Allgemein | Einige ausgewählte Sermones | |||
Einführung von J. Koch
Inhaltsverzeichnis und Liste aller Sermones Anmerkungen Edition Textausgaben Beschreibung Datierung |
V,3 VI,2 XII,1 XIV,1 XV,1 XVII,3 XXVI XXVII,1 |
Caro mea vere est cibus
In hoc apparuit Estote misericordes Ascendens Iesus in unam navim In novitate vitae ambulemus Stipendia peccati mors Duo homines ascenderunt Sufficientia nostra ex deo est |
XXXIV,4 XL,3 XLII,2 XLIV,3 XLVII,2 XLVIII,2 LIII LV,3 |
Quaerite ergo primum regnum dei
Quid vobis videtur de Christo? Fili, remittuntur tibi peccata Multi sunt vocati Hoc oro Multi ambulant Reliquimus omnia Si quis vult venire post me |
1 Die für die Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckharts wichtige Sammlung Paradisus anime intelligentis (hrsg. von Ph. Strauch, Deutsche Texte des Mittelalters Bd. XXX, 1919) ist in dieser Weise angelegt.
C | Sermo | C | Sermo | C | Sermo | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Die Gruppen der Collationes
In dieser Übersicht sind vier Gruppen von Sermones durch besondere Umrahmung von den andern abgehoben. Wir beginnen mit den beiden letzten, welche die unechten Predigtentwürfe umfassen, die als Collationes 2 zu bezeichnen sind. Sie bedürfen einer genauern Beschreibung. Zum bessern Verständnis sei bemerkt, daß die Predigtsammlungen, vor allem des späten Mittelalters, die das ganze Kirchenjahr umfassen, mit der Auslegung der Epistel des 1. Adventssonntages (Rom. 13,11-14) beginnen, deren erste Worte sind: Hora 3 est iam nos de somno surgere. Nun fand der Kompilator der Collationes in Eckharts Entwurfheften auch eine Predigt zum 1. Adventssonntag; ihr Thema ist aber nicht Hora est, sondern Induimini dominum Iesum Christum (Rom. 13,14). Um nun diesem Sermo und damit der ganzen Sammlung den gewohnten Anfang zu geben, setzte er Eckharts Skizze (= Sermo LII) folgenden Text vorauf (166rb) 4:
Hora est etc., Rom. 13. Tria sunt valde damnosa animae: somnus prolixus in pigritia (impigritia C). Unde Prov. <69>: 'usquequo piger dormis?' Exemplum in Iudith, quae interpretatur (-etur C) 'confitens' vel 'glorificans', et Holoferne, quod (!) interpretatur 'infirmitas [et] discessionis'. Nota historiam (hostis C), si vis. Venter plenus in luxuria. Unde Nabuzardan, princeps coquorum, destruxit muros Ierusalem. Cor vanum in stultitia, Psalmus <5,10>: 'non est in ore eorum veritas, cor eorum vanum est'. |
Sic nos existimet homo ut ministros Christi (1 Cor. 4,1). Quilibet homo est minister. In ministerio Christi sunt tria, scilicet vitae munditia, intelligentia 5, humilitas eximia. De primo Psalmus <100,6>: 'ambulans in via immaculata, hic mihi ministrat'. De secundo (5 C): 'acceptus est regi minister intelligens' (Prov. 14,35), qui solo nutu intel-[166vb]ligit domini voluntatem, Psalmus <118,144>: 'da nihil intellectum, et vivam' etc. De tertio Matth. 20 <26>: 'quicumque voluerit inter vos maior esse vel fieri, sit vester minister', dominus ad discipulos. Luc. 1 <52>: 'deposuit potentes'.
Qui autem ludicat me, dominus est (v. 4). Tria ad solium domini pertinent: iudicare occulta, Psalmus <7,10>: 'scrutans corda et renes deus'. Hinc metuendus. Dimittere peccata. <Is. 43,25> (lac. C): 'ego sum, qui deleo iniquitates'. Hinc diligendus. Praenoscere futura, Act. 1 <7>: 'non est vestrum nosse tempora vel momenta'. Hinc consulendus. |
2 Vgl. dazu Thomas Waleys O.P. († nach 1349) De modo componendi sermones cum documentis (hrsg. von Th.-M. Charland in Artes praedicandi. Contribution à l'histoire de la rhétorique au moyen âge [Publications de l'Institut d'Études Médiévales d'Ottawa Bd. VII], Paris-Ottawa 1936) c. 8 S. 379. Er unterscheidet sehr klar zwischen Sermo und Collatio: 'Non enim loquor de brevibus collationibus, in quibus facta divisione thematis adducuntur auctoritates duae vel tres cum modica earum pertractatione, et statim est finis. Sed loquor de sermone integro et completo' etc. Über den color rhythmicus, der bei den Einteilungen zu beachten ist, vgl. unten S. XXXI f. Aus der c. 2 S. 347 gebrauchten Wendung 'in moralibus exhortationibus vel collationibus' ergibt sich, daß die Collationes im wesentlichen der sittlich-aszetischen Belehrung dienten. Eckhart fügt dem Sermo XLV eine ausgeführte Collatio an (n. 464-468 S. 384-386). Wie man nun (besonders im spätem Mittelalter) Sammlungen ausgearbeiteter Sermones zum praktischen Gebrauch zusammenstellte, so arbeitete man auch für die Collatio Schemata aus, die man ebenso bezeichnete. Thomas von Aquin notierte, wie der Rest des Autographs (heute Vat. lat. 9850, f. 105-114) zeigt, an den Rand seines Isaias-Kommentars eine große Anzahl solcher Schemata, um die Worte des Propheten für kurze Exhorten fruchtbar zu machen. Vgl. P. Mandonnet A propos des autographes de saint Thomas d'Aquin, in: Bulletin Thomiste VI (1929) S. 517; J. Destrez Études critiques sur les oeuvres de S. Thomas d'Aquin (Bibl. Thomiste Bd. XVIII, 1933), S. 174 ff.; Th.-M. Charland a. a. O. S. 224 Anm. 1. Dort erwähnt er, daß nach M. M. Davy Les sermons universitaires parisiens de 1230-1231, Paris 1931, S.26 f., der zweite General der Dominikaner Jordan von Sachsen die Collationes als abendliche Predigten eingeführt hat. Auf die vielfachen Bedeutungen, die Collatio sonst hat, kann hier nicht eingegangen werden.
3 Eigentlich: Scientes quia etc. Diese beiden Worte läßt man aber fort, wenn V. 11 als Thema genommen wird.
4 In der Einführung zu Bd. 3 habe ich S. XX irrigerweise dieses Schema Eckhart selbst zugeschrieben. Über die Unechtheit der Collationes vgl. unten S. XXVII f.
5 Da die beiden andern Glieder aus zwei Worten bestehen, ist hier wahrscheinlich eins ausgefallen, vielleidit 'ministri'.
Der Text ist verderbt. Es muß heißen: <Qui non colligit mecum, dispergit, Luc. 11,23>. De tribus officiis domini: colligere vinculo caritatis, eripere de manu fortis, scilicet diaboli, salvare beneficio remissionis.
Die Indizes der Handschrift
F. 173ra-va sind die Themata der Predigten in der Reihenfolge, wie sie in C stehen, aber unvollständig verzeichnet, wobei zwischen den Sermones und den Collationes kein Unterschied gemacht wird. Es war wohl daran gedacht, die Folien anzugeben, wo die Predigten stehen. Das ist nicht geschehen. Wichtig ist aber, daß hinter einer Anzahl von kurzen Stücken bei den Collationes 'ibidem' d. h. auf derselben Seite, steht. Daraus ergibt sich einwandfrei, daß dieses Inhaltsverzeichnis schon in der Vorlage von C stand. Denn der Kopist läßt 'ibidem' ebenso oft weg, wo eine Collatio in C noch in derselben Spalte wie die vorhergehende steht.
In den freien Raum hinter dem Themenverzeichnis (f. 173va) sind nun von demselben Schreiber zwei kleine Stücke aus der Johannes-Auslegung eingetragen: a) Nihil tam leve - cadit medium (= n. 324 f. S. 272,13-273,10); b) Nihil tam dulce - quinto corporis necessitas (corpori necessarias C, = n. 299 f. S. 250,13-251,10). Die Exzerpte sind nicht ganz wörtlich. Aber es ist auffällig, mit wievielen Fehlern diese beiden Texte hier durchsetzt sind, die C vorher (f. 107va und 106rb) ganz ordentlich geschrieben hat. Man muß annehmen, daß diese beiden Exzerpte in der Vorlage von einer andern, schwerer lesbaren Hand eingetragen worden sind. Wenn wir nicht die doppelte Kopie mehrerer Sermones hätten, wäre es der Mühe wert, die beiden Texte mit allen Fehlern hier abzudrucken, gewissermaßen zur Rechtfertigung der Herausgeber, die sich so oft gezwungen sahen, den Text der Sermones durch Konjekturen einigermaßen in Ordnung zu bringen.
Auf f. 173vb steht ein Verzeichnis der Sonn- und Hauptfesttage des Kirchenjahres. Es beginnt mit Dominica prima Adventus und endet mit Dedicatio (d. h. Kirchweih, wofür in C keine Predigt vorliegt) und De Sacramento Eucharistiae, obwohl das Fronleichnamsfest schon vorher an der richtigen Stelle mit De Sacramento angegeben ist.
Wenden wir uns nun zu den Sermones Meister Eckharts, so zeigt unsere Übersicht, daß es nur wenige Gruppen gibt, innerhalb deren die Predigten ohne Unterbrechung folgen, wie es dem Kirchenjahr entspricht, nämlich VIII-XIV, 1, XXXIII-XXXVIII 7 und XLV-LI. Das entspricht den Sonntagen 2-5, 15-17 und 21-25 nach Dreifaltigkeit. Man kann wohl annehmen, daß sie schon in Eckharts Entwurfheften so geordnet waren; und die Vermutung, daß er zu einer nicht näher bestimmbaren Zeit, während dieser Wochen Ruhe hatte, an den Sermones ohne Unterbrechung zu arbeiten, dürfte gerechtfertigt sein. Im übrigen finden wir einen Mangel an Ordnung, wie er bei Entwurfheften nicht anders zu erwarten ist. [XVII f.]
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7 In der Hs. wird diese Reihe durch die zweite Kopie mehrerer Sermones unterbrochen (vgl. S. XIX ff.).
Die alte Zählung der Sermones
Man hat aber später durch Zählung der Sermones und besondere Hinweise Ordnung zu schaffen versucht. Hinter Sermo III (f. 138va) notiert der Kopist: Caro mea etc. (= Sermo V,1) infra 84. Item Hic panis etc. (= V,2) lxxxv 8. Hinter Sermo XIX (f. 146va) notiert er: De evangelio (Attendite = Sermo XX) infra 81. lxxxi. In den darunter frei gelassenen Raum schreibt der Rubrikator:
dominica octava. Exemplum (lies: Evangelium) Attendite (= XX).
dominica nona de Epistula, infra Non simus (= XXI). Item de Evangelio, scilicet Homo quidam erat dives (= XXII). Dominica decima de Epistola (!). |
8 Vgl. den kritischen Apparat zu S. 33,5.
9 Im kritischen Apparat zu S. 166,10 ist diese Angabe vergessen worden.
10 Da das Blatt nur wenig beschnitten ist, sieht man noch deutlich, daß er nicht 28, sondern <de d>oa 28 notierte.
11 Die Initialen sind zum Teil vom Rubrikator, zum Teil vom Kopisten geschrieben. Im Hinblick auf unsern Beweis für die Vollständigkeit der Sammlung in C dürfte es wichtig genug sein anzugeben, wo die Initialen stehen. Soweit sie auf den Kopisten zurückgehen, klammere ich C hinter der Seitenzahl ein: 5,5; 9,11 (C); 11,2 (C); 16,3 (C); 19,9 (C); 22,5 (C); 48,3 (C); 50,5; 56,5; 59,6 (C); 63,4 (C); 64,6 (C); 73,10 (C); 75,4; 79,3 (C); 80,4; 92,4; 98,4; 100,12 (C); 102,5 (C); 105,5; 109,6 (C); 116,5; 127,13 (C); 137,4; 142,5; 145,5.
Die zweifache Kopie einiger Sermones
Eine genauere Betrachtung der zweiten Kopie einer Anzahl von Sermones führt uns noch einen Schritt weiter. Mitten in Sermo XXXIV,3 werden zwischen den Worten »fragrantiam senserunt« (f. 152vb Z. 24) und »Eccli. 24« (f. 153rb Z. 5 = n. 349 S. 303,15) Serm. XXIV,2 n. 249-250; XXV,1; XXVI; XXV,2 n. 262 nochmals kopiert. Im kritischen Apparat bezeichnen wir die erste Kopie als C1, die zweite als C2. Diese Textverdoppelung stand schon in der Vorlage von C. Das ergibt sich daraus, daß der Schreiber von C die beiden Silben des gebräuchlichen Tilgungswortes »va-cat« im Text und nicht am Rand hat: va am Ende der Zeile über dem ersten Wort der zweiten Kopie 'essentia' (= S. 22Z, 11), eat hinter 'requiescam' (= S. 239,9) mitten in der Zeile. Hätte er die Bedeutung der beiden Silben verstanden, so hätte er den ganzen Text nicht noch einmal kopiert. Wir müssen ihm aber dankbar sein, daß er die Vorlage so abschrieb, wie er sie vor sich hatte. Nikolaus von Kues setzte »va-cat« nochmals an den Rand und machte die Interpolation außerdem durch Kreuze kenntlich. Während er C1 korrigierte und mit Rundbemerkungen versah, verzichtete er bei C2 auf beides. Seine Korrekturen beruhen aber wohl durchweg auf C2. Nun steht hinter der Silbe -cat noch »propter quaternum«. Diese beiden Worte haben natürlich nichts mit dem Predigttext zu tun, sondern gehen auf den zurück, der durch va-cat die Tilgung dies ganzen Textes vorgenommen hat. Was sie bedeuten, vermag ich nicht zu sagen. Meine Vermutung geht dahin, daß ursprünglich statt »propter« das mit ihn oft verwechselte »praeter« stand und daß »vacat, praeter quaternum« bedeutet: getilgt, weil nicht zu diesem Heft gehörig 12. Wichtig ist auf jeden Fall das Wort quaternus. Denn es beweist, daß die Sermones ursprünglich in einzelnen Heften vorlagen 13, und man könnte vermuten, daß die Verdoppelung entstand, als die Sermones aus den Heften in einen Kodex übertragen wurden; dabei konnte es geschehen, daß der Schreiber bei seiner Arbeit irrtümlich nochmals zu einem Heft griff, das er bereits kopiert hatte. Als er seinen Fehler bemerkte, korrigierte er ihn durch »va-cat, praeter quaternum«.
Bemerkenswert ist auch, daß der fragmentarische Entwurf von Sermo XXVI (n. 269 S. 245) in beiden Kopien zwischen Sermo XXV,1 und XXV,2 steht und beide Male das Thema von XXV,2 Gratia dei sum id quod sum durch Unde mit dem letzten Stichwort von XXVI In templum verbunden ist, ohne daß es aber als Thema eines besondern Sermo erkannt wäre 14. Daraus ergibt sich zweierlei. Erstens, daß Eckhart in seinem Entwurfheft XXVI nach XXV,1 eingetragen und erst später XXV,2 hinzugefügt hat. Zweitens, daß man sehr bald nicht mehr verstand, daß es sich bei XXV,2 um eine eigene Predigt handelte.
Der Wert von C2 liegt nun darin, daß diese zweite Kopie sorgfältiger als die erste ist und uns erlaubt, die genannten Sermones in einem bessern Text als die übrigen vorzulegen. Freilich vermittelt der Vergleich zwischen beiden Kopien auch einen unmittelbaren Eindruck von der Unzuverlässigkeit des Schreibers und erinnert daran, wie unsicher im einzelnen die textliche Grundlage für die Edition und die Übersetzung der Sermones ist. Solange Eckhart sich in einfachen Gedankengängen bewegt, reicht das Verständnis des Schreibers aus; sobald sie aber schwieriger werden, erlahmt mit dem mangelnden Verständnis auch der Eifer, die Vorlage getreu wiederzugeben. Der Vergleich von C1 und C2 zeigt aber auch, wieviele Fehler die Vor-Vorlage enthielt, auf die beide zurückgehen. In ihr war z. B. der Satz S. 227,12-228,1 schon so verderbt, daB es fraglich ist, ob unsere Konjekturen den richtigen Wortlaut wiederhergestellt haben. Man vergleiche auch den Apparat zu S. 233,8.12; 235,7; 238,3.6. [XIX-XXI]
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12 Dr. Decker deutet: vacat propter quaternum, ubi haec pars non exstat.
13 Ein quaternus ist zunächst eine Lage von vier ineinander gelegten Blättern (entsprechend quinternus, sexternus usw.), erhält dann aber früh die allgemeine Bedeutung Heft (vgl. quaderno im Italienischen). Wenn man nun bedenkt, daß das Einbinden von Büchern für die der Armut verpflichteten Angehörigen der Bettelorden eine kostspielige Angelegenheit war, so ist es eigentlich selbstverständlich, daß die Schriftsteller dieser Orden ihre Arbeiten zunächst in lose Hefte eintrugen. Dazu vergleiche man n. 450 S. 375,11, wo Eckhart abschätzig von denen spricht, 'qui habent virtutes in quaternis suis'; das wird dann durch 'vel in habitu scientiae et verbo doctrinae' erläutert. Von dem Autograph des S. XIV Anm. 2 erwähnten Isaias-Kommentars des Thomas von Aquin ist ein einzelner quinternus und von seinem Kommentar zu Boethius De trinitate zwei quaterni (heute Vat. lat. 9850, f. 90-103) auf uns gekommen. Nachdem die Werke in Kodizes übertragen worden waren, nahmen die Freunde im Orden einzelne quaterni als Andenken an sich. Ein besonders gutes Beispiel für die Benutzung von quaterni für die Niederschrift der eigenen Werke kennen wir aus dem gegen Wilhelm Ockham geführten Prozeß. Den Richtern in Avignon lag außer der Anklageschrift des Oxforder Kanzlers Lutterell der Sentenzenkommentar Ockhams als Kodex (liber) vor. Um nun seine Rechtgläubigkeit zu beweisen, legte Ockham im Lauf des Prozesses seine quaterni vor, die seine eigene Niederschrift des 1. Buches enthielten. Die Richter wurden aber in ihrem Mißtrauen bestärkt, da sie in den quaterni neue Rasuren und Zusätze fanden. Vgl. dazu J. Koch Neue Aktenstücke zu dem gegen Wilhelm Ockham geführten Prozeß, in: Recherches de Théol. anc. et méd. 7 (1935) S. 355-358; 370-372; 8 (1936) S. 195-197.
14 In der ersten Kopie der Stücke (f. 149ra) trennt N. v. Kues XXVI und XXV,2 durch einen energischen Querstrich voneinander. Das Flickwort Unde läßt er aber stehen.
Die Rubriken
Zu der Beschreibung der Handschrift gehört auch ein Wort über die Rubriken. Sie beginnen erst f. 138vb: »Dominica prima post Trinitatem« (= Sermo VI,1). Der Kopist notiert die nötigen Angaben, wie auch sonst üblich, für den Rubrikator an den äußersten Rand der Blätter, wodurch beim Einbinden manches verlorenging. Infolge der mangelnden Sorgfalt des Kopisten sind die Rubriken unregelmäßig und fehlerhaft 15. Wir haben die Überschriften normalisiert und die Abweichungen von C im Apparat vermerkt. Bei der Angabe »post Trinitatem« (statt des wohl üblicheren »post <festum> Trinitatis«) sind wir der Handschrift gefolgt. Auch die I n i t i a l e n sind ungleichmäßig behandelt. Der Anfang einer neuen Predigt sollte natürlich durch eine rote Initiale gekennzeichnet werden. Manchmal läßt der Kopist Platz dafür und setzt in kleiner Schrift den Buchstaben daneben, den der Rubrikator malen soll. Manchmal schreibt er auch selbst den Anfangsbuchstaben besonders groß, und hier und da beginnt eine Predigt ohne jede Kennzeichnung mitten in der Zeile (vgl. z. B. S. 308,4). [XXI]
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15Hier seien einige Fehler zusammengestellt. Bei Sermo V,2 fehlt zu Beginn sowohl die Initiale wie die Rubrik. Beide finden sich erst mitten in der Predigt (n. 45 S. 44,5 Var.). Bei XV,1 steht als Rubrik Dominica VIa Epistulae (vgl. S. 145,5 Var.). Am Rand war aber richtig De epistula notiert. S. XVIII wurde schon darauf hingewiesen, daß mitten in XVII,3 (S. 163,3) das Lemma Stipendia peccati mors etc. durch große Initiale ausgezeichnet wird, obwohl da sicher keine neue Predigt beginnt. Am Schluß von XXXIV,1 schreibt Eckhart: »Dic quattuor solutiones ex Sermone 'Videte quomodo caute ambuletis', dominica XXa, et vide post<illam> (so zu lesen statt et deinde post, wie S. 297,5 steht) super 'Tollite iugum meum' etc.« Der Kopist faßte »dominica XXa - meum etc.« als Rubrik auf und überließ dementsprechend die Eintragung der Worte dem Rubrikator. Dieser schrieb nur bis to (von tollite), den Rest ergänzte der Kopist, wobei er sich bemühte, die Schriftzüge seines Mitarbeiters nachzuahmen. Am Schluß von XXXVII (S. 324,2) steht die Rubrik für XXXVIII de evangelio sequitur zwischen den beiden letzten Sätzen, aber natürlich nicht als Rubrik. Der Fehler stand anscheinend schon in der Vorlage und wurde von C gedankenlos übernommen.
Die Korrekturen und Marginalien des Nikolaus von Kues
Viel interessanter als diese Dinge ist die eingehende Arbeit, die Nikolaus von Kues diesem Teil von C gewidmet hat. Ohne jeden Zweifel hat er sämtliche Sermones gelesen; ebenso sicher ist, daß er sich nicht um die Collationes gekümmert hat. Seine Arbeit umfaßt zweierlei, Textkorrekturen und Randbemerkungen. Zu den K o r r e k t u r e n ist folgendes zu bemerken: Nikolaus hat offensichilich weder eine andere Hs. noch die Vorlage von C als Hilfsmittel für seine Korrekturen benutzt. Seine Korrekturen sind K o n j e k t u r e n, die auf kritischem Textstudium beruhen 16. Soweit wir seine Hand sicher erkennen konnten, haben wir ihm die Änderungen am Text ausdrücklich zugeschrieben. Wo m(anus) post(erior) angegeben wird, vermuten wir Nikolaus auch als den Korrektor; es handelt sich dann aber um Änderungen, bei denen seine Hand nicht als solche erkennbar ist. Wir sind aber nirgendwo auf ein sicheres Zeichen dafür gestoßen, daß sich ein anderer mit dem Text beschäftigt hätte. Wie sich aus unserm Apparat ergibt, hat Cusanus nur einen Bruchteil der Fehler von C korrigiert. Manches übergeht er mit Stillschweigen, an andern Stellen macht er ein Kreuz an den Rand, um die Textverderbnis zu kennzeichnen. Sein Korrektoreneifer läßt auch allmählich nach; in den Sermones XXXVIII bis XLIV, LI, LIII und LIV finden sich keinerlei Korrekturen, wohl aber bei einigen von ihnen Zeichen, daß er sie gelesen hat. Ein allgemeines Urteil über den Wert seiner Korrekturen ist sinnlos. Da sie Konjekturen sind, bedarf jede einzelne einer sachlichen Prüfung. Und wenn man weiß, daß der Kardinal bei der Korrektur der Kopien seiner eigenen Werke in den Hss. Cus. 218 und 219 nicht immer eine glückliche Hand hatte, wird man erst recht kritisch, wo er einen fremden Text verbesserte.
Die M a r g i n a l i e n sind in diesem Band auch im kritischen Apparat notiert, und zwar ohne Nennung des Cusanus. Der Name erübrigt sich hier, weil sämtliche Marginalien auf ihn zurückgehen. Manchmal kennzeichnet er eine ihn interessierende Stelle durch eine vertikale Linie am Rand. Das wird im Apparat durch text(us) sign(atus) nebst Angabe der ersten und letzten Zeile, zwischen denen die Linie sich erstreckt, vermerkt. Oft fügt er auch »nota, nota bene, exemplum bonum, bene dicit« usw. hinzu. Alle andern Bemerkungen wiederholen Gedanken Eckharts, die Cusanus als wichtig und bedeutsam ansah, am Rand 17. Es ist bekannt, daß er auch andere von ihm studierte Werke auf diese Weise durcharbeitete. Nur an zwei Stellen gibt er ein Urteil über Eckhart ab, und beide Male handelt es sich um dessen Methode, bei einem schwierigen Satz ein Wort durch ein leichter verständliches zu ersetzen. F. 137va (= S. 14,11 Var.) schreibt er an den Rand: »varietur etc. nota ingenium scriptoris«; f. 146va (= S. 205,9—11 Var.) notiert er: »alternatio dictionum multa obscura deciarat, et in hoc iste magister est in omnibus scriptis suis singularis«. Hier kommt also die Bewunderung, die Cusanus dem Meister zollt, ebenso unumwunden zum Ausdruck wie f. 170ra, wo er neben den Anfang von Sermo LV, 4 (S. 458,3 Var.) notiert: »totus notandus«. [XXI-XXIII]
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16 Soweit ich bisher urteilen kann, korrigierte Cusanus die Hss., die er studierte, nur per coniecturam. Das ist auch die Ansicht von R. Klibansky, der in der Praefatio zu: Parmenides ... nec non Procli Commentarium in Parmenidem, Pars ultima adhuc inedita interprete Guilielmo de Moerbeka (Plato Latinus III), Londinii MCMLIII, p. XXVIII sagt: »Nicolaus Cusanus, ut in corrigendis librorum vitiis facere solebat, in emendando Codice C (= Cod. Cus. 186) coniecturis nisus est«. Giovanni Andrea de' Bussi, der seit Ende 1458 als Sekretär des Kardinals in seiner unmittelbaren Umgebung lebte und an seinen wissenschaftlichen Arbeiten intimen Anteil nahm, spricht voll Bewunderung von dem Scharfsinn, mit dem Nikolaus einen sehr schlechten Text des Parmenides-Kommentars des Proclus (dessen nur lateinisch erhaltenen Schlußabschnitt Klibansky in dem oben zitierten Werk erstmalig ediert) durch Konjekturen emendiert habe. Durch eine später gefundene gute Hs. seien die Konjekturen bestätigt worden (Epistula dedicatoria zur Apuleins-Ausgabe von 1469; zuletzt abgedruckt von P. Wilpert in: Vom Nichtanderen (De non aliud), übersetzt und mit einer Einführung und Anmerkungen versehen [Meiners Philos. Bibl. Bd. 232], 1952, S. 100—102; die Bemerkungen über die Konjekturen S. 102). Nach dem alten Grundsatz »audiatur et altera pars« zitiere ich dieses Zeugnis, da meine eigene Beurteilung der Konjekturen des Cusanus von Bewunderung ziemlich weit entfernt ist.
17 Der moderne Leser kann dieses Verfahren leicht als pedantisch und langweilig ansehen. Es hat aber einen sehr praktischen Grund. Hss. sind unübersichtlich; und wenn man unsere Hs. C nimmt, von der eine Seite durchschnittlich 8 Seiten in unserer Ausgabe füllt, so gilt das von ihr erst recht. Die Marginalien waren einfach ein Hilfsmittel, um die Gedanken, die Cusanus interessierten, so festzuhalten, daß er sie leicht wiederfinden konnte. Der moderne Leser unterstreicht vielleicht Wichtiges in seinem Buch. Da aber in den Hss. die Unterstreichung schon fur die ausgelegten Bibeltexte reserviert war, kam diese Methode nicht in Betracht.
Hauptergebnisse der Analyse der Handschrift
Die Analyse des in C vorliegenden Textes der Sermones hat zu folgenden H a u p t e r g e b n i s s e n geführt: 1. Die Predigt-Sammlung in C umfaßt Sermones und Collationes. Die Sermones sind zum größten Teil Sermones de tempore, zum kleinsten Sermones de sanctis. Innerhalb der ersten Gruppe hebt sich ein Nachtrag von 10 Sermones von den voraufgehenden ab. 2. Die ganze Sammlung stand schon in derselben Anordnung in der Vor-Vorlage von C. Da diese mindestens der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts angehört haben dürfte, ist es durchaus möglich, daß noch andere Hss. vom Typ C existieren. 3. Der Sammlung liegen letztlich Eckharts eigene Entwurfhefte zugrunde.
Nun erheben sich zwei Fragen: Erstens, wie verhält sich diese Predigtsammlung zu dem von Eckhart beabsichtigten Opus sermonum? Zweitens, was ist von den Collationes zu halten? Wiederholt war schon von ihrer Unechtheit die Rede, der Beweis steht aber noch aus.
Die Rückverweise
Sind nun die Entwürfe für den Festteil des Kirchenjahres verlorengegangen, oder hat Eckhart keine abgefaßt? Gegen die zweite Möglichkeit spricht zweierlei. Erstens ergibt sich aus den bisher von J. Quint edierten Predigten, daß der Meister in Köln während des ersten Teiles des Kirchenjahres gepredigt hat 18. Zweitens finden sich in den Sermones drei Hinweise auf Sermones für den Festteil 19:
Quod enim in ea natum est, de spiritu sancto est, erwähnt LIV,2 n. 530 S. 447,5. Aus dem Evangelium der Vigil von Weihnachten (Matth. 1,18-21). Mir ist weder eine lateinische noch eine deutsche Predigt zu diesem Thema bekannt.
Servus titus, vir meus, mortuus est, erwähnt XXXVI,1 n. 368 S. 316,2 und LV,1 n. 535 S. 451,1. Aus der Lectio am Dienstag nach dem dritten Fastensonntag (4 Reg. 4,1-7.) Vgl. Pfeiffer Pr. XXXI [Q 37].
Omne datum optimum 20, erwähnt XXVIII,2 n. 289 S. 259,11. Anfang der Epistel des dritten Sonntags nach der Oktav von Ostern (Iac. 1,17-21). Vgl. Quint Pr. 4.
Da Eckhart sich gern auf bereits vorliegende Auslegungen bezieht 21, läßt diese geringe Zahl von Hinweisen es als fraglich erscheinen, ob er viele Entwürfe für den Festteil des Kirchenjahres geschrieben hat [2].
Die Heiligenfeste haben ihre besondern liturgischen Regeln. Für viele gibt es eine eigene Epistel und ein eigenes Evangelium, andere nehmen beides aus dem Commune sanctorum, d. h. aus dem Anhang zu den Heiligenfesten, in denen die mehreren Festen gemeinsamen Texte verzeichnet sind. In den Sermones de sanctis von C steht an erster Stelle eine Predigt (LIII) über das an den Festen des Apostels Paulus (Bekehrung, 25. Januar; Gedächtnis, 30. Juni) und des hl. Alexius (17. Juli) gelesene Evangelium Matth. 19,27-29. Die übrigen Predigten beziehen sich auf das Commune sanctorum, wenn auch LIV,2 ursprünglich für das Fest des Evangelisten Johannes (27. Dezember; vgl. n. 531 S. 447,7 ff.) geschrieben zu sein scheint.
Nun dürften in diesem Teil erhebliche Verluste eingetreten sein. Denn Eckhart gibt hier eine ganze Anzahl von Hinweisen. Sie seien hier zusammengestellt, und zwar in der Reihenfolge, in der die Sermones entsprechend der Dignität der Heiligen und der Ordnung des Commune sanctorum wohl stehen müßten:
Beatus es, Simon Bar Iona, erwähnt LV,1 n. 535 S. 451,1. Aus dem Evangelium (Matth. 16,13-19) an den Festen des Apostels Petrus (Stuhlfeier, 22. Februar; Kettenfeier, 1. August) und der Apostel Petrus und Paulus (29. Juni). Vgl. Pfeiffer Pr. XXX [Q 45].
Iussit Iesus discipulos suos ascendere in naviculam, erwähnt XLVIII,1 n. 501 S. 416,9. Beginn des Evangeliums (Matth. 14,22-33) am Oktavtag von Petrus und Paulus (6. Juli). Vgl. Jostes Nr. 28 [Q 23].
Onus meum (leve est), erwähnt XXXIV,1 n. 339 S. 295,11. Aus dem Evangelium (Matth. 11,25-30) am Fest des Apostels Matthias (24. oder im Schaltjahr 25. Februar).
In paucis vexati (in multis bene disponentur), erwähnt LI n. 519 S. 434,10. Aus der zweiten Lesung (Sap. 3,1-8) des Commune plurimorum martyrum. Eckhart sagt hier nicht 'vide in sermone', sondern 'vide supra illud'. Da er den Vers aber im Sapientia-Kommentar nicht auslegt, dürfte es sich um eine Predigt handeln.
Virtus de illo exibat et sanabat omnes, erwähnt XLIV,2 n. 444 S. 371,9. Aus dem zweiten Evangelium (Luc. 6,17-23) desselben Commune. Auch hier hat der Hinweis die Form 'vide super'; da Eckhart sich aber nirgendwo auf eine eigene Auslegung des Lukas-Evangeliums beruft, darf man den Hinweis auf einen Entwurf beziehen.
Nihil est opertum quod non reveletur, erwähnt XXXI n. 324 S. 284,1. Hier fügt Echhart den formellen Hinweis hinzu: »Cuius expositionem vide De communi«. Das Thema ist dem vierten Evangelium (Luc. 12,1-8) desselben Commune entnommen.
Dilectus deo et hominibus, erwähnt I n. 2 S. 4,8. Beginn der ersten Lesung (Eccli. 45,1-6) des Commune unius confessoris. Vgl. Pfeiffer Pr. LXXIII und LXXXVI [Q 73, Q 74].
Vigilate (quia nescitis qua hora dominus vester venturus sit), erwähnt an derselben Stelle. Beginn des zweiten Evangeliums (Matth. 24,42-47) desselben Commune 22.
Quae paratae erant, intraverunt cum eo ad nuptias, erwähnt LIV,2 n. 530 und 531 S. 447,5 und 9. Aus dem zweiten Evangelium (Matth. 25,1-13) des Commune unius virginis.
Ganz unsicher ist es, ob der Hinweis auf die Auslegung von Qui amat patrem aut matrem plus quam me, non est me dignus (erwähnt X n. 106 S. 101,1; XI,1 n. 113 S. 107,6) sich auf eine Predigt bezieht, da Eckhart an der zweiten Stelle die für den Hinweis auf eigentliche Schriftauslegungen übliche Formel »sicut notavi super illud« gebraucht. Matth. 10,34-42 ist das Evangelium vom Fest des hl. Valentin (14. Februar). Da er ein volkstümlicher Heiliger war, könnte es sich freilich doch um eine Predigt über das obige Thema handeln 23.
Die zahlreichen Hinweise auf Sermones zu Ehren der Heiligen lassen sich nicht damit abtun, daß man sagt: Eckhart w o l l t e diese Predigten schreiben. Die Annahme, daß sie verlorengingen (oder in uns unbekannten Hss. stecken), dürfte eher begründet sein. Erinnern wir uns nun an die geringe Zahl von Hinweisen auf Predigten zum ersten Teil des Kirchenjahres, so dürfte ebenso der Schluß naheliegen, daß Eckhart wenige Entwürfe für diesen Teil geschrieben, d. h. noch nicht systematisch an einem Opus sermonum gearbeitet hat 24. [XXIV-XXVI]
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18 Meister Eckhart hat die Predigt 12 (Quint) am 8. September oder Dezember im Machabäerkloster der Benediktinerinnen gehalten; 22 am Quatember-Mittwoch im Advent im Zisterzienserinnenkloster Mariengarten; 13 am 28. Dezember, 14 am folgenden 6. Jan. und Pr. CII (Pfeiffer) [Q 51] am Mittwoch nach dem dritten Fastensonntag ebenfalls in Köln. Vgl. J. Koch Meister Eckhart in Köln, in: Studium Generale in Köln 1248, Sondernummer der Kölner Universitätszeitung 1948, S. 13 f.; J. Quint, Vorbemerkungen zu Pr. 22, Deutsche Werke Bd. 1 S. 372 ff. Als Jahre kommen nur 1322 bis 1325 in Betracht. Der terminus a quo ergibt sich daraus, daß Eckhart im Mai/Juni 1322 noch im Auftrag des Ordensgenerals als Visitator des Klosters Unterlinden im Elsaß fungierte (vgl. J. Beuchot Das ehemalige Unterlindenkloster zu Colmar in seiner Blütezeit, 1916, S. 50); dieser Auftrag setzt voraus, daß er damals noch zum Straßburger Kloster gehörte. Der terminus ad quem ist durch den Beginn des Prozesses in Köln (Herbst 1326) gegeben.
19 Danach muß meine Angabe in Bd. 3 S. XX berichtigt werden, daß sich in den Sermones kein Rückverweis auf Sermones vor Trinitas fände.
20 Wie der Text zeigt, haben wir »Omne« ergänzt. Will man den Text von C wahren, so müßte man annehmen, daß der Satz »Vide super 'datum optimum'« sich auf Eckharts Begriffslexikon bezieht (vgl. S. XXXIV). Das halte ich deshalb für höchst unwahrscheinlich, weil 'datum optimum' kein philosophischer Begriff ist und Iac. 1,17 von Eckhart gern zitiert wird.
21 Vgl. S. 109,13; 245,6.12; 287,9; 297,4; 340,11; 373,4; 398,1.
22 Im Apparat zu S. 4,9 ist Vigilate irrtümlich auf Matth. 25,13 bezogen.
23 In VII n. 78 S. 76,2 findet sich der Hinweis: »Vide super 'Parate viam domini'«. Darin braucht man nicht einen Hinweis auf einen Sermo über dieses Thema zu sehen, da Eckhart dieses Schriftwort in XXII n. 206-207 S. 190 f. als Nebenthema behandelt und auslegt.
24 Dafür sprechen auch die Hinweise auf ein von ihm an gelegtes Lexikon philosophischer Begriffe. Vgl. S. XXXIV.
Die Unechtheit der Collationes
Nun könnte man aber folgenden E i n w a n d erheben. Da die Collationes, d. h. die Predigtschemata, ein beliebtes und auch von bedeutenden Theologen wie Thomas von Aquin 25, bearbeitetes Hilfsmittel für die Predigt waren, ist die bisher behauptete Lücke in der Predigt-Sammlung von C ausgefüllt. Wir haben sogar den interessanten Fall, daß ein Prediger von der geistigen Bedeutung Eckharts für die eine Hälfte des Kirchenjahres Sermones, für die andere Collationes ausgearbeitet hat. Und da er im Prolog zum Opus tripartitum erwähnt, seine Schüler hätten ihn gedrängt, "das, was sie von ihm in Vorlesungen und andern Schulübungen", »tum in praedicationibus, tum in cottidianis collationibus« - also in Predigten und täglichen Ansprachen - gehört hatten, für sie niederzuschreiben (Prol. gener. n. 2, Bd. 1 S. 148,6-9), so haben wir anscheinend ein ausdrückliches Selbstzeugnis für das Nebeneinander von Sermones und Collationes.
Gegenüber diesem Einwand müssen wir nun ausdrücklich die Unechtheit der Collationes nachweisen. Der Hauptgrund ergibt sich m. E. aus dem oben (S. XVI) zitierten Anfang der Collationes. Wir sahen, daß hier mit der ersten Collatio zu Hora est iam nos de somno surgere ein zweifellos echter Sermo Eckharts zu Induimini dominum Iesum Christum verbunden ist. Man braucht diesen Sermo nur mit einer der als Beispiel angeführten Collationes zu vergleichen, um sofort zu sehen, daß er in seinem ganzen Aufbau nichts mit ihnen gemeinsam hat: weder das Dreierschema noch die Reimprosa noch die jeweils beigefügte Schriftstelle 26. Nehmen wir nun an, Eckhart habe absichtlich für die eine Hälfte des Kirchenjahres Collationes ausgearbeitet, so wäre es ihm ein leichtes gewesen, auch zu Induimini ein solches Schema niederzuschreiben. Man begreift nicht recht, weshalb der Autor gleich beim ersten Adventssonntag von seiner Absicht abgeht, zumal das innerhalb der Collationes der einzige Fall ist. Der Sachverhalt wird aber sofort verständlich, wenn wir die Collationes einem andern Verfasser zuschreiben. Da er die ihm vorliegende unvollständige Sammlung der Sermones Eckharts ergänzen wollte, fügte er dessen Auslegung von Induimini dominum Iesum Christum in seine Reihe ein, um ihr den Anschein der Echtheit zu geben. Nikolaus von Kues hat sich dadurch aber nicht irre machen lassen. Er hat weder den an vielen Stellen verderbten Text korrigiert noch irgendwelche Randbemerkungen zu den Collationes gemacht. Außerdem müßten sich, wenn die Collationes von Eckhart wären, seine Rückverweise auf Predigten am Vigiltag von Weihnachten, am Dienstag nach dem dritten Fastensonntag und am dritten Sonntag nach der Oktav von Ostern (vgl. S. XXV) in den Collationes verifizieren lassen. Es gibt aber zu den ersten beiden Tagen und zu Iac. 1,17 überhaupt keine Collatio. Das Thema der Collatio zum dritten Sonntag nach der Oktav von Ostern ist Iac. 1,19. Endlich dürfte sich aus zwei Texten ergeben, daß der Kompilator der Collationes mit Eckharts Material arbeitet. Am Sonntag Sexagesima spricht er in der Auslegung des Evangeliums Exiit qui seminat seminare semen suum (Luc. 8,4-15) von dreierlei Boden, der den Samen nicht aufgehen läßt:
De tribus terris, quae perdunt semen: aquosa ..., viscosa, per quam avaritia <significatur>; unde amor terrenorum est viscus caelestium pennarum ..., montuosa et petrosa etc (C 168vb)
Der Satz »amor terrenorum« etc, ist eine freie Wiedergabe des dreimal von Eckhart zitierten und von ihm dem Origenes zugeschriebenen Augustinuswortes: »Quod amas in terra, viscus est pennarum spiritualium, quibus volatur ad deum« (vgl. S. 331,6; 441,9; 413,8 ebenso, aber »super terram«). Wenn Eckhart diesen Satz dreimal fast wörtlich zitiert, weshalb nicht auch zum vierten Mal? Einem Benutzer seines Materials steht es natürlich frei, ein solches Zitat so umzuformen, wie es ihm paßt.
Dieselbe Beobachtung kann man bei einem andern Zitat machen. In der Auslegung der Epistel vom Oktavtag von Ostern Haec est victoria, quae vincit mundum, fides nostra (1 Ioh. 5,4-10) lesen wir:
Mundus tria mala facit: coinquinat, Augustinus: »o munde immunde, si sic fugiens me tenes, quid faceres, si maneres?« Fetidat .., damnat etc.
Augustinus sagt (Sermo 105 e. 6 n. 8, PL 38,622):
»0 munde immunde, quid perstrepis? Quid avertere nos conaris? Tenere vis periens. Quid faceres, si maneres? Quem non deciperes dulcis, si sic amarus dulcia mentiris?«
Eckhart zitiert diese Worte vollständig in XLVII,3 n. 493 S. 409,1-3; In Ioh. n. 670 wörtlich bis »si maneres«. In XXXVIII n. 385 S. 331,12 lesen wir die Anrede an die Welt und den letzten Satz; In Ioh. n. 308 S. 257,4 die beiden ersten Sätze und die Worte »amarus dulcia mentiris«. Mit andern Worten: wo Eckhart diesen Text ganz oder teilweise zitiert, führt er ihn wörtlich an. Er hat ihn, wie viele andere Aussprüche, so im Gedächtnis, daß er ihn immer wieder genau wiederholen kann. Warum sollte er das in der Collatio nicht tun? Die Ungenauigkeit des Zitates spricht gegen ihn als Verfasser der Collationes.
Ich verzichte darauf, sogenannte innere Gründe für die Unechtheit der Collationes anzuführen, d. h. Schriftauslegungen in den Collationes mit Auslegungen derselben Texte in Eckharts Kommentaren zu vergleichen. Man könnte immerhin einwenden, die Collationes ständen unter besondern homiletischen Regeln. Es ist aber doch auffällig, daß etwa die Auslegung des Prologs zum Johannes-Evangelium (Weihnachtsfest, dritte Messe) oder die von Ioh. 16,16-22 (Ev. vom zweiten Sonntag nach der Oktav von Ostern) nur soweit an Eckhart erinnern, als er selbst traditionelle Gedanken verwertet.
Wie steht es nun aber mit Eckharts eigener Angabe, seine Schüler hätten ihn gebeten, das niederzuschreiben, was sie von ihm »tum in praedicationibus, tum in cottidianis collationibus« gehört hatten? Diese Collationes waren m. E. religiöse Ansprachen an die Mitbrüder im Kloster, und die Reden der Unterscheidung geben solche Ansprachen wieder. Wenn Eckhart nun dem Wunsch seiner Schüler willfahrte, so kann man daraus noch immer nicht den Schluß ziehen, er habe in das w i s s e n s c h a f t l i c h e Opus tripartitum eine Sammlung von Collationes aufnehmen wollen. Denn an der entscheidenden Stelle spricht er nur von Sermones und von ausführlichen Auslegungen einzelner Schrifttexte, die er ihnen geben wolle. Die Collationes deuten aber nur an und dienen ganz der Praxis des religiösen Lebens. Die Auslegung als solche bleibt ganz an der Oberfläche. Eckhart ging es aber doch gerade darum, die Tiefe der hl. Schrift auszuschöpfen.
Wir betrachten also die Collationes als unecht und haben sie daher von der Edition ausgeschlossen. Sie stehen aber Forschern, die sich mit der mittelalterlichen Collatio beschäftigen 27, im Kölner Thomas-Institut sowohl in Photokopien wie in Maschinenschrift zur Verfügung. [XXVI-XXVIII]
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25 Vgl. oben S. XIV Anm. 2.
26 Diese drei Kunstgriffe kommen natürlich bei Eckhart oft genug vor, aber nicht, wie das in der Collatio üblich ist.
27 M.-Th. Charland sagt in Artes praedicandi, S. 224 Anm. 1: 'La Collatio n'a pas encore été l'objet d'une étude exhaustive'. Ich könnte mir denken, daß jemand durch diese Bemerkung angeregt wird, sich dieser Aufgabe zu widmen.
28 Vgl. Deutsche Werke Bd. 1, Pr. 17-21 S. 279 ff.
29 De modo componendi sermones, Prologus (ed. Th.-M. Charland, S. 328): »Opusculum igitur quoddam, pensata condicione materiae satis breve, continens artem quamdam et quasi theoricam de modo et forma praedicandi iuxta consuetudinem modernorum, et hoc clero praecipue, qui, ad mensam residens Scripturarum (st. Scripturam; S. 110 Anm. 2 richtig zitiert) continue, spiritualis alimenti subtiliorem et spiendidiorem quam populus expetit apparatum, ... composui« etc. Ähnlich in e. 7 S. 574.
Der Entwurfcharakter der Sermones
Beginnen wir mit dem letzten. Der außerordentliche Reiz der Sammlung liegt gerade darin, daß hier nichts fertig ist. Wir stehen in E c k h a r t s W e r k s t a t t und können alle Stadien seiner Arbeit von einer kurzen Skizze 30 oder aneinandergereihten Notizen 31 bis zur formgerechten Predigt verfolgen. Obgleich in der Predigttheorie seiner Zeit wohl unterrichtet, liegt ihm alle Schablone fern, immer wieder weiß er neue Wege zu gehen, um ein Schriftwort lebendig zu machen. Kunstvoll aufgebaute Sermones stehen neben solchen, in denen ein Text Wort für Wort ausgelegt wird. Im strengen Sinn exegetische Ausführungen wechseln mit theologischen und philosophischen Gedankengängen ab. Hier weiß der Meister einem einzelnen Wort einen tiefen Sinn zu entlocken, dort verknüpft er in der geistvollsten Weise mehrere Schriftworte so miteinander, daß sie sich gegenseitig erhellen. Die Entwürfe haben keine endgültige Redaktion erfahren und sind nicht aufeinander abgestimmt. Es ist nicht schwer, Widersprüche festzustellen. Man hat den Eindruck, daß die Sermones zu verschiedenen Zeiten entstanden sind und den Wandel, den Eckharts Denken durchmachte, widerspiegeln. So erinnert etwa, um nur e i n Beispiel zu nennen, Sermo XXIX (S. 263-270) sehr stark an die erste Pariser Quaestio von 1302/03 (vgl. Bd. 5 S. 37 ff.). Vielleicht gelingt es später, durch genauere Analyse und Vergleich mit den Kommentaren verschiedene "Schichten" zu unterscheiden und sie in einer relativen Chronologie zu ordnen.
Aus dem Entwurfcharakter der Sermones erklären sich nun auch die M ä n g e l i n d e r A n l a g e, auf die der kritische Leser bald stößt. In einzelnen Sermones häufen sich die primo, secundo, tertio usw. so, daß man die beabsichtigte Disposition nicht findet (vgl. etwa VI,1; XXIV,2). In andern wird die Disposition vorausgestellt, aber nur ein oder zwei Punkte ausgeführt. So wird etwa in der Skizze XIV,1 (n. 151 S. 142 f.) angekündigt, daß uns dreierlei not tut: Aufstieg, Einheit und Schiff. Die folgenden Sätze handeln nur vom Aufstieg. In XLIII,1 bietet Eckhart zu dem Thema Videte quomodo caute ambuletis (Eph. 5,15) eine formelle Einleitung. An ihrem Schluß sagt er: »ubi primo hortatur ad caute ambulandum: videte etc.« (S. 358,12). Es folgt aber kein »secundo«. Dann kündigt Eckhart an, er wolle von vier Gründen sprechen, die uns zum vorsichtigen Wandel veranlassen sollen. Der erste ist die Beschwerlichkeit und Enge des Weges, der zum Leben führt (vgl. Matth. 7,14). Er bleibt dann bei der Erörterung der Frage stehen, wie dieses Wort mit dem andern Herrenwort: "Mein Joch ist sanft und meine Bürde leicht" (Matth. 11,30) zu vereinen sei. Von den übrigen Gründen ist nicht mehr die Rede. Hier dominiert also das exegetische Interesse über das homiletische Anliegen.
Es ließen sich noch mehrere Beispiele solcher Art anführen, wo es an einer rechten Disposition fehlt oder eine angekündigte Disposition nicht durchgeführt wird. Man möge aber nicht voreilig über solche Mängel klagen. Denn nicht immer erschließt sich der Aufbau eines Sermo bei der ersten Lektüre. Ein gutes Beispiel dafür ist XXV,1, S. 20 ff. [XXIX-XXX]
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30 Vgl. Serm. I, III, XXVI und XXXIX.
31 Vgl. Serm. IV,1 und 2; V,1; VI,2-4; IX; XV,1 und 2; XVII,1-6; XVIII; XXXIV,3; XL,2 n. 395-403.
Die akademischen Predigten
Nun zu dem zweiten Punkt, der a k a d e m i s c h e n P r e d i g t. Die Franzosen sprechen von sermon universitaire, weil diese Predigtform an den Universitäten entstanden ist 32. Da die Predigt neben der Vorlesung und der Leitung der Disputationen zu den Pflichten der magistri in theologia gehörte 33, ist es klar, daß diese bei dem Übergang zu anderer Tätigkeit die gewohnte akademische Form für die Predigt vor dem Klerus beibehielten. Von Eckhart sind drei solcher Predigten, die er wirklich gehalten hat, auf uns gekommen. Die erste ist die Festpredigt, die er in Paris (also entweder 1302 oder 1311/13) zu Ehren des hl. Augustinus (28. August) gehalten hat (Bd. 5 S. 89-99). Sie liegt in der Nachschrift eines Zuhörers vor. Die beiden andern sind Predigten, die er auf zwei Provinzialkapiteln seines Ordens Anfang September in zwei nicht näher bestimmbaren Jahren gehalten hat. Er hat sie nebst den Vorlesungen, die er bei derselben Gelegenheit hielt, in das Opus expositionum aufgenommen (vgl. Bd. 2, In Eccli. n. 1-16; 31-40). Nach demselben Muster ist eine Predigt über das Thema Sequere me (Ioh. 1,43) gearbeitet, die er in die Johannes-Auslegung aufgenommen hat; sie gehört aber nach seiner ausdrücklichen Angabe in das Opus sermonum (Bd. 3 S. 189-207). Da diese drei von Eckhart selbst aufgezeichneten Predigten wirklich zum Abschluß gebracht sind, geben sie einen Maßstab für die akademischen Predigten unter den Entwürfen ab. Wer sie außerdem an der Theorie messen will, möge zu dem von Th.-M. Charland 34 herausgegebenen Traktat des Dominikaners Thomas Waleys De modo componendi sermones cum documentis (geschrieben zwischen 1336 und 1350) greifen. Er hat dann Gelegenheit, durch Vergleich der von ihm gebotenen hausbackenen und öden Beispiele mit Eckharts Entwürfen festzustellen, was ein geistvoller Prediger aus den Vorschriften der Theorie zu machen wußte. [XXXI]
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32 Vgl. M. M. Davy Les sermons universitaires parisiens de 1250-1331, Paris 1931; Th.-M. Charland a. a. O. S. 110. Robertus de Basevorn unterscheidet in Forma praedicandi (hrsg. von Charland a. a. O. S. 253-323) die französische und die englische Predigtweise und begründet die Unterscheidung damit, daß sie von den beiden besonders angesehenen Universitäten (Paris und Oxford) ausgebildet worden seien (e. 7 S. 244). Vgl. auch J. Koch Untersuchungen über Datierung, Form, Sprache und Quellen der Predigten des Nikolaus von Cues (Cusanus-Texte I,7), in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akad. d. Wiss., Philos.-hist. Kl. 1941/42, 1. Abh., S. 15 ff.
33 Vgl. B. Geyer in der Einleitung zu Eckharts Pariser Augustinuspredigt (Bd. 5 S. 87) und das von ihm zitierte Werk von A. G. Little and F. Pelster Oxford Theology and Theologians c. a. D. 1282-1302, Oxford 1934, S. 167 ff.
34 A. a. O. S. 527-403. Die Ausgabe wäre sehr viel brauchbarer, wenn Charland die vielen von Waleys gegebenen Beispiele von der eigentlichen Theorie durch besondern Druck abgehoben hätte. In der Untersuchung selbst macht er den Fehler insofern wieder gut, als er hier viele Beispiele nochmals ausführlich wiedergibt, ohne freilich anzugeben, wo sie im edierten Text stehen. So muß man in dem Buch immer hin- und herschlagen. Im übrigen ist das Buch Charlands durch die Fülle des gebotenen Materials und die Sorgfalt der Untersuchung ein vorzügliches Hilfsmittel für das Studium der mittelalterlichen Predigt.
Der color rhythmicus
Man erkennt die akademische Predigt an dem color rhythmicus 35, der ihr nicht fehlen darf. Er besteht vor allem darin, daß die Gliederungen in Reimprosa gebracht werden, d. h. daß wenigstens die letzten Worte gleichklingende Endungen haben; besser noch, wenn das auch für die vorhergehenden zutrifft 36. Sermo XXVIII, der zwei Entwürfe für die Gesamteinleitung enthält, bietet eine ganze Reihe von Beispielen. Hier seien nur zwei angeführt, das erste aus dem ersten, das zweite aus dem zweiten Entwurf (vgl. n. 279 S. 253 und n. 283 S. 255):
(turba) in deo magnificat |
potentiam creationis: fecit
sapientiam distinctionis: omnia bonitatem ordinationis: bene. |
Agunt gratias deo de |
potentia in rerum productione: fecit (Ps. 99,5)
sapientia in rerum productarum distinctione: omnia (Ps. 103,24) bonitate in rerum distinetarum ad invicem ordinatione: bene (Gen. 1,31). |
35 Vgl. Th.-M. Charland a. a. O. S. 152 ff. Alanus de Insulis erklärt zu Beginn seiner Summa de arte praedicatoria (c. 1, PL 210, 112), die Predigt dürfe nicht haben »rhythmorum melodias et consonantias metrorum«, da sie mehr die Ohren kitzelten, statt den Geist zu belehren. Charland zitiert diesen Protest gegen den color rhetoricus (a. a. O. S. 154), er vergißt aber hinzuzufügen, daß Alanus selbst sich auch schon seiner bedient (vgl. die Beispiele in c. 2 und 3 [114 f.]). Es kam ihm also wohl nur darauf an, vor Übertreibungen zu warnen. Aus beiden von Charland edierten Traktaten ergibt sich aber, daß die Anwendung des color rhetoricus in der Predigt immer eine umstrittene Sache blieb. Vgl. R. de Basevorn c. 13 S. 248; Th. Waleys c. 7 S. 373.
36 Vgl. Th. Waleys De modo componendi sermones c. 7 S. 372: »Quantum ad sonum vocis moderno tempore observatur quidam color rhythmicus in fine membrorum divisionis, ut scilicet dictiones finales illorum in sono consimili terminentur. Et quidam non sunt contenti quod talis color appareat tantum in ultimis dictionibus, sed etiam in paenultimis et adhuc etiam in aliis« etc. Die erste Hälfte des Kapitels (bis S. 376) handelt von dem color rhythmicus. Sehr amüsant ist, was Waleys über die Anlage eines Lexikons von Wörtern mit gleichlautenden Endungen erzählt, das ihm beim Entwurf von Sermones große Dienste getan habe.
37 Vgl. Th. Waleys c. 7 S. 373: »Absit autem a praedicatore ut, praedicaturus populo in vulgari, tales rhythmos eis faciat«.
Thema und Prothema
Was nun alles zu dieser Kunstform gehört, brauchen wir nicht zu erörtern, da der Leser es selbst an den Entwürfen ablesen kann. Es sei nur auf einige wichtige Punkte hingewiesen. Das der Hl. Schrift zu entnehmende Thema muß so gewählt sein, daß sich die ganze Predigt auf ihm aufbauen läßt 38. Da aus ihm vor allein die Haupteinteilung, die gewöhnlich eine Dreiteilung ist, abgeleitet werden muß, darf es eine gewisse Zahl von Worten nicht überschreiten. Nach der Verkündigung des Themas soll der Prediger zum Gebet für sich selbst und die Zuhörer auffordern. Ist genug Zeit, so führt er durch das Prothema zu dem Gebet hin 39. Dann wird das Thema wiederholt und in einer besondern Einleitung (introitus) zur Haupteinteilung übergeleitet. Die einzelnen Teile des Themas werden im Hauptteil mit Hilfe von auctoritates (Schrift, Väter, Philosophen), argumenta und exempla ausgeführt, wobei sich weitere Einteilungen ergeben.
Den Ausdruck »prothema« verwendet Eckhart nur einmal (XXVIII,2 n. 280 S. 254,5). Die Sache finden wir in einer Reihe von Sermones; z. B. XLV (S. 374 ff.) Thema: Accipite armaturam dei (Eph. 6,13), Prothema: Accipite disciplinam (Prov. 8,10); XLVI (S. 388 ff.) Thema: Domine, descende, prius quam moriatur filius meus (Ioh. 4,49), Prothema: Assumite gladium spiritus, quod est verbum dei (Eph. 6,17). Hier besteht zwischen Thema und Prothema kein inhaltlicher, sondern ein liturgischer Zusammenhang, da jenes dem Evangelium, dieses der Epistel des Tages entnommen ist. [XXXIII]
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38 Diese Regel befolgt Eckhart auch in seinen deutschen Predigten. Statt vieler Beispiele sei nur auf die Predigt Von dem edeln Menschen hingewiesen (Deutsche Werke Bd. 5 S. 109 ff.). Man wundert sich, daß Eckhart zum Schluß der Predigt auf die theologische Streitfrage eingeht, ob das Wesen der Seligkeit in der Schau Gottes oder in dem Wissen um diese Schau besteht (S. 116,20 ff.). Aber diese Ausführungen sind in Eckharts Sinn notwendig, um das Thema auszuschöpfen. Wenn es von dem edeln Menschen im Thema heißt, daß er zurückkehrte (wieder kam), so ist das für Eckhart ein Hinweis auf die im Wissen um die Gottesschau stattfindende innere Rückkehr des Seligen auf sich selbst. Vgl. die Anm. 60 S. 136.
39 Vgl. Th. Waleys, c. 3 S. 349 ff. Nachdem er zuerst über das kürzere Verfahren gesprochen hat, sagt er: »Quandoque vero praedicator ad huiusmodi exhortationem faciendam utitur themate alio, super quo fundat processum brevem vel longum, antequam perveniat ad exhortationem praedictam. Et vocatur thema illud cum suo processu antethema vel prothema«.
Auctoritates, argumenta, exempla
Um den Hauptteil der Predigt würdig mit dem dreifachen Rüstzeug der auctoritates, argumenta und exempla auszustatten, gab es natürlich Hilfsmittel. Für die auctoritates Konkordanzen der Bibel, Florilegien aus den Schriften der Väter und Philosophen 40, für die exempla Fabelsammlungen 41 und Beispielsammlungen für die Predigt 42. Solche Bücher hat Eckhart natürlich auch zur Hand gehabt, und manche Väterzitate, die er ohne Fundort angibt, wird er aus Florilegien geschöpft haben. Kein Wunder, daß wir so oft »non invenimus« schreiben mußten. Für seine Arbeit an den Predigten scheint er sich auch ein Lexikon philosophischer Begriffe mit den nötigen Erläuterungen zusammengestellt zu haben. Anders kann man kaum die folgenden Hinweise verstehen: »Quaere super 'actio'« (S. 29,9); »vide super 'superius'« (141,10); »vide super 'conexio virtutum'« (243,8); »vide super 'facies'« (367,9). Das bekannteste Lexikon dieser Art sind die Distinctiones dictionum theologicarum des Alanus de Insulis (PL 210, 685-1012). Aber wahrscheinlich galt es zu Eckharts Zeiten schon als veraltet, da es vor der Aristoteles-Rezeption liegt, die das wissenschaftliche Arbeiten der Folgezeit auch methodisch so tief beeinflußte. So wenig wir uns nun aus den vier Hinweisen ein Bild von Eckharts Lexikon machen können, sind sie für uns doch von Bedeutung. Erstens bestätigen sie, daß wir in der Sammlung von C noch nicht das Opus sermonum vor uns haben; denn hier hätte er diese nur für seinen eigenen Gebrauch bestimmten Hinweise fortgelassen [3]. Zweitens ergibt sich aus ihnen, daß jedenfalls die Sermones, in denen sich die Hinweise finden, vor der Entstehung des Opus propositionum liegen. Denn sonst hätte Eckhart nicht geschrieben »vide super 'superius'«, sondern 'ut notavi in tractatu De natura superioris« (vgl. In Ioh. n. 279 S. 234,2). [XXXIII-XXXIV]
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40 Vgl. Th. Waleys, c. 9 S. 390 f.: »Et iste modus praedicandi, scilicet per colligationes auctoritatum, est multum facilis, quia facile est auctoritates habere, ex eo quod factae sunt Concordantiae super Bibliam et super originalia sanctorum, secundum ordinem alphabeti, ut auctoritates possint faciliter inveniri. Et similiter compilata sunt quaedam opuscula, sicut opusculum quod vocatur Manipulus florum, et quaedam alia maiora« etc. Den oft gedruckten Manipulus florum des Thomas Hibernicus O. P. haben wir auch für den Zitatennachweis in den Sermones benutzt. Er brachte aber keine fühlbare Hilfe, weil er viele von Eckhart zitierte Texte nicht enthält und oft genug nur den Namen des Autors einer Sentenz bietet, und der steht ja schon bei Eckhart selbst.
41 Vgl. die Nachweise S. 107 Anm. 8 (Solinus Collectanea rerum memorabilium) und S. 223 Anm. 1 (Phaedrus Fabulae Aesopiae).
42 Eckhart benutzte gern die Lebensbilder der Väter in der Wüste (Vitae Patrum, PL 73). Die bekannteste Beispielsammlung für Predigten aus dem 13. Jahrhundert ist die des Stephanus de Borbone Tractatus de diversis materiis praedicabilibus, veröffentlicht von Lecoy de la Marche Anecdotes historiques .. tirés du recueil inédit d'Étienne de Bourbon, Paris 1877. Von Eckhart zwar nicht in den Sermones, wohl aber in der Johannes-Auslegung (n. 116 S. 101) benutzt.
Methoden der Schriftauslegung
Nun zu dem dritten Punkt, der S c h r i f t a u s l e g u n g in den Sermones. Hier knüpft Edchart an die Vorschrift der Predigttheorie an, daß das Thema durch andere Schriftworte, die man in einen innern Zusammenhang mit ihm bringen kann, entwickelt werden soll. Über die vielen hier gegebenen Möglichkeiten handelt Thomas Waleys ausführlich 43. Eckhart benutzt diese Vorschrift, um seine Idee der Schriftauslegung zu verwirklichen. Durchdrungen davon, daß die ganze Schrift eine innere Einheit bildet, will er in den Kommentaren und Predigten einen Text so auslegen, daß er zugleich "sehr viele andere kurz und gelegentlich (incidenter) mitauslegt, die an ihrem Ort planmäßig und ausführlicher dargelegt werden sollen" (Prol. gener. n. 14, Bd. 1 S. 159,10 f.). Dasselbe sagt er in der einzigen, von ihm selbst niedergeschriebenen deutschen Predigt Von dem edeln Menschen. Nachdem er das Thema: ein edel mensche vuor ûz in ein verrez lant enpfâhen im ein rîche und kam wider (Luc. 19,12) vorgelegt und die Haupteinteilung angegeben, fügt er hinzu: »Ouch ist in disen worten gerüeret ein grôz teil der heiligen geschrift« (Deutsche Werke Bd. 5 S. 109,1-6). Wie er hier eine ganze Reihe von Schriftworten mit dem Thema in Verbindung bringt, so geschieht das auch oft in den Sermones. In dem am Schluß des Bandes (S. 472 f.) beigefügten Verzeichnis der in den Sermones ausgelegten Schrifttexte sind die "mitausgelegten" berücksichtigt und dadurch kenntlich gemacht, daß bei ihnen außer der Nr. des Sermo auch die Randnummern der betreffenden Abschnitte angegeben sind.
Hier seien nur zwei Beispiele angeführt, um zu zeigen, wie geistreich Eckhart seine Methode durchzuführen weiß. XLVII,1 (S. 397-404) hat zum Thema: Confidimus in domino Iesu, quia qui coepit in vobis opus bonum, perficiet usque in diem Christi Iesu (Phil. 1,6). Nachdem er das Thema in seinen einzelnen Teilen erläutert und dargelegt hat, daß alles auf die Vollendung des von Gott in uns begonnenen guten Werkes ankomme, sagt er, derselbe Gedanke werde in Ps. 89,17 ausgedrückt. Aus ihm lasse sich aber auch ablesen, was zu der für die Vollendung des guten Werkes erforderlichen geraden Absicht des Herzens nötig sei. So besteht die Predigt im wesentlichen aus einer Auslegung dieses Psalmwortes nach folgender Dreiteilung:
Ad rectam intentionem tria concurrunt |
mentis spiendore divini luminis illustratio
('sit splendor domini dei nostri super nos') animae per sancta desideria ad superna suspensio ('et opera manuum nostrarum dirige super nos') omnium virium animae et desideriorum ad divina adunatio ('et opus manuum nostrarum dirige') |
1) Homo. Das Wort gibt Anlaß zu der oft von Eckhart betonten Unterscheidung von innerm und äußerm Menschen. Mit dem Gedanken, daß die Wahrheit Gottes Weg zum Menschen, die Liebe des Menschen Weg zu Gott ist, beginnt die Entfaltung dieses Punktes. Sie besteht in der Auslegung von Luc. 3,4-6: 'Parate viam domini' etc. Armut des Geistes, Reinheit des Herzens und Ausgeglichenheit des Gemütes (Demut) entsprechen den Forderungen des Rufers in der Wüste (n. 206 S. 190 f.). Daß die Demut am wichtigsten ist, wird ex contrario bewiesen (n. 207 S. 192). Ist nun der Weg auf diese dreifache Weise bereitet, dann erfüllt sich auch die Verheißung, daß alles Fleisch das Heil Gottes sehen wird (Luc. 3,6). Durch die in Parenthese erfolgende Auslegung: caro = homo interior = filius, die ja im vorherigen begründet ist, ist der Ubergang zum zweiten Punkt gegeben.
2) Homo quidam. Homo wird nur mehr vom innern Mensthen verstanden; quidam erhält seine Auslegung durch Col. 3,10 f., wo Paulus betont, daß es im neuen Menschen keinen Unterschied mehr zwischen Heide und Jude usw. gibt. Nun folgt wieder eine kunstvolle Überleitung zum nächsten Punkt. Die Darlegung des ersten Punktes schloß mit dem Gedanken, daß nur der das Heil Gottes kennt, der es selbst empfängt (Apoc. 2,17). Jetzt heißt es: Paulus hat es empfangen und sagt nun aus seiner Erfahrung heraus, worin es besteht, nämlich darin, daß Christus im innern Menschen wohnt (Eph. 3,16 f.). Das allein macht den Menschen reich (n. 208 S. 194 f.). Nun folgt
3) Erat dives (n. 209 ff. S. 194 ff.). Je mehr jemand an irdischen Dingen besitzt, um so ärmer ist er. Der Reichtum besteht im Besitz von einem, nämlich Christus, weil wir in ihm alles haben. Steht dem aber nicht entgegen, daß Paulus mit dem Propheten Isaias sagt: 'kein Auge hat es gesehen usw., was du, Gott, denen bereitet hast, die dich lieben'? Nachdem der Prediger zuerst erklärt hat, wie die Worte 'in cor hominis non ascendit' zu verstehen sind, läßt er als homo dives nochmals Paulus zu Wort kommen, "der auf Grund seiner Erfahrung getreulich von dem himmlischen Reichtum erzählt". Der ganze Schlußteil der Predigt wird so zu einer Auslegung von 2 Cor. 12,2, welcher Text durch die Worte 'hominem in Christo' mit den früheren Ausführungen verbunden ist und durch die letzte Auslegung von 'raptum' die Anschauung Gottes als letztes Ziel des innern Menschen erweist (n. 213-216 S. 197-203).
Der Aufbau dieser Predigt ist so ausführlich dargelegt worden, um an einem Beispiel zu zeigen, wie Eckhart mit der scheinbar so mechanischen Wortauslegung eine unerhörte Steigerung des Gedankenganges herbeizuführen weiß. Es dürfte eine gute Anweisung für die Lektüre der Sermones sein, daß man sich zuerst die Struktur eines Entwurfes klarmacht, ehe man auf die Suche nach geistreichen Gedanken geht, an denen es natürlich nicht mangelt. [XXXIV-XXXVII]
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43 In c. 8 und 9 S. 379 ff. Vgl. dazu Charlands Untersuchung S. 190 ff., 196 ff.
44 Vgl. z. B. Serm. VII, VIII, XIII, XXXII, XXXV, LIV, LV,1-4.
45 Vgl. Th.-M. Charland, S. 122: »Les mots du thème fourniront les membres de la division du Sermon«.
46 Vgl. aber Sermo XXXI, bei dem wir eine formelle Einleitung finden (n. 322 S. 282 f.).
Sermo und Quaestio
Die Predigttheorie sah auch die Möglichkeit vor, daß die ganze Predigt von einem oder zwei Worten des Themas handele 47. Beispiele dafür bieten LIII und LI. Jener Entwurf hat Reliquimus omnia et secuti sumus te. Quid ergo erit nobis? (Matth. 19,27) zum Thema. Eckhart behandelt nur die beiden ersten Worte. Das Thema von LI ist Ecce dies veniunt, dicit dominus (Ier. 23,5). Zu ergänzen ist: et suscitabo David germen iustum. Den Kern der Predigt bildet die Deutung des Wortes ecce. Dieses unveränderliche Wörtchen, dessen ganzer Sinn in dem Hinweis auf ein anderes Wort besteht, wird Eckhart zum Symbol des totalen Bezuges auf Gott, der zuerst metaphysisch verstanden, dann religiös gedeutet wird. Man kann solche Ausführungen nicht als Spielereien mit einem grammatischen Sinn um des religiösen Effektes willen abtun; die Sache liegt für Eckhart gerade umgekehrt: der totale Bezug auf Gott, der das Wesen des Religiösen ausmacht, spiegelt sich selbst in der Sprache wider. Und so kann er in der deutschen Predigt Quasi stella matutina etc. (Eccli. 50,6 f.) sagen: »Ich meine daz wörtelîn 'quasi', daz heizet 'als', daz heizent diu kint in der schuole ein bîwort. Diz ist, daz ich in allen mînen predigen meine« (Bd. 1, Pr. 9 S. 154,7-9). Wir stehen also auch mit der Deutung von ecce an einem Kernpunkt der religiösen Gedankenwelt Eckharts.
Andere Entwürfe haben t h e o l o g i s c h e n C h a r a k t e r. XXVIII,2 umfaßt zwei Teile; der erste behandelt »disputabilia«, d. h. Fragen, die eigentlich Gegenstand einer theologischen Disputation sein sollten (n. 284-290 S. 256-260), der zweite »praedicabilia«, d. h. Dinge, die ihrer Natur nach Inhalt einer Predigt sein können (n. 291-294 S. 260-262). Die beiden Entwürfe XLIX,2 und 3 über Imago sind rein theologischer Natur. Am interessantesten ist in dieser Hinsicht XXIII über das Thema Nemo potest dicere: dominus Iesus, nisi in spiritu sancto (1 Cor. 12,3). In der Einleitung wird das hier vorliegende Problem aufgewiesen (n. 217 S. 204 f.). Dann folgen zwei einander entgegengesetzte Autoritäten (n. 218 S. 205). Mit »Sed sciendum« setzt die Responsio ein, die genau disponiert ist (n. 219-224 S. 205-210). Die Erörterung schließt sehr bezeichnend mit der Formel: »Sic ergo patet quomodo nemo« etc. (n. 225 S. 210). Man hat den Eindruck, daß Eckhart hier eine Quaestio, die er einmal bei Auslegung des ersten Korintherbriefes erörtert hat, in seine Predigtsammlung aufnahm.
Soviel über die Arten und den Aufbau der Predigten. Die Erschließung des überaus reichen Inhalts gehört nicht mehr in eine Einführung. Was wir in dieser Hinsicht tun konnten, steckt in dem dritten Apparat zum Text und in gelegentlichen Anmerkungen zur Ubersetzung. [XXXVII]
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47 Vgl. Th. Waleys, c. 2 S. 343: 'Quamvis autem quandoque unum verbum sententiam completam contineat, sicut hoc verbum State vel Surgite, tamen non videtur mihi multum conveniens quod unicum tantum verbum pro themate accipiatur, licet praedicatori scienti se dilatare sufficeret pro materia unius prolixi sermonis'.
Zu Text und kritischem Apparat
A. T e x t u n d k r i t i s c h e r A p p a r a t. Wie schon oben betont wurde, liegt die Hauptschwierigkeit bei der Edition der Sermones darin, daß wir nur die eine fehlerhafte Hs. C haben. Infolgedessen waren Konjekturen unvermeidlich. Nikolaus von Kues konjizierte ausschließlich nach dem Sinnzusammenhang. Hier liegt immer die Gefahr, daß man mit einem vorgefaßten Sinn an den Text herangeht. Infolgedessen suchten wir möglichst nach objektiven Kriterien. Unser wichtigstes Hilfsmittel war dabei ein von Fräulein H. Bauch in Breslau hergestelltes Wort-Verzeichnis zu sämtlichen lateinischen Schriften Eckharts, das auf die zu Beginn der Editionsarbeit nach bestimmten Regeln angefertigten Maschinen-Kopien bezogen ist. Es erlaubt uns, Eckharts Wortgebrauch festzustellen und Parallelen zu den verderbten Texten aufzusuchen. Die Benutzung dieses unentbehrlichen Hilfsmittels hat uns nicht nur vor mancher voreiligen Konjektur bewahrt, sondern auch sehr große positive Dienste getan. Soweit die Texte schon in unserer Ausgabe gedruckt sind, konnten wir uns im kritischen Apparat für eine Konjektur mit Seite und Zeile auf eine Parallele beziehen; soweit sie noch nicht gedruckt sind, halfen wir uns so, daß wir im kritischen Apparat auf eine Anmerkung im dritten Apparat hinwiesen, wo wir die betreffende Parallele wiedergaben. Betrifft die Textverderbnis ein Bibel- oder Autorenzitat, so benutzten wir zwei andere Hilfsmittel, die wir frühzeitig hergestellt hatten, nämlich die Kartotheken der Bibel- und der Autorenzitate, um festzustellen, wie Eckhart anderwärts einen Text zitiert 48. Es blieben aber noch genug Stellen übrig, wo wir mit diesen Hilfsmitteln nicht zurechtkamen. Hier erhoben sich immer zwei Fragen: 1) Woraus kann die Textverderbnis entstanden sein? 2) Was wollte Eckhart hier nach dem Zusammenhang sagen? Der paläographische Gesichtspunkt ist der wichtigere. Er hilft aber auch da nicht, wo der Schreiber von einer Zeile in die nächste abgeglitten ist. Daß ihm das oft genug passiert ist, zeigt das Textstück (S. 227,11-239,9 und S. 245), für das wir zwei Kopien in C haben. All das hat uns bewogen, bei schwierigen Konjekturen im kritischen Apparat den Namen des Mitarbeiters anzugeben, dem wir die Konjektur verdanken. Der Leser möge das nicht als Editoren-Eitelkeit werten, sondern als Zeichen der Verantwortung, die einer von uns in einem solchen Fall übernimmt.
Was auf dem Wege der Konjektur ergänzt worden ist, haben wir in der üblichen Weise durch < > kenntlich gemacht. Bei Wortänderungen haben wir auf besondern Druck verzichtet. Hier gibt der kritische Apparat Auskunft. Er wird ja in diesem Band schon mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen, weil die Marginalien des Cusanus hier verzeichnet sind.
Wir sind keineswegs davon überzeugt, den Text überall in Ordnung gebracht zu haben. In den "Nachträgen und Berichtigungen" am Schluß des Bandes findet der Leser noch einige Vorschläge für die Verbesserung des Textes. Hoffentlich gelingt es, irgendwo noch eine Hs. der Sermones aufzufinden, die es erlaubt, die vorliegende Edition zu revidieren.
Noch ein Wort über die Anordnung der Texte. Wie schon oben gesagt, sind für den ersten Teil die Liturgie des Kirchenjahres, für den zweiten die Regeln für die Heiligenfeste und das Commune sanctorum maßgebend. Die Zählung der Sermones ist natürlich Sache der Edition. Von der alten Zählung war oben die Rede 49. Innerhalb der einzelnen Sermones haben wir Unterteilungen vorgenommen, wo unserer Meinung nach mehrere Entwürfe zu unterscheiden sind. In manchen Fällen ist diese Unterscheidung sehr leicht, in andern kann man verschiedener Meinung sein, ob wirklich ein neuer Entwurf beginnt oder nur das Thema wieder aufgenommen wird. Für das Verständnis der Texte ist das von geringer Bedeutung.
Über die Behandlung der Rubriken und der Marginalien des Cusanus ist oben genug gesagt worden.
B. A p p a r a t d e r S c h r i f t z i t a t e. Zu diesem Apparat und zugleich zur Ubersetzung der Bibeltexte ist eigentlich nur eins zu sagen. Schließt in der Hs. ein Schriftzitat mit etc., so haben wir im Apparat das Zitat ergänzt und die Ergänzung auch in Klammern ( ) übersetzt. Manchmal ist das unbedingt erforderlich, weil die Hauptsache in der durch etc. angedeuteten Fortsetzung des Textes liegt. Wo es sich aber um das Thema eines Sermo handelt, muß man beachten, daß es nach den Regeln der Predigttheorie nur eine gewisse Anzahl von Worten umfassen darf. In solchen Fällen hat etc. nicht mehr Bedeutung als ein Punkt am Schluß des Satzes. Wenn wir trotzdem häufiger auch die Themata ergänzt haben, so geschah das im Interesse des Lesers, der den ganzen Vers vor Augen haben sollte 50.
C. D e r d r i t t e A p p a r a t.
Der dritte Apparat enthält dreierlei: Quellennachweise, Parallelen aus andern Schriften Edcharts und Testimonia, d. h. Hinweise darauf, wie seine Gedanken in seiner Schule wirksam sind. Zu allen drei Teilen einige Bemerkungen.
[Es folgen auf den Seiten XL - XLIII Angaben zum dritten Apparat, die hier nicht weiter von Interesse sind]. [XXXVIII-XL]
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48 Vgl. z. B. S. 178,9, wo C zwar den Text des Zitates aus Gregor von Nazianz bietet, aber die Angaben über den Autor und das Werk ausläßt. Hier half uns, daß Eckhart dieses und das vorhergehende Seneka-Zitat in derselben Reihenfolge In Ioh. n. 298 S. 250,1 ff. zitiert.
49 Vgl. oben S. XVIII f.
50 Vgl. z. B. Sermo XII,2 mit dem Thema: Estote misericordes, sicut etc., et infra: mensuram bonam etc. (n. 125 S. 119,7). Es handelt sich um zwei Verse (Luc. 6,36. 38), die miteinander zu einem Thema verbunden werden. Wörtlich angeführt, hätte das Thema, ungerechnet die Bindeworte, 18 Worte umfaßt. Eine unmögliche Sache! Infolgedessen kürzt Eckhart bewußt. Das erste etc. bedarf auf jeden Fall der Ergänzung; statt der Ergänzung des ganzen Satzes: (sicut) et pater vester misericors est, genügt aber et pater. Denn jeder weiß, wer mit pater gemeint ist. Sofort folgt die Dreiteilung des Themas aus den wirklich zitierten Worten: »Ubi primo hortatur ad misericordiam: estote misericordes, secundo proponit exemplum sive formam: sicut et pater etc. (!), tertio promittit gloriam: mensuram bonam etc.« Die fehlenden Worte werden erst in der Entwicklung des Themas gebracht. In der Übersetzung haben wir V. 36 ganz und V. 38 wenigstens soweit ergänzt, daß ein Satz entsteht. Das ist nicht stilgerecht, entspricht aber mehr unserm Geschmack, weil wir die Zerstückelung eines Schriftwortes nicht lieben. Der Leser soll daher die Verse möglichst vollständig vor Augen haben.
Die Übersetzung
Unsere Übersetzung dürfte wohl der Teil der Edition sein, der am meisten der Kritik ausgesetzt sein wird. Zur Beruhigung aller Kritiker kann ich versichern, daß wir selbst mit ihr wenig zufrieden sind, obwohl sehr viel Sorgfalt auf sie verwendet worden ist und wir auch mit Kritik untereinander nicht gespart haben. Es dürfte die Leser kaum interessieren, von den Stadien zu hören, die mancher Teil der Übersetzung schon im Manuskript durchmachte, von den vielen Briefen, die über die Interpretation schwieriger Stellen gewechselt wurden, und über die Korrekturen, die oft genug noch notwendig waren, wenn ein Sermo im Satz stand. Jeder, der einmal Texte des Mittelalters verdeutschen mußte, weiß, wie schwierig das ist. Und nun erst Eckhart! Wenn man an eine Übersetzung die doppelte Anforderung stellt, daß sie genau und schön sei, so haben wir vor allem Wert auf Genauigkeit gelegt. Wir können aber nicht genug betonen, daß die Übersetzung als Hilfsmittel für das Verständnis des lateinischen Textes gedacht ist, und wenn Studenten vom Katheder her davor gewarnt wurden, unsere Übersetzung allein zu lesen, so ist das ganz in unserm Sinne gesprochen. [XLIII] [25.3.08]
1 subsumere ist ein technischer Ausdruck des logischen Schlußverfahrens; es bedeutet: unterordnen, einschließen, und bezeichnet den Vorgang, der der conclusio vorangehen muß.
2 das heißt ein Wort, das das Wesen bezeichnet.
[26.3.08]
XII,2. (S. 119-136, n. 125-145)
Estote, inquit, misericordes, sicut etc., et infra: mensuram bonam etc.
Er sagt: seid barmherzig wie (euer Vater im Himmel barmherzig ist), (Luk. 6,36. 38) und weiter unten: ein gutes Maß (wird man in euren Schoß geben).
4. Sonntag nach Trinitatis [26.3.08]
1 Von Einheit spricht Eckhart, weil es im Text heißt: ein Schiff. Der Begriff Schiff wird im folgenden nicht mehr ausgelegt.
XIV,2. (S. 143-144, n. 152)
Subductis ad terram navibus
Als die Schiffe an Land gezogen waren, verließen sie alles und folgten ihm nach. (Luk. 5,11)
5. Sonntag nach Trinitatis [26.3.08]
1 suaviter leitet Eckhart sonst auch von sua vi = aus eigener Macht ab, vgl. die Auslegung In Sap. n. 176.
2 Gott wirkt als Innerster aus dem Innersten auf das Innerste aller Dinge, und deshalb lieblich.
3 wie z. B. die ungezeugte Wahrheit oder Güte durch die gezeugte Wahrheit oder Güte wirkt.
4 nämlich das Wirken Gottes.
XV,2. (S. 146-154, n. 154-162)
In novitate vitae ambulemus
In Neuheit des Lebens sollen wir wandeln. (Röm. 6,4)
[Notizen; s. Anm. 31]
XVI (S. 155-157, n. 163-165)
Über das Evangelium (Matth. 5,20 - 24)
Omnis qui irascitur fratri suo
Jeder, der seinem Bruder zürnt, wird des Gerichtes schuldig sein. (Matth. 5,22)
6. Sonntag nach Trinitatis [26.3.08]
1 Eckhart versteht diese Worte so: die Toren hielten sie für tot, in Wirklichkeit aber leben sie und sind in Frieden.
XVII,4. (S. 163-166, n. 172-176)
Stipendia peccati mors
Der Sünde Sold ist der Tod. (Röm. 6,23)
[Notizen; s. Anm. 31]
XVII,5. (S. 166-167, n. 177-178)
Gratia dei vita aeterna
Die Gnade Gottes (ist) ewiges Leben. (Röm. 6,23)
[Notizen; s. Anm. 31]
XVII,6. (S. 167-168, n. 179)
Gratia dei vita aeterna
Die Gnade Gottes (ist) ewiges Leben. (Röm. 6,23)
[Notizen; s. Anm. 31]
XVIII (S. 169-172, n. 180-183)
Über das Evangelium (Mark. 8,1-9)
2Misereor super turbam
Ich erbarme mich der Menge. (Mark. 8,2)
7. Sonntag nach Trinitatis [26.3.08]
1 Hier wird sufficientia in der Bedeutung des sächlichen Eigenschaftswortes in der Mehrzahl genommen.
XXVII,2. (S. 247-250, n. 272-275)
Idoneos nos fecit ministros
Zu geeigneten Dienern hat er uns gemacht. (2. Kor. 3,6)
["Color rhythmicus"].
XXVII,3. (S. 250-251, n. 276-277)
Ministratio spiritus erit in gloria
Der Dienst des Geistes wird in Herrlichkeit sein. (2. Kor. 3,8)
XXVIII (S. 252-262, n. 278-295)
Über das Evangelium (Mark. 7,31-37)
1. (S. 252-253, n. 278-279)
Bene omnia fecit
Gut hat er alles gemacht. (Mark. 7,37)
XXVIII,2. (S. 254-262, n. 280-295)
Bene omnia fecit
Gut hat er alles gemacht. (Mark. 7,37)
12. Sonntag nach Trinitatis
["Prothema"; "theologische Predigt"]. [27.3.08]
343 Oder sage so: niemand kann zwei Herren dienen, zum Beispiel: der Gerechte, der der Gerechtigkeit dient, liebt sie mehr als sich selbst, so daß, trüge das Gerechte die Hölle oder den Teufel in sich, er es dennoch lieben und es ihm dennoch schmecken und ihn erfreuen würde. Und umgekehrt: wenn das Ungerechte das Paradies, ja Gott selbst mit sich brächte, so würde es ihm doch nicht schmecken. (...) [S. 298]
Ruh (²VL1, Sp. 1046) ist diese Stelle Beleg für Pfeiffer, Spruch 66: "Die Aussage 'lieber mit Gott in der Hölle als ohne ihn im Himmel' ist ein authentisches Eckhart-Wort." (s. 2017)
[14.10.17]
XXXIV,3. (S. 302-305, n. 348-352)
Quaerite ergo primum regnum dei
Sucht also als das Erste das Reich Gottes. (Matth. 6,33)
[Notizen; s. Anm. 31; S 117]
XXXIV,4. (S. 305-307, n. 353-355)
Quaerite ergo primum regnum dei
Sucht also zuerst das Reich Gottes. (Matth. 6,33)
[s. S 117]
353 So steht geschrieben, weil das Ziel dem, was auf das Ziel hingeordnet ist, Notwendigkeit auferlegt. Denn aller Akte und jedes beliebigen Richtschnur ist das Ziel. Daher haben die es leicht, recht zu handeln, die sich ein gutes Ziel setzen. Hat man sich aber ein schlechtes Ziel gesetzt, verwirrt sich notwendig alles. Ein Beispiel davon sehen wir an der Schwalbe. Da sie ein beschränktes, schwankendes, unbestimmtes oder wirres Vorstellungsvermögen hat, ist ihr ganzer Flug wirr und unbestimmt, wenngleich dies die Weisheit der Natur bei ihr zum Guten gelenkt hat. Deshalb wird (in einem Kanon) Über den Lebenswandel der Kleriker ein gesetzter Gang zur Pflicht gemacht.
354 Der heilige Ambrosius erzählt im 16. Kapitel des 1. Buches Von den Pflichten von zwei Männern. Bei dem einen wollte er keinesfalls seine Zustimmung zur Aufnahme in den Klerus geben; bei dem andern, den er bereits in den Klerikerstand aufgenommen fand, duldete Ambrosius nicht, daß er vor ihm einherging, damit nicht sein kecker Gang seine Augen beleidigte. Denn "ihr Gang war", wie er sagt, "ein deutliches Abbild ihrer Leichtfertigkeit". Sein Urteil über die beiden täuschte ihn nicht; denn der eine verfiel der Ketzerei des Arius, der andere einer anderen Sünde, und so trennten sich beide von der Kirche.
355 Und da es so nützlich und nötig ist, sich ein rechtes und festes Ziel zu setzen, sucht also zuerst das Reich Gottes. Hier mahnt uns der himmlische Lehrmeister erstens, uns ein rechtes Ziel zu suchen und zu setzen: sucht. Zweitens gibt er an, was wir suchen sollen: das Reich Gottes. Drittens lehrt er uns, welche Ordnung wir beim suchen einhalten sollen: zuerst. Weil aber "das Leben des Menschengeschlechts durch Kunst und Vernunft" bestimmt wird, bezeichnet er viertens durch also den Grund (der Ordnung) 1. Man muß aber beachten, daß primum ein Umstandswort sein kann - so wird es hier gewöhnlich verstanden - und, wie gesagt, die (einzuhaltende) Ordnung bezeichnet. Es kann aber auch ebensogut ein Eigenschaftswort zu dem Hauptwort Reich sein; dann ergibt sich der Sinn: sucht das erste Reich Gottes. Es gibt ja viele Reiche, und sie gehören gewiß alle Gott, da er 'der König der Könige und der Herr der Herrscher' ist (1. Tim. 6,15; Offb. 19,16), und doch soll man diese Reiche nicht suchen. Die Heiligen 'haben durch ihren Glauben Reiche besiegt' (Hebr. 11,33). "Das ist Herrschaft 2", sagt Seneka, "nicht herrschen wollen, obwohl man es könnte". Treffend heißt es also: Sucht das erste Reich Gottes. Denn nach dem Buch Von den Ursachen "ist das Erste von Natur reich".
1 Eckhart schließt so: Das Reich Gottes ist unser Ziel. In der Ordnung des Strebens und Suchens (d.h. in ordine intentionis) nimmt das Ziel die erste Stelle ein. Also sucht es zuerst.
2 regnum bedeutet Reich und Herrschaft.
[28.3.08]
1 dort auf Joseph, den Sohn Jakobs, bezogen.
2 aber in der Absicht der Gesamtnatur (vgl. In Sap. n. 231).
[13.6.17]
1 wie jeder Akt vom Gegenstand der seine Artbestimmtheit erhält.
XLVII,3. (S. 405-413, n. 490-499)
Hoc oro, ut caritas vestra magis ac magis abundet
Dies erflehe ich, daß eure Liebe mehr und mehr überfließe. (Phil. 1,9)
22. Sonntag nach Trinitatis [28.3.08]
1 Da dieses Land auf Erden lag, hörte die Himmelsspeise auf.
2 Gemeint ist der neunte Himmel oder die erste Sphäre. Vgl. n. 500.
XLIX (S. 421-428, n. 505-512)
Über das Evangelium (Matth. 22,15-21)
1. (S. 421-423, n. 505-508)
Cuius est imago haec et superscriptio
Wessen ist das Bild und die Aufschrift? (Matth. 22,20)
[s. "Methoden der Schriftauslegung"]
508 'Wir werden hinübergeformt' (sagt er) aus zwei Gründen: erstens, weil die frühere Form vergeht; zweitens, weil (das Bild) jede Form übersteigt und etwas Höheres als sie ist. 'Von Herrlichkeit zu Herrlichkeit', das heißt vom natürlichen zum übernatürlichen Licht und vom Licht der Gnade schließlich zum Licht der Glorie. Oder so: manchmal empfängt die Seele göttliche Erleuchtungen, aber nur in Bildern der körperlichen Welt. 'Von dieser Herrlichkeit' verlangt sie, hinüberzukommen 'zu der Herrlichkeit', die in sich selbst ruht, bis sie endlich in ihr zu dem aufsteigt, der 'in unzugänglichem Licht wohnt' (1. Tim. 6,16). Daher folgt in dem angeführten Wort: 'wie durch den Geist des Herrn'. (Von Steer, DW 4,2, S. 967 angeführt als Beispiel einer Textparallele zu Predigt 115; Hervorhebung von Steer [im lat. Text]).
XLIX,2. (S. 424-425, n. 509-510)
Cuius est imago haec?
Wessen ist das Bild? (Matth. 22,20)
[s. "Methoden der Schriftauslegung"; "theologische Predigt"]
XLIX,3. (S. 425-428, n. 511-512)
Imago
Das Bild.
23. Sonntag nach Trinitatis
[s. "Methoden der Schriftauslegung"; "theologische Predigt"] [2.7.17]
Anm. Esther 13,9 (Domine rex omnipotens) ist Leitvers der Predigt 116 (Strauch Nr. 60). Ansonsten wird auf Esther 13,9 Beug genommen in In Gen. I n. 162 und In Sap. n. 199
[21.7.17] 1 Iterum ist die erste Deutung von re-(linquamus), retro (S. 442,4) die zweite.
2 weil das Wort 'alles' virtuell auf jedes einzelne Ding hinweist, das in dem Umfang von 'alles' enthalten ist.
[29.3.08]
Eigene Anmerkungen
1 Ich würde die Sammlung nur bedingt als 'Entwurfheft' bezeichnen. Es handelt sich eher um eine Materialsammlung (s. Beschreibung).
2 Bei den deutschen Predigten können von den bisher im Rahmen der Werkausgabe edierten 115 Predigten 63 den Sermones de tempore und 40 den Sermones de Sanctis zugeordnet werden, was in etwa dem Verhältnis der beweglichen zu den feststehenden Festen im Kirchenjahr entsprechen dürfte. Es wäre eher verwunderlich, wenn dieses Verhältnis nicht auch auf die lateinischen Predigten zutreffen würde.
3 Wenn die Sermones als Unterrichtsmaterialien Eckharts als Lehrer an einer Ordensschule (Erfurt oder Köln) verstanden werden, handelt es sich nicht um Hinweise für den eigenen Gebrauch, sondern um Hinweise an die Schüler.
4 Beide deutschen Vergleichspredigten gehören zu den Sermones de sanctis; vielleicht bezieht sich Eckhart hier auf das verloren gegangene Drittel der lateinischen Predigten, das die Materialien zu den Heiligenfesten enthielt.
1 Diese Seite entspricht dem Abdruck in: Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, Die lateinischen Werke, LW 4, Kohlhammer Stuttgart 1956. Die Texteinschübe und Verweise auf Bibelstellen Kochs in () sind etwas eingerückt. Die Ziffern vor den Absätzen der angeführten Sermones entsprechen der dortigen Nummerierung.
Die Einführung entspricht den Seiten XIII-XLIII mit Ausnahme der Angaben zum dritten Apparat S. XL-XLIII. Das o.a. 'Inhaltsverzeichnis' zur Einführung ist nicht im Band enthalten, orientiert sich aber an den vier Hauptunterteilungen im Inhaltsverzeichnis S. IX und den Seitenüberschriften im Abdruck. Dabei wurde der fortlaufende Text in die inhaltlichen 'Blöcke' unterteilt und die Anmerkungen wie bei der html-Edition zu den 'Kritischen Studien zum Leben Meister Eckharts' zum jeweiligen 'Block' zusammengefasst und damit notwendigerweise fortlaufend nummeriert (im Original wird auf jeder Seite neu gezählt).
Die g e s p e r r t e Schreibweise im Text wurde (bis auf die Namen) übernommen. Die gesperrten Namen im Text und den Anmerkungen habe ich durch die hier übliche Farbgebung ersetzt.
Das Inhaltsverzeichnis zu den lateinischen Predigten orientiert sich an den Seiten IX-XII und dem alphabetischen Verzeichnis der Sermones nach ihren Anfängen S. 469 ff., ergänzt um die Seitenzahlen und Absatznummerierungen. [29.3.08]
Edition (s. oben)
Sermo II,2 n. 11-14 in: Adolf Spamer, Über die Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten, Gießen 1910, S. 252-260.
Sermones XLIX (S. 5-8), L (S. 9-10), VII (S. 11-16, linke Spalte), XXII (S. 11-16, rechte Spalte; Schluß S. 17-20), VIII (S. 22-40, jeweils auf den linken Seiten) und LV,3 (S. 47-57, jeweils auf der linken Spalte) in: Adolf Spamer, Texte aus der deutschen Mystik des 14. und 15. Jahrhunderts, Jena 1912.
Sermo XXXVI in: J. Quint, Die Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckeharts, Bonn 1932, S. 364 f.
Magistri Echardi Sermones, herausgegeben und übersetzt von
Ernst Benz, Bruno Decker und Josef Koch, Kohlhammer Stuttgart 1956, in: Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke. Die lateinischen Werke. Vierter Band. (Einzellieferungen s. Werkausgabe). [30.3.08]
Textausgaben und Literaturauswahl
Sermones II,2 (S. 264-271), IV (S. 272-276), VI,1 (S. 277-279), VI,2 (S. 280-282), VI,3 (S. 283-285), VI,4 (S. 286-293), XII,1 (S. 293-296), XII,2 (S. 297-310), XV,1 (S. 311), XV,2 (S. 312-317), XXII (S. 318-328), XXIX (S. 329-335), XXX,1 (S. 336-341), XXX,2 (S. 342-345) in: Diethmar Mieth, Meister Eckhart. Einheit im Sein und Wirken, Piper München 1986.
Bernard McGinn, Sermo IV: 'Ex ipso, per ipsum et in ipso sunt omnia' in: Lectura Eckhardi I, Kohlhammer Stuttgart . Berlin . Köln 1998, S. 289-316.
Niklaus Largier, Sermo XXV: 'Gratia dei sum id quod sum' (S. 177-203) und Bernhard McGinn, Sermo XXIX: 'Deus unus est' (S. 205-232) in: Lectura Eckhardi II, Kohlhammer Stuttgart . Berlin . Köln 2003.
Sermones II,2 (S. 570 ff.), XV,1-2, XVI (S. 584 ff.), XXV,1-2, XXVI (S. 596 ff.), XXXVII, XXXVIII (S. 614 ff.) in: Niklaus Largier (Hg.), Meister Eckhart Werke II, Deutscher Klassiker Frankfurt am Main 1993. [30.3.08]
Beschreibung
Zur grundlegenden Beschreibung der insgesamt 101 Sermones s. oben zur Einführung, wobei allerdings einige Fragen offen bleiben. Zunächst fällt auf, dass sie (bis auf acht Ausnahmen: LIII bis LVI) aus dem Zeitraum 16.5.(-19.6.) bis 27.11.(-3.12.) stammen, also den festlosen Teil der Sermones de tempore abdecken. Nur ein Sermo (LII) gehört zum Festteil (s. Predigten - Allgemein) und die 'Ausnahmen' zu den Sermones de sancti. Es sieht also so aus, als wäre gerade ein Drittel der möglichen Sermones Eckharts auf uns gekommen. Woran sich direkt die Frage anschließt, wie Nikolaus von Kues in den Besitz des einen Drittels gelangte, den er in der Hs. C abschreiben ließ. In den Listen der Kölner Ankläger tauchen die Sermones nicht auf und auch in der Bulle In agro dominico wird darauf kein Bezug genommen. Sie befanden sich - wie Koch sie nennt - in den 'Entwurfsheften' Eckharts und diese Quaterne (s. Leben - 1311) dürften sich in seiner Zelle im Kölner Dominikanerkloster befunden haben. Wer sich seiner Hefte nach Eckharts Tod bemächtigte, ist nicht bekannt, aber zumindest muß eine der Abschriften über 100 Jahre später den Weg in die Bibliothek des Cusaners gefunden haben.
Die nächste Frage betrifft den "Entwurfscharakter" der Sermones. Koch geht davon aus, dass wir hier einen Blick in die "Werkstatt" Eckharts werfen, dass es sich größtenteils um Skizzen und Notizen zu noch zu erstellenden Predigten handelt, während einzelne Sermones auch vollständig ausgearbeitete Predigten darstellen, wobei die ständig auftauchenden 'Nota' (Bemerke), "Dies führe weiter aus" (z.B. XIV,1), "Du zieh den Schluß" (z.B. XVII,3), "Behandle das" (z.B. XL,3), "Lege das aus" (z.B. XLVIII,2) oder "Führe das aus" (z.B. LV,3) Hinweise für ihn - Eckhart - selbst darstellen sollen. Das erscheint mir wenig überzeugend. Ich vermisse in der umfangreichen Literatur zu Meister Eckhart Aufsätze zu "Eckhart als Lehrer".
Eckhart hat einen großen Teil seines Lebens als Lehrer gewirkt. So unterrichtete er sehr wahrscheinlich bereits als Schüler im Studium naturalium oder Studium solemne (s. Tractatus super oratione dominica; Datierung), seine Erfurter Reden (1294-1298) weisen ihn als Lehrer aus, während seiner Provinzialatszeit in Erfurt (1303-1310) dürfte er auch an der Schule im Predigerkloster tätig gewesen sein und schließlich ist er als Lektor am Studium generale in Köln bekannt, wobei noch offen ist, ob er diese Tätigkeit vielleicht schon 1313/14 antrat oder erst ab 1323/24 (aber auch in seinem "Straßburger Jahrzehnt" wird er nicht nur gepredigt haben). Was also spricht dagegen, hier die mit 'Du' Angesprochenen als seine Schüler anzusehen?
Es kann sich bei den Sermones (wenn auch nicht bei allen, aber einem großen Anteil) durchaus um Unterrichtsmaterialien Eckharts handeln. Friedrich Iohn (Theologie und Seelsorge. Vorschlag für eine Verhältnisbestimmung verschiedener Textsorten Meister Eckharts in: ZfdPh 113 (Sonderheft Mystik), 1994, S. 223-244) stellt nach einem eingehenden Vergleich zwischen der Predigt Q 17 und dem Sermo LV,4 'Qui odit animam suam', zwischen denen es "die meisten inhaltlichen Parallelen" "zwischen lateinischem Sermo und einer deutschsprachigen Predigt" "gibt" (S. 231) fest, dass "es sich nun bei den Sermones um eine - möglicherweise tatsächlich noch unfertige - lehrhafte Sammlung von Predigtmaterial zu bestimmten Schrifttexten handelt" (S. 240) und konstatiert, "daß die Sermones eine zentrale Vorarbeit für die Predigt darstellen, indem sie für deren Konstituierung Material bereitstellen - nun aber nicht irgendein Material, sondern solche theologischen bzw. philosophischen Aussagen, die mit der von der Predigtsituation vorgegebenen biblischen Tradition, die dabei z.T. erheblich transformiert wird, verknüpfbar sind" (S. 244). Im 'Abstract' weist er bereits auf seine These hin, "daß es sich bei Eckharts lateinischen Sermones nicht um Entwürfe zu bestimmten Predigten, sondern um eine der Predigtvorbereitung dienende Sammlung von Gedankenmaterial handelt" (S. 223). Ich würde 'Predigtvorbereitung' durch 'Unterrichtsvorbereitung' ersetzen und das 'Gedankenmaterial' durch 'Lehrmaterial'. Nicht nur in dieser Hinsicht verdienen die Sermones, die in der Literatur eher ein Schattendasein führen (Largier nennt in seiner Bibliographie genau e i n e n Artikel), noch ausführlicherer Betrachtungen. [31.3.08]
Datierung
Die bisher einzige veröffentlichte Angabe (vor 1302 bis nach 1313) stammt von Steer (s. Werk - Chronologie) und drückt aus, dass eine konkrete Einordnung einzelner oder aller Sermones ins Lebenswerk Eckharts (zumindest zur Zeit) nicht möglich ist. Auch wenn man die Sermones als Lehrmaterial versteht, bleibt der Zeitraum Anfang der 90er Jahre des 13. Jahrhunderts bis Anfang 1327 (mit Ausnahme vielleicht der Aufenthalte in Paris) bestehen. Und auch wenn man einzelne Sermones aufgrund ihrer Parallelen zu deutschen Predigten (wie z.B. LV,4 zu Q 17 - s. Beschreibung) oder zu den lateinischen Expositiones (wie z.B. zu Sapientia - 1304-10) einigermaßen zeitlich bestimmen kann, so bleiben doch die vielen kurzen Skizzen (wie z.B. Sermo III), die nur aus wenigen Sätzen bestehen, die man schwerlich einem konkreten Jahr oder Zeitraum wird zuordnen können. Allerdings sind diesbezüglich in der Literatur seit Erscheinen des vierten Bandes der lateinischen Werke vor inzwischen über 50 Jahren keine Versuche unternommen worden (wie auch generell nur sehr sehr wenige Arbeiten erschienen sind, die versuchen, die Schriften Eckharts in seinen Lebenslauf historisch einzuordnen). [31.3.08]