Bauwesen

bau
Chartres (Kath.)
Compostela (Kath.)
Gotik
Kölner Dom
Predigerkirche Erfurt
Romanik
(Abteikirche) Saint Denis
(Dom) Speyer
Stabkirche
Straßburger Münster
Turm von Pisa

Chronik: 11., 12., 13., 14. Jh.

Allgemeine Entwicklung

Artikel Bauhütten

Zer werlde niht geschaffen ist,
daz staete si ze langer frist.

S. 46 f.
Swer zwei werc miteinander tuot,
diu werdent selten beidiu guot.

Freidank, S. 146 f.
Was für die Welt geschaffen ist,
das geht zugrund' in kurzer Frist.
33,2
Wenn man zwei Ding' auf einmal tut,
dann werden niemals beide gut.
Freidank 115,10
[27.11.04]

Chronik

11. Jahrhundert
12. Jahrhundert
13. Jahrhundert
14. Jahrhundert Alle Angaben: [Stein] (Seite)

Allgemeine Entwicklung

  Das Bauwesen im betrachteten Zeitraum erfährt seine Ausgestaltung im wesentlichen durch die kirchlichen Gebäude. In den Dörfern und Gemeinden ist Holz das bevorzugte Material; Backsteinbauten entstehen erst im 13. Jahrhundert (in Norddeutschland bereits ab dem 12. Jahrhundert), vor allem als Rathäuser in den neu entstehenden Städten. Im wesentlichen bestimmen zwei Stilrichtungen die Gestaltung: die (erst seit dem 19. Jahrhundert so genannte) Romanik und die nachfolgende Gotik. Eine Besonderheit stellen die norwegischen Stabkirchen dar.

Die Romanik

  umfaßt die Zeit von etwa 1000 bis in die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, wobei sich allerdings in Frankreich die Gotik schon viel früher durchgesetzt hat. In Deutschland pflegt man noch die karolingische und die ottonische Kunst dagegen abzusetzen. Hauptländer sind Deutschland, Frankreich und Italien (besonders die Lombardei). Selbstverständlich kam es überall zu nationalen Varianten. (Zur Früh-R. rechnen die ottonische Kunst und der normannische Baustil; die Hoch-R. - in Frankreich 1000-1150, in Deutschland 1050-1150 - wird in Deutschland auch als salische Kunst bezeichnet, die Spät-R. auch als staufische: 1150-1250. [VoL 9, S. 667] Das heißt, zu Meister Eckharts Zeit war die Gotik der vorherrschende Stil).
  Gegenüber der vorromanischen Kunst, die noch keine fest und überall durchgreifende Struktur besitzt und in der antike, orientalische und nordische Formelemente in den verschiedensten Mischungsverhältnissen und Verbindungen, gegenseitigen Steigerungen und Abschwächungen in einer überaus komplizierten, bis heute noch nicht annähernd geklärten Weise zusammenwirkten, ist in der Romanik. diese Festigung der Struktur eingetreten, da die Werke fast ausschließlich welche der kirchlichen Kunst sind, die hier in einer hieratischen Strenge auftritt, die erst in der Gotik eine Milderung erfahren sollte.
  Die größte Leistung, bei der die Merkmale der Romanik am klarsten und eindeutigsten zu fassen sind, zeigt sich in der romanischen Basilika, die nicht wie die gotische auf durchgreifende Einheit aus ist, vielmehr einen Gruppenbau darstellt, der sich aus Teilgebilden zusammensetzt, die innen und außen sehr genau als solche von einander unterschieden werden. Alles ist auf Wucht und Schwere angelegt, die Mauern haben eine Stärke, die über das konstruktiv Erforderliche oft weit hinausgeht. Auch alle Einzelglieder sind in dieser Schwere und Massigkeit gehalten. Dabei ist ein wichtiger Zug der Wechsel runder (zylindrischer) und rechtflächiger (kubischer) Formen. Einer der größten Triumphe ist die um 1100 beginnende Einführung der Wölbung (Kreuzgrate, später Kreuzrippen auf mächtigen Pfeilern und Säulen, in Frankreich auch Tonnen oder Kuppeln) des gesamten Innenraums im bisher meist flach gedeckten Mittelschiff. Zur dekorativen Bereicherung des Baus hat die Romanik eine gegen sein Ende immer mehr zunehmende Fülle von Zierformen ausgebildet, wie denn überhaupt die Spätromanik zu den im Ornament schöpferischsten Zeiten gehört. [WdK, S. 552 f.]
  Die romanischen Kirchen bekunden ein eigentümliches Verhältnis zum Stein (...) diese Epoche hat die Natur des Steines, seine Schwere und Mächtigkeit, bejaht und geliebt (...) so erfährt der Gläubige in der romanischen Kirche ein besonderes Erlebnis der Heiligung. Er wird durch die schwere Mächtigkeit zu demütiger Scheu in die Knie gezwungen. Denkt man sich zu der Gewalt der massiven Mauern noch die drohenden Bestien hinzu, die an Portalen, Kapitellen und Friesen die Dämonen durch ihre Darstellung bannen, und die heiligen Gestalten, die in unzugänglicher Hoheit, mit maskenhaft verschlossenen Mienen, noch keinem einfühlenden Verstehen zugänglich, auf den Altären thronen, so wird deutlich, daß die Kirche als ein Ungeheures und überwältigendes Scheu und Demut weckt. [KKE, S. 33] [17.3.00]

Die Gotik

  Das Entstehungsgebiet der Gotik ist die Île de France, wo mit dem Bau der Abteikirche Saint Denis (1137-44) die Grundlage für den sich über ganz Europa ausbreitenden Stil geschaffen wurde. Elemente, die der romanischen Baukunst schon bekannt waren (Kreuzrippengewölbe, Dienst, Spitzbogen, Strebewerk, Doppelturmfassade), wurden hier zum ersten Mal in einen Zusammenhang gestellt, der eine Durchlichtung und Höhensteigerung der Räume ermöglichte. Der romanische Grundriß der Querhausbasilika wurde beibehalten, der Innenraum jedoch zu einer Raumeinheit verschmolzen, die Seitenschiffe im Chorumgang weitergeführt. Die klassischen französischen Kathedralen der Hochgotik (Chartres, nach 1194 ff.; Reims, 1211 ff.; Amiens, 1220 ff.) entwickelten das offene Strebewerk und das Maßwerk, das die Auflösung der Wände zwischen den Stützen im Innenraum ermöglichte; dadurch wird der für die Gotik typische Eindruck von Schwerelosigkeit hervorgerufen. - Durch den Austausch von Baumeistern und Handwerkern zwischen den Bauhütten in Europa breitete sich die Gotik rasch aus, erfuhr jedoch in den verschiedenen Ländern selbständige Ausprägungen. Ausgehend von der französischen Frühgotik entwickelte England einen gotischen Stil, bei dem die architektonische Struktur mehr und mehr von reinen Schmuckformen überdeckt wurde (Decorporated style, um 1250-1350). Aus dieser Sonderform erhielt wiederum die französische Spätgotik (Flamboyant-Stil) wesentliche Impulse.
  Für die deutsche Gotik, die einzelne Bauten in enger Anlehnung an die französischen Vorbilder hervorbrachte (u.a. Köln, Domchor, 1248 ff.) wurde besonders in den Stifts- und Pfarrkirchen die Vorliebe für großflächige, kaum gegliederte Wände und die Einturmfassade charakteristisch (Freiburg im Breisgau, um 1235 ff.). Seit Mitte des 14. Jahrhunderts wurde die Hallenkirche der bestimmende Kirchentypus. In Italien spielte die Bettelordensarchitektur, die einen Gegenpol zur französischen Kathedral-Gotik bildete, eine führende Rolle. [VoL 4, S. 667 f.] [17.3.00]

Die norwegische Stabkirche

Holzbauweise mit Hauptstützen aus Rundhölzern (unter Verwendung von teilweise über Generationen hinweg ausgesuchten und vorbehandelten Bäumen - was ihre lange Haltbarkeit von über 700 Jahren erklärt), übereinander geschichtete Dächer und phantastische Schnitzornamentik. [Stein] [17.3.00]
  S. Artikel in Spektrum der Wissenschaft von Aune, Petter, Sack, Ronald L. und Selberg, Arne in der Oktober-Ausgabe 1983, S. 124 ff. zu "Norwegens Stabkirchen".

Bauten

Die Kathedrale von Chartres (um 1144)
  Notre-Dame in Chartres ist das erste Werk der klassischen Hochgotik. Das der frühgotischen Phase zuzurechnende dreiteilige Stufenprotal im Westen, das sog. Königsportal, stellt in den Portalfiguren das gesamte Weltbild des mittelalterlichen Menschen als ein unteilbares Ganzes im Glauben dar. Die Gewändefiguren gehören zu den ersten großfigurigen Darstellungen seit der Antike. Sie sind fast vollrund gemeißelt, stehen allerdings noch nicht frei, sondern bilden zusammen mit den Säulen ein Werkstück. Die Portalanlage als Ganzes hatte starken Einfluß auf die riesigen Dreiportalanlagen der Hochgotik wie z.B. in Amiens oder Reims. [E2J, S. 69 f.] [17.3.00]

Die Kathedrale von Santiago de Compostela (um 1114)
  Die in Galicien gelegene Stadt beherbergt in ihrer Kathedrale die Gebeine des Hl. Apostel Jakobus. Sie ist deshalb neben Jerusalem und Rom das wichtigste Pilgerziel der christlichen Welt. Wallfahrtswege (sog. "Jakobswege") treffen sich hier.
  In ihren ältesten Teilen frühromanisch; die Puerta de las Plateríás gehört zu den bedeutendsten romanischen Figurenportalen; Einwölbung des gewaltigen Mittelschiffes. Hinter der spätbarocken Westfassade verbirgt sich die um 1188 vollendete Vorhalle. [E2J, S. 67] [17.3.00]

Kölner Dom
  Auf den Fundamenten einer romanischen Kirche des 9. Jahrhunderts und im ganzen über 10 damals teilweise unbekannten Bauschichten, die bis in die römische Kolonialzeit reichen, wollte schon Erzbischof Engelbert I. (1216-1225, ermordet) eine neue Kathedrale errichten lassen, wofür er große jährliche Zuwendungen in Aussicht gestellt hatte. Erst zwischen April 1246 und November 1247 faßte das Domkapitel den Beschluß, mit dem Neubau zu beginnen. Am 13. April 1248 folgte ein Vertrag zur Finanzierung des Unternehmens. Am 15. August fand die feierliche Grundsteinlegung zum Neubau durch Erzbischof Konrad von Hochstaden (1238-1261) statt, der zum ersten gotischen Bau in Deutschland nach französischem Vorbild werden sollte.
  Unter dem ersten Dombaumeister Gerhard wurden die sieben Kapellen des Chorumgangs errichtet und die Achskapelle fertiggestellt und verglast, in der Konrad von Hochstaden 1261 bestattet wurde. Der zweite Baumeister Arnold (nachgewiesen 1271-1299) vollendete das ganze Erdgeschoß des Chores und der Querhaus-Ostseite unterhalb des Abschlußgesimses. 1277 wurde der noch bestehende Teil der gotischen Sakristei errichtet. Um 1300 dürfte der Hochchor mit seinem reichen Strebewerk baulich vollendet gewesen sein. Spätestens 1304 war die Trennwand fertig, die den Chor nach Westen abschloß und die erst 1863 beseitigt wurde. 1308-11 wurde das Chorgestühl geschnitzt und aufgestellt und um 1310 die Verglasung der 15 großen Obergadenfenster vollendet. Anläßlich einer Provinzialsynode fand 1322 die feierliche Schlußweihe des Chors statt. [Wolff] [17.3.00]

  "Das Gewicht des Domes [120.000 Tonnen] werde allein von den Pfeilern getragen, erklärte Hardering. Der Architekt versenkte seine Pfeiler 16 Meter tief in die Erde. Das Verrückte ist, so tief, wie sie sind, wären sie in der Lage, noch weitere 100.000 Tonnen zu tragen. So waren sie, die Baumeister des Mittelalters. Die Gesetze der Statik verstanden sie nicht, aber sie lernten aus ihren Erfahrungen, vor allem den schlechten.
  Der Architekt, der damals die Bauleitung übernahm, war bekannt unter dem Namen Meister Gerhard. Man weiß nur wenig über ihn: Er hatte einige Erfahrung mit romanischen und auch gotischen Bauwerken und lange Jahre in Frankreich gearbeitet. Um 1260, zwölf Jahre nach dem Beginn der Bauarbeiten am Dom, verschwand er.
  Wieder im Dom, zog Hardering sein Schlüsselbund hervor und schloß ein Gittertor zu einer kleinen Kapelle hinter dem Chor für mich auf. Ein langer Vorhang bedeckte die linke Wand. Er zog ihn zur Seite und enthüllte ein vier Meter hohes Diagramm.
  Ich sah das Bild, das wir alle kennen: die Domfassade mit ihren zwei Türmen. Es war ein erstaunlich akkurater Bauplan: Jedes einzelne Detail war an seinem Platz, jede Archivolte, jedes Bogenfeld, jede Kreuzblume, jedes kleinste bißchen Maßwerk.
  Es sah aus wie am Computer erstellt - nur daß es 700 Jahre alt war und in fünfzehn aneinandergenähte Tierhäute gekratzt.
  Plötzlich wurde mir klar, daß Gerhard von vornherein gewußt haben muß, daß er dieses Ding nie vollenden würde. Es war viel zu riesig, um im Laufe eines einzigen Lebens fertig zu werden.
  Als Meister Gerhard verschwand, war erst ein Bruchteil fertig geworden - nicht einmal der ganze Chor. Die Bauarbeiten gingen weiter, bis 300 Jahre später das Geld ausging. Selbst dann war der Dom erst halbfertig. Das Kirchenschiff war in der Mitte offen, und die Türme waren noch nicht da - der höchste Punkt des Gebäudes war ein Kran. Dieser Kran dort oben war das Wahrzeichen Kölns für weitere 300 Jahre. Die Bauarbeiten wurden 1833, zur Zeit der Romantik, wiederaufgenommen und erst 1902 abgeschlossen. Zwölf Jahre vor dem ersten Weltkrieg war Deutschlands größtes mittelalterliches Bauwerk fertig - und entsprach genau dem ursprünglichen Bauplan. Das ist der Grund, warum die Kölner ihren Dom lieben." [Hansen, S. 143 f.] [14.7.04]

  Ganz fertig ist der Bau bis heute nicht und wird es wohl auch nie werden: nach wie vor muß täglich daran gearbeitet werden, was allein Renovierung und Restauration betrifft, von gelegentlichen Erweiterungen wie dem in Stein gehauenen Hakenkreuz oder den steinernen Abbildern der Gewinner der Fußballweltmeisterschaft 1954 einmal abgesehen.
  Die bedeutensten Ausstattungsmerkmale stammen überwiegend aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts: Chorgestühl, Chorpfeilerfiguren, Hochaltar, Dreikönigenschrein, Königsfenster und Mailänder Madonna stammen aus dem Zeitraum 1315-1320, um 1330 kommen noch die Chorschrankenmalereien und um 1440 das Dombild hinzu. [17.3.00]

Predigerkirche Erfurt
  Im Jahre 1228 kamen Dominikaner nach Erfurt und gründeten ein Jahr später dort ihr Kloster, vermutlich ein sehr schlichtes Gebäude; 1238 war die Weihe der ersten steinernen Kirche. Seit 1270 bis ins 14. Jahrhundert entstand eine dreischiffige, hallenartige Pfeilerbasilika, deren Mittelschiff sich nur wenig über die hohen Seitenschiffe erhebt, eines der schönsten Gotteshäuser der Stadt. 1279 war der Chor vollendet, um 1300 bis 1320 die außergewöhnlichen Chorschranken, nach 1400 der Lettner; 1445 stand das Langhaus fertig gewölbt, 1488 kam an der Südseite ein schmuckloser Glockenturm hinzu. Das Kircheninnere präsentiert sich als feierlicher Raum, für einen Bettelorden ungewöhnlich mystisch-geheimnisvoll durch das Licht, das indirekt aus den verborgenen Fenstern einfällt, dem gotischen Gewölbe Leichtigkeit, Schwerelosigkeit verleiht und schwebende Helldunkel-Effekte erzeugt. [Bernhard, S. 33] [1.3.01]
  Scheerer präzisiert: "Da der Bau selbst, wie wir des weiteren sehen werden, verschiedene Bauabschnitte aufweist, möchte ich den Bau von 1279 bis zu dem später eingezogenen Lettner gehen lassen, da die Formen bis dorthin mit dieser Zeit übereinstimmen." "Nachdem so fünf Joche des Langhauses beendet waren, ist eine lange Ruhepause in der Bautätigkeit eingetreten, wie aus den Formen geschlossen werden muß; die Kirche war jedenfalls für die damaligen Bedürfnisse genügend groß. Auch Nachrichten im Totenbuch aus der folgenden Zeit fehlen, sie setzen erst wieder mit dem Jahre 1336 ein, und bekunden, daß im 14. Jahrhundert wieder tüchtig weitergebaut wurde." [Scheerer, S. 62 f.]
  Und eine Anmerkung aus dem "Todten-Buch": "Auf dem 2. Stein des Mittelschiffes ist: Johannes zu lesen. Der Apostel des Namens ist der Patron der Kirche." [Zacke, S. 55] [4.7.03]
  Weitere Informationen - s. a. Fensterbilder.

Schiefer Turm von Pisa (1173)
  Ab 1173 entsteht der Campanile mit seinen sechs Säulengalerien. Schon während der Bauzeit neigt sich der Turm infolge einer Bodensenkung nach Südosten ("Schiefer Turm"). Die Form des frei stehenden Glockenturms spielt vor allem in der frühchristlichen und mittelalterlichen Baukunst Italiens eine große Rolle, während er z.B. in Deutschland keine Verwendung findet. [E2J, S. 72 f.] [17.3.00]

Abteikirche von Saint Denis
  Der Schöpfungsbau der Gotik war der Neubau der Abteikirche, der Grabkirche der französischen Könige, den Abt Sugar von 1137 bis 1151 aufführte. Der gleiche, der als Berater und Vertreter des Königs (Ludwig VII.) dessen Zentralgewalt über die partikularen Tendenzen stärkte, hat künstlerisch die Stile der Provinzen zur Grundlage für einen Nationalstil verschmolzen. An St. Denis wurde zuerst das Kreuzrippengewölbe aus der Normandie mit den Spitzbogen aus Burgund und dem Strebewerk vereinigt, wie an den Skulpturen der Fassade Bildhauer aus verschiedenen Landesteilen tätig waren. [KKE, S. 68] [17.3.00]

Dom zu Speyer (1081-1106)
  Einer der drei großen Kaiserdome (neben Mainz und Worms) am Rhein. In zwei Bauphasen errichtet: 1. von Kaiser Konrad II. um 1030, 1061 geweiht; 2. kurz vor 1082 von Kaiser Heinrich IV. um 1106 vollendet. [VoL 10, S. 709]
  Vertikalgliederung, Skelettbauweise des Mittelschiffs, gewölbte Seitenschiffe (Speyer I.), Quaderbauweise, Blendgliederung der Apsis, Zwerggalerie, Vierungsturm, Erfindung des gebundenen Systems mit Doppeljochen und großformatigen Kreuzgratgewölben. Hinzu kommen noch die Kreuzrippengewölbe in den Querschiffen, wahrscheinlich die ersten in der Architekturgeschichte. [E2J, S. 64] [17.3.00]

Straßburger Münster
  Eins der bedeutendsten Bauwerke des Mittelalters, nicht einheitlich in Plan und Ausführung, da seine Bauzeit von der späten Romanik bis in die späte Gotik reicht. An der Stelle einiger Vorgängerbauten begann Bischof Werinher 1015 den Bau einer dreischiffigen Basilika mit Querhaus, Chor und Westbau, die bei einem Brand 1176 vernichtet wurde, deren Grundriß jedoch bei dem folgenden spätromanisch-gotischen Neubau beibehalten wurde. Das Ganze gliedert sich zeitlich und stilistisch in drei Hauptteile. 1. Chor (über der erhaltenen ottonischen Krypta Anfang 11. Jahrhundert, erweitert um 1080) und südliches Querhaus (ab 1220 wird französische gotische Einfluß spürbar). 2. Langhaus 1250-75 in einheitlicher und ungewöhnlich rascher Bauführung, der erste deutsche Kirchenraum reifer Hochgotik, aber durch seine Breitenausdehnung und den weiten Schritt der Arkaden von hochgotischen Innenräumen wesentlich unterschieden. 3. Westfassade seit 1276. Der Entwurf stammt vielleicht von Meister Erwin von Steinbach. Eine Besonderheit der beiden unteren Geschosse bildet das vielseitige System steinernen, ganz dünnen Stabwerks, das frei vor der Wand steht. Nach Erwins Tode (1318) wird unter Abweichung von seinem Plan stockend weitergebaut.
  Zur Ausstattung zählen u.a. die Glasgemälde (vgl. gotische Malerei), die die Wirkung des Innenraums wesentlich mitbestimmen und der reiche bildnerische Schmuck der drei Westportale (~ 1290), der eine neue Entwicklung der deutschen Bildnerei einleitete. [VoL 11, S. 166 f.;WdK, S. 620 f.] [17.3.00]

Artikel

Die deutschen Bauhütten 1

Ihre Entstehung und Blüte
Die Ordnung und das geheime Werk der Bauhütte
Die Auflösung der Bauhütte
Anmerkungen

a) Ihre Entstehung und Blüte
  Der mächtige Aufschwung, welchen das Städtewesen und der Bürgerstand im 13. Jahrhundert genommen hatten, wirkte auch auf das geistige Leben ein und schuf ihm einen ungeahnten Wirkungskreis.
  Im frühen Mittelalter waren die Klöster die Pflanzstätten der Wissenschaft und Gesittung, der Landwirtschaft und aller Gewerbe, die Brennpunkte künstlerischer Thätigkeit. Auch die Pflege der Baukunst befand sich vornehmlich in den Händen der Mönche. Namentlich waren es die Benediktiner und später die Cisterzienser, von denen sie eifrig gepflegt wurde. Die Vorsteher ihrer Klöster, in der Regel selbst hervorragende Baukünstler (1), entwarfen die Baurisse und leiteten den Bau neuer Klosteranlagen und Kirchen. Die reichen Stiftungen des Ordens begünstigten die grossartigsten Unternehmungen, und so bildeten sich feste Schultraditionen aus und knüpften sich Verbindungen von Kloster zu Kloster.
  "In der Zeit der höchsten kirchlichen Begeisterung, da man aller Orten Kirchen und Klöster zu gründen begann, vom Ende des 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, reichten die physischen Kräfte der Geistlichen nicht aus." Es musste die Hilfe der Laienwelt angerufen und zahlreiche Handwerker aller Art, Maurer, Steinmetzen, Zimmerleute, zu den Bauten herangezogen werden. Diese Laien-Handwerker bildeten nun, wie wir aus zahlreichen Klosterdokumenten erfahren, überall, wo ein grosser Bau aufgeführt wurde, der die Arbeiter viele Jahre beisammen hielt, nach Art der von den Klöstern in verschiedenen Ländern errichteten Konfraternitäten, genossenschaftliche Korporationen (2), aus denen unzweifelhaft die Bauhütten hervorgegangen sind.
  Als ihr eigentlicher Gründer ist der Abt von Hirschau Wilhelm der Heilige (1069-1091) anzusehen. Er war ein ungewöhnlicher Mann, reich begabt, in mehreren Sprachen bewandert, in den Künsten der Musik und Poesie wohl erfahren und ein vorzüglicher Zeichner und Architekt.
  Er hatte schon vorher an der Spitze der Baukorporation zu St. Emmeran in Regensburg gestanden und gründete nun eine solche auch in Hirschau, wozu ihm die Erweiterung des Klosters die beste Gelegenheit bot. Die Arbeiter, deren er hierzu benötigte, liess er in allen notwendigen Fertigkeiten unterrichten und vereinigte sie als Laienbrüder mit dem Kloster. Ihr geselliges Leben regelte er durch Statuten, als deren Hauptregel brüderliche Eintracht eingeschärft wurde, weil bei der Ausführung eines Baues gemeinsames Zusammenwirken und liebevolle Vereinigung aller Kräfte allein das Gelingen des Ganzen bedingen. Sein Ruf als Baukünstler erfüllte weit und breit die Länder. Er erhielt zahlreiche Bau-Aufträge, weshalb er genötigt war, noch mehr Laienbrüder in den Klosterverband aufzunehmen, die, nachdem sie zu den verschiedensten Handarbeiten herangebildet waren, als geschlossene Baukorporation unter Leitung erfahrener Meister ausgesandt wurden, um die übertragenen Werke auszuführen.
  Diese von den Benediktinern geleiteten Baugenossenschaften blühten, bis die Bischöfe und Äbte dem einfachen Leben zu entsagen anfingen und die Lust an der Bauthätigkeit zu verlieren begannen. Damit kam auch die Architektur gänzlich in die Hände der Laien. Die in den Klosterschulen gebildeten Baumeister sagten sich von der geistlichen Gemeinschaft los, und es wurde nun ihnen allein die Ausführung der Bauten übertragen. Dies geschah zu der Zeit, da das Selbstgefühl der Städte erwachte und die Bürgerschaft, wie ehedem Bischöfe, Könige und mächtige Fürsten, von "dem edlen Ehrgeiz erfüllt wurde, ihre Stadt mit prachtvollen Gotteshäusern zu schmücken, in denen sich ihre Macht und Grösse abspiegeln, die ein Zeugnis ihrer religiösen Gesinnung, ihres Selbstgefühls und ihrer Wohlfahrt sein sollten." Damals streifte auch die Baukunst die alten hemmenden Fesseln der fremden Formgesetze ab, und der nationale Geist sprach "zum erstenmale seine tiefsten Gedanken in eigener Sprache aus." Die Baukunst entfaltete in der gotischen oder germanischen Architektur (3) ihre ganze Freiheit und Schönheit, alle bisherigen Schöpfungen an Grossartigkeit überbietend.
  Der Zusammenfluss zahlreicher Scharen von Meistern und Gesellen bei den gewaltigen Bauunternehmungen der damaligen Zeit machte an sich schon eine strenge Ordnung zum Gelingen des Ganzen notwendig. Hierzu kam der gotische Baustil mit seiner überschwenglichen Fülle ornamentaler Dekoration, welche die höchsten Anforderungen an die Baumeister und Werkleute stellte. Sie erforderte nicht nur ein ungewöhnliches Mass handwerksmässiger Fertigkeiten, sondern vor allem ein vollendetes technisches Kunstgeschick und architektonische Kenntnisse und Erfahrungen. Diese aber konnten nur durch die forterbende Überlieferung einer strengen Schule gewonnen werden. Und als nun den weltlichen Bauleuten neben der technischen Ausführung auch die schöpferische Erfassung und Gestaltung der Bauidee überlassen wurde, sahen sie, Architekten, Steinmetzen, Maurer, Maler, Formschneider, Schmiede, Zimmerleute und andere Holzarbeiter, ihren Vorteil darin, dass die Lehre ihrer Baukunst nicht Gemeingut werde, und vereinigten sich zu einer geschlossenen Genossenschaft, zu einer Bauhütte, die, zunftmässig gegliedert, gleich anderen bürgerlichen Korporationen, kirchlichen und klösterlichen Einrichtungen, ihre eigenen Gesetze und Statuten hatte und in denen die mathematischen Verhältnisse und Regeln des gotischen Baustils als Kunstgeheimnis fortgepflanzt wurden.
  Schon zu Ausgang des 12. Jahrhunderts begegnet man im südlichen Frankreich einer Baubrüderschaft, welche sich die "Hüttenjungen des lieben Herrgotts" nannte, und im Anfange des 13. Jahrhunderts werden bereits in England Bauhütten erwähnt. In Deutschland, wo ihnen der Boden durch den genossenschaftlichen Geist der Gilden und Zünfte bereits geebnet war, erstanden die Bauhütten, insbesondere der vornehmen kunstverständigen Brüderschaft der Steinmetzen, offenbar im 13. Jahrhundert, während ihre völlige Ausbildung in die Zeit fiel, da die Gotik (4) zusammenbrach, da "das Wissen, das Vorwiegen des Verstandesmässigen die Baukunst einseitig beeinflusste und die künstlerische Unbefangenheit zurückdrängte."
  Die älteste Steinmetzhütte ist offenbar die von Strassburg. Sie stand unter der Leitung Erwins von Steinbach, des genialen Münsterbaumeisters, und wurde 1273 vom Kaiser Rudolf von Habsburg mit Privilegien ausgestattet, unter denen das der eigenen Gerichtsbarkeit das geschätzteste war. Unweit des Münsterbauplatzes war eine Bretterbude errichtet, in welcher die Steinmetzen ihre Werkzeuge aufbewahrten, auch wohl ihre Mahlzeiten einnahmen und schliefen. Man nannte dieses Gebäude die Hütte der Bauleute. Hier versammelten sie sich zu regelmässigen Sitzungen. Aus der Zahl der leitenden Münster-Baumeister wurde jährlich ein Vorsitzender gewählt. In dieser Eigenschaft sass er unter einem Baldachin und führte dabei ein blosses Schwert in der Hand zum Zeichen der verliehenen Gerichtsbarkeit. Das Recht wurde gehandhabt nach altem, gutem Herkommen, nach "Handwerksbrauch und Steinwerksrecht", wie es die Altvordern in guter Meinung geübt. Neu hinzutretende Bauleute mussten auf das Evangelium beim heiligen Johannes dem Täufer schwören, sich dieser Gewohnheit zu unterwerfen.
  Von Strassburg wanderten Hüttenleute nach allen Orten, wo hervorragende Kirchenbauwerke geplant waren. Dort gründeten sie sofort eine neue Hütte. So entstanden die Bauhütten in Köln, Magdeburg, Bremen, Lübeck, Wien, Zürich usw. Ihre Zahl soll am Ausgange des 13. Jahrhunderts schon 22 betragen haben.
  Die einzelnen Hütten standen untereinander, wie es scheint, in einer Art Bruderschaftsverbindung und sicherten sich dadurch eine gewisse moralische und richterliche Gewalt über ihre Mitglieder. Ob aber damals die Strassburger Bauhütte als "Mittelpunkt einer ganz bestimmten Schule" ein entschiedenes Übergewicht über alle deutschen Hütten gewann, ist nicht wahrscheinlich.
  Im 15. Jahrhundert begannen die alten Formen und Gewohnheiten, welche seit langer Zeit zur Ehre und zum Nutzen des Bauhandwerks geübt wurden, bei der zunehmenden Verwilderung der Sitten zu zerfallen; die alte Zucht schwand dahin, Unordnung riss ein, erschütterte die Bauhütten und bedrohte sie ernstlich in ihrem Bestande. Infolgedessen wurde auf Anregung von Jobst Dotzinger, welcher im Jahre 1452 Werkmeister am Strassburger Münsterbau war, auf den Tagen zu Speier und Strassburg ein engerer Zusammenschluss der deutschen Steinmetzen zustande gebracht, worauf am 25. April 1459 die Meister von 19 süd- und mitteldeutschen Bauhütten in Regensburg zu einem Kongresse zusammentraten, auf welchem eine "Ordnung" der deutschen Baubrüderschaft beraten, niedergeschrieben und feierlich beschworen wurde. Als Haupthütten wurden Strassburg, Wien, Köln und Zürich bestimmt, ihre Gerichtsbarkeit genau abgegrenzt und die darunter fallenden Hütten zum Gehorsam verpflichtet. Allmählich traten noch zahlreiche andere Hütten (5) der Regensburger Konvention bei.
  Die Vereinbarung soll zuerst vom Kaiser Friedrich III. bestätigt worden sein. Doch ist die Konfirmationsurkunde nicht erhalten, wohl aber die seines Nachfolgers Maximilian, der sie am 3. Oktober 1498 zu Strassburg erteilte. Maximilian (6) war selbst Mitglied dieser Hütte und giebt in seinem "Weisskunig" treffliche Kenntnisse in der Architektur kund.
  In den Bauhütten wurde der künstlerische Gedanke und der erfinderische Geist der Mechanik gepflegt. Hier wurden auch die Pläne zu jenen Werken entworfen, "die überall in unseren alten Städten kühn gen Himmel streben und an denen man nie wird vorübergehen können, ohne beim Anblick solcher Grossartigkeit der liebevollen Hingabe unserer Ahnen an eine erhabene Idee, ihrem Gemeinsinn und ihrer Beharrlichkeit den Zoll der Achtung und des Dankes zu entrichten."
  Der Schatz umfangreicher Bau-Kenntnisse, welcher allmählig in der Hütte aufgespeichert wurde, legte den Brüdern den Gedanken nahe, diesen kostbaren Besitz vor unberufenen Augen zu verbergen, um dadurch sich "die Ausübung des Gewerkes gleichsam als Monopol zu sichern." Deshalb wurde allen neuen Mitgliedern, denen überdies bei der zunehmenden Überzahl der Wissenden der Eintritt in die Hütte nach Möglichkeit erschwert wurde, die strengste Geheimhaltung der Kunstregeln und Fertigkeiten zur Pflicht gemacht.
  Gerade das Kunstgeheimnis war es, das die weitbreitete Genossenschaft zu einer angesehenen einflussreichen Macht stempelte, die auf dem Kunstgebiete eine Art Universalherrschaft ausübte, um so mehr, als bedeutsame Privilegien ihr eine ziemlich unabhängige Stellung von den herrschenden Gewalten in Staat und Kirche sicherten. So kann es denn nicht auffallen, dass ein kühner Zug berechtigten Selbstvertrauens die deutschen Bauleute erfüllte und ihnen lange Zeit eine gewisse geistige Selbständigkeit sicherte.
  Es war eine schlimme Zeit, jene letzten Jahrzehnte des 13. und jene ersten des 14. Jahrhunderts. Papsttum und Kirche führten einen erbitterten Kampf mit den frommen Anhängern einer weitverbreiteten Aufklärung, den Katharern, Waldensern und anderen Ketzern, die damals durch ganz Westeuropa zogen, überall Genossen sammelten und nicht blos Edelleute und Stadtbürger, sondern auch zahlreiche Mitglieder des Klerus, Mönche, Äbte und Bischöfe, der herrschenden Kirche abwendig machten und in ihre geweihte Gemeinschaft aufnahmen. Auch viele deutsche Bauleute wandten sich jenen reformatorischen Bestrebungen zu und wurden zu Pflegern der schönsten menschlichen Tugenden, der Duldsamkeit, Bruderliebe, Treue, Verschwiegenheit und Wahrhaftigkeit. (7)

b) Die Ordnung und das geheime Werk der Bauhütte
  Die Hütte der Bauleute war möglichst in quadratischer Form und meist aus Steinen erbaut und befand sich stets in der Nähe des Baues. Sie diente nicht nur als Versammlungslokal, sondern enthielt auch die Registratur und die Werkzeugmagazine. Sie selbst, wie der Platz um sie her, war der niederen städtischen Gerichtsbarkeit entzogen, die lediglich von dem Meister auf Grund der vom Kaiser verliehenen Privilegien und bestätigten Statuten und nach dem herkömmlichen Handwerksbrauch geübt wurde.
  Von aussen gelangte man durch ein hölzernes Thor, dessen Bewachung dem jüngsten Gesellen oblag, in den Arbeitsraum, an dessen Seitenwänden Bänke für die Gesellen angebracht waren. Hier war auch ein hartes Brett aufgehängt. Drei vom Meister, zwei von dessen Stellvertreter auf dasselbe geführte Schläge zeigten den Gesellen an, dass sie zur Versammlung zu erscheinen hätten, während mit je einem Schlage das Zeichen zum Beginn und Schluss der Arbeit gegeben wurde. Jede Nichtbeachtung dieser Zeichen wurde mit einer Geldbusse geahndet. Die Strafgelder sowie die Mitgliederbeiträge, welche sich wöchentlich auf je einen Pfennig beliefen, flossen in eine Kasse, aus welcher die Bedürfnisse der Gemeinschaft bestritten und wandernde Gesellen unterstützt wurden. Sie stand wie das Hüttenbuch (Gesetzbuch) unter der Oberaufsicht des Meisters und durfte aus dem "Maurerhof" nicht entfernt werden. Am Johannistage oder auf dem jährlichen Gaugerichtstage wurden die Statuten zur Verlesung gebracht. Löste sich eine Hütte auf, so waren sie nebst der Kasse an die Haupthütte abzuliefern.
  In der Regel stand jeder Hüttenbrüderschaft der vom Bauherrn kontraktlich angestellte Werkmeister vor. Er war verpflichtet, den Nutzen des Bauherrn wahrzunehmen, über den Bau zu wachen und die Ehre des Handwerks zu pflegen, damit es vor jeglichem Schaden behütet werde. Er präsidierte den Hüttenversammlungen und richtete und schlichtete alle Streitigkeiten der Mitglieder.
  In der Ausübung seines Amtes standen ihm 2 Brüder, der "Parlierer" und der "Schatzmeister", zur Seite. Seinen Platz hatte der Stuhlmeister im Osten der Hütte, wie in der Kirche der Priester. Die beiden andern Beamten sassen im Westen, das Angesicht nach Osten gekehrt. Diese drei ersten Würdenträger waren die Repräsentanten der Brüderschaft und ihrer Werkthätigkeit. Die übrigen Brüder standen sich als solche gleichberechtigt einander gegenüber. Sie waren gehalten, der Hüttenordnung (8) in allen Punkten nachzukommen, insonderheit durch Bethätigung christlichen Sinnes sich auszuzeichnen und die Handwerksgeheimnisse streng zu bewahren. Ausserdem war jeder Geselle verpflichtet, seinen Mitbruder unentgeltlich in seiner Kunst zu unterrichten.
  Jeden Monat fand eine Versammlung statt, die mit einem feststehenden Wechselgespräch des Meisters und seiner Gehilfen eröffnet und geschlossen wurde und in welcher die Gesellschaftsangelegenheiten beraten, die Übertreter der Hüttenordnung gerichtet und schliesslich Gelage abgehalten wurden. Ausser den Monatsversammlungen hielt jede Haupthütte jährlich ein Hauptgedinge, die "hohe Morgensprache". Die Hauptfeste der Steinmetzen waren der Johannistag und der Tag der sogenannten vier Gekrönten, der Schutzpatrone (9) der Verbindung.
  Die meisten Satzungen verlangten von dem Kandidaten, welcher die Aufnahme in die Hütte nachsuchte, dass er das Handwerk fünf Jahre erlernt, ordnungsmässig losgesprochen (10) und seine Wanderjahre zurückgelegt habe, dass er einer rechtmässigen Ehe entsprossen, unbescholtenen Rufes und tüchtig an Leib und Seele sei. Nachdem er von einem Bruder, der für seine Qualifikation Bürgschaft übernehmen musste, zur Aufnahme vorgeschlagen, begab sich der Aspirant an dem für seine Einweihung festgesetzten Tage in die Hütte. Der Stuhlmeister eröffnete in herkömmlicher Weise im Handwerkssaale die Versammlung, verkündete Friede, verbot Lärm und Streit, teilte mit, dass die Aufnahme eines Kandidaten erfolgen solle, und sandte darauf einen Bruder ab, denselben für die feierliche Handlung vorzubereiten. Dieser veranlasste den Gesellen das Äussere eines Hilfesuchenden anzunehmen. Nachdem er die Waffen und alles Metall abgelegt, trat er verbundenen Auges, mit blosser Brust und entblösstem linken Fusse an die Thür des Saales, die sich ihm auf drei Schläge öffnete. Hier nahm ihn der Parlierer in Empfang und geleitete ihn vor den Meister, der, während er ihn niederknieen liess, ein Gebet verrichtete. Hierauf wurde der Kandidat dreimal im Zunftsaale herumgeführt bis zurück an die Thür, wo er seine Füsse in den rechten Winkel stellte, um dann mit drei Schritten vor den Meister zu treten. Zwischen beiden lag auf einem Tische das geöffnete Evangeliumbuch oder das Hüttenbuch nebst Zirkel und Winkelmass, auf welches der Kandidat seine rechte Hand ausstreckte, während er die linke auf die Brust legte und schwor, treu zu sein, die Bruderpflichten zu erfüllen und zu verheimlichen, was er hier erfahren habe und noch erfahren werde. Nun wurde ihm die Binde abgenommen, ein neuer Schurz angelegt und das Passwort gegeben. Nachdem er schliesslich über den Gruss, den Handgriff, den Notruf belehrt, überhaupt in das geheime Steinmetzwerk eingeführt worden, richtete der Meister die Frage an die Versammelten, ob einer von ihnen noch etwas zur Entscheidung vorzutragen habe, worauf die Versammlung mit den drei üblichen Schlägen geschlossen wurde.
  Der Aufnahme folgte ein Trinkgelage, das jedesmal mit einem Gebet eröffnet wurde, während dessen die Brüder unbedeckten Hauptes standen. Bei dieser Gelegenheit brachte der Obermeister dem Neuaufgenommenen den Ehrentrunk dar mit dem Brüderschaftspokale (Willkommen), den dieser auf das Wohl der Brüderschaft erwiederte. Dabei wurde in dreimal drei Absätzen getrunken: der Willkommen wurde mit einem Taschentuch oder mit einem reinen Handtuch angefasst, nie mit der blossen Hand, der Deckel abgehoben und nun an den Mund gesetzt; in drei Absätzen wurde getrunken, der Pokal niedergesetzt und die Hand von ihm entfernt. Schliesslich wurde der Johannissegen gesprochen, den der Meister auf das Wohl der ganzen Gesellschaft ausbrachte, worauf ein Gebet und die drei Schläge das Gelage schlossen.
  Wollte ein wandernder Steinmetzgeselle die Bauhütte eines Ortes zum erstenmale besuchen, so klopfte er mit drei Schlägen an die Eingangspforte derselben und rief: "Arbeiten deutsche Steinmetzen hier?" Hierauf wurde die Hütte vertagt, Hammer, Winkelmass, Zirkel, Setzwage, welche die Brüder als alte Wahrzeichen des Handwerks in Händen hielten, beiseite gelegt. Der Parlierer trat heraus, forderte dem Fremden das Passwort und den Handgriff ab und prüfte ihn in Bezug auf seine Kenntnis des geheimen Werkes. Hatte er die Prüfung bestanden, so öffnete sich die Pforte auf die Schläge des jüngsten Bruders. Der Fremde näherte sich nun dem Meister oder Parlierer, der in Abwesenheit des Meisters dessen Stelle vertrat mit drei Schritten, stellte seine Füsse in einen rechten Winkel, reichte dem Meister die Hand und sprach, während die Gesellen sich erhoben: "Gott grüsse Euch, Gott weise Euch, Gott lohne Euch, Obermeister." Darauf hiess ihn der Obermeister oder Parlierer willkommen mit den Worten: "Der Meister N. N. entbietet Euch seinen werten Gruss." Demnächst trat der fremde Geselle mit drei Schritten zurück und begrüsste jeden einzelnen Gesellen mit denselben Worten und bat um Beförderung oder Beschäftigung. Konnte er dieselbe nicht erhalten, so verabschiedete er sich vom Meister, welcher ihm Grüsse mitgab an alle frommen Steinmetzen zu Wasser und zu Lande, und nahm seinen Feierabend d. h. er ging zur geöffneten Hüttenthür von dannen. -
  Bekanntlich liebte es der mystische Sinn des naiven Mittelalters, das reale Leben zu bedeutungsvoller Bildlichkeit umzuschaffen, jede Erdenhandlung zu idealisieren, das Geistige sinnlich wahrnehmbar zu gestalten, eine Wahrheit nicht in direkter Form dem Beschauer vorzulegen, sondern sie in sinnvolle Symbolik zu kleiden.
  Diese symbolische Sprache stand wegen ihrer Zweckmässigkeit auch in den Bauhütten in grossem Ansehen und zwar waren hier die Grundsätze der Kunst symbolisiert. Sie vollkommen zu verstehen, galt jedem Bruder als Ehrensache. Sie galten als Norm und Richtschnur bei Ausübung des Gewerbes und erleichterten dem, der sie verstand, die Arbeit, über deren Zweck und Führung er dadurch auf dem kürzesten Wege verständigt wurde. Diese Symbole bestanden aus geometrischen Elementen: Dreieck, Viereck, Fünfeck, Sechseck, Achteck, Kreis, teils waren sie den Werkzeugen entlehnt, deren man sich zum Zeichnen, sowie zum Bauen bedient, dem Zirkel, Messstab, Winkelmass, Richtscheit, Spitzhammer etc.
  Jene brachten die mathematischen Gesetze der Formation (11) in Erinnerung und waren zu diesem Zwecke, und um den Mitgliedern den langen Weg des Lernens abzukürzen und zu erleichtern, auf Zahlen zurückgeführt. So wurde z. B. das Verhältnis des pythagoräischen Lehrsatzes zu seiner praktischen Anwendung auf die Zahlen 3, 4 und 5 reduziert. Die Grundfiguren waren auch mit einer Art kabbalistischer Umkleidung versehen. So stellte beispielsweise das Viereck in symbolischer Sprache die Beständigkeit, Unwandelbarkeit der christlichen Glaubenslehre dar.
  Die Versinnbildung der Werkzeuge lag nicht allein im Charakter der Zeit, da alle Zünfte ihre Handwerksgeräte symbolisierten, sondern sie wies auch auf eine höhere geistige Auffassung des Berufes der Baubrüderschaft und ihres Bundes hin. So sollte der Messstab die Mitglieder an die Kürze des menschlichen Lebens erinnern und sie ermahnen, ihre Zeit weise einzuteilen. So war das Richtscheit das getreue Wahrzeichen der brüderlichen Gleichheit, der Zirkel das Symbol des geschlossenen und festgefügten Bundes, der Spitzhammer das Zeichen der Arbeit, während das Winkelmass das Abbild eines unsträflichen gerechten Lebenswandels vorstellte.

c) Die Auflösung der Bauhütte
  Mit dem Eintritt des Humanismus und der Reformation, welche eine höhere Weltanschauung und ein idealeres Kulturstreben dem zerfallenen Gebäude hierarchischen Zwanges und scholastischen Geistesdruckes entgegenstellte, welche den Grundsatz der freien Forschung, des unbeirrten Strebens nach Erkenntnis und Wahrheit als Ziel und Frucht einer edleren, reineren Menschenbildung bezeichnete, erstreckte die wieder aufgegangene und allseitig erweiterte Kenntnis des klassischen Altertums ihre reformatorische Thätigkeit auch auf die Kunst, entriss den einzelnen Genossenschaften das ängstlich gehütete Wissen und brachte es auf den Markt des Lebens. Vom 15. Jahrhundert an begann "ein innerer, mächtiger anschwellender Zug sich fühlbar zu machen, welcher auf die Umkehr aus der Romantik zu dem Realismus der Natur abzielte". So trat in der Architektur an die Stelle des gotischen Spitzbogenstils der griechische Säulenbau und die römische Kuppelform (Renaissancestil).
  Mit dieser Umwälzung begann der Verfall der deutschen Baubrüderschaft, "weil die neuaufkommende Kunst sich nicht in die Fesseln des zünftigen Handwerks schlagen liess. Die künstlerische Individualität dürstete nach Freiheit, und sie vollzog den Bruch mit der Tradition." Hand in Hand damit ging ein zunehmender Mangel an Baulust, welcher zahllose Bauleute brotlos machte. Dazu kam der dreissigjährige Krieg, während dessen die Baukunst ganz darniederlag. Und als nun gar 1681 Strassburg, der Vorort der deutschen Bauhütten, in die räuberischen Hände Ludwigs XIV. gefallen war, lag es nahe, u. a. auch den Verein der deutschen Bauleute der Gerichtsbarkeit einer fremden Behörde zu entziehen. So wurde denn durch den Reichstagsbeschluss vom 16. März 1707 den deutschen Bauleuten aufgegeben, jede Verbindung mit der Strassburger Haupthütte abzubrechen. Wohl wurden vereinzelte Anstrengungen gemacht, eine deutsche Nationalhütte ins Leben zu rufen. Allein die Zeit der Baubrüderschaft war erfüllt. Eine Einigung kam nicht zustande; vielmehr brachen unter den einzelnen Hütten Misshelligkeiten aus. Die Folge war, dass endlich am 16. August 1731 durch ein kaiserliches Edikt das Institut der Bauhütte aufgehoben wurde.
  Nichtsdestoweniger aber erhielt sich im Geheimen die Verbindung fort. Dies war in Deutschland noch bis vor wenigen Jahrzehnten an vielen Orten der Fall. Die sächsischen Steinmetzen anerkannten noch zu Anfang der sechsziger Jahre [des 19. Jahrhunderts] die Strassburger Hütte als ihre Haupthütte.
  Der letzte "Wissende" soll der Dombaumeister Schmidt in Wien gewesen sein. In dem Artikel "Dombaumeister Schmidt's Hüttengeheimnis" der No. 1 Jahrgang 1892 der "Allgemeinen Kunst-Chronik" versichert der "Baurat Mothes in Zwickau, dass Schmidt nicht der letzte Wissende sei, dass auch er zu den Wissenden gehöre und überhaupt in Deutschland noch mehrere Steinmetzhütten beständen, dass es ihm aber nicht erlaubt sei, darüber Näheres mitzuteilen." (12)

Anmerkungen
1 Durch tüchtige Baumeister, Bildhauer, Maler, Goldschmiede usw. zeichneten sich längere Zeit die reichen Benediktinerklöster St. Gallen, Hirschau, Hersfeld, Corvey, Strassburg, Reichenau, Trier, Hildesheim, Bremen aus.
2 Nach Heideloff und anderen ist die Baukorporation ein sehr altes Institut, das vielleicht schon zur Zeit der Pharaonen blühte. "Wenn man nämlich", so heisst es bei ihm, die ungeheuren Bauwerke jener Zeit betrachtet und erwägt, welche Hilfsmittel der Mathematik und anderer technischen Wissenschaften dabei zur Anwendung gekommen sein müssen, welche kluge Verteilung ungeheurer physischer Kräfte dies Alles voraussetzt, so ist man überzeugt, dass dies unter Leitung begabter Köpfe und hervorragender Talente geschah, dass die ersten Arbeiter in einem Institut, ähnlich unsern Bauhütten, für ihre Kunst ausgebildet wurden, dass die Priester die leitenden und belehrenden Köpfe waren und ihr Wissen Andern mitteilten."
  Auch die Griechen und Römer erkannten in der Blütezeit ihrer Kunst die Wirksamkeit solcher Baukorporationen und ihren Einfluss auf die Kunst. Die zerstreuten Bauleute waren zu einem "collegium fabrorum" vereinigt. An ihrer Spitze standen quästores, procuratores, magistri quinquennales, welche die Zunftversammlungen leiteten, die Zunft-Gerichtsbarkeit übten und die Korporation nach aussen vertraten. Vergl. J. G. Heineccius: De collegiis et corporibus opificum. Halae; 1721. - Dass aber zwischen diesem "collegium fabrorum" und den geistlichen Korporationen, wie oft behauptet worden, ein innerer Zusammenhang bestanden habe, ist schwerlich mit einiger Sicherheit zu beweisen.
3 Alle älteren Werke christlicher Bauthätigkeit waren von dem römischen Einfluss beherrscht. Erst nach dem allgemeinen Siege des Christentums trat ein von der antiken Bauweise abweichendes Prinzip in die Baukunst ein und suchte dem christlichen Geiste auch in den architektonischen Verhältnissen Ausdruck zu geben. Während der antike Tempel sich liebevoll der Erde anschmiegte, weil er aus dem Begriff einer körperlichen Gegenwart der Gottheit hervorging, sollte das christliche Gotteshaus die versammelte Gemeinde über das irdische Leben emporheben. So entstand in der byzantinischen Zeit die Verbindung des runden gewölbten Kuppelbaues mit dem Langhaus. Kräftige Pfeiler stiegen empor, durch stolze Bogen verbunden, über denen sich der Raum in einer leichten Kuppel wölbte. Im 10. Jahrhundert offenbarte sich ein neuer Geist in der mehr oder minder freien Umbildung der alten Form. Die altchristliche Basilika blieb zwar noch als Grundform der architektonischen Anlage bestehen, aber die Umgestaltung der horizontalen Decke zum halbkreisförmigen Kreuzgewölbe verlieh dem ganzen Gebäude einen neuen, grundlegenden Charakter. Mit der Hinzufügung der Glockentürme, "die wie steinerne Andachtsstrahlen in die Lüfte steigen", wurde der Drang nach den lichten Himmelshöhen noch kräftiger ausgeprägt, während eine reiche Portalanlage das christliche Gemüt für das innere Heiligtum vorbereiten sollte.
  Ruhiger Ernst und würdevolle Einfachheit zeichnet im Allgemeinen den romanischen Baustil aus, der, hauptsächlich von Klostergeistlichen ausgebildet und geleitet, im 11. Jahrhundert blühte und im 12. seinen Abschluss fand.
  Ihren schönsten Ausdruck aber fand die inbrünstige Himmelssehnsucht des christlichen Kultus, ihre unergründliche Tiefe in der Gotik. Sie setzte an die Stelle des bisher vorherrschenden Rundbogens den Spitzbogen, verband ihn mit dem Säulenbau der altchristlichen Kunst und dem schon ausgebildeten Gewölbesystem und schuf so eine neue Kunstlehre, durch welche eine grössere Gliederung der Überwölbung, gefällige Leichtigkeit der äusseren Formen und eine harmonische Mannigfaltigkeit und ein höherer Schwung erzielt wurde. Die Gotik "löste den riesenhaften Bau in eine zahllose Masse feiner Glieder und Ornamente auf, und indem sie Altäre, Fenster und andere Teile mit Skulpturen und Malereien, mit Laubwerk und geometrischen Gebilden ausschmückte, gestaltete sie das Gotteshaus zu einem wahren Meisterwerk plastischer Kunst; und wenn sie durch ihre zierlichen schlanken Thürme der gläubigen Seele das Ziel wies, dem sie in stiller Sehnsucht zustrebte, so suchte sie durch reiche, tiefsinnige Symbolik, worin sich die geheimnisvolle Tiefe der kirchlichen Glaubenslehre abspiegelt, der mystischen und schwärmerischen Zeitrichtung zu genügen."
  Wie die Kunst überhaupt, so nahm auch die Gotik ihren Ausgang von Frankreich. Von hier aus nahm sie ihren Weg nach England und den Niederlanden, wo der neue Baustil in herrlichen Kathedralen und stolzen Rathäusern zur Anwendung gelangte. Aber die reinste und vollendetete Ausbildung fand die Gotik in Deutschland an dem 1248 gegründeten Dom von Köln, in den bischöflichen Kirchen von Freiburg, Regensburg, Ulm, in dem von Erwin von Steinbach entworfenen Strassburger Münster, in dem Stephansdome zu Wien und zahlreichen anderen Kirchen des frommen, städtereichen Landes.
4 C. Gurlitt: Kunst und Künstler am Vorabend der Reformation. (In: Schriften des Ver. für Reformationsgesch.) No. 29. Halle; 1890.
5 Die niedersächsischen Bauhütten, namentlich die von Magdeburg, Halberstadt, Hildesheim, Lübeck etc., waren auf dem Regensburger Kongress nicht vertreten. Ihnen wurde später eine Abschrift der neuen Ordnung zugeschickt, mit der Aufforderung, sich dem Bunde anzuschliessen. Sie lehnten indes ab und stifteten auf eigene Hand am 24. August und 29. September 1462 zu Torgau eine besondere Ordnung, die zwar im wesentlichen mit der älteren übereinstimmte, jedoch niemals eine rechtliche Bedeutung erlangt hat.
6 Vergl. R. v. Liliencron: Der Weisskunig Kaiser Maximilian I. (tu: Raumers Histor. Taschenbuch) Leipzig; 1873.
7 Schon die einfache Thatsache, dass die Bauleute sich den Gebrauch und die Kenntnis der Bibel, welche die Kirche der Laienwelt entzogen, bewahrt hatten, machte sie zu natürlichen Bundesgenossen der aufgeklärten Mystiker. Bedienten sich doch auch diese der Bibel und derselben aus ihren Büchern geschöpften geheimnisvollen Symbolik, wie sie die Hüttenleute bei ihren Kirchenbauten zur Anwendung brachten; entsprach doch das formenreiche Zeremonienwesen und die ganze Verfassung der "Gemeinden Christi" zum grössten Teile derjenigen, welche in der Baugenossenschaft herrschte. Möglich auch, dass sogar erst unter dem Einfluss der waldensischen Gemeinden die Organisation, die Zeremonien der Bauhütten entstanden sind. Das Nähere hierüber siehe bei Keller a. a. 0., dessen Ausführungen nach dieser Richtung im Ganzen aufmerksame Beachtung verdienen. Die bemerkenswerten Ergebnisse seiner Forschungen bedürfen sicherlich noch hie und da der Berichtigung, jedoch werden sie u. E. in den wesentlichsten Punkten kaum zu erschüttern sein. Das ist auch trotz mehrfacher Versuche neuerer Forscher bisher nicht gelungen. Und selbst Boos (Gesch. d. Freim.) vermag, obwohl er manche beherzigenswerte Momente für seine gegenteilige Ansicht ins Feld führt, einen mathemathisch überzeugenden Beweis gegen die angeblich "auf schwachen Füssen stehende, schöne Geschichtskonstruktion" Kellers nicht zu erbringen. -
8 Wer sich gegen die Hüttenordnung auflehnte, wurde für ehrlos erklärt und sein Name an den Schelmenpfabl geheftet. Keine Hütte durfte dem Geächteten Arbeit geben, kein Geselle ihn unterstützen.
9 Als Patrone der Genossenschaft wurden die Heiligen Claudius, Nikostratus, Symphorianus und Castorius verehrt, ausgezeichnete Bildhauer, welche nach der heiligen Legende, als sie sich weigerten, Götterbilder anzufertigen, auf Befehl des Kaisers Diocletian ertränkt wurden. Ihre Gedächtnisfeier fiel auf den 8. November. Ob auch Johannes der Täufer als Schutzpatron gefeiert worden, ist nicht zu erweisen. Fest steht nur, dass am 24. Juni von den Bauleuten ein Fest begangen wurde, bei welchem die Hütte mit Laub und Kränzen geschmückt wurde.
10 Der junge Steinmetzgeselle erhielt bei der Lossprechung ein Zeichen, welches er fortan in jede von ihm fertiggestellte Arbeit einzuhauen hatte, sein Ehrenzeichen. Bei seiner Aufnahme wurde es in das Hüttenbuch bei seinem Namen eingetragen und diente nicht nur zur Legitimation des ausgelernten Arbeiters, sondern auch "als Zeichen zur Kontrolle der Güte und Quantität des Gefertigten, sowie auch dessen, was der Einzelne verdient hatte." Die Bedeutung des Zeichens, "seine Lesung", war Geheimnis der Eingeweihten. Vergl. Brandt: Ausbildung der Steinmetzzeichen. (In: Mitteil. des thüringisch-sächs. Altertumsvereins. VIII. Bd.) Halle; 1850. - Schwetschke: Hallische Steinmetzzeichen. Halle; 1852. - Back: Von Steinmetzzeichen. Altenburg; 1861. - 0. G. Homeyer: Die Haus- und Hofmarken. Berlin; 1870.- Fr. Schneider: Über die Steinmetzzeicben. Mainz; 1872. - Heinsch: Handwerksgebrauch der alten Steinhauer. Stuttgart; 1872.- E. Fischer: Das Zunftwesen der Steinmetzen. Leipzig; 1876. -
11 "Aus den drei Fundamenten: Kreis (Zirkel), Dreieck (Triangulatur) und Quadrat (Quadratur) entspringen die vornehmlichsten gotischen Konstruktionen."
12 Vgl. Findel a. a. 0.

1 Dieser Artikel entspricht dem Text von Dr. Georg Schuster in: Geheime Gesellschaften Verbindungen und Orden, Bd. 1, S. 399-415, Reprint der Ausgabe von 1905 Komet Verlag Köln 2002. Die Anmerkungen Schusters sind durchgängig nummeriert und nicht - wie bei ihm - seitenweise, da das hier nur schlecht wiedergegeben werden kann. Die Liste der Schriften, aus denen er (wohl u.a.) seine Informationen bezog, habe ich nicht mit angegeben (s. Handwerk - Bauhütte). [4.7.03]