Franziskaner

franz
Alphabetisch | Chronologisch *
Alexander von Hales
Angelus Clarenus
Berthold von Regensburg
Bonagratia von Bergamo
Bonaventura
David von Augsburg
Gonsalvus Hispanus

Johannes de Plano Carpini
Johannes Duns Scotus
Johannes von Erfurt
Marquard von Lindau
Michael von Cesena
Nikolaus von Lyra
Odoricus von Pordenone

Petrus Aureoli
Petrus Johannis Olivi
Roger Bacon
Ubertino da Casale
Wilhelm von Ockham
Wilhelm von Rubruk
Chronologisch | Alphabetisch *
13. Jh.
Johannes de Plano Carpini
Alexander von Hales
David von Augsburg
Wilhelm von Rubruk
Berthold von Regensburg
Roger Bacon
Bonaventura

Petrus Johannis Olivi
Gonsalvus Hispanus
13. / 14. Jh.
Johannes von Erfurt
Ubertino da Casale
Angelus Clarenus
Bonagratia von Bergamo
Johannes Duns Scotus

Michael von Cesena
Nikolaus von Lyra
Petrus Aureoli
Wilhelm von Ockham
14. Jh.
Odoricus von Pordenone
Marquard von Lindau
Autoren Dominikaner Franziskanerorden Frauen Namenregister

Swes leben ist wandelbaere,
des lêre ist lîhte unmaere.

Freidank, S. 92/93
Wer nicht fest und grad gesinnt,
dessen Lehren sind ein Wind.
Freidank 69,25
[30.11.04]

Johannes de Plano Carpini (Giovanni da Pian del Carpine)
  * bei Perugia ca. 1182, † Antivari ca. 1252
Missionar. - Bekannt durch seine Zentralasienreise, die er als Gesandter Innozenz' IV. zu den das Abendland gefährdenden Mongolen 1245-1247 im Interesse eines religiös-politischen Wunschprogramms (Bekehrung der Mongolen, Gewinnung anti-islamischer Bundesgenossen) unternahm. Von Lyon aus gelangte er über Breslau und Kiev zum Azov'schen Meer, von da über die Dsungarei bis in die Nähe der Residenzstadt Karakorum. Die Rückreise endete wieder in Lyon. Obwohl diplomatisch erfolglos, hat Johannes de Plano Carpini im Rahmen seines (geographisch wohl ungenauen) Reiseberichts (neun Bücher) die für das Abendland erste ausführliche und wertvolle, auf Eigenbeobachtungen basierende Beschreibung der Mongolei vorgelegt. M. Kratochwill, [LdM V, Sp. 594] [16.5.06]

Alexander von Hales
  * Hales Owen England ca. 1185, † Paris 21.8.1245
Doctor irrefragibilis. - Alexander studierte in Paris, war vor 1210 Magister artium und von ca. 1225 bis zu seinem Tod Magister regens der Theologischen Fakultät. In Paris bleibend wurde er ca. 1226/29 Kanoniker von St. Paul in London. Im Universitätsstreit (1229) vertrat er die Interessen der nach Angers ausgewichenen Studenten und Professoren. 1231 bei der römischen Kurie, wurde 1231 Domherr von Lichfield und Archidiakon von Coventry, lehrte aber seit 1232 wieder in Paris. Als Mitglied einer Gesandtschaft des englischen Königs Heinrich III. trat er bei Ludwig IX. von Frankreich für die Erneuerung der englisch-französischen Friedensverträge ein. Anfang des Schuljahres 1236/37 wurde er Franziskaner und gewann dadurch für den Orden den ersten Lehrstuhl an der Universität Paris (zugleich Beginn der »Franziskanerschule«). Ca. 1244/45 (?) unterzeichnete er als Dekan der Theologischen Fakultät ein Lehrdokument gegen die pantheistischen Tendenzen an der Pariser Universität. 1245 nahm er an dem Lyoner Konzil teil, das ihn als »magnus doctor theologiae« ehrte. Kurz danach starb er in Paris, betrauert von Kirche und Wissenschaft als »theologorum monarcha«.
  Werke: »Exoticon«, Schrift über Fremdwörter; »Sermones«; »Expositio ... super Regulam« (Mitarbeit), ed. 1950; »Glossae in IV libros Sententiarum«, 4 Bde, 1951-57; »Quaestiones«, 2 Bde, 1960; »Summa theologica«, 4 Bde, 1924-48: begonnen nach 1235, umfaßt sie bei seinem Tod Buch 1 (ohne Nachtrag: »De missione visibili»), Buch II (ohne Nachtrag: »De corpore humano et De coniuncto«); Buch III (unvollst). Auch Wilhelm von Melitona, zur Fortsetzung der Summa bestellt, konnte sie nicht vollenden. Erst in neuerer Zeit in ihrer Authentizität bezweifelt, ist sie von der fast einstimmigen handschriftlichen wie historischen Tradition und auch von der modernen Kritik als »Summa Alexandri« bestätigt worden, die Alexander in Mitarbeit anderer unter seiner Aufsicht erstellt hat. - Alexander ist der Begründer der scholastischen Methode im 13. Jahrhundert, der erste, der seinen theologischen Vorlesungen die Sentenzen des Petrus Lombardus zugrunde legte; seine Summa ist der großartige Versuch einer theologischen Synthese auf der Grundlage der augustinischen Tradition unter Benutzung der philosophischen griechischen, arabischen Literatur, v.a. Aristoteles (1222 Zitate). M. Mückshoff, [LdM I, Sp. 377 f.] [9.2.04]

David von Augsburg
  * Augsburg um 1200/10, † Augsburg 15. oder 19.11.1272
Theologe. - Um 1240 Novizenmeister in Regensburg, 1246 päpstlicher Visitator von Ober- und Niedermünster in Regensburg mit Berthold von Regensburg, sein Begleiter auf vielen Predigtreisen, beteiligt an der Inquisition gegen die Waldenser. Mit »De exterioris et interioris hominis compositione« verfaßte er eines der wirkungsmächtigstcn Lehrbücher der »methodischen Meditation«. Er übernimmt von Wilhelm von St. Thierry den dreifachen Weg als Grundmuster des Aufstiegs zum geistlichen Leben. Das 1. Buch widmet er den Beginnenden, den Novizen, das 2. richtet sich an die Fortgeschrittenen und lehrt eine Wiederherstellung der (augustinischen) Seelenkräfte ratio, voluntas und memoria, das 3. zeigt sieben Stufen zur Vollkommenheit auf; der siebte Schritt bietet eine mystische Theologie auf der Basis der Mystiker des 12. Jahrhunderts (Wilhelm, Bernhard von Clairvaux). Das »Compendium« ist breit überliefert (370 lat. Hss. bekannt) und in deutschen und niederländischen Übersetzungen verbreitet. Bedeutend ist der Einfluß auf die Devotio moderna; Johannes von Kastl benutzt es in »De adhaerendo Dei« und Johannes von Indersdorf in »Von dreierlei Wesen der Menschen«.
  Ob David deutsch geschrieben hat, ist umstritten. Einzig »die sieben Vorregeln der Tugend« sind für ihn bezeugt, daneben gelten eine Reihe anderer Schriften als echt oder zumindest als »davidisch« in Inhalt und Stil, nachgewiesen durch die Übereinstimmung mit dem lateinischen Werk. Um Davids Schriften bildete sich in Augsburg ein franziskanisch asketisch-mystisches Schrifttum in deutscher Sprache, das als einer der ersten Höhepunkte der volkssprachlichen theologischen Literatur zu gelten hat. V. Mertens, [LdM III, Sp. 604] [9.2.04]

Wilhelm von Rubruk
  * Rubruk bei Cassel (Nordfrankreich) zw. 1215 und 1220, † um 1270
Missionar. - Sein in der Vergangenheit mit Ruysbroeck in Brabant verwechselter Herkunftsort läßt flämischen Ursprung und Muttersprache vermuten. Anspielungen in seinem Werk lassen erschließen, daß er vor seiner Reise zeitweise in Frankreich gelebt hat, wo er in eine enge Verbindung zu König Ludwig IX. trat. Im Dezember 1248 war er auf Zypern, als Ludwig IX. dort eine Gesandtschaft von den Mongolen empfing. Am Hof des französischen Königs in Palästina begegnete Wilhelm sehr wahrscheinlich dem 1251 von seiner Missionsreise zu den Mongolen zurückgekehrten Andreas von Longjumeau OP. Im Auftrag des Königs unternahm Wilhelm 1253 eine Reise in die Mongolei. Nach der Abreise von Soldaia am Schwarzen Meer, mit vier Gefährten - unter ihnen dem Ordensbruder Bartholomäus von Cremona -, erreichte er 1254 den Hof des Großkhans Möngke bei Qara-Qorum (Karakorum), nachdem er sich im Feldlager des vermutlich christlichen Sartaq und in dem des Vaters Batu (Dschingis Chans Neffen) an der Mündung der Wolga aufgehalten hatte. Nach seiner Rückkehr (1255) zum Lector im Kloster St. Johannes bei Akkon berufen, berichtete er von dort dem König in der Form eines langen Briefes über seine Reise. Durch Roger Bacon ist bekannt, daß Wilhelm später nach Paris zog, wo sich die beiden kennenlernten (um 1257). Der Rest seines Lebens bleibt völlig unbekannt.
  Werk: Der aus 38 Kapiteln und einem Epilog bestehende Reisebericht Wilhelms wird in den erhaltenen Hss. Itinerarium, mit je verschiedenen Ergänzungen, genannt. Seine Überlieferung ist fast ausschließlich Bacon zu verdanken, der einige Abschnitte in sein Opus Maius einfügte: 4 der insgesamt 5 Hss. stammen aus Großbritannien. Der als Reisetagebuch aus der Ich-Perspektive erzählte Bericht wird oft unterbrochen von persönlichen Betrachtungen und Beschreibungen von Situationen und Begegnungen, die manchmal zu längeren Exkursen werden. Wilhelm erweist sich als genauer Beobachter der mongolischen Sitten, Kulte und Riten, darunter der des Schamanismus, und schildert sorgfältig - oft der enzyklopädischen auctoritas Isidors von Sevilla widersprechend - die geographischen Merkmale der bereisten Gegenden. Er erkennt die Verwandtschaft der slavischen Sprachen, beschreibt die chinesische Schrift (erstmals im Mittelalter, Pelliot - s. Kapr), den lamaistischen Reinkarnationsglauben und die chinesische Medizin und bewundert die Kraft und Ausdauer der Mongolen.
  Im Gegensatz zum schlichten, mehr an militär-politischen Zusammenhängen und Details interessierten Bericht Johannes' de Plano Carpini erweist sich das Itinerarium als eine unschätzbare Quellen historischer, ethnologischer, geographischer und religionsgeschichtlicher Informationen. C. Bottiglieri, [LdM IX, Sp. 184 f.] [16.5.06]

Berthold von Regensburg
  * Regensburg zw. 1210 und 1220, † ebd. (13.)14.12.1272
Prediger. - Theologiestudium in Magdeburg, Wander und Bußprediger (in deutscher Sprache. Seine Predigten wurden von seinen Schülern v.a. lateinisch aufgezeichnet) in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Ungarn; einer der Schöpfer der deutschen Prosa. [VoL 2, S. 179] [9.2.04]

Roger Bacon
  * um 1219 (traditionell um 1214) in oder bei Ilchester (Somerset, England), † um 1292.
Naturphilosoph und Theologe. - Nach dem Studium der lateinischen Klassiker wandte er sich in Oxford der aristotelischen Naturphilosophie und der Mathematik zu. Magister artium um 1240, in Oxford oder Paris. Wohl zwischen 1241 und 1246 las Roger in Paris über Aristoteles' Physik und Metaphysik sowie über die pseudoaristotelischen Schriften »De plantis« und »De causis«. Bei der Beschäftigung mit dem pseudoaristotelische »Secretum secretorum« wurde er inspiriert von der Idee, tiefer in die Fragen der Naturwissenschaft einzudringen, um sie für die Theologie nutzbar zu machen. Wohl um 1247 kehrte er nach Oxford zurück. In den folgenden zwanzig Jahren beschäftigte er sich mit naturwissenschaftlichen Arbeiten. Als überzeugter Anhänger des Sprachenstudiums erwarb er Kenntnisse des Hebräischen, Arabischen und Griechisch (Erstellung von Grammatiken).
  In Oxford stand Roger unter dem Einfluß von Robert Grosseteste (v.a. in den Werken zur Optik) sowie von Adam Marsh. Er wandte sich entschieden gegen die Auffassung Richards von Cornwall, der die Pluralität der Formen ablehnte; Rogers provokativer und nonkonformistischer Charakter begann sich zu artikulieren. Zwischen 1254 und 1257 wurde er des Joachimitismus (Joachim von Fiore) verdächtigt. Nach Eintritt in den Franziskanerorden in den 1250er Jahren wurde er um 1257 in den Pariser Konvent versetzt. Dort geriet er 1260 in Konflikt mit der Weisung Bonaventuras, nach der vor Veröffentlichung einer Schrift die Zustimmung der Ordensoberen einzuholen war, gewann aber 1263 die Gönnerschaft des Kardinals Gui de Foulques, der ihm nach seiner Papstwahl (1265: Clemens IV.) Schutz und Förderung angedeihen ließ. Bis 1268 legte er Clemens IV. auf dessen Aufforderung die drei großen Hauptwerke vor: »Opus maius«, »Opus minus« und »Opus tertium«, letztere mit Praefationen [Einleitungen], in denen Roger für die Reform der Wissenschaft und der Kirche eintrat; zu allen drei Werken verfaßte Roger noch Supplemente.
  Etwa zur selben Zeit schrieb Roger die »Communia naturalium« und »Communia mathematica«, 1272 sein »Compendium studii philosophiae«. Dieses Werk, das uns nur in seinem ersten Teil vorliegt, offenbart die streitbare Persönlichkeit seines Verfassers, der die Gesellschaft einer Kritik unterwirft, nicht zuletzt Franziskaner und Dominikaner (wegen ihres Versagens als Erzieher). Nach Clemens' Tod (1268) kehrte Roger wahrscheinlich für eine Zeitlang nach Oxford zurück, war aber in den späten 1270er Jahren wieder in Paris, wo er erneut vom Orden zensiert und schließlich gefangengesetzt wurde. Die Gründe hierfür sind im einzelnen nicht bekannt, naheliegend ist jedoch ein Zusammenhang mit dem Aristotelesverbot des Bischofs von Paris, Stephan Tempier (1277). Rogers Ordensgeneral, Cirolamo d'Ascoli (späterer Papst Nikolaus IV.) ließ über Rogers Werk verlauten, es enthalte »verdächtige Neuigkeiten«. Die letzte Lebensäußerung Rogers ist zu 1292 bekannt, als er an seinem Werk »Compendium studii theologiae« arbeitete. Es blieb unvollendet.
  Das »Opus maius« entwirft ein Ausbildungs- und Forschungsprogramm der Naturwissenschaft. Obwohl Roger hier einerseits die Bedeutung der 'scientia experimentalis' nachdrücklich hervorhebt, erkennt er andererseits die Existenz innerer mystische Inspiration bei der Wahrheitssuche an und ebenso die entscheidende Rolle der Mathematik bei der Präzisierung von Schlußfolgerungen. Mathematik beinhaltet für Roger auch Astronomie und Astrologie. Auch wenn Roger nicht als hochbegabter Mathematiker gelten kann, so entwickelte er doch eine interessante und einflußreiche geometrische Theorie der physikalische Wirkung (Physik und Naturphilosophie), die er mit Erfolg auf die theoretische Optik anwandte. (Neben Grosseteste waren Euklid, Ptolemäus, al-Kindi und Ibn al Haitam seine Hauptquellen) Der 5. Teil des »Opus maius«, der die Optik behandelt (d.h. die »Perspectiva«), ist in nicht weniger als 27 Hss. erhalten und wurde noch im 17. Jh. abgeschrieben. Rogers 'scientia experimentalis' wurde ganz offensichtlich nicht nur zum Wissenserwerb angewandt, sondern galt auch als Grundlage der Magia naturalis. Roger schrieb in diesem Sinne über den Magneteisenstein (natürlicher Magnet), Medizin, Alchemie, Landwirtschaft; durch seine vagen Vorstellungen von Unterseebooten, Flugmaschinen, Hebevorrichtungen, durch Radantrieb funktionierende Wagen und Schiffe gewann er postumen Ruhm als Seher.
  Er befürwortete nachdrücklich das Studium der Geographie, um so die Verbreitung des christlichen Glaubens (Mission) zu fördern. Im »Opus maius« erwähnt er die Möglichkeit, von Spanien nach Indien zu segeln, und er wird (allerdings ohne Namensnennung) von Pierre d'Ailly zitiert; diese Passage hat offenbar tatsächlich (wie aus einem Brief von Kolumbus an die Katholischen Könige von 1498 hervorgeht) die Entdeckungsfahrten des Kolumbus beeinflußt. Rogers Argumentation beruhte hier auf astronomischen Verzeichnissen der geographischen Breiten. Obwohl Roger sich wenig mit den technische Aspekten der Astronomie befaßte, soll er doch (über Paul von Middelburg) Einfluß auf Kopernikus ausgeübt haben. Seine Schriften zur Chronologie mit klugen Überlegungen zur Kalenderreform wurden oft zitiert. Letztlich beruht Rogers historische und wissenschaftshistorische Hauptbedeutung aber auf seinen philosophischen und methodologische Werken. Er förderte durch seine neuartigen Gedanken die Reform der naturwissenschaftlichen Forschungsmethoden und trug maßgeblich zu einer Abkehr vom exzessiven Glauben an Autoritäten bei, blieb jedoch in seiner Weltsicht im Kern scholastisch. J. D. North, [LdM VII, Sp. 940 f.]
  Er beschreibt die Herstellung von Schießpulver in einem Traktat mit dem Titel De secretis operibus artis et naturae aus Kaliumnitrat, Holzkohle und Schwefel unter Beimischung von Salpeter, was erstmals um 1250 gelingt. Bis einigermaßen treffsichere Schusswaffen und Mörser gebaut werden können, werden noch etwa 200 Jahre vergehen. [E2J, S. 79]
  Auch heutige Gelehrte kämpfen mit den schwierigen Anagrammen und der kryptischen Sprache Bacons, in denen dieser seine Formel verbarg.
  Bacons Werke sind bis heute noch nicht vollständig ediert (geschweige denn, das eine neuhochdeutsche Übersetzung vorläge). Selbst zumindest des Griechischen und Hebräischen mächtig, machte er keinen Hehl aus seiner Geringschätzung heute hochgeachteter Übersetzer:

  Während es unerläßlich ist, daß ein Interpret die Wissenschaft, die er zu übersetzen trachtet, und die zwei Sprachen, von welchen und in welche er übersetzt, vorzüglich kennt, kannte doch nur Boethius, der erste Interpret, wirklich die Macht der Sprachen, und nur Herr Robert [Grosseteste], welcher der mit dem großen Haupt genannt wird, kürzlich [1235] Bischof von Lincoln geworden, kannte die Wissenschaften. Manch anderen Mittelmäßigen wie Gerard von Cremona, Michael Scotus, Alfred dem Engländer und Hermann dem Deutschen [Alemannus, † 1272, übersetzte u.a. Aristoteles' 'Nikomachische Ethik' aus dem Arabischen ins Lateinische], die wir in Paris gesehen haben, mangelte es sehr an den Sprachen und in den Wissenschaften, wie derselbe Hermann von sich selbst und den anderen einbekannte. Und ihre Übersetzung zeigt dies. [Opus maius, ed. Bridges, III, 82; zitiert nach: George Molland, Roger Bacon und die hermetische Tradition in der mittelalterlichen Wissenschaft, in: Florian Uhl (Hg.), Roger Bacon in der Diskussion II, Lang Frankfurt am Main u.a. 2002, S. 236]
[15.11.04]
Lit.: Hans Bauer, Der wunderbare Mönch, Koehler & Amelang Leipzig 1963 und Michael Kuper, Roger Bacon. Der Mann, der Bruder Williams Lehrer war, Zerling Berlin 1996

Bonaventura (Johannes Fidanza)
  * Bagnorea um 1221, † Lyon 15.7.1274
Theologe, Philosoph und Mystiker. - Seit 1243 Franziskaner, seit 1257 Generalminister des Ordens. 1273 Kardinalbischof von Albano. - Neuplatoniker und Augustinist, setzte sich aber auch mit Aristoteles auseinander. Sein Hauptwerk ist der "Sentenzenkommentar" (1248 begonnen). Nach ihm steht der menschliche Intellekt mit den ewigen Wahrheiten in Berührung. theologische Hauptwerke: "Quaestiones disputatae", "De reductione artium ad Thelogiam" (beste Einleitung des Mittelalters in die Theologie), "Collationes in Hexaëmeron" (über die Schöpfung [1273]; nur in Nachschriften erhalten), "Itenerarium mentis in Deum" (1259). Dieses Werk schildert den Aufstieg der Seele zu Gott in sechs Stufen, die sechs Seelenkräften entsprechen. Er wirkte weit bis in die Neuzeit durch seine mystischen Schriften, besonders auf Seuse, Gerson und Franz von Sales. [VoL 2, S. 332 f.] [17.3.00]

Petrus Johannis Olivi
  * Sérignan (Languedoc) 1247/48, † Narbonne 14.3.1296
Prediger und Theologe. - Trat früh in den Konvent in Béziers ein, studierte in Paris, u.a. bei Bonaventura, und wirkte später in Narbonne und Montpellier als Theologe und Prediger. Er wollte nicht den Magistertitel erreichen, da er ihn mit der franziskanischen Demut für unvereinbar hielt.
  Unter dem Einfluß der Spiritualenbewegung in Südfrankreich nahm er die Ideen des Joachim von Fiore auf, eiferte für die evangelische Vollkommenheit (Armut) des Ordens und für die Erneuerung der Kirche. 1279 wurde er erstmals wegen dieser Ideen beim Ordensgeneral Girolami d'Ascoli (später Nikolaus IV.) angezeigt, konnte sich jedoch rechtfertigen. 1282 wurden von 7 Pariser Franziskaner-Theologen in der "Littera septem sigillorum" aus seiner Sentenzenerklärung eine Reihe von theologischen Sätzen inkriminiert, die er 1283 im Gehorsam widerrief. 1287 rief ihn der Generalminister Matthaeus von Acquasparta als Lector an das Ordensstudium San Croce in Florenz; 1289 lehrte er in Montpellier und Narbonne mit großem Einfluß auf die Spiritualen. Der durch Olivi ausgelöste theologische Streit um das Verständnis der (komplexen) Leib-Geistseele-Einheit des Menschen war der Anlaß, aber nicht der Grund für die Lehrentscheidung des Konzils von Vienne. Seine "Lectura super Apocalipsim" wurde aufgrund von theologischen Gutachten 1326 von Johannes XXII., einem entschiedenen Gegner der Spiritualen, als häretisch verurteilt. L. Hödl / E. Pásztor, [LdM VI, Sp. 1976 - gekürzt] [4.7.03]

Gonsalvus Hispanus
   * Galicien (Balboa) um 1255, † Paris 13.4.1313
Theologe. - 1302-03 Magister regens in Paris. Wegen seiner Gegnerschaft zu Philipp IV. mußte er 1303 Frankreich verlassen. Von 1304 bis zu seinem Tod war er Ordensgeneral. Schwerpunkte seines Wirkens waren die Reform des Ordens, der Kampf gegen die Spiritualen und die Förderung der Studien. Seinen ehemaligen Schüler Johannes Duns Scotus schlug er 1304 für das Magisteramt an der Universität Paris vor. K. Reinhardt, [LdM I, Sp. 1361] [4.7.03]

Johannes von Erfurt (J. Alamannus, J. de Saxonia, J. de Herfordia)
  * (Erfurt ?) um 1250, † Erfurt (?) um 1320
Kanonist und Theologe. - 1275 als Lektor der Franziskaner in Erfurt nachweisbar, ca. 1280 bis mindestens 1295 Lektor in Magdeburg; dann wieder in Erfurt. Sein Anliegen, Rechtshilfe den Beichtvätern zu leisten, führte u.a. zur »Tabula iuris utriusque« und zur mehrfach überarbeiteten »Summa Confessorum«, die originell die Rechtsmaterie den sieben Lastern und dem Dekalog zuordnet. Johannes unterstützte eine dezentrale Kirchenpolitik und eine humane Auslegung des Kirchenrechts. Er verfaßte u.a. einen Sentenzenkommentar (nach 1294) und eine Kurzfassung des »Libellus in Britonem« (um 1309). N. Brieskorn, [LdM V, Sp. 574] [7.2.04]

Ubertino da Casale
  * Casale Monferrato (Piemont) 1259, † nach 1328
Prediger und Theologe. - Er verfaßte die religiöse, mystisch-apokalyptische Schrift in fünf Büchern und zwei Prologen (der erste autobiographisch), "Arbor vitae crucifixae Jesu" (1305). Seit 1306 war er in Italien und an der Kurie in Avignon. 1310-11 verteidigte er die Spiritualen vor der Kommission von Kardinälen, die Clemens V. einberufen hatte, und verfaßte zahlreiche Kleinschriften über die Abweichungen von der ursprünglichen Regel und zur Verteidigung von Olivis Andenken. Trotz der Verurteilung der Spiritualen und seiner eigenen formalen Eingliederung in die Abtei Gembloux (1317) griff er in die Polemik zwischen Johannes XXII. und der Leitung des Franziskanerordens über den Wert der freiwilligen Armut zur Erreichung der evangelischen Vollkommenheit ein: In dem "Tractatus de altissima paupertate" (1322) suchte er Olivis Position zum "usus pauper" wiederzubeleben (das Armutsgelübde bedeute nicht nur den Verzicht auf Eigentum, sondern auch den nur eingeschränkten Gebrauch verfügbarer Güter). G. L. Potestà, [LdM VIII, Sp. 1169] [4.7.03]

Angelus Clarenus
  * Chiarino Mitte des 13. Jhs., † 15.6.1337
Missionar, Spiritualer. - Stammte aus bäuerlicher Familie und wurde unter dem Namen Pietro da Fossombrone Minderbruder. Während seines ganzen Lebens Diakon, vertrat er den strengsten Rigorismus und erregte dadurch heftige Gegnerschaft, so daß er eingekerkert und um 1289 als Missionar nach Armenien gesandt wurde. Nach seiner Rückkehr erhielt er von Papst Coelestin V. die Erlaubnis, eine Gruppe zu bilden, die jedoch von Bonifatius VIII. aufgelöst wurde und 1295 nach Griechenland floh. 1305 kehrte er zurück. Nach einem (zweiten) Prozeß 1311 während des Kampfes gegen die Spiritualen, nach dem Konzil von Vienne und dem Tode von Clemens V. sah er sich schließlich gezwungen, Mönch zu werden. Seitdem wirkte er als bedeutender geistiger Leiter der Spiritualen auf der Linie des Petrus Johannis Olivi. 1334 mußte er vor den Verfolgungen durch die Inquisition erneut fliehen und suchte in Aspro Zuflucht, wo er dann starb. Außer seiner bedeutenden Verteidigungsschrift der Spiritualen ("Historia septem tribulationum") hinterließ er auch eine Briefsammlung, die das vielleicht aussagekräftigste und wichtigste Epistolar des religiösen Lebens im 13. Jh. darstellt. R. Manselli, [LdM I, Sp. 627] [4.7.03]

Bonagratia von Bergamo
  * (Bergamo) 1265, † 19.6.1340
Jurist, (Politiker). - Bonagratia änderte seinen weltlichen Namen B(u)oncortese bei seinem Ordenseintritt als Laienbruder im Jahr 1310. Seine vorzügliche juristische Bildung - er war Magister in utroque iure - läßt an eine Spätberufung denken. Er zeichnete sich allerdings sehr rasch, bereits kurz nach seinem Eintritt, unter seinen Mitbrüdern anläßlich der Dispute am Vorabend des Konzils von Vienne aus. Ein entschiedener Verteidiger der Kommunität, führte er eine Polemik von äußerster Erbitterung und Schärfe gegen Ubertino da Casale, das Sprachrohr der Spiritualen.
  In der Diskussion, die von beiden Seiten sehr hart geführt wurde, beschuldigte Bonagratia die Gegenseite des Ungehorsams, der Disziplinlosigkeit und nicht zuletzt der Unlogik, da sie Entscheidungen bekämpfte, die sie selbst, als die Führung des Ordens in ihren Händen lag, getroffen hatte (dies war v. a. ein Angriff auf das Generalat von Raymondus Gaufridi). Schließlich warf er den Spiritualen sogar vor, eine Infiltration der Häresie des Freien Geistes (Brüder und Schwestern des Freien Geistes) zu begünstigen. Nach der in gewisser Weise salomonischen Entscheidung des Konzils von Vienne in dem Streit zwischen Kommunität und Spiritualen wurde Bonagratia isoliert und praktisch in den Konvent Valcabrère bei Auch verbannt (31. Juli 1312). Nach dem Tode von Clemens V. 1314 kehrte er wieder in die Öffentlichkeit zurück und setzte seine unversöhnliche Anklage der Spiritualen bei dem neuen Papst Johannes XXII. fort, der einige seiner Beschuldigungen aufnahm.
  Als jedoch die Verfolgung der Spiritualen begann und Johannes XXII. die These der totalen Armut Christi und der Apostel als Glaubenswahrheit verwarf, entschloß sich Bonagratia, der das Vertrauen des neuen Ordensgenerals Michael von Cesena gewonnen hatte, zusammen mit diesem Avignon zu verlassen und zu Ludwig dem Bayern zu gehen, der sich zu dieser Zeit in Pisa befand. Dort trafen die beiden am 26. Mai 1328 mit dem Kaiser zusammen. Danach blieb Bonogratia im Gefolge Ludwigs und arbeitete bei der Abfassung von antipäpstlichen Schriften mit, was ihm, ebenso wie Michael von Cesena und Wilhelm von Ockham die Exkommunikation eintrug. Bonogratia, der während des Italienzuges von Ludwig dem Bayern in Rom den Gegenpapst Nikolaus V. unterstützt hatte, blieb dem Kaiser treu ergeben und hielt an seinen Ideen bis zu seinem Tode fest. Er ließ dabei keine Gelegenheit verstreichen, Johannes XXII. anzugreifen, und trug dazu bei, den Papst in der bekannten Frage der visio beatifica (Anschauung Gottes) der Häresie anzuklagen. Neben seinem bereits erwähnten polemischen Schrifttum gegen die Spiritualen und gegen Johannes XXII. ist auch auf ein juristisches Werk, »Casus papales et episcopales cum explanatione praedicatorum«, hinzuweisen.
  Ein kämpferischer und polemischer Geist mit sichtlicher Lust am Widerspruch, war sich Bonogratia anfänglich der Folgen, die seine Angriffe auf die Spiritualen haben konnten, nicht bewußt und erkannte auch die möglichen Gefahren nicht gleich, die die Haltung Johannes XXII. für die tiefsten Werte des Franziskanerordens mit sich bringen konnte. Seine Erkenntnis kam zu spät, so daß er mit Michael von Cesena, Wilhelm von Ockham und einigen anderen in eine Isolation geriet, aus der er sich durch das Eintreten für die politischen Ideen Ludwigs des Bayern vergeblich zu befreien trachtete. R. Manselli, [LdM II, Sp. 400 f.] [8.10.04]
  (Vgl. Artikel: Eduard Winter, Ketzerschicksale)

Johannes Duns Scotus
  * Maxton (Duns ?)(Schottland) um 1265/66, † Köln 8.11.1308
Philosoph und Theologe. - Um 1280 Franziskaner, 1291 Priester, lehrte 1297-1301 in Cambridge und Oxford, dann in Paris und seit 1307 in Köln. Er versuchte Traditionen des Augustinismus mit dem Aristotelismus zu verbinden. Mit seinem Individuationsprinzip, der "Haecceitas" (Diesheit) rückte er - im Unterschied zu Platon, Aristoteles und Thomas von Aquin - die Erkenntnis des Individuellen, der individuellen (konkreten) Dinge in den Vordergrund, die nach ihm unmittelbar erkennbar sind. Dem Willen, dessen Freiheit er hervorhob, nicht dem Intellekt komme (vor allem in der Ethik) die Vorrangstellung zu, Glaube und Wissen sind für ihn nicht identisch mit Theologie und Philosophie. - Wegen seiner scharfsinnigen Kritik erhielt er den Beinamen "Doctor subtilis". [VoL 3, S. 360] [17.3.00]

Michael von Cesena
  * Cesena ??, † München 29.11.1342
Ordensmeister. - Der Zeitpunkt seines Ordenseintritts ist unbekannt. Nach Erwerb des Magistertitels in Paris wurde Michael 1316 zum Generalminister gewählt. Unmittelbar nach seiner Wahl erließ er gemeinsam mit den Definitoren neue Generalkonstitutionen (Assisi 1316). In den ersten Jahren seiner Amtsführung, die von der Verurteilung der Spiritualen und Fratizellen durch Johannes XXII. und den ersten Hinrichtungen von Spiritualen der Provence auf dem Scheiterhaufen (Marseille 1318) geprägt waren, ging Michael konform mit der Politik der Kurie (z.B. Verurteilung von Olivis Thesen). Als Johannes XXII. jedoch das Fundament der franziskanischen Armut, die These, daß Christus und die Apostel weder individuelles noch gemeinsames Eigentum besessen hätten, verurteilte, organisierte Michael den Widerstand gegen die Position des Papstes: Das Kapitel bekräftigte im Juni 1322 in Assisi die traditionelle Auffassung des Ordens in der Armutsfrage. Nach Avignon zitiert, floh Michael [im Mai 1328] von dort zusammen mit Wilhelm von Ockham und Bonagratia von Bergamo zu Ludwig dem Bayern nach Pisa. Von diesem Zeitpunkt an übte Michael großen Einfluß auf die ideologische Fundamentierung der Politik des Kaisers aus, der z.T. von den Theorien des Marsilius von Padua abrückte und die Polemik der Franziskaner gegen den Papst übernahm. Michael, der sich stets geweigert hatte, den von Ludwig dem Bayern ernannten Gegenpapst anzuerkennen, versuchte stattdessen, ein Konzil zu organisieren (1334), das die Kontroverse schlichten sollte, wobei er seine guten Beziehungen zum Hof von Neapel und zu Kardinal Napoleone Orsini nutzte. Seine Thesen werden v.a. in den Dokumenten der Jahre 1328 (Appellatio maior et minor) und 1330 deutlich; Michael bekräftigte sie jedoch auch 1338 durch eine Verurteilung Benedikts XII., der von den Positionen seines Vorgängers Johannes XXII. nicht abgerückt war. Nach Michaels Tod sind Gruppen von Michelisti in Neapel, im Veneto und in Mittelitalien belegt. Die Gruppen, die sich im 15. Jh. auf ihn beriefen, standen jedoch seinen Positionen sehr ferne und strebten nach einer völligen Erneuerung der christlichen Welt. G. Barone, [LdM VI Sp. 603 f.] [8.10.04]
  (Vgl. Artikel: Eduard Winter, Ketzerschicksale)

Nikolaus von Lyra
  * Lyre (= La Neuve-Lyre, Eure) um 1270, † Paris 16.(23.?)10.1349
Theologe. - Franziskaner (seit 1300). - Prof. der Theologie in Paris; seine Postilla litteralis (erschienen 1471/72) gehörte zu den verbreitetsten und einflußreichsten Bibelkommentaren. [VoL 8, S. 293] [17.3.00]

Petrus Aureoli
  * Quercy/Gourdon (Südfrankreich) um 1280, † Avignon oder Aix 10.1.1322
Doctor facundus. - Jugendfreund von Johannes XXII., Lehrtätigkeit 1312 in Bologna, 1314 in Toulouse und 1316-20 in Paris, hielt dort 1319/20 ein Quodlibet; 1320 Wahl zum Provinzial von Aquitanien, Anfang 1321 Ernennung zum Erzbischof von Aix. Aus seinem enorm beachteten Sentenzenkommentaren ragt seine subtile, viel bekämpfte, aber bei Nikolaus von Autrecourt, Johannes de Ripa und Johannes Capreolus rezipierte Lehre vom esse apparens hervor. Danach ist Erkennen weder die subjektive Rezeption der intelligiblen Form der Sache noch die intellektuale Produktion einer realen Form naturhaften Seins (Forma specularis-Theorie des Hervaeus Natalis), sondern ein Erzeugen und Setzen des erkannten Gegenstandes, insofern er erscheint, in ein neben das göttliche Erkanntsein und das reale naturhafte Sein des Erkannten gestelltes objektives Sein (esse obiectivum). Diese neue Verhältnisbestimmung von Erkennendem, Sache und Begriff will ebenso die trinitarische Struktur des vernunftbegabten Seienden aufdecken. M. Laarmann, [LdM VI, Sp. 1962] [7.2.04]

Wilhelm von Ockham
  * Ockham (Surrey) um 1280/85, † München nach 1347/49
Theologe und Philosoph. - Beiname doctor invincibilis ("unbesiegbarer Gelehrter"). Ab 1309 Student in Oxford, später Magister Theologiae (1321). Vom Oxforder Kanzler Lutterell der Häresie angeklagt, wurde er nach Avignon vor Papst Johannes XXII. zitiert und festgesetzt; er floh 1328 zu Ludwig IV., dem Bayern, nach Pisa, ging später mit dem Kaiser nach München und wurde dessen Beistand im Kampf mit den Päpsten; in München entstanden die Schriften über Kirche und Staat (Summa logicae). - Ockham war Haupt der Via moderna, die Glauben und Wissen zu trennen suchte, und die Fähigkeit der Vernunft, Übersinnliches zu erkennen, leugnete. Der Glaube kann deshalb nur mit der Autorität der Kirche begründet werden, deren Entscheidungen als willkürlich angesehen werden müssen. Im Universalienstreit wandte er sich gegen jeden Realismus: die Allgemeinbegriffe sind Zeichen ("Termini"), die außerhalb der Seele keine Realität haben. Durch die Trennung von Theologie und Philosophie wurde die "via moderna" Ausgangsort der modernen Philosophie. [VoL 8, S. 398]
  Gegner der Scholastik. Diese versuche, das Pferd vom Schwanz her aufzuzäumen, indem sie aus allgemeinen Begriffen (z.B. Gott) die Individualität herleiten wolle. Das Wirkliche sei aber das Einzelne, das von der Vernunft benennbar sei. Die Theologie, ebenso Gott und die kirchlichen Dogmen, entziehe sich jeder logischen Überprüfung, weil theologische Urteile nicht durch die Erfahrung belegbar seien. Diese Philosophie führte noch nicht zu seiner Verfolgung, sondern erst seine Papstkritik: "Der Papst ist nicht befugt irgendein menschliches Wesen seiner natürlichen Rechte zu berauben..." [E2J, S. 88]. [17.3.00]
  (Vgl. Artikel: Eduard Winter, Ketzerschicksale)

Odoricus von Pordenone
  * Pordenone (Friaul) 1285, † (Padua) Januar 1331
Missionar. - Im Mai 1330 diktierte er in Padua den Bericht über eine kurz zuvor beeendete mehrjährige Asienreise. Nur wenige Daten zu seiner Person sowie zur Reise selbst sind quellenkritisch gesichert. Um 1322 erreichte er über die Seeroute Tana (Bombay) und im weiteren Verlauf das von der mongolischen Yüan-Dynastie beherrschte China, wo er sich drei Jahre in Cambalec (Peking) aufhielt. Ein erheblicher Teil des Berichts gilt der Beschreibung des Reiches des Großkhans. Die älteste Version des Textes erstellte Wilhelm von Solagna in lateinischer Sprache nach dem Diktat des Reisenden. R. Jandesek, [LdM VI, Sp. 1362 - gekürzt]
  Odorico unternimmt große Asienreise: Konstantinopel, Bagdad, Indien, Sunda-Inseln, China; zurück durch Innerasien. [Stein, S. 583] [17.10.04]

Marquard von Lindau
  * (Lindau) 1320/30, † (Straßburg) 13.8.1392
Theologe. - Kustos der Konstanzer Kustodie, ab 1389 Provinzial in Straßburg. Verfasser zahlreicher lateinischer und deutscher Schriften Sein lateinisches Hauptwerk »De reparatione hominis«, legt in 30 articuli die Heilsgeschichte aus, wobei v.a. Augustinus, Anselm von Canterbury, Hugo von Saint-Victor, Bonaventura, Meister Eckhart und Nikolaus von Lyra zu Wort kommen. In »De paupertate« identifiziert er Armut im Sinne Bonaventuras mit nuditas und in Anlehnung an Meister Eckhart mit abegescheidenheit. Sein »Buch der 10 Gebote«, im Spätmittelalter zu den einflußreichsten deutschen religiösen Prosatexten gehörend, fußt v.a. auf dem Traktat »De X praeceptis« des Heinrich von Friemar d. Ä: und bietet eine christliche Lebenslehre mit tiefen mariologischen und mystischen Perspektiven. In vielen Hss. ist sie zugleich überliefert mit dem »Auszug der Kinder Israel«, einer deutlich an »Benjamin minor« des Richard von St-Victor orientierten allegorisch-mystischen Auslegung der Geschichte der Israeliten. Insgesamt betrachtet geht es Marquard v.a. um die Frage nach der Vollkommenheit, die zu erlangen dem Menschen in statu gratiae (auf-)gegeben ist. Die via negativa des Ps.-Dionysius Areopagita wird kritisch als gelazenheit und mystisch erstorbenheit entfaltet. Sie verdichtet sich in tiefer Leidensmystik. Angestrebt wird letztlich die Vereinigung mit dem armen, demütigen und leidenden Gott-Menschen. Marquards Schriften und Predigtsammlungen verbreiteten sich rasch und beeinflußten die Devotio moderna. M. Gerwing, [LdM VI, Sp. 322] [5.2.04]