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Alphabetisch | Chronologisch *
Al Farghani
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Aristoteles
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Avencebrol (Ibn Gabriol)
Avicenna (Ibn Sina)
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Gregor I., der Große
Gregor von Nyssa
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Macrobius
Origenes
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Parmenides
Platon
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Ptolemäus
Seneca
Sokrates
Chronologisch | Alphabetisch *
- 5.-1. Jh.
Parmenides
Sokrates
Platon
Aristoteles
Euklid
Cicero
Ovid
Seneca
2./3. Jh.
Ptolemäus
Origenes
Plotin
4. Jh.
Gregor von Nyssa
Ambrosius
Hieronymus
Chrysostomus
Augustinus
5. Jh.
Proklos
Macrobius
Boethius
Dionysius
6. Jh.
Gregor I., der Große
Isidor von Sevilla
7./8. Jh.
Beda
Damaskus
9. Jh.
Al Farghani
Eriugena
11. Jh.
Avicenna (Ibn Sina)
Avencebrol (Ibn Gabriol)
Artikel Boethius und Dionysius
Apathie
Apokatastasis
Ataraxie

Form
Hylemorphismus

Hypostase
Hypostatische Union

Materie
Materialursache
Monismus
Potenz
Privation

Dominikaner Franziskaner Frauen Namenregister

Mir ist von manegem man geseit,
er phlege grôzer heilekeit:
als ich in sach, sô dûhte mich,
er waere ein mensche alsam ich.

Freidank, S. 34/35
Von manchem hörte ich die Mär,
daß er ein großer Heil'ger wär.
Als ich ihn ansah, däuchte mich,
er wär' ein Mensch genau wie ich.
Freidank 21,7
[28.11.04]

Parmenides von Elea
  * um 515 (um 540?) v. Chr., † um 445 (um 470?) v. Chr.
Griechischer Philosoph. - Vorsokratiker; neben Zenon der wichtigste Vertreter der eleatischen Philosophie. Seine in einem hexametrischen Lehrgedicht "Über die Natur" (in dem ihn die Göttin Dike über die Wahrheit des einen Seins belehrt) überlieferte Philosophie ist geprägt von einem ontologischen Dualismus von Sein und Nichtsein, Sein und Werden: Es gibt nur ein Seiendes, und dieses ist erkennbar; Denken und Sein entsprechen einander, sind identisch; Nichtseiendes existiert nicht; es ist undenkbar; es gibt kein Entstehen und Vergehen, da beides die Existenz von Nichtseiendem voraussetzt; das Seiende ist daher ungeworden, unvergänglich und unveränderlich. Die schon in der Antike bedeutende Wirkung läßt sich bis in die neuere Ontologie und Metaphysik verfolgen. [VoL 8, S. 637] [14.12.03]

Sokrates
   * Athen um 470 v. Chr., † ebenda 399 v. Chr.
Griechischer Philosoph. - Sohn des Steinmetzen Sophroniskos und der Hebamme Phainarete, verheiratet mit Xanthippe. Ob Sokrates das Handwerk seines Vaters selbst in erheblichem Umfang ausgeübt hat, ist nicht bekannt. Neben der Tätigkeit als philosophischer Aufklärer soll er sich im Kriegsdienst (im Peloponnesischen Krieg Hoplit bei den Feldzügen nach Poteidaia 432-429, Delion 424, Amphipolis 422 v.-Chr.) durch Tapferkeit ausgezeichnet haben und verwaltete politische Ämter, dabei ohne persönliche Rücksichten Gesetz und Gerechtigkeit verpflichtet. 399 v. Chr. wurde er von drei Männern (Meletos, Anykos, Lykon) wegen angeblicher Einführung neuer Götter und Verführung der Jugend angeklagt und vom Gericht zum Tode durch Schierling verurteilt.
  Sokrates hat keine philosophischen Schriften verfasst. Über Lehre und Leben geben deshalb lediglich sekundäre Quellen Auskunft, v.a. Platon, aber auch Aristophanes in seiner 423 v. Chr. aufgeführten Komödie »Die Wolken« sowie Xenophon u.a. Schüler des Sokrates (Antisthenes, Aristippos, Euklid von Megara, Phaidon von Elis), ebenfalls Aristoteles und Diogenes Laertios.
  Der griechischen Philosophie soll Sokrates erstmals statt der bei den Vorsokratikern vorherrschenden kosmologischen Naturspekulationen das vernünftige Begreifen des menschlichen Lebens und der Tugend als wesentliche Aufgabe gesetzt haben. Diese Zielsetzung bringt ihn in einen grundsätzlichen Konflikt mit den Sophisten. Obwohl selbst zum Teil den ursprünglichen aufklärerischen Intentionen der Sophisten verpflichtet, kritisiert Sokrates v.a., dass ihre Lehren inzwischen weniger auf ein begründetes Wissen und Handeln gerichtet sind als auf die Kunst rhetorischer, trickreicher Überredung. Da es nach Sokrates auf ein wahrhaft gutes und gerechtes Leben ankommt, muss das jeweilige faktische Verständnis des Lebens als vernünftig ausweisbar sein oder durch vernünftiges Denken in Richtung auf ein Wissen über uns selbst und damit darüber, wie wir handeln sollen, überwunden werden. Denn das begründete Wissen des Guten ziehe das rechte Handeln nach sich. Dieses Wissen bedarf, um Selbsttäuschungen zu entgehen, des (philosophischen) Gesprächs. Im Gespräch über ethische und andere Themen deckt Sokrates vermeintliches Wissen als unbegründete Meinung auf und führt dabei zu der zentralen Einsicht, dass wir über uns selbst nichts Genaues wissen. Im Sinne eines delphischen Orakelspruchs, dass niemand weiser sei als Sokrates, beansprucht Sokrates, insofern weiser zu sein als die selbstsicheren anderen Menschen, als er wenigstens klar erkenne, dass er nichts wisse. Die Grundlagen eines wahren Selbstverständnisses und Wissens liegen nach Sokrates bereits unter der Oberfläche der jeweils vorherrschenden Orientierungen verborgen und können mithilfe konsequenten Fragens ans Licht gezogen werden (Mäeutik). Entsprechend soll das sokratische Fragen als Methode der Reflexion nicht nur mit den Mitteln der Ironie und durch den Nachweis von Widersprüchen (Elenktik, die Kunst des Beweisens, Widerlegens, Überführens) die Selbstverständlichkeit vermeintlichen Wissens erschüttern, sondern zu der schon immer vorhandenen Basis vernünftigen Denkens und sittlicher Einsicht hinführen. Für die eigenen Lebensentscheidungen, die einer argumentativen Klärung nicht oder nicht unmittelbar zugänglich sind, nimmt Sokrates die warnende Stimme einer ethischen Intuition, des »Daimonion«, in Anspruch, die er als »Zeichen des Gottes« versteht.
  Wohl deshalb, weil vernünftige Praxis nicht über eine vom Leben abgelöste monologische Rede vermittelbar ist, verfasste Sokrates keine philosophischen Schriften. Der Überlieferung zufolge trat Sokrates nicht nur für die Übereinstimmung von Reden, Denken und Handeln in einem vernünftigen Leben ein, er stellte sie auch in seiner Person dar. Mit dem Ruf eines Weisen und als Symbol »des Philosophen« hat er die spätere Philosophiegeschichte und Literatur zu vielfältigen Darstellungen und Interpretationen angeregt, wobei sich Idee und Wirklichkeit häufig nicht klar voneinander unterscheiden lassen. [PC-Bib] [24.11.09]

Platon
  * Athen 427 v. Chr., † ebenda 348/347 v. Chr.
Griechischer Philosoph. - Aus adligem Geschlecht, Sohn des Ariston und der Periktione. Der junge Platon beabsichtigte, die politische Laufbahn einzuschlagen, wurde davon jedoch durch die politischen Wirren in Athen abgehalten. Durch Sokrates wurde er zum philosophischen Fragen nach den sittlichen Werten ("Tugenden") und nach dem einen göttlichen Guten geführt und nachhaltig beeinflusst. Das Gedächtnis an seinen Lehrer bewahrte er in seinen Schriften. Nach dessen Tod (399) soll Platon mit anderen Schülern zu Euklid von Megara, später von Athen aus nach Kyrene und Ägypten gereist sein. Von großer Bedeutung u.a. für die Nachwirkung seiner eigenen Philosophie war die Gründung einer Schule in Athen, der Akademie (zwischen 387 und 385). Als bedeutendster Schüler ist daraus Aristoteles hervorgegangen. Nachfolger Platons nach seinem Tod wurde sein Neffe Speusippos. Platon reiste dreimal nach Sizilien (etwa 388/387; 366/365; 361/360), trat bei seiner ersten Reise mit den Pythagoreern in Unteritalien, besonders Archytas von Tarent, in Verbindung und hat in Syrakus vergeblich versucht, zuerst Dionysios I., später (zusammen mit dessen Schwager Dion) Dionysios II. für das Ideal eines Staates nach philosophisch-sittlichen Grundsätzen zu gewinnen ("7. Brief"). Die letzten Lebensjahre verbrachte Platon in Athen in ununterbrochener Lehrtätigkeit im Kreise seiner Schüler.
  Platons umfangreiches erhaltenes Werk - in der Antike in neun Tetralogien (einschließlich unechter Schriften) geordnet, in dieser Form von Thrasyllos von Mendes (36 n. Chr.) herausgegeben - besteht, abgesehen von der "Apologie" und den Briefen Nr. 6 und 7 (die Briefe 1-5, 8-13 gelten als unecht), aus Dialogen; von einem Vortrag "Über das Gute" sind nur Fragmente erhalten. Chronologisch werden die (sicher echten) Schriften nach inhaltlichen und stilistischen Kriterien meist eingeteilt in: 1) frühe Periode: "Apologie", "Kriton", "Ion", "Laches", "Lysis", "Charmides", "Euthyphron", "Protagoras", "Politeia I"; 2) mittlere Periode: "Gorgias", "Menon", "Euthydemos", "Kratylos", "Hippias I" ("Hippias maior"), "Hippias II" ("Hippias minor"), "Menexenos", "Symposion" (Das Gastmahl), "Phaidon", "Politeia" IIX, "Phaidros"; 3) späte Periode: "Theaitetos", "Parmenides", "Sophistes", "Politikos" (Der Staatsmann), "Philebos", "Timaios", "Kritias", "Nomoi" (Die Gesetze). Die "Epinomis" gilt als Werk des Philippos von Opus. Platons Werke werden in der Regel nach der Ausgabe von 1578 zitiert. Seine philosophische Leistung war von größter Auswirkung auf die abendländische Philosophie (Platonismus). Platons Philosophie behandelt erkenntnistheoretische und metaphysisch-ontologische ebenso wie kosmologische, psychologische, ethische und staatstheoretische, weiterhin sprachphilosophische und auch kunsttheoretische und pädagogische Fragen. In fruchtbarer Auseinandersetzung mit der Sophistik überwand er deren Sensualismus und Relativismus hinsichtlich der Realitätserkenntnis und des sittlich Guten. Unter dem Einfluss von Parmenides' Lehre von dem einen wahrhaft Seienden und von Sokrates' Fragen nach dem Wesen des "Allgemeinen", das den vielen konkreten Fällen eine einheitliche Bedeutung verleihe, begründete Platon mit seiner Ideenlehre die (erst später so bezeichnete) Metaphysik. Die Lehre vom göttlichen Guten, Schönen, Einen verbindet sich bei ihm mit einer religiös getönten Erfahrung der "Schau" der Ideen, auf die er in seiner philosophischen Argumentation hinweist. [PC-Bib] [14.6.02]

Aristoteles
  * Stagira (östliche Chalkidike) 384 v. Chr., † bei Chalkis (auf Euböa) 322 v. Chr.
Griechischer Philosoph. - Sein Vater Nikomachos war Leibarzt des makedonischen Königs Amyntas III. (II?). Von 367 bis zu Platons Tod (348/347) gehörte Aristoteles zu Platons Akademie. Unter dem Druck antimakedonischer Politik musste er Athen verlassen, begab sich auf Einladung seines Studienfreundes Hermias nach Assos (Kleinasien), 345/344 nach Mytilene und wurde 343/342 von Philipp II. als Erzieher seines Sohnes Alexander an den makedonischen Hof berufen. Die veränderten politischen Verhältnisse ab 338 erlaubten die Rückkehr nach Athen (335/334). Dort gründete Aristoteles die "Peripatetische Schule", so genannt nach den Wandelgängen (griechisch peripatos), die den Schauplatz seines Wirkens im Lykeion (benannt nach dem Hain des Apollon Lykeios) darstellten. Nach dem Tod Alexanders des Großen (323) musste Aristoteles 322 und starb bald darauf im Haus seiner Mutter in Chalkis auf Euböa.
  Anders als Platon unterteilte Aristoteles seine Forschungen erstmals in verschiedene Disziplinen; so enthält sein Werk Schriften, die sich den Bereichen Logik, Wissenschaftstheorie, Metaphysik, Physik, Biologie, Zoologie, Seelenlehre, Astronomie, Meteorologie, Ethik, Politik, Poetik und Rhetorik zuordnen lassen. Die meisten dieser Schriften sind Abhandlungen, die vorwiegend zum schulischen Gebrauch oder als Vorlesungsgrundlagen verfasst worden sein dürften. Die Zusammenstellung verschiedener Abhandlungen zu den uns bekannten Werken sowie die Anordnung dieser Werke in thematische Gruppen stammen größtenteils nicht von Aristoteles selbst, sondern wurden von Andronikos von Rhodos im 1. Jahrhundert v.Chr. besorgt. [PC-Bib]
  Sein Werk umfaßt u.a. 1. die logischen Schriften ("Organon" genannt): u.a. "Categoriae" (Grundbegriffe), "Analytica priora" (Schlüsse), "Analytica posteriora" (Beweis, Definition), "Topica" (dialektische Schlüsse). - 2. Naturwissenschaftliche Schriften: u.a. "Physik", "De caelo" (Über den Himmel), "Meterologica", "Historia animalum" (Naturgeschichte der Tiere), "De anima" (Über die Seele). - 3. Ethische Schriften: u.a. "Nikomachische Ethik", "Politik". - 4. Ästehtische Schriften: "Poetik", "Rhetorik". - 5. "Metaphysik". [VoL 1, S. 492 f.] [14.6.02]

Euklid (Griechisch Eukleides)
  Alexandria um 300 v. Chr.
Griechischer Mathematiker. - Lehrte in Alexandria. Sein Werk »Die Elemente« gilt als das einflussreichste Mathematikbuch aller Zeiten [noch Anfang des 19. Jahrhunderts das Schulbuch im Mathematikunterricht]; hierin fasst Euklid die mathematischen Kenntnisse seiner Zeit zusammen. Es sind 13 Bücher erhalten, das so genannte 14. Buch stammt von Hypsikles (2. Jahrhundert v. Chr.), das 15. vermutlich von Damaskios (6. Jahrhundert n. Chr.). Weitere Werke Euklids befassen sich mit geometrischer Optik, Kegelschnitten, Musiktheorie und astronomischen Problemen. [PC-Bib] [15.5.04]

Marcus Tullius Cicero
  * Arpinum (Arpino) 3.1. 106 v. Chr., † (ermordet) bei Formiae (Formia) 7.12. 43 v. Chr.
Römischer Redner, Politiker und Schriftsteller. - Erste Erfolge hatte Cicero nach sorgfältiger Ausbildung als Anwalt in Rom. 79-77 empfing er in Athen und auf Rhodos entscheidende rhetorische und philosophische Anregungen. 75 war er Quästor, 69 Ädil, 66 Prätor. Als Konsul unterdrückte er 63 ohne Waffengewalt die Verschwörung des Catilina; bekannt sind seine vier catilinarischen Reden. 58 musste er ins Exil gehen. Zwar konnte er 57 zurückkehren, doch blieb er in den folgenden Jahren politisch ohne Einfluss. In dieser Zeit entstanden u.a. seine bedeutenden Werke »Über den Redner« (»De oratore«), »Über den Staat« (»De re publica«, mit dem »Somnium Scipionis« [Scipios Traum]) und »Über die Gesetze« (»De legibus«, unvollendet), in denen er, auf griechischem Gedankengut aufbauend, dem Ideal des Römertums eine in die Zukunft weisende Ausprägung gab. 51 verwaltete er als Prokonsul die Provinz Kilikien. Unmittelbar nach seiner Rückkehr brach der Bürgerkrieg aus (49), in dem Cicero sich nach vergeblichen Vermittlungsversuchen schließlich für Pompeius entschied. Nach dessen Niederlage bei Pharsalos (48) ging er nach Italien zurück, musste aber bis Herbst 47 in Brundisium (Brindisi) auf die Amnestierung durch Caesar warten. Caesars Alleinherrschaft widersprach Ciceros Überzeugungen; trotzdem versuchte er, Caesar für eine maßvolle, legale Staatslenkung zu gewinnen. Nach Caesars Tod (44) trat er nachdrücklich, aber vergeblich für eine Wiederherstellung der Senatsherrschaft ein. Dabei geriet er in Gegensatz zu Marcus Antonius, gegen den er seine 14 philippischen Reden (»Orationes Philippicae«, nach dem Vorbild des Demosthenes) richtete. Dessen Proskriptionen fiel er auf der Flucht zum Opfer.
  So umstritten Ciceros Bedeutung als Politiker ist, so unbestritten ist die Wirkung, die er durch seine Schriften ausübte. Durch sie ist er der eigentliche Schöpfer der lateinischen Kunstprosa geworden. Besonders in seinen letzten Jahren (46-43) entfaltete er als Vermittler der griechischen Gedankenwelt an die Römer eine große literarische Schaffenskraft. Von seinen Reden sind 58 mehr oder minder vollständig erhalten. Von seinen rhetorischen Schriften fallen in die Spätzeit der »Brutus«, eine Geschichte der lateinischen Redekunst, und der »Orator«, der das ciceronische Ideal des allseitig gebildeten Redners zeichnet. In seinen philosophischen Schriften will Cicero, v.a. an Platon, die Stoa und den Skeptizismus der Akademie anknüpfend, drei Hauptgebiete der hellenistischen Philosophie erschließen: Erkenntnistheorie: »Akademische Bücher« (»Academica«); Ethik: »Maßstäbe des Guten und Bösen« (»De finibus bonorum et malorum«), »Tuskulanische Gespräche« (»Tusculanae disputationes«) [s. Sermones et lectiones n. 55], »Vom rechten Handeln« (»De officiis«), dazu »Über das Alter« (»Cato maior de senectute«) und »Über die Freundschaft« (»Laelius de amicitia«); philosophische Theologie: »Über das Wesen der Götter« (»De natura deorum«), »Über Wahrsagung« (»De divinatione«), »Über das Schicksal« (»De fato«). Seine in elegantem Latein geschriebenen Briefe (darunter die Briefe an seinen Bekanntenkreis »Ad familiares«, an seinen Freund Atticus »Ad Atticum« und an seinen Bruder Quintus »Ad Quintum fratrem«) sind unschätzbare historische Dokumente und autobiographische Zeugnisse von höchstem Wert. Bruchstücke von Ciceros Dichtungen zeigen seine Eloquenz in gebundener Form.

  Ausgaben: Opera quae supersunt omnia, herausgegeben von I.G. Baiter und C.L. Kayser, 11 Bände (1860-69, textkritisch überholt, aber vollständig); Scripta quae manserunt omnia, auf zahlreiche Bände berechnet (1923 folgende, unvollständig).

  Übersetzungen:
Vom rechten Handeln, herausgegeben von K. Büchner (2.1964, lat./deutsch);
Sämtliche Reden, übersetzt und erläutert von M. Fuhrmann, 7 Bände (1-2.1971-85);
Epistularum ad familiares libri XVI, herausgegeben von H. Kasten (2.1976, lat./deutsch);
Epistulae ad Quintum fratrem, epistulae ad Brutum, fragmenta epistularum, herausgegeben von H. Kasten (2.1976, lat./deutsch);
Atticus-Briefe, herausgegeben von H. Kasten (3.1980, lat./deutsch);
Laelius de amicitia, herausgegeben von M. Faltner (3.1980, lat./deutsch);
Cato maior de senectute, herausgegeben von M. Faltner (6.-8. Tausend 1983, lat./deutsch);
De re publica, herausgegeben von K. Büchner (Neuausgabe 1983, lat./deutsch);
Gespräche in Tusculum, herausgegeben von O. Gigon (5.1984, lat./deutsch). [PC-Bib] [15.5.04]

Publius Ovidius Naso
  * Sulmo (heute Sulmona) 20.3.43 v. Chr., † Tomis (heute Konstanza) etwa 17 n. Chr.
Römischer Dichter (von Eckhart 'der Dichter' genannt). - Wie Ovid in seiner poetischen Autobiographie (»Tristia«, 4,10) berichtet, sollte er sich, aus wohlhabender Ritterfamilie stammend, in Rom auf die Ämterlaufbahn oder den Anwaltsberuf vorbereiten. Nach dem Studium der Rhetorik bekleidete er verschiedene öffentliche Ämter, wandte sich jedoch bald der Dichtkunst zu und war nach Horaz' Tod der gefeiertste Dichter der Hauptstadt. 8 n. Chr. wurde er nach Tomis verbannt, wohl, weil er Mitwisser des ausschweifenden Treibens von Augustus' Enkelin Julia war. Vergebens erstrebte er eine Begnadigung.
  Ovids Stoffe entstammen dem griechischen Mythos, der römischen Überlieferung und der eigenen Erlebniswelt. Schon sein erstes Werk machte Ovid berühmt, die »Amores« (Liebesgedichte), eine Sammlung von Elegien, in deren Mittelpunkt er eine fiktive Geliebte, Corinna, stellte und in denen er als witziger, genießender, triumphierender Liebhaber erscheint. Es folgten die »Epistulae« oder »Heroides«, Liebesbriefe von mythischen Personen, im elegischen Maß, eine Reihe meisterhafter psychologischer Studien. Die Krönung dieser Dichtungen ist die »Ars amatoria« (Liebeskunst), ein graziös-leichtfertiges erotisches Lehrgedicht, ebenfalls in Distichen. In Ovids nächster Lebensepoche bis zur Verbannung entstanden zwei große erzählende Dichtungen: die »Metamorphosen« (Verwandlungen) im epischen und die »Fasti« (Festkalender) im elegischen Maß. Die »Metamorphosen«, ein Kranz von Sagenerzählungen über Verwandlungen von Menschen in Tiere, Pflanzen u.a., von der Weltschöpfung bis zur Vergöttlichung Caesars, wurden neben der Bibel zur wichtigsten literarischen Quelle der europäischen bildenden Kunst. Ebenfalls ein Meisterwerk des Erzählens sind die (unvollendeten) »Fasti«. Darin werden zu den einzelnen Festen und Erinnerungstagen des römischen Kalenders die mit ihnen verknüpften Sagen erzählt, Namen und Kultbräuche erklärt. Aus Ovids Verbannungszeit stammen die »Tristia« (Trauerlieder) und die »Epistulae ex Ponto« (Briefe vom Schwarzen Meer), in deren Zentrum das eigene Schicksal des auf Rückkehr hoffenden Dichters steht. Neben diesen Hauptwerken sind einige weniger bedeutende Dichtungen erhalten, anderes, wie die Tragödie »Medea«, ist verloren; dagegen sind mit Ovids Namen auch nicht von ihm stammende Werke verbunden (Pseudo-Ovid).
  Ovid ist der Dichter der gesicherten augusteischen Friedensordnung und ihrer verwöhnten hauptstädtischen Gesellschaft. Sein Stil ist voller Witz und Anmut, brillant und stets klar, seine Fantasie unerschöpflich, sein Versbau formvollendet. Die nie unterbrochene Wirkung seines Werks erreichte im 11. Jahrhundert einen ersten, in Renaissance und Barock einen zweiten Höhepunkt. Dass es auch noch in der Gegenwart unmittelbar fruchtbar ist, zeigt v.a. C. Ransmayrs Roman »Die letzte Welt« (1988).

  Ausgaben: Werke, 19 Bände (1-3.1838-67); Die Metamorphosen, herausgegeben von R. Ehwald und anderen, 2 Bände (4-9.1915-16, Nachdruck 1966-75); Werke, herausgegeben von demselben, 3 Bände (1915-32); Die Fasten, herausgegeben von F. Bömer, 2 Bände (1957-58); F. Bömer: Metamorphosen. Kommentar, 7 Bände (1969-86). [PC-Bib] [19.12.06]

Lucius Annaeus Seneca, der Jüngere
  * Corduba (heute Córdoba) um 4 v. Chr., † Selbstmord) Rom April 65 n. Chr.
Römischer Dichter und philosophischer Schriftsteller. - Sohn von Lucius Annaeus Seneca (Schriftsteller; * um 55 v. Chr., † um 40 n. Chr.). Sein Vater ermöglichte ihm in Rom eine rhetorische Ausbildung, während sein Interesse an der Philosophie vermutlich von seiner Mutter Helvia gefördert wurde. Er beschritt in Rom die Ämterlaufbahn und gelangte zunächst als Advokat, Quästor und Senator zu hohem Ansehen. 41 n. Chr. verbannte ihn Kaiser Claudius nach Korsika; auf Betreiben von dessen Frau Agrippina der Jüngeren wurde er im Jahre 49 n. Chr. zurückgerufen und mit der Erziehung des Prinzen Nero beauftragt. 50 n. Chr. erfolgte seine Ernennung zum Prätor und 54 n. Chr. nach dem Regierungsantritt Neros die zum Konsul. Nero ließ sich zunächst von Seneca führen, entzog sich jedoch nach der Ermordung seiner Mutter (59 n. Chr.) mehr und mehr dessen Einfluss. 62 n. Chr. verließ Seneca den Hof. 65 n. Chr. fälschlich der Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung beschuldigt, wurde er von Nero zum Selbstmord gezwungen.
  Senecas Denken ist v.a. von der stoischen Philosophie bestimmt; dabei ging es ihm weniger um die systematische Grundlegung einer Theorie als um die konkrete Lebensbewältigung mithilfe praktischer Philosophie: Das Ziel des Weisen liege darin, als Vernunftwesen in Entsprechung mit den Gesetzen der Natur zu leben. Auf diesem Weg, der allmählich von den alltäglichen Dingen befreit, kann ein Leben glücklich werden und der Geist in Autarkie Ruhe und Gelassenheit (Ataraxie, Apathie) erlangen.
  Von Seneca sind Schriften aus der Zeit von 40 bis 65 erhalten, zehn von ihnen vereint in der Sammlung der »Dialogi«; daneben stehen der Fürstenspiegel für den achtzehnjährigen NeroDe clementia«, 55), eine sieben Bücher umfassende Schrift über Wohltaten (»De beneficiis«) sowie die beiden Hauptwerke, die »Epistulae morales ad Lucilium« und die »Naturales quaestiones« (62-65). Die bissige Satire »Apocolocyntosis« stellt Senecas schonungslose Abrechnung mit Kaiser Claudius nach dessen Tod dar. In seinen an Grausamkeiten reichen Tragödien (u.a. »Medea«, »Phaedra«, »Oedipus«, »Hercules«), die bekannte Stoffe griechischer Tragiker behandeln, will Seneca v.a. die verhängnisvolle Wirkung menschlicher Leidenschaften vorführen und Verhaltensweisen der Seele in Grenzsituationen aufzeigen. Sicherlich nicht von Seneca ist die unter seinem Namen überlieferte Praetexta »Octavia«, ein Trauerspiel über das Schicksal der Gattin Neros. Die Tragödien Senecas haben, obwohl sie Lesedramen waren, seit dem Humanismus die Entwicklung des abendländischen Schauspiels, besonders in Frankreich, stark beeinflusst. Seine Prosa gehörte bis zum 18. Jahrhundert zu der am meisten gelesenen philosophischen Literatur. Während des Mittelalters galt Seneca als Christ (ein fingierter Briefwechsel mit Paulus ist erhalten).

  Ausgaben: Lettres à Lucilius. Epistulae morales, herausgegeben von F. Préchac und anderen, 5 Bände (1-4.1958-91, lateinisch und französisch); De clementia, herausgegeben von K. Büchner (1970); Dialogues, herausgegeben von A. Bourgery und anderen, 4 Bände (5-7.1970-75); Apocolocyntosis divi Claudii, herausgegeben von O. Schönberger (1990). Sämtliche Tragödien, herausgegeben von T. Thomann, 2 Bände (1-2.1969-78, lateinisch und deutsch); Philosophische Schriften, herausgegeben von M. Rosenbach, 4 Bände (1-2.1971-84). [PC-Bib] [8.12.06]

Claudius Ptolemäus (Griechisch Klaudios Ptolemaios)
  * Ptolemais (Oberägypten) um 100, † vermutlich Canopus (bei Alexandria) um 160
Griechischer Astronom, Mathematiker und Naturforscher. - Ptolemäus wirkte im 2. Drittel des 2. Jahrhunderts in Alexandria; er erwähnt eigene astronomische Beobachtungen aus den Jahren 127-151. Aus seinem Leben ist wenig bekannt.
  Das erste systematische Handbuch der mathematischen Astronomie ist seine um 800 von den Arabern Almagest betitelte Syntaxis mathematike ("Mathematische Sammlung"), die durch ihren Inhalt und Aufbau für alle astronomischen Handbücher bis über N. Kopernikus hinaus maßgeblich wurde. Sie enthält eine Einführung in das ptolemäische Weltsystem, die mathematischen Hilfssätze der Astronomie nebst Beweisen (astronomische Koordinaten, sphärische Trigonometrie, Sehnentafeln, Ausbau und Anwendung der Lehre von den Kegelschnitten), im dritten Buch die Theorie der Sonne (Exzenter), im vierten und fünften die des Mondes (Epizykel). Das sechste Buch widmet sich den Ursachen und Berechnungen von Mond- und Sonnenfinsternissen, die beiden anschließenden behandeln die Sterne und bringen den erweiterten Sternkatalog des Hipparch von Nikaia, der bis Tycho Brahe fast unverändert, nur wegen der Präzession auf die neue Zeit reduziert, übernommen wurde. Auf seiner Basis konnten E. Halley 1718 und J. T. Mayer 1760 durch Vergleich mit neueren Beobachtungen erstmals auf Eigenbewegungen von Sternen schließen. Die Bücher 9 bis 13 liefern die Theorie der fünf Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur.
  Ptolemäus versuchte später, auf der Grundlage der homozentrischen Sphären des Aristoteles ebenfalls eine Sphärenkosmologie aufzubauen, die jetzt allerdings aus Teilsphären und nicht aus konzentrisch begrenzten Kugelschalen bestand, entsprechend den Ergebnissen seiner mathematischen Astronomie. Da diese materiellen Sphären räumlich gegeneinander abzugrenzen waren, ließ sich auf der Grundlage der parallaktischen Entfernungsbestimmung Erde-Mond und Erde-Sonne sowie aus den relativen Größenverhältnissen der jeweiligen Deferenten und Epizykel ein ineinander geschachteltes System mit berechenbarer Ausdehnung schaffen. Die Schrift, in der diese Kosmologie dargelegt und die äußere Sternsphäre zu 20000 Erdhalbmessern berechnet wird (Hypotheses planetarum), ist vollständig erst 1967 in einer arabischen Übersetzung wieder aufgefunden worden. Die kosmologischen Anschauungen Ibn al-Haithams, die über Johannes de Sacrobosco und G. Peurbach auch das lateinische Mittelalter beherrschten, ließen sich dadurch ebenso als ptolemäisch nachweisen wie die mittelalterlichen Vorstellungen von der Größe des Kosmos. Ein im Wesentlichen noch heute gebräuchliches Handbuch schuf Ptolemäus mit Tetrabiblos ("Viererbuch"), ein noch heute fast unverändertes Regelwerk der Astrologie. Die astrologischen Berechnungen wurden von Ptolemäus allerdings auf die neue mathematische Grundlage seines Almagest gestellt, und die Planetenastrologie der Babylonier wurde mit der Tierkreis- und Dekanastrologie der Ägypter erstmals fest verknüpft.
  Das geographische Weltbild wurde bis in die Neuzeit wesentlich durch die acht Bücher der ptolemäischen Geographia bestimmt, die allerdings selbst keine Erdkarte enthielt, sondern nur eine Anleitung zur Konstruktion von Gradnetzen (mit der ihm erstmals gelungenen Kegelprojektion); sowie die Länderaufteilung und, nach dem Vorbild von Eratosthenes, Hipparch und Marinos, die vorwiegend astronomische Lagebestimmung von rund 8100 Orten der in der antiken Welt bekannten (nördlichen) Ökumene. Nach diesen Angaben wurden bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert (gelegentlich um neue Entdeckungen ergänzte) Erdkarten konstruiert. Das astronomische Werk wird ergänzt durch lange gebräuchliche Handtafeln, Kalender (Parapegma) und Schriften über Sternphasen, das Analemma und die Planisphäre (Astrolabium).
  Neben kleineren philosophischen Schriften zur Erkenntnistheorie und einem Werk über die Schwere der Körper stammen zwei weitere Handbücher von Ptolemäus, die die behandelten Disziplinen bis in die Neuzeit kanonisch beherrschten, die Harmonik, die die mathematischen Musiktheorien der Antike abschließend zusammenfasst und starken Einfluss noch auf J. Keplers Vorstellungen von der "Weltharmonik" ausübte, und die nur in einer lateinischen Übersetzung erhaltene Optik, in der die geometrische Optik einschließlich der Reflexion (Katoptrik) im Wesentlichen im Anschluss an Euklid und Heron von Alexandria axiomatisch behandelt wird, sich aber auch erstmals eine nähere Behandlung der Brechung des Lichtes an der Grenze von Medien unterschiedlicher Dichte (Luft-Wasser, Luft-Glas, Glas-Wasser) findet. Einfalls- und Brechungswinkel maß Ptolemäus dazu mit einer graduierten Scheibe, und er kam für die Einfallswinkel zwischen 10º und 80º zu annähernd richtigen Ergebnissen, wenn er auch noch nicht nach einem Brechungsgesetz suchte. [PC-Bib] [14.6.02]

Origenes
  * Alexandria um 185, † Tyros 254
Griechischer Theologe und Philosoph. - Kirchenschriftsteller; entstammte einer christlichen Familie. Nach dem Märtyrertod seines Vaters (202) war er zunächst Grammatiklehrer; die finanzielle Unterstützung einer alexandrinischen Christin ermöglichte ihm philosophische und theologische Studien bei Ammonios Sakkas (Neuplatonismus) und an der alexandrinischen Katechetenschule. Bereits in jungen Jahren durch Bischof Demetrios (* um 189, † 231) zu ihrem Leiter ernannt, lehrte Origenes dort in der Tradition der von Klemens von Alexandria begründeten alexandrinischen Theologie, die in ihm ihren bedeutensten Vertreter fand. Origenes führte ein streng asketisches Leben, das er bis ins Extrem steigerte, indem er sich (nach Eusebios von Caesarea) in Missdeutung von Matthäus 19,12 selbst entmannte ("Er aber sprach zu ihnen: Nicht alle fassen dieses Wort, sondern denen es gegeben ist; denn es gibt Verschnittene, die von Mutterleib so geboren sind; und es gibt Verschnittene, die von den Menschen verschnitten worden sind; und es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten haben um des Reiches der Himmel willen. Wer es fassen kann, der fasse es"). Um 212 unternahm er Reisen nach Arabien, Palästina und Rom. Wegen Differenzen mit Bischof Demetrios aus der alexandrinischen Kirche ausgeschlossen, eröffnete er 232 eine eigene Schule in Caesarea Palaestinae. Er starb an den Folgen der Folterungen, die er während der Christenverfolgung erlitten hatte.
  Seine philosophische Bildung ermöglichte es ihm, in seinem Hauptwerk »Peri archon« (lateinisch »De principiis«, entstanden zwischen 220 und 230) erstmals eine systematische Darstellung des christlichen Gedankenguts mit hellenistischer Sprache und Begrifflichkeit zu verbinden. Seiner Denkstruktur nach christlicher Neuplatoniker, bemühte er sich, den christlichen Glauben als rational und verantwortbar und als der Philosophie überlegen zu erweisen. Die Trinitätslehre des Origenes ist streng subordinatianisch: Aus Gott, dem absoluten, unveränderlichen Einen, gehen von Ewigkeit her der abbildliche Logos und der Geist hervor. Die präexistenten Seelen der Menschen (außer der Seele Jesu) geraten durch einen vorzeitigen Sündenfall auf die Erde. Die Seele hat jedoch wie die gesamte gefallene Schöpfung durch die Verbindung des göttlichen Logos mit der menschlichen Seele Jesu in der Menschwerdung eine positive Perspektive; denn der Abstieg des Logos findet seine Entsprechung im Aufsteigen des Menschen zu Gott durch Tugend und Askese. Dem Bösen gesteht Origenes letztlich keine dauerhafte Existenz zu: Am Ende steht die Auferstehung aller (Apokatastasis) bis hin zur Rückführung der Teufel in das Reich Gottes. Die asketisch-idealistische Spiritualität des Origenes beeinflusste besonders das östliche Mönchtum und die Mystik.
  Bei den Schriften des Origenes, von denen nur ein Bruchteil erhalten ist (die Hälfte davon in lateinischer Übersetzung), handelt es sich v.a. um Kommentare und Homilien zur Heiligen Schrift. Theologie- und kirchengeschichtlich von Bedeutung sind neben »Peri archon« v.a. die Hexapla und die Apologie gegen den Philosophen Celsus. Als Exeget hat Origenes mit der Unterscheidung eines dreifachen Schriftsinns die altkirchliche Schriftdeutung wesentlich beeinflusst.
  Die Rezeption und Wirkungsgeschichte der Lehre des Origenes (Origenismus) führten in den folgenden Jahrhunderten zu heftigen theologischen Auseinandersetzungen. Nach seinem Tod wurde die Schultradition in Caesarea Palaestinae zunächst von Pamphilos, dann von Eusebios von Caesarea fortgesetzt und beeinflusste nahezu die gesamte Theologie des griechischen Ostens vom 3. bis 5. Jahrhundert. Im Gegensatz zur unbehinderten Verbreitung der Exegese und Spiritualität des Origenes lösten seine Metaphysik und Trinitätslehre, besonders seine Vorstellung von der Präexistenz der Seelen, der allgemeinen Auferstehung, der Pluralität der Schöpfungswelten und der Ewigkeit der Materie, die origenistischen Streitigkeiten aus: Als im 4. Jahrhundert namhafte Theologen wie Hieronymus die Rehabilitierung des ehemals exkommunizierten Origenes betrieben, erreichte der Metropolit von Zypern Epiphanios angesichts von Auseinandersetzungen unter den Mönchen Ägyptens die Verurteilung des Origenes (399). Als im 6. Jahrhundert Mönche Palästinas erneute Anklage wegen derselben Inhalte erhoben, ließ Kaiser Justinian I. häretische Lehren aus den Werken des Origenes zusammenstellen und auf einer Synode in Konstantinopel (543) verurteilen. Sie wurden nachträglich den Akten des 2. Konzils von Konstantinopel (553) hinzugefügt und somit allgemein verworfen. Diese Verurteilungen haben sich auf die Überlieferung des literarischen Werks des Origenes nachhaltig ausgewirkt; es ist weitgehend nur noch fragmentarisch erhalten.
  Ausgabe: Vier Bücher von den Prinzipien, herausgegeben von H. Görgemanns u.a. (3.1992). [PC-Bib] [15.5.04]

Plotin (Griechisch Plotinos)
  * Lykonpolis (heute Assiut) um 205, † Minturnae (Kampanien) 270
Griechischer Philosoph. - Studierte in Alexandria unter Ammonios Sakkas und trat in seinem 40. Lebensjahr in Rom als Lehrer der Philosophie auf. Sein Leben ist von seinem Schüler Porphyrios von Tyros beschrieben worden. Dieser ordnete auch seine 54 Schulvorträge in sechs Enneaden (Gruppen von je neun Abhandlungen). Plotins Philosophie ist eine selbstständige Erweiterung der platonischen Philosophie, in die aristotelische, stoische und gnostische Gedanken aufgenommen sind. In ihr wird die Weltordnung als ein dynamischer Stufenbau dargestellt, in dem das Eine, der Geist (Weltvernunft) und die Seele die drei Hypostasen (Seinsstufen) der vollkommenen Wirklichkeit bilden. Alles Seiende geht durch Emanation aus dem Einen wie aus der Licht ausstrahlenden Sonne hervor; das Eine steht als erste (und höchste) Hypostase noch über der Weltvernunft. Diese als der Ort der Ideen und zweite Hypostase und die Weltseele als die dritte Hypostase bilden mit dem Einen die vollkommene Wirklichkeit. Darunter beginnt das Niedere und Schlechte, das dadurch ist, dass sich das vom Einen Ausstrahlende gleichsam im Nichtseienden, der Materie, spiegelt. Die dadurch entstehende Körperwelt ist die vierte und die Materie die fünfte Hypostase. Die Emanation bedeutet keine Minderung des Einen, sodass auch die Hypostasen das Eine nicht zerreißen, sondern es selbst, nur auf andere Weise, immer noch sind. Im Rahmen dieser fünfstufigen Welt bewegt sich die Einzelseele, die, in die Körperwelt gefallen, vor der Entscheidung steht, der Körperlichkeit und dem Schlechten zu verfallen oder sich zurückzuwenden (griechisch epistrophe) und nach oben bis zum Einen aufzusteigen. Die höchste Form des Aufstiegs ist die Ekstase, in der das Einzelne sich im Einen verliert und sich so, aus der Entfremdung heimkehrend, in seinem eigentlichen Selbst wieder findet.
  Plotin hat die Metaphysik, Psychologie, Ästhetik, Religionsphilosophie und Theologie der ihm nachfolgenden Zeit stark beeinflusst, oft jedoch nur mittelbar über den von ihm geformten Neuplatonismus. Sein Fortwirken ist bei den Kirchenvätern (etwa Augustinus) spürbar. Plotins Lehre vom Einen nahm maßgeblichen Einfluss auf die scholastische Ontologie. M. Ficino vollendete 1486 die Übersetzung der Enneaden ins Lateinische. Damit setzten wiederum meist anonyme Nachwirkungen Plotins ein, die sich v.a. auf Italien und England, weniger auf Deutschland erstreckten. Zum Ende des 18. Jahrhunderts beginnt die wissenschaftliche Erforschung Plotins durch niederländische und englische Philologen. [PC-Bib] [14.12.03]

Gregor von Nyssa
  * Caesarea Cappadociae (heute Kayseri) um 335, † Nyssa um 394
Kirchenvater. - Bruder Basilius' des Großen; gehört mit ihm und Gregor von Nazianz zu den führenden Theologen des späten 4. Jahrhunderts (den »drei großen Kappadokiern«); seit 372 Bischof von Nyssa; verteidigte das Nicänische Glaubensbekenntnis und formte die Trinitätslehre entscheidend mit; Heiliger, Tag: 9.3. [PC-Bib] [15.5.04]

Ambrosius von Mailand
  * Trier um 340, † Mailand 4.4. 397
Lateinischer Kirchenlehrer. - Einer der vier großen abendländischen Kirchenväter, Sohn eines römischen Beamten, beschritt die Ämterlaufbahn und wurde Statthalter der Provinzen Liguria und Aemilia. 374 zum Bischof von Mailand gewählt. Hier trat er für die Rechtgläubigkeit und Einheit der Kirche ein. In der Kirchenpolitik strebte er eine enge Verbindung von Kirche und Staat an. Er bekämpfte im Interesse der kirchlichen Einheit den Arianismus und setzte die allgemeine Geltung des Nicänischen Glaubensbekenntnisses durch, führte nach östlichem Vorbild den hymnischen Kirchengesang ein und dichtete selbst mehrere heute noch im Brevier gebrauchte Hymnen. Unter seinem Einfluß wurde 387 Augustinus bekehrt und von ihm getauft. Heiliger, Tag: 7.12. [VoL 1, S. 291; PC-Bib] [14.12.03]

Sophronius Eusebius Hieronymus
  * Stridon (Dalmatien) um 347, † Bethlehem 30.9. 419 (420?)
Lateinischer Kirchenvater und -lehrer. - Studierte ab etwa 354 in Rom Grammatik, Rhetorik und Philosophie und ließ sich gegen Ende seiner Studienzeit dort taufen; lebte 375-378 als Einsiedler in der Wüste Chalcis (bei Aleppo), wo er Hebräisch lernte; wurde 379 zum Priester geweiht. Während eines Studienaufenthaltes in Konstantinopel (380/81) hörte er Vorlesungen bei Gregor von Nazianz und lernte das Werk des Origenes kennen, dessen Auffassungen er lange Zeit teilte und leidenschaftlich (meist in harter und unversöhnlicher Art) in Briefen und Streitschriften verteidigte. 382 kam Hieronymus nach Rom und wurde Sekretär Papst Damasus' I. Nach dessen Tod verließ er 385 Rom und leitete in Bethlehem ein Männerkloster und drei Frauenklöster. Hieronymus zählt zu den bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit. Seine wichtigste Leistung war die von Papst Damasus I. angeregte Revision des lateinischen Bibeltextes, später Vulgata genannt. 392 verfasste er mit dem christlichen Schriftstellerkatalog De viris illustribus ("Berühmte Männer") die erste christliche Literaturgeschichte. Daneben verfasste Hieronymus exegetische Schriften und Homilien und übersetzte griechische Werke ins Lateinische. (Tag: 30.9.). [PC-Bib] [28.4.02]

Johannes Chrysostomus [Griechisch "Goldmund"]
  * Antiochia am Orontes zwischen 344 und 354, † bei Komana (bei Kayseri) 14.9. 407
Griechischer Kirchenlehrer. - 386-397 gefeierter Prediger in Antiochia, wurde gegen seinen Willen 398 Patriarch von Konstantinopel. Wegen seiner strengen Haltung 404 Absetzung und Verbannung an die armenische Grenze. Sein Schrifttum ist das umfangreichste in der griechischen Patristik. Einer der bedeutendsten Prediger des christlichen Altertums und besonders in der orthodoxen Kirche hoch verehrt. (Tag: 13.9.). [PC-Bib/VoL 6, S. 71] [28.4.02]

Aurelius Augustinus
  * Tagaste (Numidien) 13.11. 354, † Hippo Regius (Numidien) 28.8. 430
Abendländischer Kirchenvater. - Als Lehrer der Rhetorik war er in Tagaste, später in Karthago und Rom tätig, von wo er 384 nach Mailand berufen wurde. Seine Mutter (Monika, Monnika) erzog ihn im christlichen Glauben. Auf Betreiben seiner Mutter trennte er sich 385 von einer Frau, mit der er einen Sohn, Adeodatus, hatte. Vom Christentum zunächst enttäuscht, wandte er sich dem Manichäismus, später der akademischen Skepsis zu. In Mailand begegnete er Ambrosius, der ihn 387 taufte. 391 in Hippo zum Priester geweiht, gründete er hier eine Gemeinschaft von Klerikern. 395 wurde er Bischof-Koadjutor, 396 Bischof von Hippo. Seine Wirksamkeit erstreckte sich bald weit über die Grenzen seines Bistums hinaus. Sein Leben ist uns v. a. durch das Zeugnis seiner "Confessiones" (Bekenntnisse, 397-398) bekannt.
  Werk: Gott ist für Augustinus absolute Wahrheit, nach der der Mensch verlangt, freie Person, unergründlich in seinen Weisungen. In seinem Werk über die Trinität, "De Trinitate" (399-419), wird die Möglichkeit der Selbstoffenbarung nach außen (durch Inkarnation) den drei göttlichen Personen in gleicher Weise zuerkannt. Die Lehre des Augustinus vom Menschen enthält ein ausgeprägtes Gemeinschaftsverständnis. Dies zeigt sich in den Überlegungen zur Kirche und im Willen zur klösterlichen Gemeinschaft. Die Seele des Menschen ist durch göttliche Erleuchtung zur Erkenntnis befähigt, wobei die sinnenhaften Eindrücke anregend wirken. Die Gemeinschaft der Erlösten ist die Kirche, die mit Christus einen Leib bildet. Außerhalb dieser einen Kirche gibt es kein Heil. In ihr leben Heilige und Sünder. Liebe zu Gott und zum Mitmenschen sind entscheidend für den Christen: Das geschichtsphilosophische Modell, das er in "De civitate Dei" (Gottesstaat, 413-426) entwickelt, ist gekennzeichnet durch den Gegensatz und den Kampf zwischen der Civitas Dei und der Civitas terrena. Die Weltgeschichte wird nicht in antiker Sicht gesehen als ein sich ewig wiederholender Kreislauf, sondern als Abfolge von sechs heilsgeschichtlichen Perioden mit einem sich verschärfenden Kampf zwischen den beiden "Reichen" mit dem Ziel der Trennung im göttlichen Endgericht. (Fest 28.8.). [VoL 1, S. 626] [28.4.02]

Proklos
  * Konstantinopel 8.4. 412, † Athen 17.4. 485
Griechischer Philosoph. - Leitete die athenische Akademie; bedeutender Neuplatoniker. Wichtig sind seine Kommentare zu Platon und Euklid. Hauptanliegen von Proklos war die weiterführende Systematisierung der Lehre Plotins. In seiner Emanations- und Hypostasenlehre entwickelte Proklos methodisch-systematisch den Aufbau des gesamten Seienden, des Vielen, aus dem Urgrund, dem Einen, und systematisiert somit das hellenistische und das nichthellenistische, philosophisch-theologische Denken. [VoL 9, S. 310; PC-Bib] [14.12.03]

Ambrosius Theodosius Macrobius
  Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr.
Lateinischer Schriftsteller. - Er verfasste einen neuplatonischen Kommentar zu Ciceros »Somnium Scipionis« (»Scipios Traum«) sowie die unvollständig erhaltenen »Saturnalia« in sieben Büchern, die in Form von Tischgesprächen bei einem Saturnalienfest grammatische, philosophische und literaturgeschichtliche Ausführungen enthalten, in denen besonders antike Vergil-Erklärungen enthalten sind. [PC-Bib] [15.5.04]

Boethius, Anicius Manlius Torquatus Severinus
  * Rom um 480, † Pavia um 524
Römischer Staatsmann und Philosoph. - Konsul (seit 510) und "Magister Palatii" des Ostgotenkönigs Theoderich, von diesem des Hochverrats beschuldigt und hingerichtet. Durch seine Übersetzung und Kommentierung der logischen Schriften des Aristoteles prägte er die lateinische Terminologie der Scholastik und wurde so zum wichtigsten Vermittler zwischen Altertum und Mittelalter. Ferner wurde Boethius bekannt durch sein Werk "Trost der Philosophie", das er während langer Kerkerhaft schrieb und das vom Neuplatonismus beeinflusst ist; weitere Schriften über Theologie, Musik und Mathematik. [PC-Bib] [14.6.02]
  Vgl. den Artikel über Boethius und Dionysius Areopagita.

Dionysius Areopagita
  Mitglied des Areopags in Athen, von Paulus bekehrt (Apostelgeschichte 17,34), soll als erster Bischof von Athen den Märtyrertod erlitten haben. Unter dem Namen Dionysius Areopagita und damit mit dessen Autorität ausgestattet verfasste ein unbekannter Philosoph (Pseudodionysius Areopagita) im 5./6. Jahrhundert n. Chr. einige Schriften, die im Mittelalter nach der Bibel zu den bedeutendsten gezählt wurden. In ihnen wird die Auffassung der Neuplatoniker Proklos und Plotin vom bestimmungslosen Einen im Sinne der negativen Theologie in das christliche Denken eingebunden: Das Wesen Gottes, aus dem alles hervorgeht um später wieder zu ihm zurückzukehren, kann (als das Unsagbare) durch keinerlei Beschreibung erfasst werden. [PC-Bib] [14.6.02]
  Vgl. den Artikel über Boethius und Dionysius Areopagita.

Gregor I., der Große
  * um 540 in Rom, † 12. März 604 St. Peter im Vatikan
Papst, Kirchenlehrer. - Gregor entstammte einer reichen römischen Senatorenfamilie, aus der Felix III. und wahrscheinlich auch Agapet I. kamen. (..) Wahrscheinlich nach der Übernahme des väterlichen Erbes gründete er sieben Klöster (sechs in Sizilien; St. Andreas auf dem Monte Celio, Rom, in das er selbst als Mönch eintrat). Papst Pelagius II. weihte Gregor 579 zum Diakon und sandte ihn als Apokrisiar nach Konstantinopel, wo er zunächst Kaiser Tiberios II., dann (582) Kaiser Maurikios zu militärischer und finanzieller Hilfe für das von den Langobarden bedrohte Rom gewinnen sollte. 586 nach Rom zurückgerufen, beendete er in der Kirche von Istrien den Dreikapitelstreit. Nachdem Pelagius 590 an der Pest gestorben war, wurde Gregor gegen seinen Willen zum Papst gewählt. Sein heiligmäßiger Lebenswandel, verbunden mit großen Erfahrungen in der Verwaltungspraxis, gaben den Ausschlag für seine Wahl. Zwei Leitvorstellungen bestimmten seinen Pontifikat: zum einen sein Glaube an das nahe Weltende und - daraus folgend - seine Anstrengungen um die Gewinnung aller Seelen für Gott, zum anderen sein Selbstverständnis, der geringste unter den Dienern Gottes zu sein (servus servorum Dei), als der er sich Wahrung, Schutz und Verteidigung des christlichen Glaubens zum Ziel setzte. Dem 1. Leitgedanken entsprach seine seelsorgliche Arbeit zur Erneuerung des sittlich-religiösen Lebens, wobei er dem Mönchsleben den Vorrang einräumte, und sein Eifer für die Bekehrung der Heiden, der Häretiker und Schismatiker. Die 2. Leitvorstellung inspirierte sein administratives Handeln und die praktischen Maßnahmen zur Verteidigung der römischen Kirche.
  Gregor förderte die Bekämpfung der häretischen und schismatischen Gruppen der Donatisten in Afrika, der Anhänger der »Drei Kapitel« in Istrien, der Arianer im Langobardenreich. Er förderte die Bekehrung der Juden, deren Rechte er andererseits schützte. (..) Um jurisdiktionelle Kompetenzstreitigkeiten möglichst zu vermeiden, war er bestrebt, den weltlichen und kirchlichen Bereich voneinander abzugrenzen. (..) Als erster Mönch auf dem Stuhl des hl. Petrus schuf Gregor im Lateran eine monastisch geprägte Verwaltung und berief Mönche in hohe Kirchenämter. Er verteidigte, stärkte und definierte die Rechte und kirchliche Rolle des Mönchtums, förderte die Gründung und Besitzausstattung von Klöstern, setzte sich für die Disziplin und Integrität des monastischen Lebens ein und schützte Klöster vor Übergriffen der weltlichen, aber auch der bischöflichen Gewalt.
  In der Situation der abwesenden kaiserlichen Gewalt wuchsen dem Papsttum politische Aufgaben der Verteidigung und der Versorgung von Rom zu, in denen sich Gregor als Stadtherr von Rom bewährte. (..) Erfüllt vom Ethos des gesetzestreuen Römers und des verantwortungsbewußten pater familias der Kirche, war er wirklich ein »consul Dei«, wie ihn das Epitaph ehrend nennt, und faßte somit erfolgreich die »romanitas« und «christianitas« zu neuer Einheit zusammen. J. Richards, [LdM, Sp. 1663 f.]

  Das älteste und umfangreichste seiner Werke, der von ihm selbst »libri morales« genannt, aus 35 Büchern bestehende Hiobkommentar (moralia sive expositio in Iob), entstand aus Predigten, die Gregor vor Mönchen in Konstantinopel gehalten hatte (595). Sie wurden im Mittelalter als »Magna Moralia« immer wieder exzerpiert, kompiliert und kommentiert. Zusammen mit den 22 »homiliae in Ezechielem«, die in der Lateranbasilika gehalten (593) und publiziert wurden (601), begründen diese Schriften Gregors Autorität als Schriftausleger und Moraltheologe, als Vermittler auch augustinischen Denkens. Stil und Allegorie der Kommentare (s. Kommentare zur Bibel) wurden im Mittelalter ebenso bewundert wie nachgeahmt. Die volkstümlich gehaltenen (vermutlich 590/591) 40 »homiliae in Evangelia« sprachen, je eine Evangelienperikope auslegend, breitere Kreise an.
  Auch die vier Bücher umfassenden »Dialogi« (593/594) fanden rasche Popularität. Sie wurden im mittelalterlichen Klosterleben als geistliche Lesung verwendet, zumal das 2. Buch ausschließlich von Benedikt von Nursia handelt und, von jedem gebildeten Mönch gelesen und als maßgebende Darstellung des Ordensvaters geschätzt, in Ausdruck und Gehalt die spätere Hagiographie beeinflußte. Die zahlreichen Wunderberichte und Beispielsammlungen aus dem Leben der Heiligen sprachen an und schufen einen neuen Typ der religiösen Pädagogik. Das 4. Buch behandelt die »Letzten Dinge« des Menschen (Tod, Fegefeuer, Himmel und Hölle). Zahlreiche Jenseitsvorstellungen haben hier ihren Ursprung. (..) Für das Leben der Bischöfe sollte, wie es auf mehreren Synoden des 9. Jahrhunderts hieß, die regula pastoralis (um 591) maßgebend werden. In vier Teilen behandelt die Schrift die Fragen der rechten Vorbereitung und Anforderung des Hirtenamtes, der Art und Weise des Lehrens und Leitens sowie der Methode, wie das rechte Amtsverständnis gepflegt und geschärft werden könne. Kaiser Maurikios ließ noch zu Gregors Lebzeiten die Schrift ins Griechische übersetzen. (..) Das »Registrum epistolarum«, eine Sammlung von 854 Schreiben des Papstes, spiegelt die vielseitige politische, pastorale und theologische Tätigkeit Gregors wider. M. Gerwing, [LdM, Sp. 1664 ff.] [10.1.07]

Isidor von Sevilla
  * Baetica (Südspanien) (?) um 560, † Sevilla 4. April 636
Bischof und Kirchenlehrer. - Seit 600 Erzbischof ebenda; seine »Etymologiae« (auch »Origines« genannt) enthalten enzyklopädisch das gesamte Wissen seiner Zeit und waren im Mittelalter eine Hauptquelle der Kenntnis über Antike und christliches Altertum. Heiliger, Tag: 4.4. [PC-Bib] [3.12.09]
Zitat: Von Abgeschiedenheit.

Beda, genannt Venerabilis [lateinisch »der Ehrwürdige«]
  * bei Wearmouth (Northumberland) um 672/673, † Kloster Jarrow (Durham) 26.5. 735
Englischer Benediktiner und Gelehrter. - Seine auf älteren Gelehrten basierenden Schriften aus allen Wissensgebieten übten einen beherrschenden Einfluss auf das gesamte Geistesleben des Frühmittelalters aus, seine Abhandlungen über die Prinzipien des christlichen Kalenders und zur Berechnung der Osterfeste blieben jahrhundertelang maßgebliche Lehrbücher. Beda führte die christliche Jahres- und Zeitrechnung in die Historiographie ein. Heiliger und (seit 1899) Kirchenlehrer, Tag: 25.5. [PC-Bib] [15.5.04]

Johannes von Damaskus
  * Damaskus zwischen 650 und 670, † vor 754 im Kloster Mar Saba (bei Jerusalem) - Heiliger
Griechischer Theologe und Kirchenlehrer. - Bedeutender Hymnendichter der griechischen Kirche; schuf die theologische Basis für den Entscheid des 7. Ökumenischen Konzils zur Bilderverehrung; Verfasser von ethisch-asketischen, exegetischen und hagiographischen Schriften. Sein Hauptwerk, die "Quelle der Erkenntnis", ist eine grundlegende Darlegung der Glaubenslehre der orthodoxen Kirche. [VoL 6, S. 70; PC-Bib] [14.12.03]

Al Farghani (Latinisiert Alfraganus) Abul Abbas Ahmed Ibn Muhammed Ibn Kathir Al Farghani
  Fergana, † nach 861
Arabischer Astronom. - Lebte und wirkte am Hofe des abbasidischen Kalifen Al Mamun in Bagdad; er verbesserte verschiedene astronomische Berechnungen des Claudius Ptolemäus, bestimmte den Durchmesser der Erde und die Entfernung der Planeten neu und nahm auch für die Planeten eine Präzessionsbewegung an. Seine "Elemente der Astronomie" wurden u.a. im 12. Jahrhundert von Johannes Hispalensis und Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt und von J. Regiomontanus bearbeitet und bis ins 17. Jahrhundert (u.a. von N. Kopernikus) viel benutzt. [VoL 3, S. 705] [14.12.03]

Johannes Scotus Eriugena
  * in Irland (Scotia maior) 1. Viertel des 9. Jahrhunderts, † um 877
Irischer Theologe und Philosoph. - Wirkte um 850 im Reichsteil Karls des Kahlen im Umfeld der Hof- und Kathedralschule von Laon; war Lehrer der freien Künste, Kommentator und Übersetzer von Schriften des Dionysius Areopagita, des Maximus Confessor und des Gregor von Nyssa. In der Frage der Prädestination betonte er gegen Gottschalk von Orbais, ausgehend von der radikalen Freiheit Gottes, die Willensfreiheit des Menschen als Gottes Ebenbild. Johannes's Hauptwerk "De divisione naturae" (deutsch "Über die Einteilung der Natur") ist ein systematischer Gesamtentwurf, in dem christliche Elemente mit neuplatonischen und irisch-keltischen verbunden werden. Es will darstellen, wie alles Sein sich entfaltet: Aus Gott, der Allursache (natura quae creat et non creatur), gehen emanativ die ewigen Ideen hervor (natura quae et creatur et creat), in denen Gott sich und damit die Welt denkt und die ihrerseits als Urbilder für die sinnlich wahrnehmbare Welt fungieren (natura quae creatur et non creat). Ziel dieses Weltprozesses bildet die Rückkehr der gesamten Schöpfung zum göttlichen Ursprung (natura quae nec creat nec creatur). Johannes' Idee der Welt als göttliche Selbstentfaltung führt letztlich zur Identität von Gott und Welt, aus der sich die Eliminierung des Bösen und die Rückkehr der gesamten Schöpfung zum göttlichen Ursprung ergibt. Bemerkenswert sind der dynamische Gottesbegriff, der eine Entwicklung in Gott nicht ausschließt, die positive Einschätzung von Materie, Mensch und Welt sowie die Thematisierung des Problems von Raum und Zeit; methodisch bedeutsam ist die konsequente Anwendung der Logik. Des Monismus verdächtigt, wurde "De divisione naturae" 1210 und 1225 kirchlich verurteilt. Erhebliche Wirkung übte Johannes auf die mittelalterliche Mystik aus, außerdem v.a. im 12. Jahrhundert auf die Schulen von Chartres und von Saint-Victor (Paris) sowie im 15. Jahrhundert auf Nikolaus von Kues. Im 19. Jahrhundert wurde er vom deutschen Idealismus wieder entdeckt. [PC-Bib] [14.6.02]
  Ausgaben:
De divisione naturae (1581, Nachdruck 1964); Periphyseon, herausgegeben von I. P. Sheldon-Williams, auf mehrere Bände berechnet (1968 folgende).
  Literatur:
M. Cappuyns: Jean Scot Erigène, sa vie, son Œuvre, sa pensée (Paris 1933, Nachdruck Brüssel 1964).
G. Schrimpf: Das Werk des Johannes S. E. im Rahmen des Wissenschaftsverständnisses seiner Zeit (1982).
Eriugena redivivus. Zur Wirkungsgeschichte seines Denkens im Mittelalter und im Übergang zur Neuzeit, herausgegeben von W. Beierwaltes (1987).
W. Beierwaltes: Eriugena. Grundzüge seines Denkens (1994).

Ibn Sina (Latinisiert Avicenna)
  * Afschana (bei Buchara) um 980, † Hamadan 1037
Persischer Philosoph und Arzt. - Nach eigenem Zeugnis Autodidakt, beeinflusst durch Aristoteles, Alfarabi und Plotin (durch diesen durch einen neuplatonischen Auszug aus den Enneaden, die im Mittelalter unter dem Titel "Theologia Aristotelis" verbreitet war). Entwickelte den Aristotelismus, speziell in seiner neuplatonischen Fassung, weiter; trennte dabei die Stoff-Form-Unterscheidung von der Potenz-Akt-(Möglichkeit-Wirklichkeit-)Unterscheidung so weit, dass im Stoff (materia) der Möglichkeit nach auch seine Formen (essentiae) bereits enthalten sind. Gott (actus purus) verleiht lediglich allen diesen Formen ihre Wirklichkeit (Existenz).
  Die neue Unterscheidung von Essenz und Existenz (Wesen und Sein) ging durch Vermittlung seines Gegners Wilhelm von Auvergne in die lateinische Scholastik ein und wurde bei Albertus Magnus und Thomas von Aquino zu einer Grundunterscheidung. Ibn Sina vertrat die These, dass die allgemeinen Begriffe (universalia) ante rem mit Rücksicht auf den Weltplan (im Verstande Gottes), in re im Blick auf die Natur und post rem in der menschlichen Erkenntnis da sind. Diese Unterscheidung wurde für den abendländischen Universalienstreit grundlegend.
  Ibn Sina stand mit seiner rationalistischen, den Naturalismus im Aristotelismus weiterführenden Philosophie oft im Gegensatz zur islamischen Orthodoxie, dabei sogar im Bunde mit orientalischer Mystik, z.B. mit den persischen Sufis und mit den "lauteren Brüdern von Basra" (10. Jahrhundert). Die drei großen philosophischen Werke sind die seit dem 12. Jahrhundert in Teilen ins Lateinische übersetzte Enzyklopädie "Asch-Schifa" (Heilung der Seele vom Irrtum; lateinischer Titel "Sufficientia"), die mit Logik, Naturwissenschaften, mathematischen Wissenschaften, Metaphysik die gesamte "theoretische" Philosophie im Sinne des Aristoteles behandelt, das "An-nadja" (die Rettung), eine Zusammenfassung des "Asch-Schifa", und sein reifstes Werk, die vermutlich zeitlich letzte, vierteilige (die mathematischen Wissenschaften sind durch Mystik ersetzt) Abhandlung "Al-ischarat wa at-tanbihat" (Beweise und Behauptungen).
  Die größte Wirkung hatte Ibn Sina als Arzt und Mediziner. Sein in Isfahan beendetes medizinisches Handbuch "Kanun fi attibb" (Kanon der Medizin; lateinische Übersetzung von Gerhard von Cremona im 12. Jahrhundert) löste die Klostermedizin des lateinischen Westens durch wissenschaftliche Verfahren ab und war 700 Jahre lang in Lehre und Praxis bis zum Beginn moderner Medizin (an den europäischen Universitäten vom 12. bis 16. Jahrhundert, teils sogar im 17. Jahrhundert) unbestrittene Autorität. [PC-Bib]
  Ausgaben:
Opera philosophica (1508, Nachdruck 1961); M. Horten: Avicennas Buch der Genesung der Seele (1907, Nachdruck 1960); Livre des directives et remarques (Kitab-al-Isarat wa'l-Tanbihat), übersetzt von A.-M. Goichon (1951); Le livre de science (Danisnama), übersetzt von M. Achéna und anderen, 2 Bände (1955/58); Poème de la médicine (Cantica; persisch, lateinisch und französisch), herausgegeben von H. Jahier u.a. (1956); Psychologie d'Ibn Sina Avicenne d'après son Œuvre As-sifa, übersetzt von J. Bakos, 2 Bände (1956); Avicenna Latinus: Liber de philosophia prima, herausgegeben von S. van Riet, 3 Bände (1977/83). [PC-Bib] [4.7.02]
  Literatur:
A.-M. Goichon: La philosophie d'Avicenne et son influence en Europe médiévale (Paris 1944).
E. Bloch: Avicenna und die aristotelische Linke (Neuausgabe 1963).
G. Verbeke: Avicenna, Grundleger einer neuen Metaphysik (1983).
Études sur Avicenne, herausgegeben von J. Jolivet und R. Rashed (Paris 1984).
K. Flasch: Das philosophische Denken im Mittelalter (1986).

Ibn Gabirol (Salomon ben Jehuda, latinisiert Avicebron, Avencebrol)
  * Málaga um 1021, † Valencia um 1070 (?)
Erster jüdischer Philosoph des Abendlandes. - Er wirkte im arabischen Spanien; als Dichter (Lehrgedicht »Keter Malchut« [»Königskrone«] in Reimprosa) und Philosoph verknüpfte er den neuplatonischen Emanationsgedanken mit dem Hylemorphismus des Aristoteles und jüdischen religiösen Ideen. [PC-Bib] [15.5.04]

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Boethius und Dionysius Areopagita: Wegbereiter des Mittelalters

  Boethius stammte aus einer der angesehensten Familien Roms, deren Mitglieder auch schon in der klassischen Zeit immer wieder höchste politische Ämter bekleidet haben. Auch Boethius (* um 480) stieg unter dem Gotenkönig Theoderich zu großen Ehren auf, wurde sogar alleinregierender Konsul. Trotz des großen Vertrauens, das Theoderich in ihn gesetzt hatte, wurde Boethius in einen Intrigenverdacht hineingezogen und nach mehrmonatiger Haft in Pavia um 524 ohne Gerichtsurteil hingerichtet. Während dieser Zeit schrieb Boethius Weltliteratur. In nicht weniger als 400 Handschriften ist sein "Trost der Philosophie", ein Dialog des Boethius mit der "Frau Philosophia", im Mittelalter überliefert. Im Sturz von den höchsten Ehrenstellen in die Ohnmacht erfuhr er die tröstende Macht der Philosophie. Durch den Christen Boethius wurde dem Mittelalter ein authentischer Begriff von Philosophie vermittelt, durch die das Dasein eines Menschen als Ganzes geprägt werden soll. Boethius behandelt in seinem "Trost" die grundlegenden Fragen einer philosophischen und theologischen Gotteslehre: die Frage der Vorherbestimmung des Menschen, der Vereinbarkeit des göttlichen Vorherwissens mit der Freiheit des Menschen. Boethius wirkte mit seinen theologischen Schriften wegweisend für die Durchführung eines Programms, das er selbst so formuliert hat: "Verbinde, so viel du vermagst, den (religiösen) Glauben mit der Vernunft!" Boethius hat dem Mittelalter zudem eine ganze Reihe klassisch gewordener Definitionen bereitgestellt, etwa: Ewigkeit ist "der ganze, gleichzeitige und vollkommene Besitz eines unbegrenzbaren Lebens"; Glück ist "der Zustand, der durch die Vereinigung aller Güter vollkommen ist". Von besonderer Wichtigkeit wurde Boethius' Definition der Person als des "unteilbaren Wesensbestandes einer geistbegabten Wesenheit".
  Das 12. Jahrhundert, in dem Boethius eine besondere Berücksichtigung fand, hat man mit gewissem Recht das Zeitalter des Boethius ("Aetas boetiana") genannt. Seine Bedeutung für das Mittelalter liegt aber auch darin, dass er - wie namhafte Vertreter des Neuplatonismus - versucht hat, das reiche, nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringende Werk der griechischen Antike als maßgebliche philosophische Instanz zu begründen.
  Boethius machte es sich zur Lebensaufgabe, sämtliche Schriften Platons und des Aristoteles ins Lateinische zu übersetzen und zu kommentieren, um damit zugleich die Vereinbarkeit ihres Denkens unter Beweis zu stellen. Ein solch gigantisches Vorhaben musste angesichts seines frühen Todes Stückwerk bleiben. Viele Fachausdrücke der lateinisch schreibenden Philosophie und Theologie des Mittelalters sind durch Boethius geprägt worden. Im 14. Jahrhundert wurden unter Bezugnahme auf die Trostschrift des Boethius Bücher "Über den Trost der Theologie" geschrieben, und selbst Dante lässt in seiner "Göttlichen Komödie" Thomas von Aquino den Boethius rühmen.
  Kurze Zeit nach dem Tod des Boethius tauchte im östlichen Mittelmeerraum ein rätselhaftes Schrifttum auf. Es schien von einem Athener Ratsherrn zu stammen, jenem Mann, den der Apostel Paulus nach seiner großen Missionsrede vor dem Areopag in Athen bekehren konnte, - ein Schrifttum, das von einem ungeheuren religiösen Impuls beseelt war. Man nannte diesen Autor "Dionysius Areopagita". Heute findet man diesem Namen nicht selten ein "Pseudo-" vorangestellt, weil inzwischen erwiesen ist, dass der Autor erst im letzten Drittel des 5. Jahrhunderts schrieb. Er war Vertreter einer radikalen Form "negativer Theologie". Gott selbst ist für den Menschen unerkennbar, ungeachtet der ergangenen Offenbarung. Wir müssen daher in Negationen reden, wenn wir von Gott sprechen, etwa als "unendlich", "unermesslich", "unveränderlich". Dionysius benutzt dabei durchgängig die Form der Steigerung: überseiendes Sein (weil Gott über alles bestimmbare Sein erhaben sei), Über-Geist. Dionysius hat auch die im Mittelalter klassisch gewordenen drei Phasen des Weges der menschlichen Seele zu Gott beschrieben: den Weg der Reinigung, der Erleuchtung und der Vereinigung. Daher wird Dionysius auch als der "Vater der abendländischen Mystik" bezeichnet. Gott ist für Dionysius einerseits der Unergründliche, der ein in jeder Hinsicht von den endlichen Dingen unterschiedenes Sein hat, andererseits kann - gerade deswegen - alle sinnliche Wirklichkeit zum Gleichnis, zum Symbol des transzendenten Gottes werden. Dionysius hat den für das Selbstverständnis des Mittelalters wesentlichen Begriff der "Hierarchie" geprägt.
  Dionysius stellt in dem gerade durch Boethius geprägten Rationalismus des mittelalterlichen Denkens ein östliches Korrektiv dar. Das Pseudonym des Dionysius war freilich nicht die einzige Fehlidentität. Nachdem seine Schriften erst im 9. Jahrhundert durch eine Schenkung des byzantinischen Kaisers nach Paris und dann in das nahe Kloster nach Saint-Denis gelangt waren, ergab es sich auch noch, dass er mit dem Patron dieser Abteikirche, dem ersten Bischof von Paris und Märtyrer Dionysius, dem späteren Schutzpatron des französischen Königtums, verwechselt wurde. Der überaus schwierige Stil des "Areopagiten" war zugleich der Grund dafür, dass man sie mehrmals neu aus dem Griechischen übersetzte und eingehend kommentierte. Nicht wenige der großen Denker der mittelalterlichen Geistesgeschichte haben Kommentare zu jenen Schriften verfasst, woraus zugleich die Bedeutung des Dionysius für das mittelalterliche Denken ersichtlich ist. Kommentare schrieben etwa: Johannes Scotus Eriugena, Hugo von Sankt Viktor, Robert Grosseteste, Albertus Magnus, Thomas von Aquino.
Prof. Dr. Rolf Schönberger
Lit.: Hage, Wolfgang: Das Christentum im frühen Mittelalter (476-1054). Vom Ende des weströmischen Reiches bis zum west-östlichen Schisma, Göttingen 1993. [PC-Bib] [14.6.02]

Einige Begriffe

Apathie
  [griechisch] die, Philosophie: in der Ethik der Stoa das Freisein von Affekten. [PC-Bib] [8.12.06]

Apokatastasis
  [griechisch »Wiederherstellung«] die, nach Apostelgeschichte 3,21 ("So tut nun Buße und bekehrt euch, daß eure Sünden ausgetilgt werden, damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn") die Erfüllung aller göttlichen Verheißungen in der Endvollendung und die daraus gezogene Konsequenz, dass alle Menschen einst ewig gerettet werden (»Allversöhnung«). Anhänger waren u.a. Origenes, J.H. Jung-Stilling und F.D.E. Schleiermacher. Die Apokatastasis wird in der christlichen Glaubenslehre weitgehend abgelehnt. [PC-Bib] [15.5.04]

Ataraxie
  [griechisch] die, Freiheit von seelischen Erschütterungen und Lust der Ruhe: der zu erstrebende Seelenzustand im Hedonismus des Epikur. [PC-Bib] [8.12.06]

Form
  [lateinisch forma »(äußere) Gestalt«], Philosophie: Zentralbegriff besonders der Metaphysik und Erkenntnistheorie. In Aristoteles' Stoff-Form-Metaphysik (Hylemorphismus) determiniert die Form (morphe) das Substrat, den Stoff, zu einem bestimmten Seienden; Seiendes ist Geformtsein, alles Werden Formempfangen, alles Vergehen Formverlieren. Dieser Formbegriff hat über Augustinus, Thomas von Aquin und Immanuel Kant Auswirkungen bis in die Moderne. [PC-Bib] [15.5.04]

Hylemorphismus
  [griechisch], auf Aristoteles' Metaphysik zurückgehende Lehre, in der das von Natur aus Seiende als das sich Verändernde erklärt wird: Das, woran eine Veränderung geschieht, ist die Materie, der Stoff (Hyle), das, was in der Veränderung wechselt, die Form (Morphe). [PC-Bib] [15.5.04]

Hypostase
  [Griechisch "Grundlage"]. Philosophie: (Hypostasis), Verdinglichung oder Personifizierung von Eigenschaften oder Begriffen. Religionswissenschaft: Bezeichnung für die Personifizierung göttlicher Attribute. [PC-Bib] [14.12.03]

Hypostatische Union
  (Lateinisch Unio hypostatica). Christliche Theologie: aus der christologischen Diskussion der Alten Kirche erwachsene Bezeichnung für die Einheit der zwei Naturen (menschlich und göttlich) in Jesus Christus; dogmatisch als Glaubenssatz "zwei Naturen in einer Hypostase" definiert (vgl. Zweinaturenlehre). [PC-Bib] [14.12.03]

Materie
  [lateinisch] die, Philosophie: in Aristoteles' Hylemorphismus als »erste Materie« der unbestimmte, allem Werden und Vergehen zugrunde liegende Urstoff (Materialursache); im Neuplatonismus die letzte Stufe der Emanation des Ureinen, als dessen Gegenpol das Prinzip des Bösen. Auf Aristoteles zurückgreifend, gilt der Scholastik die Materie als das gänzlich Unbestimmte (Materia prima) beziehungsweise als das bereits Geformte, weiterer Formung jedoch Fähige (Materia quantitate signata), damit als Individuationsprinzip (Potenz). Vom Verhältnis der Materie zu Form, Zweck, Potenz absehend, konzentriert sich die moderne Wissenschaft auf den quantifizierbaren Gehalt der Materie (Körperlichkeit, Masse, Trägheit). [PC-Bib] [15.5.04]

Materialursache
  (Causa materialis), in der Philosophie des Aristoteles und der Scholastik das dem konkret Seienden zugrunde liegende Substrat, das, selbst unbestimmt, erst durch die Form Gestalt gewinnt. [PC-Bib] [15.5.04]

Monismus
  [Griechisch mónos »allein«, »einzig«] der, im Unterschied zum Dualismus und Pluralismus jede philosophische oder religiöse Auffassung, die Bestand oder Entstehung der Welt aus einem Stoff oder aus einem Prinzip allein erklären will. Der ontologische Monismus ist Materialismus (Materie als Prinzip) oder Idealismus beziehungsweise Spiritualismus (Geist als Prinzip). Der erkenntnistheoretische Monismus erblickt z.B. in den Empfindungselementen (so E. Mach) den Stoff, der je nach Gesichtspunkt als physikalisches oder psychologisches Objekt erscheint. [PC-Bib] [23.11.04]

Potenz
  [lateinisch] die, Philosophie: Möglichkeit, Vermögen, innewohnende Kraft. Von Aristoteles und von der Scholastik wird Potenz (griechisch dynamis) vom Akt (der Wirklichkeit eines Seienden, griechisch energeia) unterschieden. [PC-Bib] [15.5.04]

Privation
  [lateinisch »Befreiung«, »Ermangelung«] die, Begriff der aristotelischen Philosophie und der Scholastik: neben Form und Materie das dritte Prinzip, die gemeinsam das Werden ermöglichen sollen: das Verlieren einer Eigenschaft, die dem sich verändernden Gegenstand bislang zukam. [PC-Bib] [15.5.04]