den Kanzler verliehen wurde, während er sonst im wesentlichen eine Beförderung im Rahmen der Klasse eines Magisters ohne Beteiligung der Aufsichtsbehörden blieb.
  In den theologischen Fakultäten wurden sogar verschiedene Grade des baccalarius unterschieden: Nach einem Studium (audire) von sieben oder acht Jahren erhielt der Student als baccalarius cursor oder biblicus das Recht, über die Bibel zu lesen. Dann durfte er nach einem weiteren Examen (disputatio tentativa) als baccalarius sententiarius über die Libri Sententiarum des Petrus Lombardus lesen. Nach dieser Lehrtätigkeit blieb er eine gewisse Zeit baccalarius formatus mit der einzigen Verpflichtung, sich an Disputationen zu beteiligen, bis er sich um ein Lizentiat in Theologie bewerben konnte. - Das Wort baccalaureus ist eine späte Verballhornung von baccalarius, pseudoetymologisch mit baca laurei und damit mit der Krönung durch den Lorbeer in Verbindung gebracht. (Nach) J. Verger, [LdM I, Sp. 1323] [26.1.09]

Lizentiat
  Die (lat. "licentia", "Erlaubnis") nimmt im schulisch-universitären Bereich seit der 1. Hälfte des 12. Jhs. den bis heute gebräuchlichen Inhalt des "universitären Grades" an. Als sich zu Beginn des 13. Jhs. die Schulen zu Universitäten entwickelten (Paris, Oxford), war die Verleihung der licentia ein steter Stein des Anstoßes zwischen örtlicher kirchlicher Gewalt und Magistern, die nicht nur Eid und Aufnahmegebühr ablehnten, sondern auch die Mitwirkung eines Magister-Gremiums bei den Prüfungen, mit verbindlichen Empfehlungen an den Vertreter des Bischofs, forderten. Durch päpstliche Intervention wurde 1213 den Pariser Magistern ein solches System gewährt. Die licentia, somit zum Universitätsgrad geworden, wurde dem Kandidaten auf Initiative der Magister zuerkannt, nach öffentlichem Examen (Disputation) und Nachweis ordnungsgemäßer Studien und persönlicher Würdigkeit.
  Die feierliche Verleihung der licentia oblag dem Kanzler der Universität, der nicht nur als Repräsentant der bischöflichen, sondern auch der päpstlichen Autorität fungierte, die die Oberaufsicht über alle studia generalia hatte. Die licentia war somit ein in der gesamten Christenheit anerkannter Grad. In der Praxis erschwerten aber manche Universitäten (besonders Paris) die Anerkennung auswärtiger Lizentiate.
  Obwohl ursprünglich eines der wesentlichsten Elemente des Universitätslebens (Anerkennung des erfolgreich abgeschlossenen Studiums), wurde die licentia schließlich zu einer bloßen Etappe innerhalb eines hierarchisierten Gradsystems; ihr ging der Grad des Baccalaureus voraus, ihr folgte der Grad des Magister oder Doctor, der (ohne weitere Studien) die feierliche Aufnahme des "Lizentiaten" (licentiatus, erstmals belegt um 1215 in Paris) in das Collegium doctorum und damit das Recht zu lehren markierte. Der Erwerb der licentia gewährte nicht mehr die Lehrbefugnis, zumindest nicht im universitären Bereich. J. Verger (gekürzt), [LdM V, Sp. 1957-58] [26.1.09]

Magister (Magister universitatis)
  Im Mittellateinischen wie bereits im klassischen Latein bezeichnet das Wort "magister" häufig den für eine Schule verantwortlichen Professor; es liegt hier (wie in allen anderen Bedeutungen) die Vorstellung von Autorität und Weisungsbefugnis zugrunde. Seit dem 12. Jh. bezeichnet magister zum einen denjenigen, der als "Scholaster" (magister scholarum) oder aufgrund einer Lehrerlaubnis (licentia) eine Schule leitet (später auch "magister regens" genannt); zum andern wird der Begriff "magister" dem Namen des Absolventen höherer Studien als ehrender Titel vorangestellt (Magister NN), ohne daß der Betreffende notwendig auch als Lehrer fungiert. Auch im Bereich der seit dem 13. Jh. aufkommenden Universitäten bleiben diese Bedeutungen erhalten: in der ersten ist das "magisterium" ein vergleichsweise genau umschriebener universitärer Grad, den der "Lizentiat" erlangt, sobald er in die Korporation der "Professoren" aufgenommen worden ist (bald treten auch fachliche Differenzierungen wie "magister artium" oder "magister theologiae" auf); in der zweiten Bedeutung unterstreicht der Begriff die (nach Meinung der Zeit) durch das absolvierte Studium erworbenen Tugenden (z. B. Weisheit, Ernsthaftigkeit, Demut).
  Vom 13. Jh. an wurde der Begriff "magister" somit mehr oder weniger synonym mit "doctor" angewandt, wobei der Sprachgebrauch von Land zu Land schwankte. Im nördlichen Europa (Frankreich, England, Deutschland/Imperium) hatte der Magister-Titel einen beherrschenden Platz; die Universitäten des Pariser Typs verstanden sich immer als "universitates magistrorum et scolarium". In Italien, Südfrankreich, der Iberischen Halbinsel wurde der Magister-Titel dagegen rasch abgewertet. Die tonangebenden Juristen mit ihrem hohen Sozialprestige bevorzugten den Titel "dominus et doctor (legum bzw. canonum)". Offenbar galt "magister" als zu kirchlich oder als zu volkstümlich (Anklänge an Handwerksmeister oder Notar); der Magister-Titel war daher zunehmend auf "magister artium" und "medicinae" und - bei den Juristen - auf einfache Baccalare beschränkt. J. Verger, [LdM VI, Sp. 91] [26.1.09]

Literatur

1 Hans Wolter S. J., Geschichtliche Bildung im Rahmen der Artes Liberales, in: [Koch, Artes], S. 50-83
2 Gordon Leff, Das trivium und die drei Philosophien, in: [Rüegg], S. 279-301
3 Sönke Lorenz, Das Erfurter "Studium generale artium" - Deutschlands älteste Hochschule, in: [Weiß], S. 123-134
4 Monika Fink-Lang, Die schulgeschichtlichen Einflüsse der nachbenediktinischen Orden, in: [Liedtke], S. 297-317