Meister Eckhart und Augustinus 1

Jahrestagung der Meister Eckhart Gesellschaft
23. - 25. März 2007
meg2007
Samstag, Sonntag s. 2007 Materialien: Büchner, Löser, Fischer

Programm

Freitag, 23.3.2007
14.30 Eröffnung der Tagung
• Begrüßung durch den Präsidenten der Meister-Eckhart-Gesellschaft Prof. Dr. Georg Steer und den Tagungsleiter Prof. Dr. Karl Mertens
• Einführung in das Thema: Prof. Dr. Dag Nikolaus Hasse
Leitung: Vizepräsident Prof. Dr. Loris Sturlese
15.15 Weisheit bei Augustinus und Meister Eckhart
• Prof. Dr. Andreas Speer, Köln
16.30 Vortrag (öffentlich): Mystik als Metaphysik des inneren Menschen bei Augustinus und Meister Eckhart
• Prof. Dr. Theo Kobusch, Bonn
18.00 Abendpause (Möglichkeit zum gemeinsamen Abendessen)
19.30 Abendveranstaltung (öffentlich) im Fürstensaal der Residenz
Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Meister-Eckhart-Gesellschaft
an Herrn Dr. Christian Scholz, Düsseldorf, durch den Präsidenten der Meister-Eckhart-Gesellschaft, Prof. Dr. Georg Steer
Warum Geben selbst im Business seliger ist als Nehmen
Paul J. Kohtes, Identity Foundation, Düsseldorf
Corporate Social Responsibility. Werte leben – Wert schaffen
• Dr. Peter Ermann, Bereichsvorstand Wealth Management, HypoVereinsbank AG, München
Gespräche beim "Meister-Eckhart-Imbiss" im Toscanasaal

Samstag, 24.3.2007
Leitung: Prof. Dr. Karl Mertens
9.00 Gnade bei Augustinus und Meister Eckhart
• Dr. Andrés Quero-Sanchéz, Regensburg
10.00 Rhetorik und Innerlichkeit bei Augustinus und Meister Eckhart
• Prof. Dr. Niklaus Largier, Berkeley
Kaffeepause
11.30 Non fecit atque abiit, sed ex illo in illo sunt. Schöpfung und Innerlichkeit bei Augustinus und Meister Eckhart
• Dr. Christine Büchner, Tübingen
12.30 Mittagspause
Leitung: Prof. Dr. Dag Nikolaus Hasse
15.00 Wann, wie oft und wie genau zitiert eigentlich Meister Eckhart Augustinus?
• Prof. Dr. Freimut Löser, Augsburg
16.00 Sein und Wissen. Augustin im philosophischen Augustinismus zur Zeit Eckharts
• Prof. Dr. Therese Fuhrer, Freiburg
Kaffeepause
17.30 Swaz eigenlîche gewortet mac werden, daz muoz von innen her ûz komen. Zur Psychologie der Gabe
• Dr. Karl Heinz Witte, München
Pause
19.30 Gelegenheit zum gemeinsamen Abendessen mit Weinprobe und anschließenden Gesprächen im Staatlichen Hofkeller

Sonntag, 25.3.2007
Leitung: Prof. Dr. Rudolf Kilian Weigand
9.00 Meister Eckhart und die 'Confessiones' Augustins
• Prof. Dr. Norbert Fischer, Eichstätt
Kaffeepause
10.45 Über die Liebe
• Prof. Dr. Georg Steer, Eichstätt
12.00 Zusammenfassung
Abschluss der Tagung
Tagungsleiter Prof. Dr. Karl Mertens
Präsident Prof. Dr. Georg Steer
Nachmittags Gelegenheit zum Besuch der Festung Marienberg, der Residenz, Stadtführung (auf Anfrage)

Materialien

Löser
Fischer

"Non fecit atque abiit, sed ex illo in illo sunt."
Schöpfung und Innerlichkeit bei Augustinus und Meister Eckhart
(Christine Büchner)

Einführung

Augustinus spricht von der Innerlichkeit als Ort der Gegenwart Gottes innerhalb einer Schöpfung, die für ihn kategorial getrennt ist von Gott. In dieser Gegenwart liegen Ziel und Sinn der Schöpfung.
-> Seine Begründung: "Non fecit atque abiit, sed ex illo in lilo sunt." (Conf. IV 12 [18])

1. Schöpfung zwischen Sein und Nichtsein, gehalten von der Zeitlosigkeit Gottes

Eckhart nimmt bei Augustinus diesen Grundgedanken (totales Insein in Gott trotz totalem Getrenntsein von ihm) wahr und fundiert mit ihm sein eigenes Verständnis von Schöpfung: Sie ist zwischen Sein und Nichtsein.

Beispiel: Eckhart zitiert wiederholt Aug., Conf I, 6 (10):
"Du aber bist immer derselbe; sowohl alles Morgige und was noch ferner als auch alles Gestrige und was noch weiter dahinter - heute wirst Du es tun, heute hast Du es getan. Was kümmert es mich, wenn jemand das nicht versteht?"

Die rhetorische Formel besagt: Aussagen über Gott folgen einer inneren Gewissheit, die sich aus der Gottesbeziehung des Aussagenden speist. Erkennen ist inneres Erkennen.
—> Bei Eckhart: Erkennen ist existentielles Erkennen, das von der existentiellen (nicht bloß intellektuellen) Beziehung zum Erkannten abhängt.

Die inhaltliche Aussage der Zeitlosigkeit Gottes begründet das Sein der Zeit trotz ihres flüchtigen Charakters. Die Zeitlosigkeit Gottes ist sammelnde Mitte und Ermöglichung der Zeit. Dies erklärt für Augustinus unsere innere Erfahrung von Identität und Kontinuität einerseits sowie des Unterworfenseins unter die Prozesse des Zerfallens und Vergehens andererseits.
—> Bei Eckhart: Jedes Geschöpf hat ein duplex esse, ein inneres (zeitloses, gegenwärtiges, unzerstörbares, weil auf Gott bezogenes) Sein und ein äußeres (zeitliches, vom inneren Sein ermöglichtes) Sein, dass sich von seiner Mitte wegbewegt.

Augustinus bereits beschreibt die Differenz und Verbundenheit der Schöpfung zu Gott als Sein zwischen Sein und Nichtsein:
"Und ich betrachtete die Dinge unter Dir, und ich sah, dass sie weder ganz und gar sind, noch ganz und gar nicht sind: dass sie zwar sind, weil sie ja von Dir her sind, aber auch nicht sind, weil sie nicht sind, was Du bist ..." (Conf. VII, 11 [17]).
An diesem Seinsstatus der Schöpfung hebt Augustinus die Differenz noch einmal mehr hervor als die Einheit: Während Gott mit allem so verbunden ist, wie mit sich selber, bezeichnet die Differenz den Status der Schöpfung. Sie begründet Sukzessivität, Perspektivität und Veränderung unseres Daseins. Die Differenz macht die Schöpfung zu etwas Eigenem und wird daher grundsätzlich positiv bewertet. Sie ermöglicht uns einen eigenen Zugang zu den Dingen, zu uns selbst und zu Gott. Geschöpfliche Erkenntnis ist immer auf dem Weg, nie vollständige Erkenntnis und immer ein Akt der Beziehung (also subjektiv, nicht objektiv).

Kennzeichen Gottes sind Zeitlosigkeit und Unveränderlichkeit (beides zeichnet auch uns aus, jedoch nicht ausschließlich). Aufschlussreich dabei ist: dies bedeutet für Augustinus wie später für Eckhart absolute Verlässlichkeit, die absolutes Vertrauen rechtfertigt (anders als zwischen Menschen, die stets auch von Zerrissenheit geprägt sind, die einander nur bedingt vertrauen können, sich aber gerade deswegen nach absolutem Vertrauen sehnen). Weil Gott nicht wie wir der Flüchtigkeit der Zeit unterworfen ist, hat er Kraft über diese hinaus.

Indem Eckhart die Erfahrung des Seins zwischen Trennung und Nähe zuspitzt auf die totale Differenz der Schöpfung von Gott, wird ihm zugleich auch die Einheit der Schöpfung mit Gott als absolut vertrauenswürdige Einheit ganz von Gott her offenbar. Die Sensibilisierung für die eigene Begrenztheit führt ihn weg von der Konzentration auf das Selbst und hin zur vertrauenden Offenheit auf das ihm Entgegenkommende.

2. Innerlichkeit als Ort göttlicher Wirklichkeit im Menschen

2.1 Innerlichkeit bei Augustinus

Die Wahrnehmung der Differenz von Gott sowie der in der Differenz verborgenen Einheit geschieht in der geistseelischen Innerlichkeit des Menschen.
—> positive Folge dieser Sicht: Hinwendung zum Reichtum der Innerlichkeit; Gefahr: Leib-Seele-Dualismus.

Voraussetzung fur die Erfahrung der Dimension des Inneren ist ein sich in Kontinuität erlebendes Bewusstsein. Dieses Bewusstsein interpretiert Augustinus (positiv) als Teilhabe an Gott und seiner zeitlosen Allumfassendheit: Die Gottesbeziehung ist "transzendentaler Gehalt" des abditum mentis.

Alle Analogien zwischen dem menschlichen Geist und Gott müssen daher als Ausdruck dieser Verbindung verstanden werden. Eine besondere Rolle hat dabei die trinitarische Analogie: Der Geist selbst ist in seiner Struktur zugleich eins und triadisch-lebendig; dies erklärt erst die noch im äußersten Zweifel gemachte Erfahrung von Kontinuität und Selbstgegenwart trotz des Aufgeriebenwerdens und Zerrissenseins. Es wird ein innerer Kern des Selbst fassbar, der Ort der unmittelbaren Wirksamkeit Gottes ist.

2.2 Innerlichkeit bei Meister Eckhart im Vergleich zu Augustinus

Entscheidend für Eckharts Aufnahme des augustinischen Gedankens (vgl. DW III, Pr. 83, S. 437) ist das Unumstößliche und Unhintergehbare der Nähe Gottes in unserem Innern. Pointiert formuliert er:
"Gott kann uns nicht fern sein" (DW 1, Pr. 24, S. 416-420). Wichtig ist nicht, dass die Innerlichkeit ein Zufluchtsort ist, der uns gegen ein Außen abschließt und verbirgt, sondern dass sie uns ohne unser Zutun stets Halt gibt und uns ermöglicht, dass wir uns anderem zuwenden können, ohne Angst haben zu müssen, ganz und gar aufgerieben zu werden.

Auch Augustinus präzisiert schon das Bildsein der Innerlichkeit als Empfänglichkeit (vgl. De trin. XIV, 8 (1 1): "Eben dadurch ist er ja Bild (imago) Gottes, dass er Gottes aufnahmefähig (capax) ist und seiner teilhaftig (particeps) werden kann ...". Doch Eckhart lässt den Teilhabegedanke beiseite und spitzt zu: Innensein heißt Offensein. Er nimmt den faszinierenden Gedanken der Innerlichkeit auf, aber überwindet mit dem Verständnis von Innerlichkeit als Öffnungsfähigkeit infolge der Sicherheit im Inneren die dualistische Gefahr: nämlich das Seiner-selbst-inne-Werden als einen Rückzug in die eigene Innerlichkeit (verstanden als abgegrenzten Selbstbesitz) zu begreifen.

Für Eckhart können daher Abscheidung und Zuwendung zwei Begriffe für denselben Inhalt werden. Dabei bleibt Augustinus im Hintergrund: Nur indem wir die Zerstreuung wahrnehmen, nehmen wir das Bleiben des Inneren wahr; nur indem wir den festen Stand in Gott wahrnehmen, können wir in der Öffnung gesammelt sein. Das Innere ist uns stets begleitender Maßstab für das Leben in der Zeit. Es hat seinen Ursprung im Gottesbezug, ist daher einerseits absolut verlässlich, andererseits deswegen selbst nicht begreifbar, sondern bleibendes Geheimnis, das uns zugleich in Besorgnis und Unruhe belässt.

Grund für die doppelte Erfahrung von Gewissheit und Besorgnis, von Vertrauen und Unruhe ist für Augustinus, dass wir (mit unserer Außenseite) außerhalb Gottes und (mit unserer Innenseite) in ihm sind. In Gott sind wir, weil Gott sich nicht von uns entfernt; von ihm kommt uns alles Gute zu, seine Nähe im Innern geht all unserem Tun voraus und befähigt uns zum Wahren und Guten und wendet uns durch unser Inneres auf ihn hin.

Eckhart greift diesen Gedanken auf und pointiert ihn wiederum: Gottes nicht nachlassendes Tun auf uns zu qualifiziert unser Tun als sein Tun. Denn wir nehmen es ständig aus der Bewegung Gottes auf uns zu, die endgültige Ferne unmöglich macht. Eckhart beschreibt damit das Verhältnis zwischen Mensch und Gott von der Perspektive Gottes aus. Diese theozentrische Perspektive wirkt entgrenzend: Die Geistigkeit des Menschen kann nur Ort göttlicher Gegenwart sein, wenn in ihr die innige Beziehung Gottes zur gesamten Schöpfung Eingang findet. Die Sonderstellung des Menschen wird zur Sonderstellung für die Welt. Indem der Mensch in sein wahres Innerstes einkehrt, kehrt er in die unmittelbare Beziehung Gottes zur Schöpfung ein, in der alles Geschaffene unvergänglich ist.

Augustinus versteht das Innere als Stätte der Wirksamkeit Gottes. Gäbe es diese Stätte nicht, wäre Gott für den Menschen nicht zugänglich. Eckhart präzisiert dieses Stätte-Sein für Gott inhaltlich als ein Nicht-Stätte-Sein (vgl. DW II, Pr. 52, 499-505), als einen Ort der absolute Nähe ermöglichenden Offenheit, die das Selbst nicht vom Anderen und das Innen nicht vom Außen abgrenzt (Gefahr: Unabgrenzbarkeit des Begriffs der Innerlichkeit).

3. Die Ambivalenz des Inneren und Einheit in der Liebe als universales Ziel der Schöpfung

Augustinus erfährt, dass das Vertrauen auf sich selbst zu Enttäuschung, Zerstreuung und Ruhelosigkeit führt, weil es sich auf erreichte und auch wieder vergehende Ziele in der Welt richtet. Sein Ziel ist, zur Ruhe zu kommen und gesammelt zu werden in Gott. Der Weg dorthin ist Demut. Die Demut können wir wagen, weil Gottes nicht loslassende Liebe uns entgegenkommt.

Eckhart entlarvt das Vertrauen auf sich selbst (ontologisch) als Vertrauen auf die eigene Nichtigkeit. Es verkennt, dass gerade das, was ich bin, nicht auf mich selbst zurückzuführen ist. Die Selbstbezogenheit hindert den Menschen daran, sich mit der Nähe Gottes anfüllen zu lassen und die Eingrenzung auf sich selbst zu öffnen. Ziel ist, dass die Nichtigkeit angefüllt werde von Gottes absoluter Innigkeit. Der Weg dorthin geht über das existentielle Gewahrwerden des Nicht-von-Sich-Selbst-Seins des Selbst; es führt zu jener Selbst-Gelassenheit, die die Beziehung zum Nächsten und zur Welt erfüllend werden lässt, so erfüllend, wie sie es für Gott schon immer ist. (vgl. DW III, Pr. 60, 14).

Beide Theologen denken die Struktur der Schöpfung dialektisch und teleologisch: Alles, was von Gott als es selbst ist, ist gerade dadurch es selbst, dass es auf ihn hin ist. Das Telos ist Einheit mit Gott. Diese Einheit bezieht Augustinus explizit nur auf die innerseelische Wirklichkeit, Meister Eckhart auf die gesamte Schöpfung. Innerlichkeit ermöglicht - Auf-Gott-hin-Sein (Augustinus), Nichtigkeit ermöglicht Von-Gott-Erfülltwerden (Eckhart).
-> Für Augustinus ist Einheit mit Gott Wirklichkeit der Liebe. Als trinitarische Wirklichkeit Gottes geht sie uns voraus, kommt immer schon auf uns zu und befähigt uns selbst zur Liebe; so zieht sie uns aus der Ferne unermüdlich zu sich heran. Nur deswegen erfahren wir überhaupt die schmerzliche Entfernung von Gott in der Zeit.
-> Für Meister Eckhart ist Einheit mit Gott ebenfalls Wirklichkeit der Liebe. Doch er betont weniger das Erfüllende dieser Liebe für das Selbst als die Universalität dieser Liebe. Wird der Mensch mit dieser Universalität der Liebe Gottes erfüllt, vermag er durch Gott mit allen Geschöpfen in so inniger Beziehung zu stehen wie zu sich selbst. Er sucht dann keine Ruhe mehr für sich selbst, "denn ihn behindert keine Unruhe" (DW V, RdU, 206).

Resümee

Eckhart hat mit Bezug auf Augustinus Schöpfung und Innerlichkeit konsequent zusammengedacht. Das theologische Resümee:
Innerlichkeit als Innerlichkeit kann nicht aus der Zerrissenheit in der Welt befreien, wenn sie uns selbst gegen die Welt abgrenzt und keinen Einfluss auf diese nimmt. Innerlichkeit, verstanden als Offensein des Inneren auf Gott, der sich nicht von der Schöpfung entfernt, befreit von der Angst um sich selbst und befähigt zur Gestaltung der Schöpfung von der Wirklichkeit dieses Inneren her.

Büchner
Fischer


Wann, wie oft und wie genau zitiert eigentlich Meister Eckhart Augustinus?
Freimut Löser (Augsburg)

1. Pr. 38, DW II, S. 238,10-239,6
  Sant Augustînus sprichet: »swaz diu sêle minnet, dem wirt si glich. Minnet si irdischiu dinc, sô wirt si irdisch. Minnet si got«, sô möhte man vrâgen, »wirt si danne got ?« Spræche ich daz, daz lûtte unglouplich den, die ze kranken sin hânt und ez niht vernement. Mêr: sant Augustînus sprichet: »ich enspriche ez niht, mêr: ich wîse iuch an die schrift, diu dâ sprichet: 'ich hân gesprochen, daz ir gote sît'«. Der etwaz hæte des rîchtuomes, dâ ich vor von gesprochen hân, einen blik oder joch eine hoffenunge oder eine zuoversiht, der vernæme diz wol! Ez enwart nie geburt sô sippe noch sô glich noch sô ein, als diu sêle gote wirt in dirre geburt (2).
  Sankt Augustinus sagt: «Was die Seele liebt, dem wird sie gleich. Liebt sie irdische Dinge, so wird sie irdisch. Liebt sie Gott«, so könnte man fragen, «wird sie dann Gott ?« Sagte ich das, so klänge es unglaublich für die, die zu schwachen Verstand haben und es nicht fassen. Augustinus aber sagt: »Ich sage es nicht: ich verweise euch vielmehr auf die Schrift, die da sagt: 'Ich habe gesagt, daß ihr Götter seid' (Ps. 81,6)«. Wer nur etwas von dem Reichtum besäße, von dem ich vorhin gesprochen habe, einen Blick oder auch nur eine Hoffnung oder eine Zuversicht (auf ihn), der verstände dies wohl! Nie ward etwas durch Geburt (einem andern) so verwandt noch so gleich noch so vereint, wie die Seele es Gott in dieser Geburt wird. [DW 2, S. 681]

2. Eckhart, DW 2, S. 238, Anm. 2:
Augustinus In ep. Ioh. ad Parthos tr. 2 n. 14, PL 35, 1997: ... quia talis est quisque, qualis eius dilectio est. Terram diligis ? terra eris. Deum diligis ? quid dicam ? deus eris ? Non audeo dicere ex me, scripturas audiamus: ego dixi, dii estis, et filii altissmimi omnes (Ps. 81,6).
Augustinus, (Kommentar) zum Brief des Johannes an die Parther, Traktat 2, Nr. 14: ... Denn ein jeder ist so, wie seine Liebe (= das Objekt seiner Liebe) ist. Du liebst die Erde? Du wirst Erde sein. Du liebst Gott? Was soll ich sagen? Du wirst Gott sein? - Ich erdreiste mich nicht, das von mir aus zu sagen; hören wir die Schrift: Ich habe gesagt: Ihr seid Götter, und Söhne des Allmächtigen allesamt. (PS 81,6)

3. Pr. 41, DW II, S. 295,9-296,5
  Der prophête sprichet: 'ich hân mîne sêle ûzgegozzen in mir', und sprichet sant Augustînus ein bezzer wort; er sprichet: ich hân mine sêle ûzgegozzen über mich. Daz muoz von nôt sîn, daz si über sich komen muoz, sol si ein werden in dem sune; und als vil mê, als si ir selbes ûzgât, als vil wirt si ein mit dem sune. Sant Paulus sprichet: 'wir suln überformieret werden in daz selbe bilde, daz er ist'.
  Der Prophet spricht: 'Ich habe meine Seele in mir ausgegossen' (Ps. 41,5). Sankt Augustinus aber äußert ein besseres Wort; er sagt: Ich habe meine Seele über mich (hinaus) ausgegossen. Notwendig muß es so sein, daß sie (= die Seele) über sich hinauskomme, soll sie eins werden im Sohne; und je mehr sie aus sich selbst herausgeht, um so mehr wird sie eins mit dem Sohne. Sankt Paulus spricht: 'Wir werden überformt werden in dasselbe Bild, das er (selbst) ist' (2 Kor. 3,18). [DW 2, S. 693]

4. Johanneskommentar, LW III, S. 201
  Augustinus ibidem: »hoc lumen est totum hominis et verum bonum«. Unde in Psalmo alio dicitur: 'effudi super me animam meam', secundum litteram Augustini. Et Augustinus hoc exponens ibidem ait: »quaerens deum meum in rebus visibilibus et non inveniens, quaerens eius substantiam in me ipso neque hic inveniens, supra animam meam esse sentio deum meum. Ergo ut deum tangerem, 'effudi super me animam meam'. Quando anima mea contingeret quod super animam meam quaeritur, nisi anima mea super se ipsam effunderetur? Si enim in se ipsa remaneret, nihil aliud quam se videret, et cum se videret, non utique deum videret«. »'Effudi super me animam meam'; et non iam restat quid tangam nisi deum meum«.
  Augustin bemerkt dazu: "dieses Licht ist das wahre und ganze Gut des Menschen". Daher heißt es in einem andern Psalm: 'ich habe meine Seele über mich hinaus ausströmen lassen' (Ps. 41,5), nach Augustins Text. Er erläutert dies Wort daselbst also: "wenn ich meinen Gott in den sichtbaren Dingen suche und ihn da nicht finde; wenn ich sein Wesen in mir selbst suche und auch da nicht finde, so spüre ich (schließlich), daß mein Gott über meiner Seele ist. Um also an Gott zu rühren, 'habe ich meine Seele über mich hinaus ausströmen lassen'. Wann könnte denn meine Seele erlangen, was sich nur über meiner Seele suchen läßt, wenn sie nicht über sich selbst hinausströmte? Denn bliebe sie in sich selbst, dann sähe sie nichts anderes als sich selbst, und wenn sie sich sähe, sähe sie ja Gott nicht. "Ich habe meine Seele über mich hinaus ausströmen lassen', und nun kann es nicht anders sein, als daß ich an Gott rühre".

5. Pr. 78, DW III, S. 353
  Nû sprichet er: 'ein engel'. Waz ist ein engel? Ez sprechent drie meister drîerleie rede, waz ein engel si. Dionysius sprichet: ein engel ist ein spiegel âne vlecken, geliutert ûf daz hoehste, der in sich enpfæhet den widerslak götlîches liehtes. Augustînus (2) sprichet: der engel ist nâhe bî gote, und diu materie ist nâhe bî nihte.
  Nun sagt er: 'Ein Engel'. Was ist ein Engel? Drei Meister machen dreierlei Aussagen darüber, was ein Engel sei. Dionysius sagt: Ein Engel ist ein Spiegel ohne Flecken, geläutert auf das äußerste, der in sich den Widerschein göttlichen Lichtes empfängt. Augustinus sagt: Der Engel ist nahe bei Gott, und die Materie ist nahe beim Nichts. [DW 3, S. 569]

Eckhart, DW 3, S. 353, Anm. 2:
Vgl. Augustinus Confess. XII c. 7 (Skutella S. 293,12-15): tu eras et aliud nihil, unde fecisti caelum et terram, duo quaedam, unum prope te, alterum prope nihil, unum, quo superior tu esses, alterum, quo interius nihil esset. und dazu Thomas S. theol. I q. 44 a. 2: Sed contra est quod dicit Augustinus, XII Confess.: Duo fecisti, domine, unum prope te scilicet angelum, aliud prope nihil, scilicet materiam prima.
Augustinus, Bekenntnisse, Buch 12, Kapitel 7:
Du warst und sonst (nur) das Nichts, woraus du Himmel und Erde gemacht hast, zweierlei also: das eine Dir nahe, das andere dem Nichts, das eine, über dem (nur) Du stehen solltest, das andere, unter dem (nur) das Nichts stehen sollte.
Zitert bei: Thomas von Aquin, Summe der Theologie, Buch 1, Frage 44:
Zweierlei hast Du geschaffen, Herr, das eine Dir nahe, nämlich den Engel, das andere nahe dem Nichts, nämlich die Urmaterie.

6. Pr. 93, DW IV, S. 130,50-131,54
  Sant Augustinus sprichet: 'diu sêle ist eigenlîcher dâ si minnet, dan dâ si daz leben gibet'. Und sant Paulus sprichet: 'ich lebe und enlebe doch niht, Kristus lebet in mir'. Alle crêatûren ruofent den menschen ane: dû suochest wârheit und güete, des ensint wir niht. Suoche got, er ist beide wârheit und güete. Dar umbe sprichet sant Augustinus: 'suochet, daz ir suochet, und niht, dâ ir suochet'.

7. Pr. 83, DW III, S. 442,2-3
  Hie von spricht sant augustinus »Das schoneste, do der mensche gesprechen mag von gotte, do ist, das er von wisheit inners richtvmes swigen kvnne«.
  Daher sagt Sankt Augustinus: »Das Schönste, was der Mensch über Gott auszusagen vermag, das besteht darin, daß er aus der Weisheit des inneren Reichtumes schweigen könne« [DW 3, S. 585]

8. Pr. 32, DW II, S. 137,1-4
  Sant Augustînus sprichet, daz diu sêle alsô edel ist und alsô hôhe ist geschaffen über alle crêatûre, daz kein vergenclich dinc, daz an dem jüngesten tage vergân sol, in die sêle gesprechen enmac noch würken âne underscheit und âne boten.
  Sankt Augustinus sagt, die Seele sei so edel und so hoch über aller Kreatur geschaffen, daß kein vergängliches Ding, das am jüngsten Tage vergehen wird, in die Seele zu sprechen noch zu wirken vermag ohne Vermittlung und ohne Boten.

9. Pr. 38, DW II, S. 228,1-3
  Dar umbe ist alliu diu schrift geschriben, dar umbe hât got die werlt geschaffen und alle engelische natûre, daz got geborn werde in der sêle und diu sêle in gote geborn werde.
  Darum ist die ganze Schrift geschrieben, darum hat Gott die Welt und alle Engelsnatur geschaffen: auf daß Gott in der Seele geboren werde und die Seele (wiederum) in Gott geboren werde.

10. Pr. 38, DW II, S. 238,10-239,3 (= 1. Punkt)

11. LW V, S. 322,12-17 (Proc. Col. II n. 19)
19  Nonus articulus dicit: »Nihil est verum quod non includat omnem veritatem.«
20  Dicendum quod hoc negare est ignorare. Media enim veritas non es: veritas. Praeterea, deus est veritas, Ioh. 14, qui in quolibet totus est aut non est aut non est in quolibet.
  Der neunte Artikel besagt: "Nichts ist wahr, was nicht die ganze Wahrheit einschließt."
  (Dazu) zu sagen ist, dass dies abzulehnen bedeutet unwissend zu sein. Eine halbe Wahrheit ist keine Wahrheit. Außerdem: Gott ist die Wahrheit (Joh. 14), er, der in einem Beliebigen ganz ist oder nicht ist - oder nicht in dem Beliebigen ist.

12. Pr. 11, DW I, S. 182,7-184,5
  Disiu driu stücke meinent drier hande bekantnisse. Daz eine ist sînnelich. Daz ouge sihet gar verre diu dinc, diu ûz im sint. Daz ander ist vernünftic und ist vil hoeher. Daz dritte meinet eine edele kraft der sêle, diu ist sô hôch und sô edel, daz si got nimet in sînem blôzen eigenen wesene. Disiu kraft enhât mit nihte niht gemeine; si machet von nihte iht und al. Si enweiz von gester noch êgester, von morne noch von übermorne, wan ez ist in der êwicheit weder gester noch morne, dâ ist ein gegenwertigez nû; daz vor tûsent jâren was und daz über tûsent jâr komen sol, daz ist dâ gegenwertic, und daz jensit mers ist. Disiu kraft nimet got in sinem kleithûse. Ein geschrift sprichet: in im, übermitz im und durch in. 'In im' daz ist in dem vater, 'übermitz im' daz ist in dem sune, 'durch in' daz ist in dem heiligen geiste. Sant Augustinus sprichet ein wort, daz disem hilet gar ungliche und ist im doch gar glich: niht enist wârheit, ez enhabe in im beslozzen alle wârheit. Disiu kraft nimet alliu dinc in der wârheit. Dirre kraft enist kein dinc bedecket.
  Diese drei Stücke bedeuten dreierlei Erkenntnis. Die eine ist sinnlich: Das Auge sieht gar weithin die Dinge, die außerhalb seiner sind. Die zweite ist vernünftig und ist viel höher. Mit der dritten ist eine edle Kraft der Seele gemeint, die so hoch und so edel ist, daß sie Gott in seinem bloßen, eigenen Sein erfaßt. Diese Kraft hat mit nichts etwas gemein; sie macht aus nichts etwas und alles. Sie weiß nichts vom Gestern noch vom Vorgestern, vom Morgen noch vom Übermorgen, denn in der Ewigkeit gibt es kein Gestern noch Morgen, da gibt es (vielmehr nur) ein gegenwärtiges Nun; was vor tausend Jahren war und was nach tausend Jahren kommen wird, das ist da gegenwärtig und (ebenso) das, was jenseits des Meeres ist. Diese Kraft erfaßt Gott in seinem Kleidhause. Eine Schrift sagt: In ihm, mittels seiner und durch ihn (Röm. 11,36). 'In ihm', das ist in dem Vater, 'mittels seiner', das ist in dem Sohne, 'durch ihn', das ist in dem Heiligen Geiste. Sankt Augustinus spricht ein Wort, das diesem gar ungleich klingt, und es ist ihm doch ganz gleich: Nichts ist Wahrheit, was nicht alle Wahrheit in sich beschlossen hält. Jene Kraft erfaßt alle Dinge in der Wahrheit. Dieser Kraft ist kein Ding verdeckt. [DW 1, S. 473]

13. Pr. 71, DW III, S. 229,9-11
  In dem, daz er niht ensach, dô sach er daz götlich niht. Sant Augustînus (3) sprichet: dô er niht ensach, dô sach er got. [Sant Paulus sprîchet:] swer anders niht ensihet und blint ist, der sihet got.
  Damit daß er nichts sah, sah er das göttliche Nichts. Sankt Augustinus sagt: Als er nichts sah, da sah er Gott. [Sankt Paulus sagt:] Wer sonst nichts sieht und blind ist, der sieht Gott.
  3. Augustinus Sermo 279 c. 1 n. 1, PL 33 1276: Et eo tamen tempore, quo caetera non videbat, Jesum videbat. Vgl. oben S. 189,4 und die dort Anm. 3 verzeichneten Vergleichsstellen.

14. Pr. 70, DW III, S. 189,3-190,1
  Ich hân etwenne gesprochen, daz sant Augustînus sprichet: »dô sant Paulus niht ensach, dô sach er got". Nû kêre ich daz wort umbe, und ist wol bezzer, und spriche: 'dô er sach niht, dô sach er got'.
  Ich habe gelegentlich gesagt, Sankt Augustinus spreche: »Als Sankt Paulus nichts sah, da sah er Gott«. Nun kehre ich das Wort um, und so ist es wohl besser, und sage: »Als er sah das Nichts, da sah er Gott«. Das ist die erste Bedeutung des Wortes.

15. Pr. 17, DW I, S. 286,1-6
  Ez sint drî sache, war umbe diu sêle hazzen sol sich selber. Diu eine sache: als verre si min ist, sô sol ich sie hazzen; wan als verre si min ist, als verre enist si gotes niht. Daz ander: wan mîn sêle niht alzemâle in got gesast und gepflanzet und widerbildet ist. Augustinus sprichet: swer wil, daz got sin eigen si, der sol ê gotes eigen werden, und daz muoz von nôt sîn. Diu dritte sache ist: smecket diu sêle ir selber, als si sêle ist, und smecket ir got mit der sêle, dem ist unreht.
  Es gibt drei Gründe, weshalb die Seele sich selbst hassen soll. Der eine soweit sie mein ist, soll ich sie hassen; denn, soweit sie mein ist, soweit ist sie nicht Gottes. Der zweite (Grund): weil meine Seele nicht völlig in Gott gesetzt und gepflanzt und wiedergebildet ist. Augustinus sagt: Wer will, daß Gott sein Eigen sei, der muß zuvor Gottes Eigen werden, und das muß notwendig so sein. Der dritte Grund ist: Schmeckt die Seele sich selbst, wie sie Seele ist und schmeckt ihr Gott mit der Seele, so ist das unrecht.

16. Nullus deum possidebit, nisi ipse eum hic possiderit.

Büchner
Löser


Meister Eckhart und Augustins Confessiones
Ausgewählte Zitate aus dem Vortrag von Norbert Fischer

DW 1,263: »Ich hân ein wörtelîn gesprochen in dem latîne, daz liset man hiute in der epistel, daz mac man sprechen von sant Augustînus und von einer ieglîchen guoten, heiligen sêle, wie die sint gelîchet einem guldînen vazze, daz dâ ist veste und stæte und hât an im edelkeit alles gesteines.« (1)
[DW 1,492: "Ich habe ein Wörtlein gesprochen auf lateinisch, das liest man heute in der Epistel; das kann man auf Sankt Augustinus anwenden und auf eine jegliche gute, heilige Seele: wie die einem goldenen Gefäß gleichen, das da ist fest und beständig und die Kostbarkeit aller Edelsteine an sich trägt" (Pr. 16b)]

(1): »Nötiger wäre ein Lebemeister als tausend Lesemeister; aber lesen und leben ohne Gott, dazu kann niemand kommen. Wollte ich einen Meister von der Schrift suchen, den suchte ich in Paris und in den hohen Schulen hoher Wissenschaft. Aber wollte ich nach vollkommenem Leben fragen, davon könnte er mir nichts sagen.« Heidegger: »Im Ungesprochenen der Sprache ist, wie der alte Lese- und Lebemeister Eckehardt sagt, Gott erst Gott.«

1. Äußeres und Inneres

De vera religione 72 (LW 2,421): »noli foras ire, in te ipsum redi, in interiore homine habitat veritas«. ME: niemand finde die Wahrheit, der sie draußen sucht: »quam nemo invenit, qui eam foris quaerit«.

Sap 7,1 f. (LW 2,307): »sum quidem et ego mortalis homo similis omnibus et ex genere terreno illius qui prior finctus est et in ventre matris figuratus sum caro decem mensuum tempore coagulatus in sanguine ex semine hominis«. Denn auch ich bin ein sterblicher Mensch, ähnlich allen und aus dem irdischen Geschlecht jenes, der früher gebildet und im Bauch der Mutter geformt wurde, bin ich Fleisch, zehn Monate geronnen im Blute aus dem Samen des Mannes.

conf. 1‚2: »et quomodo invocabo deum meum, deum et dominum meum, quoniam utique in me ipsum eum vocabo, cum invocabo eum? et quis locus est in me, quo veniat in me deus meus? quo deus veniat in me, deus, qui fecit caelum et terram? itane, domine deus meus, est quidquam in me, quod capiat te? an vero caelum et terra, quae fecisti et in quibus me fecisti, capiunt te? an quia sine te non esset quidquid est, fit, ut quidquid est capiat te?« // 1,10: »non inveniendo invenire te potius quam inveniendo non invenire te.«

LW 2,421: »hominum vires intellectuales interiores«. Fortsetzung vera rel. 72: »et si tuam naturam mutabilem inveneris, transcende et te ipsum.« Gott sei dem Menschen innerlicher als sein Innerstes, höher als sein Höchstes conf. 3,11 : »tu autem eras interior intimo meo et superior summo meo.« DW 1,1,161 f.: »got ist der sêle næher, dan si ir selber sî«.

DW 1‚162: »Diu nâheit gotes und der sêle diu enhât keinen underscheit in der wârheit. Daz selbe bekantnisse, dâ sich got selben inne bekennet, daz ist eines ieglîchen abegescheidenen geistes bekantnisse und kein anderz. Diu sêle nimet ir wesen âne mittel von gote; dar umbe ist got der sêle næher, dan si ir selber sî: dar umbe ist got in dem grunde der sêle mit aller sîner gotheit.«
[DW 1,467: (Wie Sankt Augustinus sagt:) "Gott ist der Seele näher, als sie sich selbst ist. Die Nähe zwischen Gott und der Seele kennt keinen Unterschied (zwischen beiden), fürwahr. Dasselbe Erkennen, in dem sich Gott selbst erkennt, das ist eines jeden losgelösten Geistes Erkennen und kein anderes. Die Seele nimmt ihr Sein unmittelbar von Gott; darum ist Gott der Seele näher, als sie sich selbst ist; darum ist Gott im Grunde der Seele mit seiner ganzen Gottheit." (Pr. 10)]

DW 2,101: »Sant Augustînus sprichet: »got hât alliu dinc geschaffen, niht daz er sie lieze gewerden und gienge er sînen wec, mêr: er ist in in bliben.« Vgl. conf. 4,18: »non enim fecit atque abut, sed ex illo in illo sunt.« Vgl. 11,3: »qui securus curam nostri geris.« Weiterhin 4,10: »nisi ad aures tuas ploraremus, nihil residui de spe nostra fieret.«
[DW 2,657: "Sankt Augustinus sagt: »Gott hat alle Dinge geschaffen, nicht, daß er sie werden ließ und dann seines Weges gegangen wäre, sondern: er ist in ihnen geblieben«."]

DW 2,278: »Und alsô ist daz wont Augustînî ze verstânne, daz er sprichet: »swaz der mensche minnet, daz îst der mensche. Minnet er einen stein, er ist ein stein, minnet er einen menschen, er ist ein mensche, minnet er got nû engetar ich niht vürbaz gesprechen; wan spræche ich, daz er got danne wære, ir möhtet mich versteinen. Aber ich wîse iuch ûf die geschrift«.
[DW 2,688: "Und so ist das Wort Augustinus zu verstehen, wenn er sagt: »Was der Mensch liebt, das ist der Mensch. Liebt er einen Stein, so ist er ein Stein, liebt er einen Menschen, so ist er ein Mensch, liebt er Gott - nun wage ich nicht weiter zu sprechen; denn, sagte ich, daß er dann Gott wäre, dann könntet ihr mich steinigen. Ich aber verweise euch auf die Schrift«]
Der von Meister Eckhart verdeutschte und leicht erweiterte Text (Zusätze sind: das Beispiel der Liebe von Menschen; der Hinweis auf die Gefahr, gesteinigt zu werden) lautet bei Augustinus (ep. Io. tr. 2,14): »quia talis est quisque, qualis eius dilectio est. terram diligis? terra cris. deum diligis? quid dicam? deus eris? non audeo dicere ex me, scripturas audiamus: ego dixi, dii estis, et filii altissimi omnes [Ps 81,6].« Vgl. z.B. auch conf. 10,8-11.

2. Freiheit und Gnade

conf. 4,30: »profectus sum abs te in longinquam regionem«. DW 2,338: »Dâ von sprichet Augustînus: herre, dô ich mich verre von dir vant, daz enkam niht von der verre der stat, mêr: ez kam von der unglîcheit, dâ ich mich inne vant.« Predigt 93,133: »niht alsô verre, wan dû allenthalben bist, und niht daz ich dir verborgen wære, wan dû ailiu dine weist«.
Die Gnade erhebe dort, wo die Natur nicht hinreicht (LW 5,146): »illic elevat gratia, ubi non attingit natura«; sie entfiamme und erhebe die Natur erhebe (LW 2,19)»Gratia enim inspirat et allevat naturam«. S. th. I,22, 2 ad 1: »sic enim fides praesupponit cognitionem naturalem, sicut gratiam naturam, et perfectio perfectibile.«

LW 2,293f: »quicumque facit quod lex iubet, non peccat: peccat autem omnis qui facit contra legem.«
LW 5,146: »Et Augustinus dicit quod 'virtute nemo male utitur' et iterum: habe caritatem 'et fac quod vis'. 'Caritas' enim et virtus universaliter semper ad bonum est et 'finis praecepti est'. Vgl. lib. arb. 2,50 und ep. Io. tr. 7,8. DW 2,361 : »Nû sprichet sant Augustinus: ein guot mensche begert keines lobes, ez begert wol, lobes wert ze sînne.« Dazu vgl. conf. 10,61.

DW 1,19f.: »Swenne sich Jêsus mit dirre rîcheit und mit dirre süezicheit offenbâret und einiget mit der sêle, mit dine rîcheit und mit dirre süezikeit sô vliuzet diu sêle in sich selber und ûz sich selber und über sich selber und über alliu dine von gnâden mit gewalte âne mittel wider in ir êrste begin. Denne ist der ûzer mensche gehôrsam sînem innern menschen unz an sînen tôt und ist denne in stætem vride in dem dienste gotes alle zît.«
[DW 1,432 f.: "Wenn Jesus sich mit dieser Fülle und mit dieser Süßigkeit offenbart und mit der Seele vereinigt, so fließt die Seele mit dieser Fülle und mit dieser Süßigkeit in sich selbst und aus sich selbst und über sich selbst und über alle Dinge hinaus gnadenweise mit Macht ohne Mittel zurück in ihren ersten Ursprung. Dann ist der äußere Mensch seinem inneren Menschen gehorsam bis zu seinem Tod und ist dann in stetem Frieden im Dienste Gottes allezeit."]
DW 1,171: »Diu sêle, diu dâ stât in einem gegewertigen nû, dâ gebirt der vater in sie sînen eingebornen sun, und in der selben geburt wirt diu sêle widen in got geborn.« DW 2,244: »Ein innesîn und ein anehaften und ein einen mit gote, daz ist gnâde, und dâ ist got mite, wan daz volget zehant dar nâch: Got mir dir — dâ geschihet diu geburt.«

3. Zeit und Ewigkeit

conf. 4,19: »descendite, ut ascendatis et ascendatis ad deum«. conf. 11,17: »ut scilicet non vere dicamus tempus esse, nisi quia tendit non esse?«

conf. 11‚16 (zitiert in LW 5,123): »'anni' tui 'dies unus', et dies tuus non cotidie, sed hodie, quia hodiernus tuus non cedit crastino; neque enim succedit hesterno, hodiernus tuus aeternitas«. Die Zeit sei nichts, da sie Zahl ist (LW 5,81; mit Bezug auf Boethius): »tempus etiam, quia numerus, ideo nihil est«); Zeitliches sei nichts, besonders in vergleichender Hinsicht mit dem Ewigen (LW 5,109): »temporalia, maxime respecta aeternorum, nihil sunt«

LW 2,243: »Esse autem semper stat in uno; multa enim ut multa non sunt. Propter quod tempus, quia de sua ratione est numerus, non est extra in rebus, nec deus est in tempore. Quomodo enim esse, deus, esset in non ente et deus unus in numero?« LW 2,498: »Esse autem non novit praeteritum nec futurum, sed tantum praesens, praesto et actu ens.« Also sei die Zeit nicht (LW 2,630): »tempus non est.«

LW 1,468; vgl. civ. 13,10: »nihil est vitae huius tempus aliud quam cursus ad mortem«; »homo in isto corpore moriente potius quam vivente nunquam est in vita«, sed »in vita et in morte simul«.

LW 6,307 (Mt 6,33): »Boni enim primo amant et quaerunt caelestia et deinde temporalia«. DW 1,74: »got sante sînen sun in der vülle der zît der sêle, sô si alle zît vürgangen hât.« DW 1,179: »Als wir zît und zîtlich dine hân übertreten, sô sîn wir vrî und alle zît vrô, und denne ist vüllede der zît, und denne sô wirt der sun gotes geborn in dir.« DW 2,27: »ich lebe gerne«. Augustins Benennung des Ziels der eschatologischen Hoffnung (conf. 11,3): »regnum tecum perpetuum 'sanctae civitatis' tuae«.

1 Da ich leider auf der Veranstaltung nicht anwesend sein konnte, reduziert sich mein Beitrag diesmal auf die Wiedergabe des Programms und einige der Tagungsmaterialien, die mir Herr Weigand freundlicherweise übersandte.